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Entscheidung 11 W 4/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 23.06.2021
Aktenzeichen 11 W 4/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0623.11W4.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I.

Auf das als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel der Beschwerdeführer vom 26. 11.2020 (GA IV 811 ff.) wird die durch den Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18.11.2020 (GA IV 805, 806) - 14 O 174/18 - angeordnete und im landgerichtlichen Nichtabhilfebeschluss vom 29.01.2021 (GA IV 954 ff.) bestätigte Geheimhaltungsanordnung betreffend den Kläger und seine Prozessbevollmächtigten aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Anregung der Beklagten, eine Geheimhaltungsverpflichtung auszusprechen, an die Vorinstanz zurückverwiesen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens bleibt dem Landgericht Frankfurt (Oder) vorbehalten.

Gründe

I.

Ohne Niederschrift tatsächlicher Feststellungen

(analog § 313a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 540 Abs. 2 und § 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO;

vgl. Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 313a Rdn. 5, m.w.N.).

II.

Obwohl die angefochtene Entscheidung (GA IV 805, 806) vom Landgericht Frankfurt (Oder) durch eine Einzelrichterin getroffen wurde, entscheidet das Brandenburgische Oberlandesgericht als Beschwerdeinstanz in der regelmäßigen Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG, weil der originäre Einzelrichter das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO mit Beschluss vom 10.06.2021 (GA IV 1035 f.) auf den Senat als Kollegium übertragen hat.

III.

A. Das Rechtsmittel des Klägers und seines ebenfalls am 18.11.2020 im Termin der mündlichen Verhandlung erster Instanz (Protokoll GA IV 805 ff.) zugegen gewesenen anwaltlichen Vertreters ist sowohl an sich statthaft als auch im Übrigen zulässig. Gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Amts- und Landgerichte, mit denen Personen gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG die Geheimhaltung von Tatsachen zur Pflicht gemacht wurde, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, findet in einem Zivilprozess wie hier laut § 174 Abs. 3 Satz 3 f. GVG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die sofortige Beschwerde statt (vgl. BLHAG/Becker, ZPO, 79. Aufl., GVG § 174 Rdn. 8; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 174 Rdn. 30; MüKoZPO/Zimmermann, 5. Aufl., GVG § 174 Rdn. 15; Steinert/Theede/Knop, HRP Zivilprozess, 9. Aufl., Kap. 4 Rdn. 54; Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl., GVG § 174 Rdn. 5). Diese wurde im Streitfalle für beide Rechtsmittelführer form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO). Beschwerdeberechtigt ist – unabhängig von seiner prozessualen Stellung im Ausgangsverfahren – (zumindest) jeder, den das Schweigegebot betrifft und dem dadurch neue Verpflichtungen auferlegt worden sind (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 8/20, Rdn. 16, juris = BeckRS 2020, 27950; BeckOK-GVG/Allgayer, 11. Ed., § 174 Rdn. 16; Mayer aaO; weitergehend [auch die anwaltlich vertretene, selbst nicht anwesende Partei] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.02.2020 - 12 W 24/19, juris Rdn. 18 ff. = BeckRS 2020, 1927 Rdn. 16 ff.; Beschl. v. 29.06. 2020 - 12 W 5/20, Rdn. 15 ff., juris = BeckRS 2020, 15497). Eines Mindestbeschwerdewerts bedarf es für die Zulässigkeit der Anfechtung von Beschlüssen der vorliegenden Art nicht (arg. e c. § 567 Abs. 2 ZPO). Ebenso wenig besteht ein – für den Fall seiner Nichtbefolgung mit der Sanktion der Verwerfung als unzulässig verknüpfter – Zwang zur Begründung des Rechtsmittels innerhalb vorgegebener Frist, wie er beispielsweise nach § 520 i.V.m. § 522 Abs. 1 ZPO in einem zivilprozessualen Berufungsverfahren existiert (arg. § 571 Abs. 1 und § 572 Abs. 2 ZPO; vgl. dazu BeckOK-ZPO/Wulf, 40. Ed., § 571 Rdn. 1; MüKoZPO/Hamdorf, 6. Aufl., § 571 Rdn. 4 ff.).

B. In der Sache selbst hat das eingelegte Rechtsmittel insoweit Erfolg, als es zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Angelegenheit an das Landgericht führt (§ 572 Abs. 3 ZPO). Denn die im Streitfall von der Vorinstanz getroffene Geheimhaltungsanordnung kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil sie sich als zu unbestimmt erweist. Eine Behebung dieses Mangels durch den Senat als Beschwerdegericht ist aus tatsächlichen und prozessualen Gründen nicht möglich. Allerdings kann die Zivilkammer – in einem weiteren Termin der mündlichen Verhandlung erster Instanz – erneut über die Anregung der Rechtsmittelgegnerin, ein Schweigegebot zu verhängen, entscheiden, falls dort wiederum geheim zu haltende Unterlagen erörtert werden sollten (so BGH, Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 8/ 20, Rdn. 25, juris = BeckRS 2020, 27950). Eine vollumfängliche Ablehnung des Begehrens der Beklagten kommt beim derzeitigen Sach- und Streitstand indes nicht in Betracht; auch die sofortige Beschwerde geht – im Einklang mit der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.2015 - IV ZR 272/15, LS und Rdn. 9 ff., juris = BeckRS 2015, 20932; Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 4/20, Rdn. 20, juris = BeckRS 2020, 27306; jeweils m.w.N.; ferner [zur Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG] BAG, Urt. v. 23.04.1985 - 3 AZR 548/82, LS 3, juris Rdn. 43 f. = BeckRS 9998, 1490 48) – davon aus, dass private Krankenversicherer in Rechtsstreitigkeiten betreffend die (gerichtliche Überprüfung der) Anpassung von Prämien in der Krankenversicherung nach § 203 VVG wie hier ein – jedenfalls potenzielles – Geheimhaltungsinteresse an ihren technischen Berechnungsgrundlagen haben, weil daraus weitreichende Schlüsse – speziell hinsichtlich der Kalkulation der einzelnen Tarife – gezogen werden können (GA IV 811 f. und 837 f.). Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Nach § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG kann das Gericht, wenn die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit (§ 172 Nr. 1 Alt. 1 GVG) oder aus den in § 171b (Schutz der Privatsphäre) beziehungsweise § 172 Nr. 2 und 3 GVG (Schutz wichtiger wirtschaftlicher oder persönlicher Geheimnisse) bezeichneten Gründen ausgeschlossen worden ist, den Anwesenden die Geheimhaltung von Tatsachen zur Pflicht machen, die durch die Verhandlung oder ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche – über den vorherigen Ausschluss der Öffentlichkeit hinausgehende – öffentlich-rechtliche Maßnahme zum Schutze bestimmter Arten von geheimhaltungsbedürftigen Umständen, insbesondere von amtlichen oder privaten Geheimnissen, die aus rechtlichen Gründen im Rahmen des jeweiligen Prozesses mitgeteilt werden müssen und von denen die an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Personen erfahren; sie steht im pflichtgemäßen Ermessen des Prozessgerichtes und setzt keinen formellen Antrag eines Verfahrensbeteiligten voraus (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 14.10. 2020 - IV ZB 4/20, Rdn. 32 ff., juris = BeckRS 2020, 27306; Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 8/20, Rdn. 11 ff. und 16, juris = BeckRS 2020, 27950). Da die Verletzung des Schweigegebots gemäß § 353d Nr. 2 StGB (Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen) mit Kriminalstrafe bedroht ist, müssen die geheim zu haltenden Tatsachen in dem die Verschwiegenheitspflicht begründenden Gerichtsbeschluss konkret und so genau bezeichnet werden, dass die Bestimmtheit des Tatbestandes der Blankettvorschrift gewährleistet ist und die Grenzen der Strafbarkeit erkennbar sind (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.02.2020 - 12 W 24/19, LS 3, juris Rdn. 30 = BeckRS 2020, 1927 Rdn. 28; Beschl. v. 29.06.2020 - 12 W 5/20, Rdn. 41, juris = BeckRS 2020, 15497; BeckOK-GVG/Allgayer, 11. Ed., § 174 Rdn. 16; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 353d Rdn. 7 f.; HK-StrafR/Schmedding, 4. Aufl., StGB § 353d Rdn. 5; LK-StGB/Vormbaum, 12. Aufl., § 353d Rdn. 25 und 28; ferner MüKoStGB/Puschke, 3. Aufl., § 353d Rdn. 40; KK-StPO/Diemer, 8. Aufl., GVG § 174 Rdn. 6; NK-StGB/Kuhlen, 5. Aufl., § 353d Rdn. 23). Zumindest in den Konstellationen von § 172 Nr. 2 und 3 GVG darf die Geheimhaltungsananordnung nicht nur gegenüber sämtlichen Personen en bloc ausgesprochen werden, die während der nichtöffentlichen Verhandlung zugegen sind, sondern durch das Prozessgericht – nach pflichtgemäßem Ermessen – auch auf einzelne davon beschränkt werden (so BGH [IV ZB 4/ 20] aaO LS 2 und Rdn. 24 ff.). Dagegen kann Abwesenden nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, der – bestärkt durch Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 19.12.2002 - 2 BvR 666/02, Rdn. 23 ff., juris = BeckRS 2003, 21388) – Analogien ausschließt, keine wirksame Schweigeverpflichtung auferlegt werden, selbst wenn sie formell Prozessbeteiligte sind (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 18.01.2021 - 4 W 937/ 20, LS 1 und Rdn. 8, juris = BeckRS 2021, 884; Beschl. v. 03.02.2021 - 4 W 935/20, LS 1 und Rdn. 8, juris = BeckRS 2021, 3459; OLG Karlsruhe aaO [12 W 24/19] Rdn. 19 und [12 W 5/20] Rdn. 16; BLHAG/Becker, ZPO, 79. Aufl., GVG § 174 Rdn. 7; HK-StrafR/Schmedding aaO; LK-StGB/Vormbaum aaO Rdn. 31; Perron/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 353d Rdn. 26; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., GVG § 174 Rdn. 13).

2. Im Streitfall hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.11.2020 „gemäß § 174 Abs. 3 GVG ... dem Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten die Geheimhaltung der Tatsachen zur Pflicht gemacht, die ihnen durch die von der Beklagtenpartei überreichten Unterlagen, soweit sie in der Liste der Anlage BLD 19 als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet und durch die heutige mündliche Verhandlung Gegenstand wurden, zur Kenntnis gelangen“ (GA IV 805, 806). Da für den Beschwerdeführer zu 1) in dem entsprechenden Termin – ausweislich des Protokolles (GA IV 805) – allein der Beschwerdeführer zu 2) als anwaltlicher Vertreter zugegen war, geht das verhängte Schweigegebot in personeller Hinsicht über das gesetzlich Zulässige hinaus. Denn Anwälten, die zwar Partner der – als solche prozessbevollmächtigten (§ 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 PartGG) – … Rechtsanwälte mbB sind oder das klägerische Mandat dort als Angestellte bearbeiten, aber während der Zeit, in der am 18.11.2020 vor der Zivilkammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurde, nicht anwesend waren, konnte und durfte die Vorinstanz – wie oben erörtert – keine Geheimhaltungsverpflichtung auferlegen.

Ob die von der Beschwerdegegnerin im Konvolut eingereichten – aus ihrer Sphäre als juristischer Person des Privatrechts stammenden – Dokumente allein dadurch zu amtlichen Schriftstücken im Sinne des Gesetzes geworden sind, dass sie bestimmungsgemäß für Zwecke des vorliegenden Rechtsstreits zu den gerichtlichen Prozessakten genommen wurden, erscheint problematisch und ist keineswegs unumstritten (bejahend OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.02.2020 - 12 W 24/19, juris Rdn. 23 = BeckRS 2020, 1927 Rdn. 21; Beschl. v. 29.06.2020 - 12 W 5/20, Rdn. 21, juris = BeckRS 2020, 15497; ähnlich zu § 17 Reichspressegesetz für Schriftsätze der Verteidigung in einem Verfahren nach der Militärstrafgerichtsordnung von 1898 RG, Urt. v. 03.06.1902 - Rep. II. 1680/02, RGSt 35, 275 f.; ferner Perron/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 353d Rdn. 13; verneinend Heger in Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 353d Rdn. 4; LK-StGB/Vormbaum, 12. Aufl., § 353d Rdn. 46; NK-StGB/Kuhlen, 5. Aufl., § 353d Rdn. 9 f. und 20; differenzierend Fischer, StGB, 68. Aufl., § 353d Rdn. 6; HK-StrafR/Schmedding, 4. Aufl., StGB § 353d Rdn. 4). Hier kann die Beantwortung dieser Frage derzeit offenbleiben, weil das Landgericht nicht auf die Amtlichkeit der Dokumente abgestellt und das Schweigegebot – durch die Konjunktion „soweit“ – mit einem Restriktivsatz gleich in doppelter Weise eingeschränkt hat: Es gilt nur in dem Umfange, in dem erstens die Beklagte die Geheimhaltungsbedürftigkeit der sich aus den Unterlagen ergebenden Tatsachen laut ihrer Auflistung gemäß Anlage BLD 19 geltend macht und zweitens die Dokumente durch die mündliche Verhandlung am 18. 11.2020 (zu deren) Gegenstand geworden sind.

Inwieweit Letzteres wann geschehen ist, lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Denn dies folgt hier weder aus dem angegriffenen Beschluss selbst noch sonst aus dem Terminsprotokoll. Freilich beinhaltet die vorbehaltlose Antragstellung mit anschließender Verhandlung in aller Regel eine – zumindest stillschweigende – Bezugnahme i.S.d. § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO auf den gesamten bis zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Inhalt der Prozessakten einschließlich beigebrachter Dokumente aller Art (so Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 137 Rdn. 3 f. m.w.N.). Im Streitfall besteht indes die Besonderheit, dass – ausweislich des Protokolles (GA IV 805, 806) – während des maßgeblichen Zeitabschnitts, in dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, weder Anträge gestellt noch Dokumente übergeben worden sind. Hinzu kommt, dass die Konjunktion „soweit“ sehr deutlich für eine Restriktion spricht und es im angefochtenen Beschluss ferner heißt, weiterer Einschränkungen bedürfe es vorerst nicht. Im Übrigen legt die Beklagte nach wie vor großen Wert darauf, dass der Kläger und sein anwaltlicher Vertreter die sogenannten Treuhänderunterlagen nicht erhalten, bevor der Geheimhaltungsbeschluss rechtskräftig geworden ist (GA IV 964, 965).

3. Für das weitere Verfahren betreffend die Entscheidung über die Verhängung eines Schweigegebots gemäß § 174 Abs. 3 GVG weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

a) Eine Geheimhaltungsanordnung darf lediglich dann erlassen werden, wenn die Öffentlichkeit der Verhandlung aus den im Gesetz näher bezeichneten Gründen ausgeschlossen ist. Dies geschieht – wovon sowohl die Zivilkammer als auch die Parteien und ihre Vertreter zutreffend ausgehen – nach dem ganz eindeutigen Wortlaut von § 171b, § 172 und § 174 Abs. 1 GVG nicht ipso jure, sondern setzt einen eigenständigen gerichtlichen Beschluss darüber voraus (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.2015 - IV ZR 272/15, Rdn. 11, juris = BeckRS 2015, 20932). Letzterer kann – anders als eine Schweigeverpflichtung gemäß § 174 Abs. 3 GVG – nur inzidenter mit der instanzabschließenden Entscheidung in der Hauptsache und nicht isoliert mit sofortiger Beschwerde angefochten werden (arg. § 547 Nr. 5 ZPO; arg. e c. § 174 Abs. 3 Satz 3 GVG; vgl. OLG München, Beschl. v. 02.07.2010 - 21 W 1347/10, juris Rdn. 3 = BeckRS 2010, 16771; ferner OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 04.10.1993 - 3 WF 107/93, BeckRS 2011, 5766 = FamRZ 1994, 1400, 1401; ebenso BLHAG/Becker, ZPO, 79. Aufl., GVG § 174 Rdn. 5; Jacobs in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., GVG § 174 Rdn. 7; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 174 Rdn. 18 f.; MüKoZPO/Zimmermann, 5. Aufl., GVG § 174 Rdn. 11 f.; Schreiber in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., GVG § 174 Rdn. 7; Steinert/Theede/ Knop, HRP Zivilprozess, 9. Aufl., Kap. 4 Rdn. 54; Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl., GVG § 174 Rdn. 2). Hieraus ergibt sich, dass das Gericht zweiter Instanz im Rahmen einer sofortigen Beschwerde nach § 174 Abs. 3 Satz 3 GVG nicht zu prüfen hat, ob der Ausschluss der Öffentlichkeit zu Recht erfolgt ist; hinsichtlich der Sache selbst unterliegt – im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes – nur der Kontrolle, ob im Ausgangsverfahren ein wirksamer (und nicht rechtsmissbräuchlicher [vgl. BGH aaO]) Öffentlichkeitsausschluss stattgefunden hat sowie ob und in welchem Umfange es – gemäß pflichtgemäßem richterlichen Ermessen (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 4/20, Rdn. 21, juris = BeckRS 2020, 27306) – des zusätzlichen Schutzes, für den ein Geheimhaltungsgebot sorgt, unter Abwägung aller berechtigten Interessen im Streitfalle bedarf. Nicht anzuerkennen ist, wie der Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. BGH aaO Rdn. 22), das etwaige Anliegen anwaltlicher Vertreter, der Mandantschaft günstige Informationen aus dem einen Rechtsstreit auch in Prozessen anderer Auftraggeber verwenden zu können, wobei es ohnehin nicht auf die Identität der in den eigenständigen Verfahren vorgelegten Unterlagen ankommt. Im Übrigen schließt weder § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG noch § 353d StGB die rein persönliche Nutzung zur Kenntnis erlangter Tatsachen – ohne deren Offenbarung im Rechtssinn – durch den zur Verschwiegenheit Verpflichteten selbst aus, etwa um sich zu entscheiden, ob gegnerischer Vortrag in einer anderen Sache bestritten werden soll (vgl. Begr. z. Entw. d. BReg. für ein Ges. zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, BT-Drucks. 19/4724, S. 19, 27 und 35; BGH aaO; ferner generell zum Verhältnis von Nutzung und Offenlegung KBF/Alexander, UWG, 39. Aufl., GeschGehG § 4 Rdn. 38 f.).

b) Im Rahmen des § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG kommt es in Konstellationen der vorliegenden Art nicht darauf an, dass jede geheim zu haltende Tatsache, die den Anwesenden durch die Verhandlung oder ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zur Kenntnis gelangt, schon für sich genommen – im Bestreitensfalle voll erwiesen – ein Geheimnis nach dem Verständnis von § 172 Nr. 2 oder 3 GVG darstellt. Denn die Vorschrift dient speziell in einem Zivilprozess wie hier dazu, rasch einen angemessenen Interessenausgleich zwischen beiden Prozessparteien zu finden, um ihnen – in der Sache selbst – einen möglichst umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz gewähren zu können (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.2015 - IV ZR 272/15, LS und Rdn. 9, juris = BeckRS 2015, 20932; Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 4/20, Rdn. 20 und 33, juris = BeckRS 2020, 27306). Dieses Ziel ließe sich nicht verwirklichen, wenn die Anregung einer Seite, aus Gründen des Geheimnisschutzes die Öffentlichkeit auszuschließen und ein Schweigegebot zu verhängen, zur Konsequenz hätte, dass in streitigen Fällen zunächst umfassend und aufwändig darüber Strengbeweis erhoben werden müsste, bei welchen der oftmals sehr umfangreichen Tatsachen die Voraussetzungen des – im Gesetz selbst nicht definierten – Geheimnisbegriffs vorliegen. Da § 2 Nr. 1 GeschGehG bereits nach seinem ausdrücklichen Wortlaut lediglich eine Definition für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes enthält, durch das – in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben – im Kern (von § 23 GeschGehG abgesehen) mit privatrechlichen Mitteln der Geheimnisschutz unter Privatpersonen gewährleistet werden soll, und § 1 Abs. 2 GeschGehG explizit den Vorrang der öffentlich-rechtlichen Geheimhaltungsvorschriften normiert, begegnet es keinen Bedenken, dass sich das Landgericht in diesem Kontext an dem – nicht deckungsgleichen – Begriff des Geschäftsgeheimnisses orientiert hat, der in der bisherigen Judikatur entwickelt worden ist (vgl. dazu Begr. z. Entw. d. BReg. für ein Ges. zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, BT-Drucks. 19/ 4724, S. 19, 23 f.; BGH, Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 8/20, Rdn. 14, juris = BeckRS 2020, 27950; KG, Beschl. v. 10.11.2020 - 6 W 1029/20, juris Rdn. 22 f. = BeckRS 2020, 31170 Rdn. 20 f.; BeckOK-GeschGehG/Hiéramente, 7. Ed., § 1 Rdn. 6 und Rdn. 7.1). Um dem Sinn und Zweck des § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG gerecht zu werden, muss es regelmäßig genügen, dass es sich bei den geheim zu haltenden Tatsachen um grundsätzlich schutzwürdige Geschäftsinterna handelt, für die die betreffende Prozesspartei ein anerkennenswertes Geheimhaltungsinteresse, an das keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen und das sich nicht auf die technischen Berechnungsgrundlagen an sich beschränkt, hinreichend dargelegt hat, und wenn dieses Interesse – aus der Sicht des Gerichtes – unter Berücksichtigung aller Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht; dabei bleibt zu berücksichtigen, dass es nicht immer sinnvoll und praktikabel ist, aus Einzeldokumenten, die eine Vielzahl von innerlich und äußerlich miteinander verbundenen Daten enthalten, welche ein Ganzes bilden, nicht geheimhaltungswürdige Bestandteile herauszufiltern, und dass die Schutzwürdigkeit von Informationen – speziell in Serienprozessen wie hier – nicht schon dann entfällt, wenn sie zuvor in anderen Verfahren einem beschränkten Personenkreis bekannt geworden sind, der keiner Verschwiegenheitspflicht unterliegt (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 18.01.2021 - 4 W 937/20, Rdn. 12 ff., juris = BeckRS 2021, 884; KG aaO Rdn. 11 ff.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.06.2020 - 12 W 5/20, Rdn. 22 ff., juris = BeckRS 2020, 15497; zu den Anforderungen bei § 16 GeschGehG vgl. KBF/Alexander, UWG, 39. Aufl., GeschGehG § 16 Rdn. 22 ff.).

C. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, speziell die Anwaltskosten der Beteiligten in Gestalt von Gebühren (RVG-VV Nr. 3500) und Auslagen, wird die Zivilkammer bei ihrer erneuten Entscheidung zu befinden haben, weil der Kostenausspruch prinzipiell einheitlich erfolgen muss und gegenwärtig noch nicht feststeht, welche Seite letztendlich inwieweit unterlegen sein wird (vgl. dazu Ball in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 572 Rdn. 24 a.E.; BeckOK-ZPO/Wulf, 40. Ed., § 572 Rdn. 26; HK-ZPO/Koch, 9. Aufl., § 572 Rdn. 17 a.E. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 97 Rdn. 9 i.V.m. Reichold, ebd., § 572 Rdn. 24; MüKoZPO/Hamdorf, 6. Aufl., § 572 Rdn. 41 f.; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 572 Rdn. 47). Eine Kostentrennung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn das jeweilige Rechtsmittel – was im Streitfall derzeit jedoch offen ist – vollumfänglich erfolglos bleibt (vgl. Hüßtege aaO Rdn. 2 und 8; ferner Zöller/Herget aaO, § 97 Rdn. 7). Beschwerden der vorliegenden Art betreffen keinen Zwischenstreit, dessen Kosten zur jeweiligen Hauptsache gehören; es handelt sich hier – anders als etwa bei einem erfolgreichen Rechtsmittel gegen die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 01. 06.2006 - IX ZB 33/04, Rdn. 2, juris = BeckRS 2006, 8636) – nicht bloß um einen rein verfahrensleitenden Beschluss, der von der Hauptsache untrennbar ist. Dagegen spricht schon, dass zu den gemäß § 174 Abs. 3 Satz 3 GVG Beschwerdeberechtigten Personen gehören können, die weder selbst Prozesspartei sind noch sich einer der beiden Seiten zuordnen lassen. Auch die unlängst in diesem Kontext ergangenen Entscheidungen des BGH, Beschl. v. 14.10. 2020 - IV ZB 4/20 (juris = BeckRS 2020, 27306) und Beschl. v. 14. 10.2020 - IV ZB 8/20 (juris = BeckRS 2020, 27950), enthalten im Tenor einen Kostenausspruch.

D. Die Rechtsbeschwerde kann vom Senat nicht zugelassen werden, weil – was inzwischen höchstrichterlich geklärt ist – laut dem Gesetz kein (separates) Rechtsmittel stattfindet, wenn das Gericht davon absieht, eine Geheimhaltungsverpflichtung anzuordnen; dies gilt selbst dann, wenn – wie hier – erst das Beschwerdegericht in zweiter Instanz eine solche Entscheidung trifft, indem es das im ersten Rechtszug erlassene Schweigegebot aufhebt (arg. e c. § 174 Abs. 3 Satz 3 GVG; vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2020 - IV ZB 8/20, Rdn. 7 ff. [22 f. m.w.N.], juris = BeckRS 2020, 27950). Rechtsmittel, die vom Gesetz nicht vorgesehen sind beziehungsweise sich gegen danach unanfechtbare Entscheidungen richten, werden durch ihre (irrtümliche) Zulassung keineswegs statthaft; Bestimmungen, wie sie speziell in § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu finden sind, entfalten Bindungswirkung nur hinsichtlich des Vorliegens eines gesetzlichen Zulassungsgrundes (so BGH aaO Rdn. 8 m.w.N.).

E. Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes für das Beschwerdeverfahren ist in Fällen der vorliegenden Art entbehrlich, weil wertabhängige Gerichtsgebühren gemäß GKG-KV Nr. 1812 in Verfahren über (sofortige) Beschwerden nach § 174 Abs. 3 Satz 3 f. GVG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht anfallen können (vgl. dazu BDZ/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl., GKG-KV Nr. 1812 Rdn. 1; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 567 Rdn. 59). Eine Gegenstandswertfestsetzung für die Gebühren der Rechtsanwälte hat lediglich auf besonderen Antrag und in einem separaten Verfahren zu erfolgen (arg. § 33 Abs. 1 RVG; vgl. dazu Enders in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 33 Rdn. 7; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 33 Rdn. 8 f.).