Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 9 WF 112/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 01.07.2021
Aktenzeichen 9 WF 112/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0701.9WF112.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Vaters gegen den (Ordnungsgeld-)Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 6. April 2021 - Az. 5 F 53/20 (2) - wird zurückgewiesen.

2.  Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Vater zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 600 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Vaters gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Familiengerichts vom 6. April 2021 ist statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Die allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ahndung der Zuwiderhandlungen des Vaters gegen die - hinreichend bestimmte - gerichtliche Umgangsregelung in dem Beschluss des erkennenden Senats vom 26. Oktober 2020 - Az. 9 UF 91/20 - liegen vor. Dieser Beschluss enthält zu Ziffer II. des Tenors auch den nach § 89 Abs. 2 FamFG erforderlichen Hinweis auf die mögliche Sanktionierung schuldhafter Zuwiderhandlungen.

Unstreitig hat der Vater entgegen der gerichtlichen Umgangsregelung weder den Weihnachtsumgang vom 24. bis zum 30. Dezember 2020 noch die regelmäßigen Wochenendumgänge vom 15. bis 17. Januar 2021 und vom 29. bis 31. Januar 2021 wahrgenommen. Dadurch hat er gegen die ihn verpflichtende Regelung zur Wahrnehmung der gerichtlich geregelten Umgänge verstoßen. Der Anwendungsbereich des § 89 Abs. 1 FamFG für die Vollstreckung des Umgangstitels durch Festsetzung eines Ordnungsmittels ist daher eröffnet.

Soweit der Vater meint, die Ausgestaltung von § 89 Abs. 1 FamFG als „Kann-Bestimmung“ gebiete im konkreten Fall das Absehen von der Verhängung eines Ordnungsmittels, weil die zwangsweise Durchsetzung einer Umgangsverpflichtung gegen den umgangsunwilligen Elternteil letztlich mit dem Kindeswohl nicht vereinbar sei, kann er damit keinen Erfolg haben. Dies ist augenfällig für den noch am 24. Dezember 2020 abgebrochenen Weihnachtsumgang. Der Vater war 150 km angereist und hatte das Kind zur Durchführung des Umgangs abgeholt. Er war also ganz offensichtlich keineswegs umgangsunwillig, Nichts anderes gilt für die weiter abgesagten Umgänge an den beiden Januarwochenenden, die er jeweils kurz zuvor gegenüber der Mutter mit der unveränderten Corona-Situation begründete. Von einer grundlegenden Umgangsunwilligkeit des Vaters kann danach keine Rede sein. Der Vater hat vielmehr einzelne Umgänge unter Anführung konkreter Gründe abgesagt, wie er selbst zutreffend noch in der Erwiderung vom 23. Februar 2021 angeführt hat. In der Folgezeit sind dann die Umgangskontakte auch wieder umgesetzt worden, wie der Vater in der Beschwerdebegründung ebenfalls selbst darstellt, nach dem weiteren Akteninhalt bis Mai 2021. Auch das streitet gegen die Annahme, der Vater lehne Umgänge mit der Tochter grundsätzlich ab mit der Folge, dass nicht (mehr) davon auszugehen ist, dass ein nur noch erzwungener Umgang mit dem Wohl M… nicht zu vereinbaren wäre.

Ist aber dem Vater weiterhin zuzumuten, mit seiner Tochter persönlichen Umgang zu pflegen, ist diese Umgangsverpflichtung auch im Wege der Vollstreckung durchzusetzen.

Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt nach § 89 Abs. 4 FamFG allerdings (nur) dann, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Da das Verschulden des Umgangspflichtigen vermutet wird, hat dieser die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen, im Einzelnen darzulegen. Gelingt es dem Verpflichteten nicht, detailliert zu erläutern, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommen ein Absehen von der Festsetzung des Ordnungsmittels oder dessen nachträgliche Aufhebung nicht in Betracht (vgl. BGH FamRZ 2015, 2147). Im Streitfall sind tragfähige Gründe, die den vorzeitigen Abbruch bzw. den Ausfall der zitierten Umgangskontakte rechtfertigen könnten, nicht festzustellen.

Soweit er sich hinsichtlich des Abbruchs des Weihnachtsumgangs auf eine entsprechende Willensbekundung des Kindes selbst beruft, ist das unbehelflich. Beruft sich ein Elternteil nach Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsentscheidung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird ein fehlendes Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn der umgangspflichtige Elternteil im Einzelfall darlegt, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen (vgl. Dazu BGH a.a.O. m.w.Nw.). Das muss erst recht gelten, wenn - wie im Streitfall - die Tochter bereitwillig in das Fahrzeug des Vaters gestiegen ist, um den Weihnachtsumgang mit ihm zu verbringen. Unter den obwaltenden Umständen ist es mehr als naheliegend, dass in der Person oder dem Verhalten des Vaters (und/oder deren Lebensgefährtin gelegentlich des zwischen ihnen unstreitig in Anwesenheit der Tochter geführten Telefonats) die Gründe für den - offenkundig evozierten und nicht ansatzweise kindgerecht und sensibel hinterfragten - Wunsch M… nach Rückkehr in den mütterlichen Haushalt zu suchen sind. Damit aber kann sich der Vater nicht exkulpieren.

Nichts anderes gilt für die kurzfristig unter Hinweis auf die unveränderte Corona-Situation abgesagten Wochenendumgänge im Januar 2021, die er nachträglich weiter mit der Sorge vor einer besonderen Gefährdung für die hochschwangere Lebensgefährtin bzw. mit der Einleitung der Geburt am 28. Januar 2021 zu begründen sucht.

Die vom Verordnungsgeber/behördlich angeordneten Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Coronavirus haben zu keiner Zeit zu Beschränkungen von Umgangskontakten zwischen Kindern und ihren nicht ständig betreuenden Eltern geführt. So hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz darauf hingewiesen, dass grundsätzlich das Umgangsrecht aufgrund der Corona-Pandemie und der entsprechenden Schutzvorkehrungen nicht auszuschließen sei (www.bmjv.de/DE/themen/fokusthemen/corona). Vielmehr beziehe sich die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, nicht auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern in verschiedenen Haushalten lebten. Somit stand dem Umgang zwischen dem Vater und seiner Tochter nichts, insbesondere kein gesetzliches Verbot entgegen. Das war auch bereits im Frühsommer letzten Jahres (ober-)gerichtlich hinreichend geklärt (vgl. dazu die Nachweise bei OLG Frankfurt FamRZ 2021, 198). Auch die Eindämmungsverordnungen der hier beteiligten Länder Sachsen-Anhalt und Brandenburg sahen - wie schon das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat - keinerlei Kontaktverbote im Zusammenhang mit der Ausübung von Umgangsrechten vor. Vielmehr gehört(e) der Umgang zwischen dem nichtbetreuenden Elternteil und dem Kind zum absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte und unterfällt damit einem Ausnahmetatbestand.

Die nachträglich angeführte besondere Gefährdungslage für die hochschwangere Lebensgefährtin rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Es ist nämlich weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Risikopotenzial im Januar 2021 ein grundlegend anderes gewesen sein könnte als im November 2020, als es die letzten Wochenendumgänge gegeben hatte, Im Übrigen wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, vorab im Wege einer Testung des Kindes zu klären, ob ein konkretes Ansteckungsrisiko besteht. Der Umstand, dass der Vater sich möglicherweise rechtsirrig berechtigt zur Absage der Umgänge gefühlt haben mag, lässt sein Verschulden nicht entfallen, denn im Rahmen des § 89 Abs. 4 FamFG und nach dem anzuwendenden Verschuldensmaßstab reicht auch Fahrlässigkeit (vgl. Staudinger/Dürbeck, (2019), BGB § 1684 Rdnr. 545).

Soweit der Vater schließlich die Einleitung der Geburt bei der Lebensgefährtin am 28. Januar 2021 für die Absage des am 29. Januar 2021 beginnenden Wochenendumgangs angeführt hat, hat bereits das Amtsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es insoweit an einer Glaubhaftmachung fehlt. Daran hat sich auch im Beschwerderechtszug nichts geändert.

Die Auswahl des Ordnungsmittels und dessen Höhe stehen im Ermessen des Familiengerichts. Anhaltspunkte dafür, dass das Familiengericht das Ordnungsgeld erheblich zu hoch angesetzt haben könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 84 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergeht nach § 42 Abs. 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.