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Entscheidung 3 K 287/15


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 02.07.2021
Aktenzeichen 3 K 287/15 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0702.3K287.15.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, über den auf bauaufsichtliches Einschreiten auszulegenden Antrag der Klägerin vom 5. September 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 78 %, der Beklagte 11 % und die Beigeladenen als Gesamtschuldner ebenfalls 11 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte 11 % und die Beigeladenen als Gesamtschuldner ebenfalls 11 %, von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen trägt die Klägerin jeweils 78 %; im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Nebengebäude der Beigeladenen und die Nutzung der darin untergebrachten Wärmepumpe. Sie ist Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in der D.... Ihr Schlaf- und Wohnzimmer liegen zur Seite des hiervon nordwestlich befindlichen Grundstücks der Beigeladenen in der D..., das nunmehr ebenfalls mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Für das Gebiet besteht kein Bebauungsplan. Ausweislich des auf Google Maps abrufbaren Kartenmaterials befinden sich eine Querstraße weiter ein Großhändler für Medizintechnik, zwei Querstraßen weiter ein Gebrauchtwagenhändler und Kosmetikstudio, am östlichen Ende der D... ein Gartenlokal, eine Parallelstraße nördlich eine Pension sowie zwei Parallelstraßen nördlich Ferienwohnungen und eine Karosseriewerkstatt. Im Übrigen ist die Umgebung durch Wohnbebauung geprägt.

Unter dem 8. April 2014 beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses einschließlich einer in den Bauunterlagen dargestellten grenzständigen „Garage“ mit Satteldach. In der Baubeschreibung ist eine Wärmepumpe als Anlage zur Wärmeversorgung oder haustechnischen Anlage genannt, die in der „Garage“ installiert werden soll. Sie dient dazu, Wärme zur Beheizung des Wohngebäudes und zur Bereitung von Warmwasser für den Haushalt zu erzeugen. Ausweislich der eingereichten Pläne ist im Bereich der „Garage“ eine Aufschüttung der Geländeoberfläche vorgesehen.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2014 erteilte der Beklagte die Baugenehmigung für das Vorhaben und versah die eingereichten Bauvorlagen mit dem Grünstempel „genehmigt – gehört zur Baugenehmigung“. In der Baugenehmigung heißt es indes ausdrücklich, dass die in den Bauvorlagen dargestellte Garage nicht Gegenstand der Baugenehmigung sei.

Gegen die Erteilung der Baugenehmigung erhob die Klägerin am 5. September 2014 Widerspruch. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, bei dem grenzständigen Gebäude handele es sich nicht um eine Garage, sondern um ein genehmigungspflichtiges Nebengebäude, weil in diesem die Erdwärmepumpe errichtet werden solle. Garagen seien demgegenüber untergeordnete Gebäude, die keine haustechnischen, für das Wohnhaus notwendige Anlagen enthalten dürften. Die Höhe des als „Garage“ bezeichneten Nebengebäudes werde in den Plänen mit 3 m angegeben, allerdings gemessen von der Straßenhöhe, bis zu der das Gelände erhöht werden solle. Es sei indes von der Böschung an zu messen, die deutlich darunterliege. Da das Gebäude damit höher als 3 m sei, habe es Abstandsflächen einzuhalten. Ferner sei laut der eingereichten Pläne eine Ableitung des Regenwassers auf ihr Grundstück vorgesehen. Die Tiefenbohrungen für die Wärmepumpe von 80 m griffen in das sich in 60 m Tiefe befindliche Braunkohleflöz ein, sodass durch den Betrieb der Wärmepumpe die Gefahr von Setzungen und Veränderungen des Erdreichs im Bereich der gesamten Siedlung entstehe. Daher sei das Landesamt für Geologie zu beteiligen. Das Nebengebäude sei über die gemeinsame Grundstücksgrenze hinaus errichtet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, nachbarschützende Rechte seien nicht verletzt, insbesondere seien die Abstandsflächen eingehalten. Die Garage sei nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens. Das betreffe den Baukörper an sich als auch deren Höhenangaben in den Bauvorlagen. Ob die Garage baugenehmigungsfrei sei und ohne Einhaltung von Abstandsflächen unmittelbar an die Grundstücksgrenze errichtet werden dürfe, sei nicht in diesem Verfahren zu klären.

Mit der am 4. März 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Sie führt vertiefend und ergänzend aus, eine Garage verliere ihre Privilegierung, wenn weitere für das Wohnen notwenige Funktionen in ihr integriert würden. So liege der Fall hier. Das Nebengebäude sei ausweislich des eingereichten Bauantrags auch Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens gewesen. Es sei nicht genehmigungsfrei. Vielmehr hätte ihre Zustimmung zur Errichtung des Nebengebäudes eingeholt werden müssen. Von dem Nebengebäude gingen Belästigungen und Störungen aus. Die Heizungsanlage verursache hochfrequente Felder und sei ohne jede Abschirmung gebaut. Von ihr gehe eine gebäudeähnliche Wirkung aus. Zudem sei das Nebengebäude über die Grundstücksgrenze hinaus auf ihrem Grundstück errichtet worden.

Die Klägerin beantragt,

die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten vom 18. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, gemäß ihrem dahingehend auszulegenden Antrag vom 5. September 2014 gegen das Nebengebäude der Beigeladenen und die darin untergebrachte Wärmepumpe einzuschreiten und den Abriss zu verfügen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, über ihren dahingehend auszulegenden Antrag auf Einschreiten vom 5. September 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, das Nebengebäude sei nicht genehmigungspflichtig, die Erdwärmeheizung stelle keine Feuerstätte dar. Die Einholung einer bergbaulichen Stellungnahme sei im Baugenehmigungsverfahren nicht erforderlich gewesen; ohnehin habe diese Forderung keine nachbarschützende Relevanz.

Die Beigeladenen beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Klage sei unbegründet. Sie wende sich nicht gegen das ihnen genehmigte Bauvorhaben, genehmigt sei nur das Wohnhaus. Die Klägerin übersehe, dass weder Garagen noch Nebengebäude (mit einer bestimmten Grundfläche) noch Wärmepumpen einer Baugenehmigung bedürften. Bei der Wärmepumpe handele es sich um eine Anlage der Gebäudeausrüstung, die genehmigungsfrei sei. Sie habe die Garage auf ihrem Grundstück errichtet.

Das Nebengebäude ist inzwischen – mit einem schräg zum Grundstück der Beigeladenen geneigtem Dach – errichtet worden.

Das Gericht hat über die örtlichen Verhältnisse Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Ortsterminprotokoll vom 27. Februar 2019 verwiesen.

Ferner hat das Gericht mit Beschluss vom 17. April 2019 Beweis erhoben über die von der den Beigeladenen mit Baugenehmigung vom 18. Juni 2014 genehmigten Wärmepumpe ausgehenden hoch- und tieffrequenten Geräusche durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens zum Schallimmissionsschutz des D... vom 29. Dezember 2020 träten am Wohngebäude messtechnisch bestimmte Mittelungspegel von 32 dB(A) auf, weshalb bei durchgehendem Betrieb der Wärmepumpe über wenigstens eine Stunde nachts ein Beurteilungspegel von 32 dB(A) zu erwarten sei. Für den Tag errechne sich ein Beurteilungspegel von 34 dB(A). Dieser Beurteilungspegel berücksichtige bereits Zuschläge für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit an Werktagen. Sonntags würde ein Beurteilungspegel von 36 dB(A) entstehen. Einzelne Pegelspitzen seien nicht zu erwarten. Ausgehend von der Einordnung des Gebiets als allgemeines Wohngebiet würden die Immissionsrichtwerte für die Nacht von 40 dB(A) und für den Tag von 55 dB(A) deutlich unterschritten. Eine Frequenzanalyse ließe keine dominanten hoch- oder tieffrequenten Anteile erkennen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 29. Dezember 2020 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung der Kammer waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.

I.

1. Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO ist unstatthaft und damit unzulässig, weil sich die Klägerin nicht gegen einen sie belastenden Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.V.m. § 1 Abs.1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Brandenburg (VwVfGBbg) wendet. Das Nebengebäude, deren Beseitigung die Klägerin begehrt, ist von der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 18. Juni 2014 nicht erfasst. Zwar trägt die Klägerin insoweit zutreffend vor, das als Garage bezeichnete Nebengebäude sei Gegenstand der Bauunterlagen, welche mit einem grünen Genehmigungsstempel einschließlich des Zusatzes „gehört zur Baugenehmigung“ versehen ist. Auch trifft es zu, dass die in dem Nebengebäude eingebaute Wärmepumpe von der Baugenehmigung erfasst ist. Ausschlaggebend ist indes die in der Baugenehmigung ausdrücklich enthaltene Aussage (S. 1), dass die in den Bauvorlagen dargestellte Garage nicht Gegenstand der Baugenehmigung ist. Ein objektiver Dritter kann die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur dahingehend verstehen, dass das als Garage bezeichnete Nebengebäude nicht Teil der Baugenehmigung ist.

2. Die im Hilfsantrag als Untätigkeitsklage (§ 75 Abs. 2 VwGO) erhobene Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO ist zulässig. Der Beklagte hat über den dahingehend auszulegenden Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten der Klägerin vom 5. September 2014 nicht entschieden. Mit Fax vom 5. September 2014 hat die Klägerin gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung Widerspruch erhoben. Da Anträge in entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 BGB auszulegen sind, ist der erhobene Widerspruch unter Berücksichtigung des Gesamtvorbringens der Klägerin als Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten auszulegen bzw. umzudeuten. Sie gab in ihrem Widerspruchsschreiben eindeutig zu erkennen, mit der Errichtung des Nebengebäudes nicht einverstanden zu sein, was der Beklagte auch derart – dies ist nicht zweifelhaft – verstanden hat. Zudem verlangte sie mit weiterer Begründung vom 17. November 2014 u.a., das Nebengebäude müsse in die bauamtliche Prüfung mit einbezogen werden. Der Auslegung ihres Widerspruchs als Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten steht entgegen der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung des Beklagten nicht entgegen, dass die Klägerin bereits zum damaligen Zeitpunkt anwaltlich vertreten gewesen ist und es daher eines ausdrücklichen Antrags bedurft hätte, zumal er mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 ausgeführt habe, die Einwände der Klägerin gegen die „Garage“ seien „nicht in diesem Verfahren zu klären“. Ein Antrag – hier auf bauaufsichtliches Einschreiten – erfordert keine bestimmte Form und ist damit auch konkludent möglich (statt vieler Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 22 VwVfG, Rn. 28). Er kann entsprechend § 140 BGB auch umgedeutet werden (Rixen, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 22 Rn. 23). Dass die Klägerin, obwohl sie anwaltlich vertreten war (und noch ist), keinen dahingehend formulierten Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stellte, ist ersichtlich dem Umstand geschuldet, dass ihr Prozessbevollmächtigter der Auffassung war und nach wie vor ist, dass das Nebengebäude von der Baugenehmigung erfasst sei. Im Übrigen hat der Beklagte sich auf die Klage eingelassen und das Fehlen eines Antrags erst in der mündlichen Verhandlung gerügt.

Ein zureichender Grund dafür, dass der Beklagte über den Antrag der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten vom 5. September 2014 bis zur mündlichen Verhandlung – also über einen Zeitraum von fast sieben Jahren – noch nicht entschieden hat, liegt nicht vor.

II.

1. Das auf bauaufsichtliches Einschreiten gerichtete Verpflichtungsbegehren ist unbegründet, § 113 Abs. 5 VwGO. Zwar liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 der Brandenburgischen Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 2018, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Februar 2021 (zum – hier nicht einschlägigen Anwendungsfall – der Übergangsregelung des § 89 Abs. 4 BbgBO vgl. Urteil der Kammer vom 9. Mai 2019 – 3 K 1359/16 – S. 5 d. UA) vor; auch ist das dem Beklagten zukommende Entschließungsermessen insoweit gebunden (dazu a). Allerdings steht der Klägerin kein Anspruch auf die von ihr begehrte Verpflichtung des Beklagten zum vollständigen Abriss des auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Nebengebäudes einschließlich der darin installierten Wärmepumpe zu (dazu b).

a) Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 BbgBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung einer baulichen Anlage anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Ein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten erfordert dabei zum einen, dass er durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt ist, zum anderen, dass das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde auf Null reduziert ist. Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, hat der Kläger lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde sowie auf Art und Weise des Einschreitens (Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Juli 2011 – 15 ZB 09.1237 – juris Rn. 11).

Das errichtete Nebengebäude der Beigeladenen verletzt baurechtliche Vorschriften, worauf sich die Klägerin berufen kann. Zwar liegt keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme aufgrund unzumutbarer Lärmimmissionen (dazu aa). Das Nebengebäude hält aber nicht die erforderlichen Abstandsflächen ein (dazu bb). Ein Verstoß weiterer drittschützender Vorschriften ist nicht ersichtlich (cc).

aa) Das Vorhaben der Beigeladenen erweist sich gegenüber der Klägerin nicht als rücksichtslos, sie wird durch die darin installierte Wärmepumpe nicht unzumutbar beeinträchtigt.

In Baugebieten, in denen – wie hier – kein Bebauungsplan besteht, sind die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots Bestandteil des erforderlichen „Einfügens“ im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB oder der Vorgaben aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, falls ein bestimmter Baugebietstyp faktisch vorliegt. Das Gebot der Rücksichtnahme ist nämlich inhaltlich identisch, unabhängig davon, ob es sich aus dem in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Merkmal des „Einfügens“ oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO herleitet.

Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5.93 – juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Juni 2015 – OVG 10 S 11.15 – juris Rn. 10).

Sind von dem in Rede stehenden Vorhaben Immissionen zu erwarten, so kann bezüglich der Zumutbarkeit auf Grundsätze und Begriffe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zurückgegriffen werden, wobei die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. Nr. 26/1998 S. 503), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017, die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereiches grundsätzlich allgemein festlegt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. März 2019 – OVG 10 S 17.18 – juris Rn. 26; Beschluss vom 25. Juli 2017 – OVG 10 S 47.16 – juris Rn. 21 m.w.N.).

Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der unzumutbaren Belästigung oder Störung in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren prinzipiell zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Zumutbarkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 – 4 C 2.07 – juris Rn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Juli 2017 – OVG 6 B 11.17 – juris Rn. 29). Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume öffnet (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 18).

Das zumutbare Lärmschutzniveau ist durch die Immissionsrichtwerte in Nr. 6.1 TA Lärm je nach Schutzwürdigkeit des Gebietes im Einwirkungsbereich der Anlage abgestuft geregelt. Bei Gebieten und Anlagen für die – wie hier – keine planungsrechtlichen Festsetzungen bestehen, bestimmt sich das zumutbare Lärmschutzniveau entsprechend den für die Gebiete in Nr. 6.1 TA Lärm festgesetzten Immissionsrichtwerten, Nr. 6.6 Satz 2 TA Lärm. Maßgeblich hierfür ist der Gebietscharakter im Einwirkungsbereich der Anlage. Das ergibt sich aus der anlagebezogenen Sicht des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit den die schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisierenden Regelwerken (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2006 – 7 B 1.06 – juris Rn. 2 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2008 – OVG 2 N 96.07 – juris Rn. 15; Urteil der Kammer vom 29. Juni 2017 – VG 3 K 201/16 – juris Rn. 32).

Vorliegend kann dahinstehen, ob der Gebietscharakter mit Blick auf die in der Umgebung vorhandenen Nutzungen als Gemengelage, faktisches allgemeines Wohngebiet oder reines Wohngebiet einzuordnen ist. Selbst wenn die für die Klägerin günstigsten Immissionsrichtwerte für reine Wohngebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 lit. f) TA Lärm von tags 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) zugrunde gelegt werden, ist eine Überschreitung durch den Betrieb der Wärmepumpe auszuschließen.

Ausweislich des Sachverständigengutachtens vom 29. Dezember 2020 des D...werden bei dem Betrieb der Wärmepumpe die Richtwerte weder für den Tag noch für die Nacht erreicht. Das Gutachten stützt sich auf die im Messtermin am 24. November 2020 ab 21 Uhr vorgefundene Immissionssituation, in der die Wärmepumpe durch Laufenlassen von Warmwasser stimuliert wurde und die der Gutachter als repräsentativ einschätzt.

Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass am Immissionsort messtechnisch bestimmte Mittelungspegel von 32 dB(A) auftreten, wobei diese auch durch den weiter entfernten Straßenverkehr beeinflusst sein können. Hiervon ausgehend sei nachts ein Beurteilungspegel von 32 dB(A) zu erwarten. Für den Tag errechne sich ein Beurteilungspegel von 34 dB(A) unter der Annahme, dass die Wärmpumpe durchgängig 16 Stunden in Betrieb sei. Dieser Beurteilungspegel berücksichtige bereits Zuschläge für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit an Werktagen. Sonntags würde ein Beurteilungspegel von 36 dB(A) entstehen. Einzelne Pegelspitzen seien nicht zu erwarten. Messungen zwischen dem Wohngebäude der Klägerin und der Wärmepumpe im Freien sowie im Wärmepumpenraum hätten ergeben, dass die Differenz LCeq-LAeq bei <20 dB liege. Dies ließe erkennen, dass tieffrequente Geräusche nicht dominierten oder durch höherfrequenten Schall verdeckt würden.

Die diesbezüglichen Ausführungen und Berechnungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Er hat die örtliche Situation, seine Vorgehensweise, Beurteilungsmethodik, Messergebnisse und Berechnungen eingehend und plausibel erläutert. Auch die Auswertung ist verständlich und nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass das Gutachten fehlerhaft ist.

So wurde zunächst der maßgebliche Immissionsort richtig ausgewählt. Maßgeblicher Immissionsort ist der nach Nummer A.1.3 des Anhangs der TA Lärm zu ermittelnde Ort im Einwirkungsbereich der Anlage, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist; es ist derjenige Ort, für den die Geräuschbeurteilung nach der TA Lärm vorgenommen wird (Nr. 2.3 Abs. 1 der TA Lärm). Nach Nummer A.1.3 Satz 1 lit. a) des Anhangs der TA Lärm liegt der maßgebliche Immissionsort bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109, Ausgabe November 1989. Hiervon ausgehend ist die Auswahl des im Erdgeschoss liegenden Wohnzimmers im Wohnhaus der Klägerin als Immissionsort nicht zu beanstanden. Diesbezüglich führt das Gutachten aus, dass dort wegen der geringsten Entfernung zur Wärmepumpe Überschreitungen der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten seien und eine Verlagerung des Immissionsortes in das Obergeschoss den vorhandenen Umgebungslärm noch verstärkt hätte. Den Abstand des Messortes von 0,5 m hat der Gutachter beachtet.

Auch die Ermittlung des Beurteilungspegels erfolgte ohne Fehler. Der mit den Immissionsrichtwerten zu vergleichende Beurteilungspegel wird aus dem Mittelungspegel der zu beurteilenden Geräusche und ggf. aus Zuschlägen gebildet (Nr. 2.10 Satz 1 TA Lärm). In diesem Zusammenhang ist der Sachverständige von zutreffenden Beurteilungszeiten von tags 16 Stunden (Nr. 6.4 Satz 4 TA Lärm) und für die Nacht von der ungünstigsten vollen Stunde (Nr. 6.4 Satz 5 TA Lärm) ausgegangen. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass mangels Ton-, Informations- und Impulshaltigkeit (vgl. Nr. A.2.5.2, A.2.5.3, A.2.5.2, A.2.5.3 des Anhangs zur TA Lärm) keine entsprechenden Zuschläge zum Mittelungspegel erforderlich seien. Insoweit hat er insbesondere ausgeführt, dass das von er Wärmepumpe ausgehende Geräusch recht gleichmäßig und ohne Impulse sei und an einen freistehenden Kühlschrank erinnere. Dies deckt sich mit den übereinstimmend getroffenen Feststellungen der Beteiligten im Ortstermin am 27. Februar 2019. Die für die Tageszeiten mit erhöhten Empfindlichkeiten erforderlichen Zuschläge (vgl. Nr. 6.5 TA Lärm) wurden berücksichtigt. Auch die Annahme, dass Pegelspitzen nicht zu erwarten seien, weil die Wärmepumpe ausschließlich am Wärmebedarf ausgerichtet sei, ist nachvollziehbar.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die von der Wärmepumpe ausgehenden Lärmimmissionen sogar noch unterhalb der gemessenen Werte liegen dürften (S. 15 d. Gutachtens). So betont der Sachverständige wiederholt, dass die gemessenen Pegelwerte durch den weiter entfernten Straßenverkehr beeinflusst seien (S. 12, 13, 14 d. Gutachtens) und eine Ausblendung des Straßenverkehrs zwar faktisch nicht möglich, aber zu einer weiteren Absenkung des Pegels führte. Diese Schlussfolgerung stellt sich auch eingedenk der vorgenommenen Berechnungen auf Basis zusätzlich durchgeführter Messungen im Aufstellraum der Wärmepumpe, die nur einen Pegel am Wohnhaus der Klägerin von < 11 dB(A) induzierten, als plausibel und nachvollziehbar dar.

Auch hinsichtlich der Beurteilung der tieffrequenten Geräusche, d.h. solcher, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen, ist nicht ersichtlich, dass das Gutachten fehlerhaft ist. Nach der Textziffer 7.3 TA Lärm ist die Frage, ob von tieffrequenten Geräuschen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen. Dabei können schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere dann auftreten, wenn bei deutlich wahrnehmbaren tieffrequenten Geräuschen in schutzbedürftigen Räumen bei geschlossenen Fenstern die nach Nr. A.1.5 des Anhangs ermittelte näher beschriebene Differenz den Wert 20 dB überschreitet. Zwar hat der Gutachter keine Messungen im Wohnbereich der Klägerin durchgeführt. Er erläutert hierzu, auf Schallpegelmessungen im zum Nachweisort gehörenden Wohnraum bei geschlossenem Fenster zur Ermittlung tieffrequenter Geräuscheanteile verzichtet zu haben, weil die außerhalb des Wohngebäudes erzielten Messergebnisse keine sinnvoll auswertbaren Geräusche im Innenraum hätten erwarten lassen (S. 7 f. d. Gutachtens). Dies ist für die Einzelrichterin nachvollziehbar. Auch mit Blick darauf, dass das Vorliegen tieffrequenter Geräusche im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen ist, besteht kein Anlass dafür, die fachkundige Einschätzung des Gutachters in Frage zu stellen (vgl. auch VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19. April 2017 – 5 K 549/13 – juris Rn. 63). Ohnehin macht die Klägerin schon nicht geltend, dass von der Wärmepumpe unzumutbare tieffrequente Geräusche ausgingen.

Auch hat sie die Richtigkeit der Messungen, Messergebnisse und Ausführungen des Sachverständigen nicht in Abrede gestellt.

bb) Die Klägerin kann aber mit Erfolg eine Verletzung des nachbarrechtlichen Abstandsflächengebots geltend machen kann. Das Nebengebäude der Beigeladenen verstößt gegen §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 4 Satz 1, 6 Abs. 5 Satz 1 BbgBO. Danach sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen einzuhalten, deren Tiefe nach § 6 Abs. 5 Satz 1 BbgBO mindestens 3 m beträgt und die auf dem Grundstück selbst liegen müssen, § 6 Abs. 2 Satz 1 BbgBO.

Die Behauptung der Klägerin, das Gebäude der Beigeladenen stelle sich als Grenzüberbau auf ihr Grundstück dar, hindert die Anwendung dieser Vorschriften nicht. Mit der einhelligen Rechtsprechung geht die Einzelrichterin davon aus, dass allein die zivilrechtlichen Regelungen, nicht aber das öffentliche Recht gegen die in einem Überbau liegende Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks schützen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29. Januar 2020 – 3 LB 49/15 – juris Rn. 28 ff.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 29. November 2006 – 1 CS 06.2717 – juris Rn. 22; VG Hamburg, Urteil vom 12. November 2015 – 7 K 2387/12 – juris Rn. 41; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. November 2013 – 6 K 2397/12 – juris Rn. 39 f.), insbesondere ein Überbau keine nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts verletzt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29. Januar 2020 – 3 LB 49/15 – juris Rn. 31; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Februar 1992 – 5 S 144/92 – juris Rn. 5). Dem entspricht es, dass die gesetzliche Vorgabe, dass Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen, nicht dazu dient, einen Überbau abzuwenden (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29. Januar 2020 – 3 LB 49/15 – juris Rn. 33). Bei der Anwendung des Abstandsflächenrechts ist der Überbau wie ein grenzständiges Gebäude zu behandeln (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29. Januar 2020 – 3 LB 49/15 – juris Rn. 33; Bayerischer VGH, Beschluss vom 24. August 2016 – 9 CS 15.1695 – juris Rn. 21). Auch im Falle eines Überbaus ist die Frage der Einhaltung der Abstandsflächen zu prüfen (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29. Januar 2020 – 3 LB 49/15 – juris Rn. 33).

Das Nebengebäude der Beigeladenen hält keine Abstandsflächen ein. Ihr Nebengebäude steht direkt bzw. unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin. Auch liegen die Voraussetzungen für eine Privilegierung nach § 6 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 BbgBO nicht vor. Danach sind in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gebäudelänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Diese Vorgaben erfüllt das Nebengebäude der Beigeladenen nicht.

Das 7,99 m lange Nebengebäude ist nicht als Garage im Sinne der Vorschrift zu beurteilen, weil es sich nicht um eine typische Garagennutzung handelt, da es nicht nur zum Abstellen von Kraftfahrzeugen (vgl. § 2 Abs. 7 BbgBO) genutzt wird. Wird eine Garage auch zu anderen Zwecken – hier zur Unterbringung der Wärmepumpe – genutzt, entfällt die Privilegierung, wenn sie nicht als ein Gebäude ohne Aufenthaltsraum (vgl. § 2 Abs. 4 BbgBO) und ohne Feuerstätte (§ 2 Abs. 2 BbgBO) gewertet werden kann (Otto, Brandenburgische Bauordnung 2016, 4. Aufl. 2016, § 6 Rn. 376). Um ein solches handelt es sich aber hier; insbesondere ist die Wärmepumpe keine Feuerstätte im Sinne der Vorschrift, weil sie nicht dazu bestimmt ist, durch Verbrennung Wärme zu erzeugen (zur Funktionsweise von Wärmepumpen vgl. Wikipedia unter dem Stichwort „Wärmepumpe“).

Die zum klägerischen Grundstück ausgerichtete Außenwand überschreitet aber eine mittlere Wandhöhe von 3 m. Zur Bestimmung der – für die Bemessung der Tiefe der Abstandsfläche erforderlichen – Wandhöhe ist gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 BbgBO abzustellen auf das Maß von der Geländeoberfläche des Baugrundstücks bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Bei der für den unteren Bezugspunkt der Höhenbemessung maßgeblichen Geländeoberfläche handelt es sich gemäß § 2 Abs. 12 BbgBO um die natürliche Geländeoberfläche, soweit nicht in der Baugenehmigung eine andere Geländeoberfläche festgesetzt ist. Letzteres ist hier schon deshalb der Fall, weil das Nebengebäude nicht Teil der Baugenehmigung ist. Schwierigkeiten hinsichtlich der Bestimmung der natürlichen Geländeoberfläche ergeben sich mit Blick auf die von den Beigeladenen unstreitig vorgenommenen Geländeaufschüttungen. Zwar bildet der amtliche Lageplan des Vermessungsingenieurs F...vom 7. April 2014 die ursprüngliche Geländesituation ab. Dieser enthält aber nur Angaben zur Höhe des etwa 4 m nordöstlich (72,7 m ü. NHN) und etwa 1 m südwestlich (73,1 m ü. NHN) vom Nebengebäude entfernten Geländes und verdeutlicht auch in Anbetracht der weiteren darin ausgewiesenen Flächenpunkte, dass das Gelände vor dem künstlichen Eingriff uneben verlief. Der natürliche Verlauf der Geländeoberfläche lässt sich an der an der zum klägerischen Grundstück gerichteten Außenwand nicht mehr exakt bestimmen. In einem solchen Fall ist die Höhe dieser Stelle grundsätzlich mit Hilfe anerkannter geodätischer Methoden näherungsweise zu rekonstruieren (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. August 2020 – OVG 10 S 50/20 – S. 5 d. EA; Beschluss der Kammer vom 5. November 2020 – 3 L 480/20 – S. 5 d. EA). Einer solchen Rekonstruktion bedarf es hier aber deshalb nicht, weil die maßgebliche (Außen-) Wand eine mittlere Höhe von 3 m eindeutig überschreitet.

So beträgt die Höhe der ausweislich der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Juli 2021 durchgeführten Messung an der südwestlichen (bzw. in der Sitzungsniederschrift als südlich bezeichneten) Außenkante 3,14 m und an der nordöstlichen (bzw. nördlichen) Außenkante 2,97 m, wobei erst ab dem (d.h. oberhalb vom) Fundament gemessen worden ist, weil dieses Teil der Aufschüttung ist. So findet sich in der Einmessungsbescheinigung des Vermessungsingenieurs F...vom 25. August 2014 die Angabe „Objekt: Neubau Wohnhaus und Garage (OK [Oberkante] Rohfußboden)“, was ein maßgeblicher Anhalt dafür ist, dass die Einmessung nach Errichtung des Fundaments durchgeführt wurde. Eine solche Annahme deckt sich mit den verfügbaren Zeitangaben. Ausweislich der Anzeige des Baubeginns vom 22. Juli 2014 wurde mit den Bauarbeiten am 25. Juli 2014 und damit etwa einen Monat vor der Einmessung des Bauvorhabens am 20. August 2014 begonnen. Auch der Vertreter des Beklagten bestätigte in der mündlichen Verhandlung am 2. Juli 2021, dass die Einmessung wohl das Geländeniveau nach Errichtung des Fundaments abbildet (vgl. S. d. Sitzungsniederschrift). Dass es sich bei der auf Höhe des Nebengebäudes angegebenen Höhenlage von 73,70 m bzw. 73,71 m um die Oberkante des Fundaments handelt, steht auch im Einklang mit der im amtlichen Lageplan genannten Oberkante des aus Zementestrich bestehenden Fußbodens (vgl. die Baubeschreibung vom 27. März 2014, Ziffer 5) („OKFF Oberkante Fußboden) von 73,74 m“. Mit Blick auf die Höhenangaben von 73,70 m (bzw. 73,71 m) zu 72,7 bzw. 73,1 m ergibt sich, dass das Geländeniveau zumindest um 0,60 m aufgeschüttet wurde. Da die Aufschüttungen bei der Berechnung der mittleren Höhe der nordöstlichen Außenwand zu berücksichtigen sind, also zumindest ein Wert von 0,60 m zu den gemessenen Höhenangaben von 3,14 m und 2,97 m zu addieren ist, übersteigt die Außenwand ohne Zweifel eine mittlere Wandhöhe von 3 m.

Das Gebäude wurde mithin im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet; es können auch nicht auf andere Art und Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach § 67 BbgBO nicht vor. Danach kann auf Antrag eine Abweichung von den Anforderungen des Gesetzes zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtliche geschützten nachbarlichen Belange mit diesen vereinbar sind. Daran fehlt es hier. Die Vorschriften zum Abstandsflächenrecht dienen einer Mehrheit von Zwecken. Mit ihnen soll insbesondere eine hinreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung der Gebäude und der Räume in ihnen erreicht sowie dem Feuerschutz und der Brandbekämpfung gedient werden. Die Regelungen sollen in diesem Sinne ein verträgliches Wohnklima sichern, die eigene Privatsphäre gegen fremde nachbarliche Einwirkungen, namentlich übermäßige Einsichtnahme und Lärm, abschirmen und auch beengende Wirkungen von Bauwerken ausschließen. Es handelt sich dabei um Mindestanforderungen (Reimus/Semtner/Langer, Die neue Brandenburgische Bauordnung, 4. Aufl. 2017, § 6 Rn. 4). Der Gesetzgeber hat durch die Abstandsflächenvorschriften konkret die Art und Weise umschrieben, in der den durch sie zu schützenden Rechtsgütern hinreichend Rechnung getragen wird. Daher kann unmittelbar an die Grenze errichtetes Gebäude nicht mehr als dem Schutzziel entsprechend angesehen werden.

cc) Ein Verstoß sonstiger drittschützender Vorschriften ist nicht erkennbar. Soweit die Klägerin insbesondere einwendet, das in der Branitzer Siedlung vorhandene Braunkohleflöz würde durch die im Rahmen der Installation der Wärmepumpe veranlasste Tiefenbohrung „angeschnitten“, sodass mit einem Grundwasseranstieg und Bodensenkungen zu rechnen sei, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, auf welche nachbarschützende Norm sie sich beruft.

b) Liegen mithin die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten vor, ist auch sein Entschließungsermessen insoweit gebunden, dass nur eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin zutreffend sein kann. Es ist anerkannt, dass die bauaufsichtliche Ordnungsverfügung zu den Fällen des sogenannten intendierten Ermessens gehört, in denen regelmäßig bereits das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen den Eintritt der in der Vorschrift vorgesehenen Rechtsfolge rechtfertigt. Denn die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde hat sich nach der in § 58 Abs. 2 BbgBO niedergelegten Aufgabe zu richten, wonach sie darüber zu wachen hat, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Gegen die Verletzung des formellen und materiellen Baurechts ist daher grundsätzlich und regelmäßig einzuschreiten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 26. Juni 2017 – OVG 10 N 27.14 – juris Rn. 14 ff.; vom 30. Mai 2016 – OVG 10 S 34.15 – juris Rn. 10; Urteil vom 23. September 2014 – OVG 10 B 5.12 – juris Rn. 36 m.w.N.; Urteil der Kammer vom 2. Juni 2016 – 3 K 911/12 – juris Rn. 53). Einer besonderen Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls bedarf es deshalb nur, wenn sich dies in einer für die Ermessensentscheidung erheblichen Weise vom Regelfall abhebt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. Juli 2015 – OVG 2 N 23.13 – juris Rn. 3; vom 26. Juni 2017 – OVG 10 N 27.14 – juris Rn. 14; Urteil vom 25. Februar 2015 – OVG 10 B 6.10 – juris Rn. 41; Beschlüsse der Kammer vom 11. Februar 2016 – 3 L 18/16 – juris Rn. 17; und vom 20. Oktober 2017 – 3 L 475/17; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – OVG 2 S 62.12 –).

Die Gefährdung oder Verletzung subjektiv öffentlicher Nachbarrechte ist in die Ermessensentscheidung, für die regelmäßig ohnehin wenig Spielraum besteht, gesondert einzustellen. Ist das Ermessen schon objektiv rechtlich reduziert, kann es in dem Fall, in dem zusätzlich Nachbarrechte verletzt sind, regelmäßig nur mit der Folge des Einschreitens rechtmäßig betätigt werden (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Februar 2015 – OVG 10 B 6.10 – juris Rn. 54). Das öffentliche Baurecht lässt sich, soweit es das Verhältnis von Nachbarn betrifft, als Regelung eines Konflikts zwischen rivalisierenden Privaten und dem Umfang des Eigentumsrechts des einen wie des anderen verstehen. Mit der Überwachung des Baugeschehens daraufhin, ob die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, hat die Bauaufsichtsbehörde auch für die Verwirklichung dieser Konfliktregelung zu sorgen. Dabei kann die Bauaufsichtsbehörde nicht nach eigenem Ermessen über die Verwirklichung des subjektiven Rechts des Dritten entscheiden, sondern ist strikt an die Verwirklichung der ihr kraft Gesetzes übertragenen Aufgabe gebunden. Die Baubehörde ist daher gehalten, eine rechtswidrige, Nachbarrecht verletzte Nutzung zu untersagen und gegebenenfalls Anlagen zu beseitigen, wenn kein milderes Mittel Abhilfe schaffen kann (vgl. Urteil der Kammer vom 2. Juni 2016 – 3 K 911/12 – juris Rn. 53).

Gründe, die es ausnahmsweise rechtfertigen könnten, von einem bauaufsichtlichen Einschreiten abzusehen, sind nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die Klägerin schon vor Beginn der Bauarbeiten ihre Zustimmung zu dem Bauvorhaben verweigert und gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. Juni 2014 Widerspruch erhoben hat. Auch die von der Baugenehmigung unter Punkt 6.6 erfasste Wärmepumpe steht dem nicht entgegen, weil sie keine Aussage zum Standort trifft.

c) Allerdings kann die Klägerin mit ihrem Begehren, die vollständige Beseitigung vornehmen zu lassen, nicht durchdringen. Eine Bindung des Auswahlermessens des Beklagten hinsichtlich der Art und Weise der Herstellung baurechtskonformer Zustände in dem von der Klägerin begehrten Sinne besteht nicht. Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung über das „Wie“ allein zu berücksichtigen haben, dass keine baurechtswidrigen Zustände verbleiben. Mit Blick auf die abstandsflächenrechtliche Privilegierung des § 6 Abs. 8 Satz 1 BbgBO bedarf es hierzu nicht zwingend eines vollständigen Abrisses des Nebengebäudes.

2. Nach alledem hat die Klägerin mit ihrem zweiten Hilfsantrag Erfolg. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 1 und 2 VwGO. Die gebildete Quote entspricht dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage, die das Gericht mit etwa 10 % bewertet, keinen Erfolg hat und hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht. Da mit dem Beseitigungsverlangen der Klägerin zugleich auch eine darin enthaltene Untersagung der Nutzung des Nebengebäudes zur Unterbringung der Wärmepumpe – erfolglos – angestrebt wurde, wurden beide Begehren im Rahmen der noch zu verteilenden Kosten mit je 45 % bewertet. Hinsichtlich des noch verbleibenden Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung in Bezug auf das Nebengebäude an sich ist zu berücksichtigen, dass es zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände keines vollständigen Abrisses des Nebengebäudes bedarf. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind dem Grunde nach erstattungsfähig, da die Beigeladenen Anträge gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.