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Entscheidung 7 Sa 185/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 15.06.2021
Aktenzeichen 7 Sa 185/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0615.7SA185.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 823 BGB, § 1004 BGB, § 253 BGB, § 611 BGB, § 613 BGB, § 242 BGB

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. September 2020 – 56 Ca 10470/19 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. September 2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 9/10, die Beklagte 1/10. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 4/5, die Beklagte 1/5.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Schmerzensgeld bzw. Entschädigung sowie auf Schadensersatz.

Die Klägerin war auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21. Mai 2013 (Bl. 102 d.A.) bei der Beklagten seit dem 15. Mai 2013 im Bundesamt für A als Tarifbeschäftigte der Entgeltgruppe 9 TVöD beschäftigt. Im Arbeitsvertrag sind die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD, TVöD besonderer Teil Verwaltung, TVÜ-Bund) in ihrer jeweils geltenden Fassung vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Klägerin vom 22. Februar 2019 zum 31. August 2019.

Die Klägerin war zunächst als Sachbearbeiterin des Referats 6E3 im Bereich der Internetsachbearbeitung, Erstellung von Berichten und Vermerken auf der Grundlage von Internetrecherchen eingesetzt. Im Oktober 2014 wurde sie dem Referat 6C2 als Sachbearbeiterin im Referat Berichtswesen und Öffentlichkeitsarbeit zugeordnet. Sie erstellte dort Berichts- und Redebeiträge für die Abteilungsleitung sowie für die Behördenleitung und bearbeitete Presseanfragen. Dienstvorgesetzte der Klägerin waren der Referatsleiter, dann der Referatsgruppenleiter und in dritter Stufe der Abteilungsleiter der Abteilung 6.

Im April 2016 entzog die Beklagte der Klägerin die Aufgaben im Bereich Presseanfragen und Öffentlichkeitsarbeit und übertrug ihr ab dem 14. April 2016 zunächst die Erstellung von Wochenberichten der Abteilung 6 für das hausinterne Medium „BfV aktuell“. Dazu führten die Parteien am 28. April 2016 sowie am 11. Mai 2016 Personalgespräche, deren Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Die Mitarbeiterkennung der Klägerin wurde von 6C2_7 in 6C_ZBV2 geändert.

Am 26. Mai 2016 wurde die Klägerin gemäß einer schriftlichen Arbeitsanweisung vom 26. Mai 2016, für deren Einzelheiten auf Bl. 271 f. d.A. Bezug genommen wird, mit der Erstellung eines internen Handbuchs für die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten beauftragt. Nach der schriftlichen Arbeitsanweisung sollte die Bearbeitung in drei Abschnitten erfolgen; es war ein Gesamtzeitraum von sieben Wochen für die Bearbeitung veranschlagt.

Vom 8. Juli 2016 bis zum 9. April 2018 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt wegen psychischer Beschwerden und einer depressiven Störung. In der Zeit vom 17. August 2016 bis zum 28. September 2016 nahm sie an einer Rehabilitationsmaßnahme teil, aus der sie arbeitsunfähig entlassen wurde. Im Entlassungsbericht heißt es, dass im Hinblick auf den unlösbaren Arbeitsplatzkonflikt eine Rückkehr an den jetzigen Arbeitsplatz nicht zu empfehlen sei. Die Klägerin legte diesen Bericht am 17. Oktober 2016 dem ärztlichen Dienst des Bundesministeriums des B vor und bat um ihre Umsetzung.

Am 16. Januar 2017 prüfte der Medizinische Dienst der Krankenkasse für die TKK die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin und teilte der Krankenkasse mit, vor dem Hintergrund eines ungelösten Arbeitskonflikts drohe bei Rückkehr an den alten Arbeitsplatz eine Verschlimmerung des Leidens, die Arbeitsunfähigkeit sei medizinisch begründet, eine innerbetriebliche Umsetzung sei zu prüfen (Bl. 26 d.A.).

Am 20. April 2017 führten die Parteien unter Beteiligung des damaligen Rechtsanwalts der Klägerin ein Gespräch über deren Wiedereingliederung. Ergebnis des Gesprächs sollte eine Umsetzung der Klägerin sein. Ob dabei, wie in dem Ergebnisprotokoll vom 10. Juli 2017 (Bl. 211 und 212 d.A.) wiedergegeben, zunächst das Ergebnis einer laufenden Verwendungsanfrage im Bundesministerium des B abgewartet werden sollte oder parallel dazu eine hausinterne Verwendungssuche erfolgen sollte, ist zwischen den Parteien streitig. Ein Wechsel der Klägerin in das Bundesministerium des B erfolgte nicht.

Die weiteren von der Beklagten u.a. mit Schreiben vom 6. November 2017 übersandten Verwendungsanfragen an zahlreiche Bundesbehörden, für die im Einzelnen auf Seite 8 zum Schriftsatz der Beklagten vom 29. November 2019 (Bl. 252 d.A.) Bezug genommen wird, blieben erfolglos. Mit Schreiben vom 25. April 2018 teilte die Bundespolizei nach Übersendung der Personalakte mit, dass eine Verwendungsmöglichkeit für die Klägerin nicht bestehe. Auf eine Anfrage bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des C vom 4. Mai 2018 (Bl. 268 d.A.) und einer Interessensbekundung der Behörde vom 22. Mai 2018 (Bl. 269 d.A.) teilte die Klägerin mit E-Mail vom 11. Juli 2018 (Bl. 270 d.A.) mit, sie habe dort Kontakt aufgenommen und festgestellt, dass es keine konkrete Stelle gebe, die sie im Rahmen einer Abordnung besetzen könne. Hinsichtlich einer Stelle bei der Senatsverwaltung für D des Landes Berlins teilte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juni 2018 (Bl. 99 d.A.) mit, sie habe an dieser Stelle kein Interesse, da sie die dafür erforderlichen arabischen Sprachkenntnisse und auch bestimmte technische Voraussetzungen nicht besitze. Mit Schreiben vom 13. Juni 2018 an die Abteilungsleiterin bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darum, deren Bewerbung auf eine interne Ausschreibung nicht zu behindern, damit endlich eine Lösung für die Zukunft seiner Mandantin gefunden werde. Ob eine solche Stelle in der Abteilung 4, in der der damalige Lebensgefährte der Klägerin als Referatsleiter eingesetzt war, ausgeschrieben worden ist, ist zwischen den Parteien streitig. Außerdem wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in diesem Schreiben darauf hin, dass die Klägerin seit ihrer Rückkehr aus der Arbeitsunfähigkeit keine Angebote für eine konkrete Tätigkeit erhalten habe.

Am 9. April 2018 war die Klägerin wieder arbeitsfähig und kehrte in die Behörde zurück. Anfang Juli 2018 erhielt sie den Auftrag, einen Vortrag zum Thema Terrorismusfinanzierung zu erstellen. Nachdem sie dazu die Unterlagen zusammengestellt hatte, erhielt die Klägerin in einem Personalgespräch am 13. Juli 2018 den Auftrag, zu diesem Thema einen Vortrag zu erstellen. Ob die Klägerin darüber informiert wurde, für wen dieser Vortrag bestimmt war, ist zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss an dieses Personalgespräch erkrankte die Klägerin ab dem 16.7.2018 erneut.

Am 16. Juli 2018 stellte die Klägerin beim Arbeitsgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf vorübergehende Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes und zugleich einen Antrag, sie bis zur Zuweisung eines solchen unter Fortzahlung des tarifgemäß vereinbarten Entgelts von ihrer Arbeitspflicht freizustellen. Diese Anträge wies das Arbeitsgericht mit Urteil vom 15. August 2018 (56 Ga 9589/18) als unbegründet zurück.

Vom 28. August 2018 bis zum 13. März 2019 war die Klägerin erneut arbeitsunfähig erkrankt. Im Anschluss daran nahm sie vom 14. März 2019 bis zum 15. Mai 2019 ihren Urlaub. Nach ihrem Urlaub war sie bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 2019 erneut arbeitsunfähig.

Im Herbst 2018 nahmen die Parteien Verhandlungen über die Möglichkeit einer vergleichsweisen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf. Nachdem sie sich zunächst über den zu zahlenden Abfindungsbetrag geeinigt hatten, kam es im Dezember 2018 zu Differenzen über die einzelnen Modalitäten des Ausscheidens. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 (Bl. 106 d.A.) teilte die Klägerin mit, hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei von der normalen Kündigungsfrist auszugehen, d.h. vom 31. März 2019. Zudem sei es auf Anraten ihrer Psychologin für die Aufarbeitung wichtig, dass sie anonym in einem buchförmigen Bericht ihre Erlebnisse schildern könne. Insofern müssten die entsprechenden Regelungen der Aufhebungsvereinbarung neugestaltet werden. Daraufhin übersandten die Prozessbevollmächtigte der Beklagte mit Schreiben vom 21. Dezember 2018 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen geänderten Vorschlag zu einer Aufhebungsvereinbarung, verbunden mit einem auf den 28. Dezember 2018 befristeten Angebot und der Bitte, vorab den unterzeichneten Aufhebungsvertrag per Telefax bis zum 28. Dezember 2018 zu übersenden. Eine Reaktion seitens der Klägerin auf dieses Angebot erfolgte nicht. Am 2. Januar 2019 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Urlaub. Mit Schreiben vom 4. Januar 2019 verliehen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ihrer Verwunderung darüber Ausdruck und baten um kurzfristige Mitteilung, ob die Aufhebungsvereinbarung zu den angebotenen Konditionen zustande kommen könne oder nicht. Die Klägerin interpretiert dieses Schreiben als Ablehnung ihres Urlaubsantrags.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2019 (Bl. 297 d.A.), gerichtet an den Präsidenten, machte die Klägerin einen „Schadensersatzanspruch in Form von Schmerzensgeld wegen Gesundheitsschädigung durch Nichtbeschäftigung und fortgesetzter Aufrechterhaltung einer künstlich geschaffenen Isolierung am Arbeitsplatz sowie fortgesetzter Verletzung der diesbezüglichen Arbeitgeberführsorgepflicht geltend“ und forderte die Beklagte auf, einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 80.000,00 Euro anzuerkennen. Für die weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 297 – 302 d.A. Bezug genommen.

Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 28. August 2019 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin zunächst die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,00 Euro, einen Betrag den sie später auf 40.000,00 Euro reduziert. Mit einer am 17. Juni 2020 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung vom 15. Juni 2020 begehrt die Klägerin darüber hinaus unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Sozialmedizinischen Gutachteninstituts vom 14. August 2019 (Bl. 480 ff. d.A.) für die Bundesagentur für Arbeit und einer Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr den weiteren materiellen und die immateriellen Schäden zu ersetzen.

Die Klägerin begründet ihre Klage damit, die Beklagte habe sie mit dem Entzug der ihr übertragenen Aufgaben seit April 2016 nicht mehr beschäftigt und damit sowohl ihr Persönlichkeitsrecht als auch ihre Gesundheit erheblich verletzt. Sie sei völlig isoliert und kaltgestellt worden und dadurch psychisch erkrankt.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Anspruchs behauptet, ihr seien die vorherigen Aufgaben grundlos entzogen worden. In dem Personalgespräch vom 28. April 2018 habe die Referatsgruppenleiterin ihr trotz mehrfacher Nachfragen keine Gründe, insbesondere keine sachlichen oder persönlichen Fehler genannt, die den Entzug der Aufgaben hätten verständlich machen können. Vielmehr habe sie an dem Aufgabenentzug festgehalten und erklärt, sie wolle die Klägerin nicht mehr in ihrer Abteilung haben. Auch in dem nachfolgenden Personalgespräch am 11.5.2016 in der Personalabteilung in Köln seien ihr die Gründe für den Aufgabenentzug nicht genannt worden.

Die ihr dann zugewiesene Tätigkeit der Erstellung der Wochenberichte sei keine Arbeitszeitausfüllende Tätigkeit gewesen. Pro Woche seien dafür drei bis höchstens sechs Stunden zu veranschlagen gewesen. Die Aufgabe habe darin bestanden, die drei- bis höchsten sechsseitigen Texte auf orthografische oder grammatikalische Fehler zu prüfen, sie zu formatieren sowie fachgerecht etwaige Abbilder einzufügen. Für das Kompendium habe die Beklagte der Klägerin lediglich zwei Wochen eingeräumt. Dabei habe es sich auch nicht um eine dauerhafte vertragsgemäße Beschäftigung der Klägerin gehandelt. Gleichwohl habe sie diesen Auftrag fristgerecht und qualitativ unbeanstandet erfüllt. Mit ihrer neuen Mitarbeiterkennung sei sie aus jeglicher Zusammenarbeit mit Kollegen herausgenommen worden. Sie sei allein in ihrem Zimmer ohne Tätigkeit gesessen, isoliert und von Kommunikationen abgeschnitten worden; an Besprechungen habe sie nicht mehr teilgenommen.

Nach der Rückkehr aus der Rehabilitationsmaßnahme am 28. September 2016 habe die Personalabteilung sie angerufen und sie gebeten, ihr Büro zu räumen, da sie ja zeitnah in das Innenministerium versetzt werde. Eine Versetzung dorthin sei jedoch dann nicht erfolgt. Am Tag ihres erneuten Dienstantritts habe ein Referatsleiter ihr gegenüber geäußert: „Wie schön Sie einmal wieder zu sehen. Aber – ich sage es Ihnen unter der Hand – Sie haben hier nur noch die Erlaubnis das Büro zu betreten, mehr nicht. Und ich befürchte, man hat nicht vor, daran jemals noch etwas daran zu ändern. So leid, wie mir das für Sie tut.“

Den Auftrag vom 8. Juli 2018, zum Thema Terrorfinanzierung zu recherchieren, habe sie bis zum 13. Juli 2018 erfüllt. Dieser Auftrag habe darin bestanden, alles was es zum Thema Terrorfinanzierung gebe, aus dem Internet herauszusuchen und abzuheften. Nach Beendigung der Arbeit habe sie den stellvertretenden Abteilungsleiter der Abteilung 6 am 16. Juli 2018 gefragt, was sie mit den Materialien machen solle. Dieser habe sie angewiesen, aus einem Handbuch, das sie für die Recherche genutzt habe, die schönsten Sätze für einen zehnseitigen Vortrag binnen drei Tage herauszuschreiben. Dabei habe der stellvertretende Abteilungsleiter ihr nicht sagen wollen, wer diesen Vortrag halten solle. Daraufhin sei sie erneut erkrankt. Nach Ende dieser Arbeitsunfähigkeit sei sie von der Referatsleiterin der Abteilung 6 im August 2018 in deren Büro bestellt worden. Auch diese habe ihr die Frage, für wen der Vortrag gewesen sei, nicht beantwortet, sondern entgegnet: „Das hat Ihnen doch Herr Dr. P. schon erläutert. Verstehen Sie immer noch nicht?“ Am darauffolgenden Tag habe sie einen Zusammenbruch erlitten und sei von ihrer Tochter in die Klinik gebracht worden. Auch nach ihrer Eigenkündigung habe die Beklagte noch anfänglich den ab dem 14. März 2019 beantragten Urlaub unter Hinweis auf ihre Arbeitsunfähigkeit verweigert, obwohl ihr die auf den 13. März 2019 befristete Krankschreibung vorgelegen habe.

Aufgrund der Nichtbeschäftigung sei sie arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte sei ausdrücklichen ärztlichen Empfehlungen zu einer Umsetzung nicht nachgekommen. Sie habe durch jahrelange gezielte Nichtbeschäftigung, also sog. Kaltstellen, ihre Gesundheit geschädigt, wie sich dies aus den verschiedenen ärztlichen Stellungnahmen ergebe. Obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass der alte Arbeitsplatz wegen des Aufgabenentzugs ihre Erkrankung bis April 2018 begründet habe, habe die Beklagte sie weiterhin dort eingesetzt. Die nachfolgende Nichtbeschäftigung habe dazu geführt, dass sie erneut schwer erkrankt sei. Auch ihre Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle in der Abteilung 4 habe die Beklagte nicht berücksichtigen wollen.

Zur Höhe des Schmerzensgeldes trägt die Klägerin vor, es sei nicht ausgeschlossen, dass sie aufgrund des einstweiligen Verfügungsverfahrens im August 2018 auch ihren langjährigen Lebensgefährten verloren habe. Sie habe nämlich am 13. Juli 2018 einen Anruf einer Sachbearbeiterin im Bundesministerium des B erhalten, die nachgefragt habe, ob es richtig sei, dass die Klägerin nun gegen die Beklagte gerichtlich vorgehen wolle. Als die Klägerin dies bejaht habe, habe diese Mitarbeiterin erklärt: „Sie werden euch beide hängen“ und „irgendeinen Posten für M werden sie in Wanne-Eickel schon finden.“

Zur Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen trägt die Klägerin vor, diese habe sie mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten an den Präsidenten vom 9. Mai 2019 eingehalten. Die letzte Mobbinghandlung der Beklagten sei noch Anfang Januar 2019 erfolgt, als die Beklagte ihren Urlaubsantrag mit Schreiben vom 4. Januar 2019 abgelehnt habe. Schadensersatzansprüche habe sie nicht vorher einklagen können, da sie erst aufgrund des Gutachtens des Sozialmedizinischen Gutachteninstituts vom 14. August 2019 und der Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit, die ihrem Prozessbevollmächtigten erst mit Schreiben vom 17. April 2020 übersandt worden sei, Kenntnis von weiteren Schäden gehabt habe. Sie sei seit ihrem Ausscheiden bei der Beklagten auf Sozialleistungen des SGB III und SGB VI angewiesen und aufgrund ihrer schweren Traumatisierung auch in nächster Zukunft nicht erwerbsfähig.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird – mindestens jedoch Euro 40.000,00 – nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den weiteren materiellen und die immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus den pflichtwidrigen Handlungen der Beklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin entstanden sind oder entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Träger übergegangen sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat den Feststellungsantrag mangels hinreichender Gründe für unzulässig gehalten. Der Sache nach bestreitet sie, sich vertragswidrig verhalten zu haben. Der Klägerin seien im April 2016 aus sachlichen Gründen andere Aufgaben übertragen worden. Sie habe die ihr bis dahin übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erledigt. Bei der Beantwortung einer Presseanfrage am 13. April 2018 habe sie bestehende Regelungen im Umgang mit Verschlusssachen nicht beachtet und Beiträge nur zusammen kopiert, so dass ihr vorgelegter Entwurf untauglich gewesen sei. Auch habe sie den Dienst schon beendet, bevor die von ihr bearbeitete Presseanfrage noch nicht gezeichnet gewesen sei. Es bestehe die Erwartung, dass die Sachbearbeiter insbesondere bei Fristsachen, um die es hier gegangen sei, im Dienst verbleiben würden, bis die Sache gezeichnet und damit erledigt sei. Zeitlich unmittelbar vor dieser Anfrage habe die Klägerin eine andere von ihr übernommene Aufgabe vergessen gehabt. Dies sei der Referatsleiterin von einer anderen Mitarbeiterin so gesagt worden. Der Klägerin seien die Gründe für die Änderung der Arbeitsaufgabe in Personalgespräch vom 28. April 2016 von der Referatsgruppenleiterin erläutert worden, sie sei aber nicht einsichtig gewesen. Eine Äußerung, wie „sie wolle sie nicht mehr in ihrer Abteilung haben“, habe die Referatsgruppenleiterin nicht getätigt. Das Personalgespräch am 11. Mai 2016 in Köln habe allein dazu gedient, eine Lösung der von der Klägerin als „Arbeitsplatzkonflikt“ wahrgenommenen Situation zu finden. Dementsprechend sei die damalige für das Personalmanagement zuständige Referatsleiterin nicht auf den behaupteten „Aufgabenentzug“ eingegangen. Die Personalabteilung habe dazu keine weiteren Informationen gehabt. In dem Telefonat vom 28. September 2016 sei die Klägerin nur gefragt worden, ob sie mit einer Versetzung in das BMI einverstanden sei.

Sie habe die Klägerin weiterhin ordnungsgemäß beschäftigt. Die Klägerin habe dem Referatsgruppenleiter bei der Ausführung besonderer Aufgaben zur Verfügung gestanden. Dieser habe kontinuierlich Gespräche mit ihr zur einvernehmlichen Abstimmung der Aufgaben geführt. Nach ihrer Wiedergenesung habe sie an internen Fortbildungen für IT-Verfahren teilgenommen, um ihre diesbezüglichen Kenntnisse nach der langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit zu aktualisieren und künftig auszuübende Aufgaben entsprechend wahrnehmen zu können. Die Besetzung der Stelle mit der Klägerin sei u.a. vor dem Hintergrund erfolgt, die Vorgaben des Betriebsarztes vom 4. Juli 2017 umzusetzen und interaktionelle Schwierigkeiten zu vermeiden. Für die Erstellung eines Wochenberichts seien regelmäßig als Arbeitszeit zwei Tage zu veranschlagen. Anders als die Klägerin behaupte, bestehe die Tätigkeit nicht allein darin, die Berichte auf Rechtschreibfehler und Grammatik zu überprüfen. Vielmehr seien die Berichte auch inhaltlich auf Plausibilität zu prüfen, so dass die Bearbeiter sich in das sonstige Berichtsaufkommen der jeweiligen Abteilung einarbeiten müssten. Bei zwei Berichten in der Woche würden sich dann vier Tage ergeben.

Des Weiteren bestreitet die Beklagte einen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und den Geschehnissen im Arbeitsverhältnis und verweist darauf, dass die von der Klägerin eingereichten Gutachten und Atteste allein aufgrund der Darstellung der Klägerin erstellt worden seien.

Jedenfalls sei ein Mitverschulden der Klägerin gegeben. Die Klägerin habe die ihr für eine Umsetzung angebotenen Arbeitsplätze abgelehnt. Auch habe die Klägerin nicht etwa möglichen Rechtsschutz in Anspruch genommen und z.B. ihre Beschäftigung gerichtlich geltend gemacht. In dem einstweiligen Verfügungsverfahren habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie keinen Beschäftigungsanspruch geltend mache.

Des Weiteren beruft sich die Beklagte auf die Ausschlussfrist nach § 37 TVöD und hält Ansprüche der Klägerin auf Schmerzensgeld/Entschädigung oder Schadensersatz für verfallen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 2. September 2020 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe eine Verletzung der Fürsorgepflicht seitens der Beklagten nicht dargetan. Außerdem habe sie eine Kausalität zwischen der zweijährigen Depressionserkrankung der Klägerin und dem Verhalten der Beklagten nicht hinreichend dargestellt. Die weiteren Anspruchsgrundlagen führten ebenfalls nicht weiter. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch lägen nicht vor. Für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie die Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses der Klägerin am 14. Oktober 2020 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 3. November 2020 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 23. November 2020 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen auch im Berufungsverfahren geltend, die Beklagte habe ihre Rücksichtnahmepflichten verletzt, sie aus schikanösen Gründen nicht beschäftigt und dadurch ihre Gesundheit geschädigt, jedenfalls ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Wie in dem Ergebnisprotokoll vom 5. Januar 2015 festgehalten, habe ihr ursprünglich das Erstellen von Nachrichtendienstsprechzetteln, die Bearbeitung von Presseanfragen und die Betreuung von Ausstellungen oblegen. Zu der Betreuung der Ausstellungen verhalte sich die Beklagte nicht. Nach der Änderung der Mitarbeiterkennung von 6C2_7 in 6C_ZBV2 habe die Klägerin keine Stellenbeschreibung mehr erhalten. Sie habe auch ein Protokoll über ihre Nichtbeschäftigung gefertigt (Anlage 23 des Schriftsatzes der Klägerin vom 30. April 2021).

Zur Begründung der Kausalität verweist die Klägerin auf das Gutachten des Sozialmedizinischen Gutachteninstituts der SMI Berlin GmbH vom 14. August 2019 (Bl. 480 ff. d.A.). Der Vortrag der Klägerin gelte schon nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Seit dem 9. April 2018 sei sie keiner Arbeitseinheit mehr zugewiesen gewesen, was ursächlich für die Verschlimmerung ihres Leidens gewesen sei. Schon wegen der Herausnahme aus der Behördenstruktur seien die der Klägerin zugewiesenen Arbeiten nicht vertragsgerecht gewesen.

Auch habe sie die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt. Sie habe ihre Ansprüche mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2019 an den Präsidenten der Behörde rechtzeitig geltend gemacht. Letzte Mobbinghandlung sei die Ablehnung ihres Urlaubs mit Schreiben vom 4. Januar 2019 gewesen. Ihren Schadensersatzanspruch habe sie erst geltend machen können, nachdem ihr Prozessbevollmächtigter von dem vollständigen Gutachten des sozialmedizinischen Gutachteninstituts und der Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit Kenntnis erlangt gehabt habe.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des am 2. September 2020 zum Aktenzeichen 56 Ca 10470/19 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin, wie folgt zu entscheiden:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird – mindestens jedoch 40.000,00 Euro betragen muss – nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den pflichtwidrigen Handlungen der Beklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit ihr entstanden sind und entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Träger übergegangen sind.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und verweist darauf, die Klägerin habe nach wie vor für ihre streitigen Behauptungen nicht ordnungsgemäß Beweis angetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlage sowie auf das Vorbringen in den mündlichen Verhandlungsterminen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte, form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 ArbGG, 519 Abs. 2 ZPO eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

Grundlage der Entscheidung war das Vorbringen der Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung. Die danach von den Parteien eingereichten Schriftsätze boten keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO. Neue Tatsachen wurden dort nicht vorgetragen.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin verlangt mit ihrem Antrag zu 1) ausschließlich Ersatz eines immateriellen Schadens, den sie in erster Linie auf eine Verletzung ihrer Gesundheit, später auch auf eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts stützt. Der Ersatz materieller Schäden ist von diesem Antrag nicht umfasst, wie sich schon aus der Begründung der Höhe des geltend gemachten Anspruchs ergibt. Dort wird insbesondere auf die Dauer der behaupteten Gesundheitsverletzung und die Kompensation immaterieller Schäden verwiesen.

Mit dem Antrag zu 2) macht die Klägerin zukünftige materielle und immaterielle Schäden geltend. Dieser Antrag ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 ZPO. Zwar beschreibt die Klägerin in diesem Antrag das den Anspruch auslösenden Schadensereignis sehr allgemein mit „pflichtwidrigen Handlungen der Beklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses“. In Anbetracht der Begründung des Klageantrags ist dieser Antrag jedoch dahingehend auszulegen, dass es um etwaige zukünftige Schadensfolgen aus den von der Klägerin behaupteten Verstößen der Beklagten gegen die arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB im Zusammenhang mit der vorgeworfenen Nichtbeschäftigung bzw. Pflichtenverstöße im Zusammenhang mit der behaupteten nicht vertragsgerechten Beschäftigung gehen soll, die bereits Gegenstand des Klageverfahrens sind. So heißt es in der Begründung des Antrags, es sei möglich, dass es auch in Zukunft zu weiteren Gesundheits- und Vermögensschäden der Klägerin kommen werde, die auf die streitgegenständlichen Handlungen und Unterlassungen der Beklagten zurückzuführen seien.

Das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO ist für diesen Antrag gegeben. Bei einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller bzw. immaterieller Schäden, die aus der Verletzung eines absoluten Rechtsguts resultieren, liegt ein Feststellungsinteresse dann vor, wenn zukünftige Schadensfolgen möglich, ihre Art und Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (BAG 15.09.2016 – 8 AZR 351 / 15 – Rn. 26 – Juris m.w.N.). Den Anspruch der Klägerin als gegeben unterstellt, steht hier noch nicht fest, ob und welche Kosten aufgrund der Behandlung der von der Klägerin behaupteten psychischen Erkrankungen noch entstehen und ob und welche Verdiensteinbußen die Klägerin dauerhaft erleiden könnte. Allerdings sind derartige künftige Schadensfolgen auch nicht von vornherein ausgeschlossen.

Gleiches gilt im Hinblick auf eine etwaige Ersatzpflicht der Beklagten für künftige immaterielle Schäden. Zwar macht die Klägerin mit ihrem Antrag zu 1 ebenfalls immaterielle Schäden geltend. Der Antrag zu 2 betrifft nach der Formulierung etwa „zukünftige“ Schäden. Nach dem Vorbringen der Klägerin dauert ihre psychische Erkrankung an, sodass die nicht nur entfernt liegende Möglichkeit einer künftigen Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht. Insofern hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran feststellen zu lassen, ob die von ihr behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten einen solchen Schadensersatz begründen können. Mit diesem Feststellungsantrag kann zwischen den Parteien dem Grunde nach geklärt werden, ob überhaupt eine Schadensersatzpflicht der Beklagten besteht, d. h. ob überhaupt eine die Schadensersatzpflicht auslösende rechtswidrige und kausale Handlung der Beklagten vorliegt.

2. Die Klage ist jedoch nur insoweit begründet, als die Beklagte an die Klägerin 10.000 Euro als Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin nach § 823 Abs. 1 iVm Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.

2.1 Der Anspruch der Klägerin auf Entschädigung folgt aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat durch die Nichtbeschäftigung der Klägerin ab dem 9. April 2018 deren allgemeines Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt.

2.1.1 Ein Anspruch auf Entschädigung wegen widerrechtlicher Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann allein auf deliktische Anspruchsgrundlagen insbesondere § 823 Abs. 1 BGB - bzw. § 831 BGB gestützt werden. Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm Art 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Persönlichkeitsrecht ist als „sonstiges Recht“ iSv. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Vertragliche Anspruchsgrundlagen scheiden demgegenüber aus, weil § 253 Abs. 2 BGB das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht aufführt (BAG, Urteil vom 15. September 2016 – 8 AZR 351/15 –, juris).

Allerdings ist zu beachten, dass die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht nicht absolut festliegt, sondern grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist deshalb nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. etwa BGH 1. März 2016 - VI ZR 34/15 - Rn. 30; 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08 - Rn. 35; 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 107 mwN, BGHZ 166, 84). Da bei Entschädigungsklagen wie der vorliegenden Art nicht der vermögenswerte, sondern der ideelle Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, setzt der Anspruch allerdings voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 15. September 2016 – 8 AZR 351/15 – Rn 33, juris; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 16 mwN; zur Verfassungsgemäßheit dieser Anforderungen BVerfG 19. Oktober 2006 - 1 BvR 152/01, 1 BvR 160/04 - Rn. 31, BVerfGK 9, 317).

Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 831 BGB auch für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen. Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Verrichtungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Verrichtungsgehilfen zugewiesen hat. Ein solcher Zusammenhang ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Verrichtungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert oder wenn er ihm gegenüber Weisungsbefugnis besitzt (vgl. etwa BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 46 mwN).

Dabei ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers, wie z.B. Abmahnung, Versetzung oder Kündigung, eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers und damit eine unerlaubte Handlung oder ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB darstellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, sind bspw. im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, nicht geeignet, derartige Tatbestände zu erfüllen, weshalb es gilt, sogenanntes folgenloses bzw. sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, d. h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen (vgl. z.B. BAG 15. September 2016 – 8 AZR 351 / 15 – Rn. 16, 32; vom 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569 / 14 – Rn. 30 - BAGE 153,111; vom 16. Mai 2007 – 8 AZR 709 / 06 – Rn. 85 - BAGE 122,304). Bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen kommt es typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten bzw. Kollegen des Arbeitnehmers zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers führen oder einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht bedeuten (vgl. BAG 22.Oktober 2015 – 2 AZR 569 /14 – Rn. 30; vom 16. Mai 2007 – 8 AZR 709 / 06 – Rn. 85). Die Grenze zum nicht rechts- bzw. zu sozial adäquaten Verhalten ist allerdings dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG 15.September 2016 – 8 AZR 351 / 15 – Rn. 37).

Der Arbeitnehmer ist nach den allgemeinem zivilprozessualen Regelungen darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen von einer rechtswidrigen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, aus der er seinen Entschädigungs-, Schmerzensgeld - und Schadensersatzanspruch herleitet (vgl. BAG vom 14. November 2013 – 8 AZR 813 / 12 – Juris).

2.1.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall lässt sich eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seitens der Beklagten feststellen, die nur durch die ausgeurteilte Entschädigung ausgeglichen werden kann. Die Beklagte hat die Klägerin nicht beschäftigt. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls stellt diese Nichtbeschäftigung eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar, die die geltend gemachten Ansprüche begründet.

2.1.2.1 Die Beschäftigungspflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis folgt aus §§ 611, 613 i.V.m. § 242 BGB sowie dem durch Art. 1 und Art. 2 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (BAG 9. April 2014 – 10 AZR 637 / 13 – BAGE 148,16-25 Rn. 14). Der Beschäftigungsanspruch beruht auf der sich für den Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers (BAG, Großer Senat 27.Februar 1985 – GS 1 / 84 – BAGE 48,122 ff. Rn. 50). Danach soll der Arbeitnehmer nicht nur Arbeitsentgelt beziehen sondern sich mit seiner Arbeit einbringen und verwirklichen können. Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig (BAG 21.09.1993 – 9 AZR 335, 90 zu 1 der Gründe). Als dispositiver Anspruch hängt der Beschäftigungsanspruch davon ab, ob der Arbeitnehmer verlangt, beschäftigt zu werden. Verlangt er seine vertragsgemäße Beschäftigung, so muss ihm dazu grundsätzlich auch Gelegenheit gegeben werden. Der Anspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG 27.Februar 1985 – GS 1/84 – Rn 53 und 55). Bei Unmöglichkeit der Arbeitsleistung besteht kein Beschäftigungsanspruch, vielmehr ist der Anspruch auf die Arbeitsleistung ausgeschlossen, § 275 Abs. 1 BGB, zugleich aber auch die arbeitgeberseitige Beschäftigungspflicht. Insbesondere entfällt die Beschäftigungspflicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist (BAG 9.April 2014 - 10 AZR 637/13 – BAGE 148, 16-25 Rn 15).

2.1.2.2 Eine Verletzung des Beschäftigungsanspruchs der Klägerin scheidet nach den obigen Grundsätzen für die Zeiträume 8. Juli 2016. 08.04.2018, 16. bis 27.07.2018 und zumindest ab dem 28.08.2018 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus, weil die Klägerin in diesen Zeiträumen arbeitsunfähig erkrankt war, oder aber ihren Urlaub genommen hat. In diesen Zeiträumen bestand mithin keine Leistungspflicht der Klägerin, damit aber auch keine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin tatsächlich zu beschäftigen.

2.1.2.3 Auch überschreitet die von der Klägerin als Beginn der Rechtsverletzung bezeichnete Entziehung von Arbeitsaufgaben im April 2016 für sich genommen die oben dargestellte Grenze der im Arbeitsleben üblichen Verhaltensweisen nicht. Die Beklagte hat von ihrem Direktionsrecht nach § 315 BGB Gebrauch gemacht und der Klägerin andere Arbeitsaufgaben zugewiesen. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob die Ausübung des Direktionsrechts rechtmäßig war. Denn die oben aufgezeigte Grenze der Sozial- bzw. Rechtsadäquanz wird durch diesen Vorgang noch nicht überschritten. Der Änderung der Tätigkeit vorangegangen war eine Auseinandersetzung der Parteien über eine der Klägerin übertragenen Arbeitsaufgabe, die aus Sicht der Beklagten von ihr nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sein soll. Auch wenn die Beklagte hier den Pflichtenkreis der Klägerin, im konkreten Fall länger vor Ort zu bleiben, möglicherweise falsch bestimmt hat, begründet dies und der in Folge dieser Auseinandersetzung veranlasste Aufgabenentzug für sich genommen keine rechtswidrige und schuldhafte Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts. Aus den von der Klägerin eingereichten Gedächtnisprotokollen ergibt sich im Übrigen, dass die Referatsgruppenleiterin bereits am 11. April 2016 kritisiert hatte, dass die Klägerin nicht bis zur Zeichnung im Dienst verblieben sei. Der Vorgang ist der Klägerin sodann in dem Personalgespräch vom 28. April 2016 erläutert worden. Soweit die Klägerin dies pauschal bestreitet, hat sie es verabsäumt, ihrerseits konkret einen anderen Ablauf des Personalgesprächs vom 28. April 2016 darzustellen. Auch hat sie es unterlassen, für den von ihr vorgetragenen Inhalt des Personalgesprächs einen der Zivilprozessordnung genügenden Beweis anzubieten, worauf die Beklagte in ihren Schriftsätzen zu recht hingewiesen hat. Das Angebot, die Klägerin als Partei dazu zu vernehmen (Bl. 115 d.A.), genügte jedenfalls diesen Anforderungen nicht (§ 447 ZPO). Die – nicht willkürliche – Rüge einer fehlerhaften Aufgabenerfüllung ist nicht bereits eine Pflichtverletzung.

2.1.2.4 Jedoch erweist sich das an diesen Vorfall anschließende Verhalten der Beklagten in seiner Gesamtheit als schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Denn die Beklagte ist ihrer vertraglichen Beschäftigungspflicht nicht nachgekommen und hat die Klägerin aus dem betrieblichen Geschehensablauf ausgegrenzt, sie „kaltgestellt“, möglicherweise um sie im Ergebnis von einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zu überzeugen.

2.1.2.4.1 Dies betrifft zunächst die Zuteilung von Arbeitsaufgaben an die Klägerin. Die in der Folge der Auseinandersetzung der Klägerin zugewiesene Aufgaben stellen sich jeweils als zeitlich und inhaltlich unzureichend dar. Sie waren – auch unter Berücksichtigung der Darstellung der Beklagten – vielfach nicht dergestalt, dass sie die Wochenarbeitszeit der Klägerin ausgefüllt hätten. Die Beklagte räumt selbst ein, dass die Erstellung der Wochenberichte auf 2 Tage konzipiert war, bei zwei Wochenberichten könnten auch vier Tage zusammenkommen. Damit wäre die Klägerin aber auch nach dem Vortrag der Beklagten in Wochen mit nur einem Bericht im Umfang von lediglich zwei Tagen beschäftigt gewesen. Auch in Wochen, in denen die Klägerin für zwei Wochenberichte zuständig gewesen wäre, hätte sie damit ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit von 39 Stunden nicht ausfüllen können. Dass der Klägerin überhaupt in einem maßgeblichen Umfang zwei Berichte übertragen wurden, legt die Beklagte nicht dar. Nachdem die Klägerin mit ihrem Vortrag, schon nach der Konzeption des „Wochenberichts“ stellten sich zwei Wochenberichte als sinnentleert dar, behauptet hat, keine zwei Berichte erstellt zu haben, hätte die Beklagte nach § 138 ZPO zu diesem Vortrag der Klägerin substantiiert Stellung nehmen müssen. Dazu hätte sie darlegen müssen, in welchen Wochen die Klägerin zwei Wochenberichte erstellt, bzw. in welchen Wochen ihr die Erstellung für zwei Wochenberichte übertragen worden sei. Dies legt die Beklagte nicht dar. Ihr Vortrag erweist sich insoweit als theoretische Möglichkeit, nicht aber als Darstellung einer tatsächlichen Handlung.

Vom 9. April 2018 bis zu dem Auftrag, zur Terrorismusfinanzierung zu recherchieren, wurde die Klägerin nicht beschäftigt. Allein die Teilnahme an einzelnen Fortbildungsveranstaltungen stellt sich nicht als „Beschäftigung“ dar. Sie dient lediglich der Vorbereitung oder Verbesserung bei der Wahrnehmung der arbeitsvertraglichen Aufgaben. Dass der Klägerin auch in diesem Zeitraum noch Berichte für die hausinterne Veröffentlichung übertragen wurden, trägt die Beklagte im Rahmen der ihr auch insoweit nach § 138 ZPO obliegenden Darlegungslast nicht näher vor.

2.1.2.4.2 Die zugeteilten Aufgaben erweisen sich zudem vom Inhalt her als inadäquat. Die Erstellung eines „Kompendiums“ und die Vorbereitung eines „Vortrags“ stellen zwar Tätigkeiten dar, die für sich genommen sicherlich Teil der geschuldeten Tätigkeit einer Angestellten der Entgeltgruppe 9 TVöD sein können. Sie können auch einem Angestellten zur Auffüllung seiner wöchentlichen Arbeitszeit übertragen werden. Dies ließe sich insbesondere dann vorstellen, wenn solche Sonderaufgaben bisher mangels Arbeitskapazitäten nicht erledigt werden konnten und nunmehr freie Arbeitszeit zur Verfügung steht, um solche liegengebliebenen Aufgaben zu erledigen.

So lagen die Dinge im Streitfall aber nicht. Im Hinblick auf die Klägerin erweisen sich diese Aufgaben als „vorgeschoben“ und „konstruiert“. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Klägerin der von ihr vorzubereitende Vortrag über die Terrorismusfinanzierung nicht etwa gleich nach ihrer Rückkehr aus der bis zum 9. April 2019 dauernden Erkrankung als Arbeitsaufgabe übertragen wurde. Vielmehr dauerte es bis in den Juli 2018, um der Klägerin einen Auftrag zur Vorbereitung einer – wie die Beklagte es nennt - „Power Point Präsentation“ zu erteilen, die nach dem Vortrag der Beklagten als Standardvortrag zum Themenfeld z.B. gegenüber außenstehenden Besuchern der Abteilung verwendet werden sollte. Dabei hat die Beklagte der Klägerin auch nicht etwa gleich diesen Auftrag erteilt, sondern der damalige stellvertretende Abteilungsleiter hat sie – auch nach dem Vortrag der Beklagte (vgl. Seite 15 ihres Schriftsatzes vom 29. November 2019) - zunächst mit der Zusammenstellung von verwertbaren Material zum Thema Terrorfinanzierung beauftragt, und erst in einem zweiten Gespräch am 13. Juli 2018 ihr aufgegeben, einen entsprechenden Vortrag bzw. eine Power Point Präsentation zu erstellen.

Gerade auch im Hinblick auf das vorangegangene Schreiben des Klägervertreters vom 13.06.2018 (Bl. 478 d.A.), mit dem die Klägerin ihre Untätigkeit rügte, musste die Kammer dies als Versuch verstehen, die Klägerin „pro forma“ zu beschäftigen.

Damit aber stellt sich die Zuweisung dieser Tätigkeit als Verstoß gegen die Beschäftigungspflicht dar: Der Arbeitnehmer hat im Rahmen seiner Beschäftigung einen Anspruch darauf, mit sinnvollen und aufgabenbezogenen Tätigkeiten betraut und in die Gesamtaufgabe seiner Dienststelle eingebunden zu werden. Die Zuweisung von punktuellen „Schubladentätigkeiten“ wird dem nicht gerecht.

2.1.2.4.3 Diese Einschätzung wird durch die weiteren Verhaltensweisen bestätigt. Das Personalkennzeichen der Klägerin wurde in „ZBV“ (zur besonderen Verwendung) verändert. Damit bringt die Beklagte nach außen hin zum Ausdruck, dass die Klägerin nicht mehr in den normalen Tätigkeitsablauf eingebunden ist. Zwar ist eine vertragsgerechte Beschäftigung nicht an haushaltsrechtlich abgesicherte oder organisatorisch ausgewiesene Stellen gebunden. Die Klägerin war jedoch zuvor in die Tätigkeit des Referats mit einer „normalen“ Stelle eingebunden. Nach dem Arbeitsvertrag ist die Klägerin als Angestellte der Entgeltgruppe E 9 TVöD eingestellt. Diese Entgeltgruppe bewegt sich in einem Bereich der Vergütungsordnung in dem eine normale, in den Betrieb eingebundene Beschäftigung erwartet werden kann. Verändert die Beklagte dann das Stellenkürzel in ZBV bringt sie nach außen auch gegenüber allen anderen Mitarbeiter zum Ausdruck, dass die Klägerin dort nicht mehr eingebunden sein soll. Dies spiegelte sich in dem weiteren Umstand wieder, dass die Klägerin nicht mehr an Sitzungen des Teams teilgenommen hat. Dass die Beklagte andere Mitarbeiter mit identischen Stellenkürzeln beschäftigt, steht der Herabsetzung der Klägerin durch die Veränderung des Stellenkürzels nicht entgegen.

Dass dies so auch im Umfeld der Klägerin wahrgenommen wurde, wird durch die Äußerung des Referatsleiters Dr. F. am 9. April 2018 bestätigt. Diesen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte nicht näher bestritten. Insofern ging die Kammer davon aus, dass eine ernsthafte Lösung des Konflikts seitens der Beklagten nicht mehr beabsichtigt war. Schon der Umstand, dass die für das Personalmanagement zuständige Referatsleiterin im Vorfeld des Personalgesprächs vom 11. Mai 2016 nach dem Vorbringen der Beklagten über die Hintergründe der Aufgabenänderung nicht informiert war, sich mithin auch nicht informiert hat, lässt darauf schließen, dass eine Konfliktlösung nicht (mehr) wirklich ernsthaft beabsichtigt war.

2.1.2.4.4 Mit diesem Verhalten aber hat die Beklagte den Bereich des sozial- bzw. rechtsadäquaten Verhaltens überschritten. Auch wenn ihr zunächst noch unmittelbar nach dem Streit der Parteien über die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeitsaufgabe für die „Neuorientierung“ ein Zeitraum verbleiben musste, in dem sie der Klägerin andere, möglicherweise nicht unmittelbar adäquate und zeitausfüllende Aufgaben hätte übertragen können, hätte sie nach Rückkehr der Klägerin am 9. April 2018 tätig werden müssen und der Klägerin einen adäquaten Arbeitsplatz bzw. eine adäquate Beschäftigung übertragen müssen. Die Beklagte konnte sich unter Berücksichtigung ihrer arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten und unter Berücksichtigung des arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs nicht darauf zurückziehen, praktisch nichts zu tun.

Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe sich um einen leidensgerechten Arbeitsplatz bemüht, reichte es dazu nicht aus, andere Behörden anzuschreiben und die „Fehlanzeigen“ entgegenzunehmen. Es ist zwar richtig, dass sich die Klägerin in ihrem Verhalten bei der Suche nach anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten nicht kooperativ zeigte. Gleichwohl war es zunächst Sache der Beklagten ihrer vertraglichen Beschäftigungspflicht nachzukommen. Dies hätte sie entweder an einem Arbeitsplatz bei ihr oder aber an einem Arbeitsplatz in einer anderen Behörde tun können. Dafür standen der Beklagten hinreichende arbeitsrechtlichen Mittel zur Seite, angefangen von der ordnungsgemäßen Ausübung des Direktionsrechts bis zur Versetzung oder Umsetzung. Arbeitgeberin der Klägerin war die Bundesrepublik Deutschland, diese konnte auf Arbeitsplätze bei anderen Behörden zurückgreifen. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob der Klägerin ein Anspruch auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes zustand, was das Arbeitsgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren abgelehnt hat und ob sie einen solchen ausreichend geltend gemacht hat. Dies entbindet die Beklagte nicht von der vertragsgemäßen Beschäftigung. Sie kann dies dann in ihrem eigenen Haus verwirklichen. Dazu muss sie den Arbeitsplatz, den sie der Klägerin zugewiesen hat, aber so ausgestalten, dass er den vertraglichen Vereinbarungen entspricht, d.h. dass eine vertragsgerechte Beschäftigung gewährleistet ist.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine Art Mitverschulden der Klägerin im Rahmen der Nichtbeschäftigung berufen, weil diese eine Beschäftigung beim Land Berlin abgelehnt hat und sich wohl auch nicht weiter für eine Abordnung beim BMI interessierte. Die Klägerin war nicht verpflichtet, Änderungen ihres Arbeitsvertrags von sich aus zu akzeptieren und z.B. zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Für beabsichtigte Änderungen des Arbeitsvertrages kann die Beklagte auf die ihr zustehenden arbeitsrechtlichen Mittel zurückgreifen.

2.1.2.3 Die sich aus dem Verhalten der Beklagten ergebende Verletzung des Beschäftigungsanspruchs der Klägerin führte zu einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin, die nur durch die ausgeurteilte Entschädigung beseitigt werden kann.

2.1.2.3.1 Allerdings war der Zeitraum der vertragswidrigen Nichtbeschäftigung nicht lang. Wie oben bereits ausgeführt, musste die Beklagte die Klägerin in den Zeiträumen 8. Juli 2016. 08.04.2018, 16. bis 27.07.2018 und zumindest ab dem 28.08.2018 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon deshalb nicht beschäftigen, weil die Klägerin in diesen Zeiträumen arbeitsunfähig erkrankt war, oder aber ihren Urlaub genommen hat. In diesen Zeiträumen bestand mithin keine Leistungspflicht der Klägerin, damit aber auch keine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin tatsächlich zu beschäftigen.

Die Kammer hat der Beklagten auch für den ersten Zeitraum eine Übergangszeit zugebilligt, um für die Klägerin eine adäquate Beschäftigung nach dem Streit der Parteien über die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu finden. Nicht schon mit jeder geringfügigen Unterschreitung der wöchentlichen vereinbarten Arbeitszeit wird der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers rechtswidrig verletzt. Denn auch mit einer geringeren Beschäftigung kann der Arbeitnehmer noch sein Persönlichkeitsrecht verwirklichen, sich in seinem Beruf betätigen und seine Persönlichkeit entfalten. Dementsprechend ging das Bundesarbeitsgericht in der vom Großen Senat zitierten Entscheidung vom 10.11.1955 – 2 AZR 591 / 54 davon aus, dass es eine Beeinträchtigung der Grundrechtsposition bedeute, wenn einem Arbeitnehmer zugemutet werde, nicht nur vorübergehend, sondern unter Umständen jahrelang sein Gehalt in Empfang zu nehmen, ohne sich in seinem bisherigen Beruf betätigen zu können. Mit einem solchen Fall war die vorliegende Unterbeschäftigung der Klägerin im ersten Zeitraum nicht vergleichbar.

2.1.2.3.2 Diese Sachlage änderte sich aber grundlegend bei Rückkehr der Klägerin aus der Arbeitsunfähigkeit am 9. April 2018. Denn die Beklagte ist auch dann noch ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachgekommen. Damit kehrte die Klägerin nach dem Ende ihrer Erkrankung wieder an einen Arbeitsplatz zurück, auf dem sie faktisch nicht beschäftigt wurde. Da sie auch nach dem einstweiligen Verfügungsverfahren nicht etwa zu Hause bleiben konnte, bis die Beklagte etwas Anderes für sie gefunden hatte, die Beklagte auch keine weiteren Anstrengungen unternommen hatte, etwas für sie zu finden, hätte sie auf unbestimmte Zeit ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit im Büro absitzen müssen, ohne sich mit ihrer Arbeitsleistung bei der Beklagten einbringen zu können. Eine solche Nicht- bzw. Unterbeschäftigung verletzt das Persönlichkeitsrecht der Klägerin erheblich.

2.1.2.4 Die so dargestellte Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden.

Die Beschäftigung der Klägerin ist nicht nachholbar. Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden, dass sie die Möglichkeit gehabt hätte, Beschäftigungsklage zu erheben. Sie hat sich erkennbar um Beschäftigung bemüht, wie aus dem anwaltlichen Schreiben aus Juni 2018 deutlich wird. Auch hat sie im einstweiligen Verfügungsverfahren Beschäftigung in Form eines leidensgerechten Arbeitsplatzes geltend gemacht. Auch wenn sie dort hilfsweise beantragt hat, ihr die Möglichkeit zu geben, nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen, wendet sich die Klägerin damit nicht gegen eine Beschäftigung, sondern nur dagegen ihre Zeit am Arbeitsplatz „totschlagen“ zu müssen.

Der Höhe nach ist ein Betrag von 10.000 Euro angemessen. Auch wenn der Zeitraum der Nichtbeschäftigung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit relativ kurz war, ist hier zu berücksichtigen, dass bezogen auf die Zukunft eine Änderung ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht eingetreten wäre, jedenfalls gibt es dafür keinen Vortrag der Parteien. Auch wenn die Klägerin ihr Arbeitsentgelt erhalten hat, war bei der Bemessung der Entschädigung zu würdigen, dass erst die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einer Lösung des Konfliktes geführt hat. Insofern erschien der Kammer ein Betrag von nicht ganz drei Monatsgehältern angemessen.

2.1.2.5 Ansprüche der Klägerin sind nicht nach § 37 TVöD verfallen. Bei der Verletzung des Beschäftigungsanspruchs der Klägerin handelt es sich um einen Dauertatbestand, der erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses sein Ende fand. Denn auch wenn die Klägerin ab dem 29.8.2019 arbeitsunfähig erkrankt war, ein Anspruch auf Beschäftigung nicht bestand, stand ihre Nichtbeschäftigung weiterhin im Raum. Die Beklagte hat diesen Zustand nicht etwa dadurch beendet, dass sie der Klägerin eine vertragsgerechte Beschäftigung angekündigt hätte.

2.1.3 Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.

2.2 Weitergehende Entschädigungsansprüche bzw. Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen Verletzung ihrer Gesundheit (§§ 280, 253 BGB bzw. 823, 826 BGB) bestehen schon deshalb nicht, weil die Klägerin eine Kausalität zwischen dem Verhalten der Beklagten und der von ihr vorgetragenen Gesundheitsverletzung nicht schlüssig dargetan hat. Die von ihr eingereichten Atteste reichten dazu nicht aus. Als Privaturkunden erbringen sie gemäß § 440 ZPO lediglich Beweis dafür, dass der Unterzeichner ein solchen Attest ausgestellt hat, nicht aber, dass der Inhalt des Attestes zutreffend ist und insbesondere auch nicht dafür, dass eine konkrete Handlung der Beklagten, die die Klägerin im Ergebnis dann nicht hinreichend beschreibt, zu der attestierten Gesundheitsbeeinträchtigung geführt hat. Dies war hier aber deshalb erforderlich, weil die Klägerin ihren Sachvortrag auf die Zeit ab April 2016 beschränkt hat, sie sich aber nach ihren eigenen Aufzeichnungen schon von Beginn ihres Arbeitsverhältnisses „gemobbt“ gefühlt hat. Diese Darstellung der Klägerin war offensichtlich Grundlage der Atteste. So ist in dem von der Klägerin eingereichten Gutachten des Sozialmedizinischen Gutachteninstitut die „persönliche anonymisierte Zusammenfassung der Ereignisse von 2013 – 2019“ unter den vorgelegten Unterlagen angeführt. Der Sachvortrag der Klägerin im Prozess beschränkt sich indes auf den Zeitraum ab April 2016. Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass – nach den obigen Ausführungen – die Verhaltensweisen der Beklagten bis zum 9. April 2018 ohnehin keinen Rechtsgutverletzenden Charakter hatten. Da die Klägerin aber bereits vor dem 9. April 2018 in erheblichem Umfang arbeitsunfähig erkrankt war, hätte es eines näheren Vortrags bedurft, um eine Mitursächlichkeit der Ereignisse ab dem 9. April 2018 in Bezug auf Gesundheitsbeeinträchtigungen annehmen zu können.

2.3 Die von der Klägerin mit dem Antrag zu 2 geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung eines Schadensersatzes zukünftiger materieller oder immaterieller Schäden bestehen nicht.

2.3.1 Hinsichtlich dieser Ansprüche hat die Klägerin ebenfalls die Kausalität zwischen Pflichtverletzungen der Beklagten und dem von ihr geltend gemachten Schäden nicht dargetan. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2.2. Bezug genommen.

2.3.2 Ansprüche der Klägerin sind aber auch deshalb nicht gegeben, weil sie nach § 37 TVöD verfallen sind.

2.3.2.1 Die Parteien haben im Arbeitsvertrag den TVöD in Bezug genommen. Damit gilt die in § 37 TVöD geregelte Ausschlussfrist, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.

2.3.2.2 Die Ansprüche der Klägerin werden von § 37 TVöD erfasst.

§ 37 TVöD-V erfasst alle Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“, unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruhen. Bereits aus dem Wortlaut wird deutlich, dass Anspruchsgrundlage für den Anspruch nicht der Arbeitsvertrag sein muss. Erforderlich ist lediglich, dass das Arbeitsverhältnis die Grundlage für den Anspruch bildet. Erfasst sind daher alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Maßgeblich ist dabei der Entstehungsbereich des Anspruchs, nicht aber die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Es ist demnach unerheblich, ob der Anspruch aus gesetzlichen Vorschriften, Rechtsverordnungen, Tarifverträgen, Dienst-/Betriebsvereinbarungen oder anderen Rechtsquellen abgeleitet wird. Entscheidend ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil vom 11. April 2019 – 6 AZR 104/18 –, BAGE 166, 285-2972 zu einem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch).

Damit werden die hier im Streit stehenden Ansprüche wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten, arbeitsvertraglicher Beschäftigungsansprüche sowie Ansprüche aus unerlaubter Handlung von der Ausschlussfrist erfasst. Sie beruhen alle auf dem Arbeitsverhältnis.

2.3.2.3 Diese Regelung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen § 202 BGB und ist damit nicht nichtig (§ 134 BGB).

Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Die Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden darf. § 202 Abs. 1 BGB verbietet nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen (BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 20). Solche Klauseln sind entweder insgesamt als nichtig anzusehen (so BAG, Urteil vom 26. November 2020 – 8 AZR 58/20 –, Rn 66 - juris) oder aber lediglich teilnichtig, soweit die von § 202 Abs. 1 BGB erfassten Ansprüche betroffen sind (vgl. BAG 27. Oktober 2020 – 9 AZR 531/19 – Rn 14 zu einem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrag; BAG 23. Januar 2019 - 4 AZR 541/17 - Rn. 41).

Allerdings kann die Haftung für fremdes vorsätzliches Handeln nach § 278 Satz 2 BGB iVm. § 276 Abs. 3 BGB ausgeschlossen werden. Insofern können auch Ansprüche aufgrund vorsätzlichen Handelns von Personen iSd. § 278 Satz 1 BGB einer individualrechtlich vereinbarten allumfassenden Ausschlussklausel unterfallen. § 202 Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen (vgl. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 1013/12 – Rn 41 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr 207). Darum geht es aber bei der vorliegenden arbeitsvertraglichen Inbezugnahme des TVöD. Der Arbeitsvertrag ist abgeschlossen mit der Bundesrepublik Deutschland. Um deren Handeln geht es bei den arbeitsvertraglichen Regelungen und damit bei der Ausschlussfrist nicht, sondern um das Handeln der natürlichen Personen und damit auf Seiten der Arbeitgeberin um ein etwaiges Handeln ihrer Erfüllungsgehilfen nach § 278 Satz 1 BGB bzw. ihrer Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB.

2.3.2.4 Die Klägerin hat ihre Ansprüche nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht. Dazu reichte die Klageerhebung nicht aus. Zu diesem Zeitpunkt waren Ansprüche der Klägerin bereits verfallen.

2.3.2.4.1 Nach § 37 TVöD beginnt die Ausschlussfrist mit der Fälligkeit eines Anspruchs. Dies ist der Zeitpunkt zu dem der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Unter Berücksichtigung der in § 199 BGB zum Ausdruck kommenden Wertungen ist weiterhin erforderlich, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Ein Anspruch ist deshalb regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (BAG, Urteil vom 07. Juni 2018 – 8 AZR 96/17 –, juris).

2.3.2.4.2 Danach begann die Ausschlussfrist nach § 37 TVöD spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auch wenn die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihre Ansprüche nicht beziffern konnte, waren ihr zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Feststellungsantrags auf Schadensersatz und der in Anspruch zu nehmende „Schädiger“ bekannt. Die Klägerin wusste, dass sie bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war, und zwar nach ihrem Vorbringen aufgrund der Ereignisses bei der Beklagten. Einer Bezifferung bedurfte es hier für die Geltendmachung etwaiger zukünftig entstehender Schadensersatzansprüche nicht. Die Klägerin hat sie auch nicht beziffert, sie macht sie als Feststellungsansprüche geltend. Solche unterliegen in gleicher Weise den Verjährungsvorschriften und damit in gleicher Weise auch Ausschlussfristen wie Zahlungsansprüche selbst. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete zum 31.08.2019. Die Klageerweiterung, mit der die Klägerin ihre Ansprüche geltend gemacht hat, ging beim Arbeitsgericht am 17.06.2020 ein und wurde der Beklagten am 22.06.2020 und damit weit nach Ablauf der 6 Monatsfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugestellt.

Die Frist nach § 37 TVöD war nicht deshalb gewahrt, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin – wie er vorträgt – erst mit Schreiben vom 17.04.2020 das vollständige Gutachten des SMI und die Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat. Das Gutachten war für die Kenntnis vom Grund und der voraussichtlichen Höhe des Anspruchs nicht erforderlich. Es enthält dazu auch keine weiteren Angaben. Solche werden von der Klägerin mit ihrem Antrag auch nicht in den Prozess eingeführt.

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 9. Mai 2019 konnte die Ausschlussfrist nicht wahren, weil Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz dort nicht geltend gemacht wurden. Die Klägerin hat in diesem Schreiben einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 80.000 Euro geltend gemacht. Diesen Betrag hat sie zunächst auch im Prozess verlangt, bevor sie ihre Klage insoweit auf 40.000 Euro reduziert hat. Daraus ergibt sich, dass die von in dem Schreiben geltend gemachten Ansprüche Gegenstand der Klage waren, weitere Ansprüche hat sie klageweise zunächst nicht geltend gemacht.

2.3.3 Aus diesen Gründen war der Antrag zu 2 abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.

Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.