Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 15.07.2021 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 135/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0715.9UF135.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 04.06.2020 (Az. 11 F 245/14) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen nachehelichen Unterhalt für die Zeit vom 07.01.2014 bis 30.06.2021 in Höhe von 73.029,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
- aus 552,20 € seit dem 08.01.2014,
- aus weiteren jeweils monatlich 864,73 € seit dem 04.02.2014 und seit dem 04.03.2014,
- aus weiteren jeweils monatlich 800,69 € seit dem 02.04.2014, seit dem 03.05.2014, seit dem 03.06.2014, seit dem 02.07.2014, seit dem 02.08.2014 und seit dem 02.09.2014,
- aus weiteren jeweils monatlich 787,74 € seit dem 02.10.2014, seit dem 04.11.2014 und seit dem 02.12.2014,
- aus weiteren jeweils monatlich 787,74 € seit dem 03.01.2015, seit dem 03.02.2015, seit dem 03.03.2015, seit dem 02.04.2015, seit dem 05.05.2015, seit dem 02.06.2015, seit dem 02.07.2015, seit dem 04.08.2015, seit dem 02.09.2015, seit dem 02.10.2015, seit dem 03.11.2015 und seit dem 02.12.2015,
- aus weiteren jeweils monatlich 787,74 € seit dem 05.01.2016, seit dem 02.02.2016, seit dem 02.03.2016, seit dem 02.04.2016, seit dem 03.05.2016, seit dem 02.06.2016, seit dem 02.07.2016, seit dem 02.08.2016, seit dem 02.09.2016, seit dem 05.10.2016, seit dem 02.11.2016 und seit dem 02.12.2016,
- aus weiteren jeweils monatlich 787,74 € seit dem 03.01.2017, seit dem 02.02.2017, seit dem 02.03.2017, seit dem 04.04.2017, seit dem 03.05.2017, seit dem 02.06.2017, seit dem 04.07.2017, seit dem 02.08.2017, seit dem 02.09.2017, seit dem 03.10.2017, seit dem 02.11.2017 und seit dem 02.12.2017,
- aus weiteren jeweils monatlich 787,74 € seit dem 03.01.2018, seit dem 02.02.2018, seit dem 02.03.2018, seit dem 04.04.2018, seit dem 03.05.2018, seit dem 02.06.2018, seit dem 03.07.2018, seit dem 02.08.2018, seit dem 04.09.2018, seit dem 02.10.2018, seit dem 02.11.2018 und seit dem 04.12.2018,
- aus weiteren jeweils monatlich 787,74 € seit dem 03.01.2019, seit dem 02.02.2019, seit dem 02.03.2019, seit dem 02.04.2019, seit dem 03.05.2019, seit dem 04.06.2019, seit dem 02.07.2019, seit dem 02.08.2019 und seit dem 03.09.2019,
- aus weiteren jeweils monatlich 1.056,96 € seit dem 02.10.2019, seit dem 02.11.2019 und seit dem 03.12.2019,
- aus weiteren jeweils monatlich 805,61 € seit dem 03.01.2020, seit dem 04.02.2020, seit dem 03.03.2020, seit dem 02.04.2020, seit dem 05.05.2020, seit dem 03.06.2020, seit dem 02.07.2020, seit dem 04.08.2020, seit dem 02.09.2020, seit dem 02.10.2020, seit dem 03.11.2020 und seit dem 02.12.2020,
- aus weiteren jeweils monatlich 973,51 € seit dem 05.01.2021, seit dem 02.02.2021, seit dem 02.03.2021, seit dem 02.04.2021, seit dem 04.05.2021, und seit dem 02.06.2021.
b.
Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, an die Antragstellerin ab Juli 2021 einen monatlichen, jeweils im Voraus zum Dritten eines jeden Monats fälligen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.723,51 € zu zahlen. Ab 01.01.2023 beträgt der Unterhalt 862 € monatlich. Diese Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners ist befristet bis zum 30.11.2024.
Der weitergehende Zahlungsantrag der Antragstellerin und die weitergehenden Beschwerden beider Beteiligter werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten erster Instanz werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin zu 32 % und der Antragsgegner zu 68 % zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 23.013,94 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von nachehelichem Unterhalt ab Januar 2014.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner heirateten am …1987 und trennten sich Ende 2011. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
Der Scheidungsantrag des Antragsgegners wurde der Antragstellerin am 13.06.2013 zugestellt.
Die Beteiligten sind seit dem 07.01.2014 rechtskräftig geschieden.
In einem vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg geführten Verfahren (Az. 124 F 17558/13) schlossen die Beteiligten am 26.11.2013 einen Vergleich, wonach der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2013 einen Trennungsunterhalt in Höhe von 20.000 € zahlt.
Am 30.05.2014 zahlte der Antragsgegner an die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt für die Monate Januar 2014 bis Juni 2014 in Höhe von insgesamt 4.500 € (6 x 750 €) und in der Folgezeit monatlich 750 €.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.04.2014 hatte die Antragstellerin den Antragsgegner aufgefordert, für den Monat Januar 2014 einen nachehelichen Unterhalt von 1.684,07 € und ab Februar 2014 einen solchen von monatlich 1.550,69 € zu zahlen. Vorausgegangen war ein Schreiben des damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 07.01.2014, mit dem ein monatlicher Nachscheidungsunterhalt von 1.761 € gefordert worden war. Unter dem 23.07.2014 stellte der (jetzige) Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin für seine vorgerichtliche Tätigkeit 1.242,84 € in Rechnung.
In einem weiteren Verfahren stritten die Beteiligten vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Az. 124 F 17245/14) über den Zugewinnausgleich. Am 19.04.2016 wurde das vorliegende Unterhaltsverfahren bis zur Erledigung des Zugewinnausgleichsverfahrens ausgesetzt (Bl. 338 f. GA). Mit am 21.02.2019 verkündeten Beschluss verpflichtete das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg den Antragsgegner, an die Antragstellerin einen Zugewinn in Höhe von 22.172,78 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.06.2013 zu zahlen (Bl. 345 ff. GA).
Die Beteiligten sind hälftige Miteigentümer einer in …/… gelegenen Ferienwohnung, die 47,26 qm groß und lastenfrei ist. Die Vermietung und Betreuung des Objekts erfolgt durch eine Hausverwaltung. Im Jahr 2014 belief sich der Gewinn auf 248 €.
Die am …1958 geborene Antragstellerin war während der Ehe 13 Jahre berufstätig. Vor der Eheschließung hatte sie am 01.07.1987 eine Stelle als …beim … in … angetreten. Ab Januar 1993 arbeitete sie als … in dem … in ….
Die Antragstellerin leidet seit etwa dem Jahr 2000 an einer Angsterkrankung. Seit dem 01.12.2002 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die zunächst befristet war und seit dem 01.07.2010 als Dauerrente gewährt wird. Seit Januar 2014 wurden folgende monatliche Zahlungen geleistet:
01/14: 932,03 €
02/14 bis 06/14: 1.198,78 €
07/14 bis 12/14: 1.224,68 €
01/15 bis 02/15: 1.244,19 €
03/15 bis 06/16: 1.245,57 €
07/16 bis 06/17: 1.335,46 €
07/17 bis 06/18: 1.374,18 €
07/18 bis 04/19: 1.421,24 €
05/19 bis 06/19: 1.435,74 €
07/19 bis 06/20: 1.487,67 €
ab 07/20: 1.545,68 €.
Die Antragstellerin ist schwerbehindert. Seit dem 23.08.2010 beträgt der Grad der Behinderung 80 mit den Merkzeichen G (erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit) und B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson).
Der am …1967 geborene Antragsgegner ist gelernter … . Von September 1998 bis Oktober 2001 absolvierte er ein berufsbegleitendes Studium zum … an der … . Seit dem 18.02.1991 ist er für die Firma … GmbH tätig, zuletzt als … für internationale Kunden. Er hat einen Dienstwagen, den er auch privat nutzen kann. Vom 15.01.2016 bis zum 30.06.2017 war er für seine Firma in (X) tätig.
Mit Schriftsatz vom 14.08.2014 hat die Antragstellerin das vorliegende Verfahren eingeleitet und auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt angetragen. Die Zustellung erfolgte am 17.10.2014. Erstinstanzlich hat sie zuletzt einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 2.377,59 € ab Juli 2020 und für die Zeit vom 01.01.2014 bis 30.06.2020 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 125.952,90 € nebst anteiligen Zinsen geltend gemacht.
Der Unterhaltsberechnung hat die Antragstellerin dabei ein monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners von 5.869,46 € für das Jahr 2014, von 6.179,74 € für das Jahr 2015 und ab Januar 2016 ein solches von 6.700 € (einschließlich eines Nutzungsvorteils für den Dienstwagen) zugrunde gelegt. Hiervon ist ein Erwerbstätigenbonus von 1/7 abgezogen worden. Auf ihrer Seite hat sie die Rentenleistungen berücksichtigt und zusätzlich einen krankheitsbedingten Mehrbedarf von monatlich 500 € geltend gemacht. Die geleisteten Unterhaltszahlungen von monatlich 750 € sind in Abzug gebracht worden.
Ferner hat die Antragstellerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.242,84 € geltend gemacht.
Die Antragstellerin hat behauptet, ihr Gesundheitszustand habe sich durch das Verhalten des Antragsgegners im Laufe der Jahre immer weiter verschlechtert. Der Ehemann habe sie jahrelang körperlich und vor allem seelisch misshandelt. Im Jahre 2004 habe er sie am rechten Oberarm und der Schulter verletzt und am 07.05.2011 am rechten Handgelenk. Am 27.10.2012 sei er mit seinem Pkw (nach einem Treffen der getrennt lebenden Ehegatten in einem Restaurant) ohne zu bremsen auf sie zugefahren, als sie in ihren am Straßenrand geparkten Mietwagen einsteigen wollte. Der Antragsgegner habe sie jahrelang unter psychischen Druck gesetzt, bei ihr zusätzliche Ängste geschürt und sie in den Selbstmord treiben wollen. Er habe sie schwer gedemütigt und wochen- sogar monatelang mit Missachtung gestraft. Sie habe dem Ehemann zu Willen sein müssen. Die seelischen Schäden seien nicht mehr reparabel. Sie sei nicht alltagsfähig, geschweige denn erwerbsfähig. Bei diesen Gegebenheiten komme eine Befristung oder Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nicht in Betracht. Die in Rechnung gestellten Rechtsanwaltskosten habe sie beglichen.
Der Antragsgegner ist dem Unterhaltsbegehren entgegengetreten. Die Antragstellerin könne für ihren Unterhalt aufgrund eigener Einkünfte und bestehenden Vermögens selbst sorgen. Aus der Vermietung der Ferienwohnung erziele sie durchschnittliche monatliche Einnahmen von mindestens 300 €. Zum Zeitpunkt der Trennung habe sie über ein Wertpapierdepot im Wert von mindestens 40.000 € verfügt. Aus der Auflösung eines Kontos bei der … Bank … (…) seien ihr 60.000 € und weitere 20.000 € zur Begleichung des Trennungsunterhalts zugeflossen. Eigenen Angaben zufolge verfüge sie über Bankvermögen in Höhe von mindestens 150.000 €. Die lastenfreie Ferienimmobilie habe einen Verkehrswert von ca. 250.000 €. Zudem sei er für die psychische Erkrankung der Antragstellerin nicht verantwortlich. Er habe der Ehefrau keine körperliche oder psychische Gewalt angetan. Am 27.10.2012 sei er keineswegs mit seinem Pkw auf die Antragstellerin zugefahren. Es könne sein, dass er in der engen Straße dicht an der Antragstellerin vorbeigefahren sei und diese sich hierdurch verängstigt gefühlt habe. Der Unterhaltsanspruch sei zeitlich zu begrenzen bzw. zu beschränken. Die Antragstellerin habe keine ehebedingten Nachteile erlitten. Auch im Rahmen der nachehelichen Solidarität müssten seine weiteren Unterhaltsverpflichtungen Berücksichtigung finden. Er habe am ...2014 wieder geheiratet. Die neue Ehefrau sei Studentin. Aus der Ehe sei eine am ...2015 geborene Tochter hervorgegangen. Ferner hat der Antragsgegner den Einwand der Verwirkung erhoben. Die Antragstellerin habe ihn wegen diverser Straftaten angezeigt. Sämtliche Ermittlungsverfahren seien eingestellt worden. Ferner diskreditiere sie ihn in seiner Familie und seinem beruflichen Umfeld.
Mit am 04.06.2020 verkündeten Beschluss hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt ab Juli 2020 bis Januar 2024 in Höhe von 1.943 €, ab Februar 2024 bis Januar 2029 von 1.300 € und ab Februar 2029 einen solchen in Höhe von 650 € zu zahlen. Ferner ist der Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Unterhalts für den Zeitraum 01.01.2014 bis 30.06.2020 in Höhe von 78.662 € nebst anteiliger Zinsen verpflichtet worden. Die weitergehenden Anträge sind abgewiesen worden.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Antragstellerin könne wegen ihrer psychischen Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und für ihren Unterhalt nicht vollumfänglich selbst sorgen. Der Antragstellerin stehe ein monatlicher Nachscheidungs-unterhalt bzw. Rückstand wie folgt zu:
01/14: 996 € (1.746 – 750)
02/14 bis 06/14: 862 € (1.612 – 750)
07/14 bis 12/14: 849 € (1.599 – 750)
01/15 bis 02/15: 908 € (1.658 – 750)
03/15 bis 12/15: 907 € (1.657 – 750)
01/16 bis 06/16: 989 € (1.739 – 750)
07/16 bis 12/16: 944 € (1.694 – 750)
01/17 bis 06/17: 1.025 € (1.775 – 750)
07/17 bis 12/17: 1.006 € (1.756 – 750)
01/18 bis 06/18: 1.087 € (1.837 – 750)
07/18 bis 12/18: 1.064 € (1.814 – 750)
01/19 bis 04/19: 1.145 € (1.895 – 750)
05/19 bis 06/19: 1.138 € (1.888 – 750)
07/19 bis 12/19: 1.112 € (1.862 – 750)
01/20 bis 06/20: 1.193 € (1.943 – 750)
ab 07/20: 1.943 €
Der Berechnung liegt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners von 5.431,14 € für 2014, von 5.600 € für 2015 sowie geschätzte monatliche Nettoeinkünfte von 5.800 € für 2016, von 6.000 € für 2017, von 6.200 € für 2018, von 6.400 € für 2019 und von 6.600 € für 2020 zugrunde. Von dem monatlichen Nettoeinkommen des Antragsgegners hat das Amtsgericht 5 % für berufsbedingte Aufwendungen und einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 in Abzug gebracht. Auf Seiten der Antragstellerin sind die jeweiligen Rentenleistungen in die Berechnung eingestellt worden.
Einen Anspruch der Antragstellerin auf den geltend gemachten krankheitsbedingten Mehrbedarf von monatlich 500 € hat das Amtsgericht verneint. Auch müsse sie ihren Bedarf nicht aus dem Stamm ihres Vermögens decken. Einkünfte aus Kapitalvermögen seien nicht ersichtlich. Der Unterhalt sei in Anbetracht der langen Ehedauer sowie des Alters und des Gesundheitszustandes der Antragstellerin nicht zeitlich zu begrenzen. Er sei jedoch im Laufe der Jahre auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, da auch dem Antragsgegner die Möglichkeit gegeben werden müsse, wieder relativ unabhängig von der Antragstellerin zu leben und weitestgehend frei über sein Einkommen disponieren zu können. Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei nicht gegeben, weil die Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt habe, diese Kosten beglichen zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 04.06.2020 verwiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, mit der er eine vollständige Abweisung des Unterhaltsantrags der Antragstellerin ab Dezember 2023 erreichen will. Er ist der Auffassung, mit den monatlichen Zahlungen von 750 € an die Antragstellerin genüge er seiner Unterhaltsverpflichtung. Ab Juli 2021 sei der monatliche Unterhaltsbetrag auf 375 € herabzusetzen. Mit ihren Einkünften könne die Antragstellerin ihren eheprägenden Bedarf decken. Die Einkommensermittlung des Amtsgerichts sei auch fehlerhaft, was näher ausgeführt wird. Die weiteren Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner neuen Ehefrau und der gemeinsamen Tochter müssten bei seiner Leistungsfähigkeit entsprechend berücksichtigt werden. Der Unterhaltsanspruch sei bis zum Eintritt der Antragstellerin in den regulären Altersruhestand (November 2023) zu befristen und zuvor auf die Hälfte des eheprägenden Bedarfs herabzusetzen. In diesem Zusammenhang sei bedeutsam, dass sich die Antragstellerin während der Ehezeit einer psychologischen Behandlung verweigert habe. Die Unterhaltsansprüche seien auch verwirkt wegen unberechtigter Strafanzeigen der Antragstellerin. Die in dem angefochtenen Beschluss ausgewiesene Zinsstaffel sei nicht korrekt und im Hinblick auf die zweijährige Aussetzung des Verfahrens auch unbillig.
Die Antragstellerin hat ebenfalls Beschwerde eingelegt, mit der sie aktuell einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 2.207,89 € ab Juni 2021 begehrt und für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.05.2021 Zahlung eines Unterhaltsrückstands von 116.513,48 € nebst anteiliger Zinsen sowie vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 1.242,84 €. Das Amtsgericht habe zu Unrecht das Einkommen des Antragsgegners (teilweise) geschätzt. Zudem müsse der geldwerte Vorteil für die private Nutzung des Dienstwagens von unstreitig 350 € seinem Einkommen hinzugerechnet werden. Der Abzug von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen sei nicht gerechtfertigt. Der Antragsgegner habe derartige Aufwendungen nicht. Zudem sei die vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes und der damit verbundenen krankheitsbedingten Mehraufwendungen nicht gerechtfertigt. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten habe sie beglichen, was belegt sei.
Der Senat hat den Zeugen K… M… zu der Behauptung der Antragstellerin, dieser habe am 19.03.2011 gehört, dass der Ehemann die Ehefrau massiv bedroht habe („ich vergewaltige dich wieder“, „ich schlage dich tot“), als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsschrift vom 03.06.2021 verwiesen.
II.
Die wechselseitigen Beschwerden beider Beteiligter sind statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 117 Abs. 1 FamFG). In der Sache haben die Rechtsmittel im tenorierten Umfang Erfolg.
Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner aus §§ 1572 Nr. 1, 1578 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Form von Krankheitsunterhalt zu, der sich aus rückständigem Unterhalt für die Zeit vom 07.01.2014 bis einschließlich 30.06.2021 auf insgesamt 73.029,46 € und ab Juli 2021 auf monatlich 1.723,51 € beläuft. Dieser Zahlungsanspruch ist gemäß § 1578 b BGB ab Januar 2023 auf monatlich 862 € herabzusetzen und in dieser Höhe auf den 30.11.2024 zu befristen.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 1572 Nr. 1 BGB (Krankheitsunterhalt) in Betracht. Danach kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die volle Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin wegen ihrer psychischen Erkrankung hat der Antragsgegner in der Beschwerdeinstanz nicht mehr in Frage gestellt.
Die Höhe des nachehelichen Unterhalts ist gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB so zu bemessen, dass der Unterhaltsberechtigte seine bisherigen ehelichen Lebensverhältnisse aufrechterhalten kann (ehelicher Bedarf).
Die ehelichen Lebensverhältnisse der Beteiligten waren seit dem Jahr 2002 bis zur Scheidung im Jahr 2014 von der Erkrankung, der Erwerbsunfähigkeit und dem Rentenbezug der Antragstellerin sowie der ununterbrochenen Tätigkeit des Antragsgegners bei der Firma … GmbH gekennzeichnet.
Einkünfte der Antragstellerin
In die Unterhaltsberechnung sind folgende Rentenleistungen der Antragstellerin einzustellen, wobei ein Monatsdurchschnitt wie beim Erwerbseinkommen zu bilden ist:
2014
Januar 2014: 932,04 €
Februar 2014 bis Juni 2014: 5.993,90 € (1.198,78 x 5)
Juli 2014 bis Dezember 2014: 7.348,08 € (1.224,68 x 6)
Gesamt: 14.274,02 €
Monatsdurchschnittlich sind das 1.189,50 €.
2015
Januar 2015 bis Februar 2015: 2.488,38 € (1.244,19 x 2)
März 2015 bis Dezember 2015: 12.455,70 € (1.245,57 x 10)
Gesamt: 14.944,08 €
Dies entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Rente von 1.245,34 €.
2016
Januar 2016 bis Juni 2016: 7.473,42 € (1.245,57 x 6)
Juli 2016 bis Dezember 2016: 8.012,76 € (1.335,46 x 6)
Gesamt: 15.486,18 €
Die durchschnittliche monatliche Rente beläuft sich auf 1.290,52 €.
2017
Januar 2017 bis Juni 2017: 8.012,76 € (1.335,46 x 6)
Juli 2017 bis Dezember 2017: 8.245,08 € (1.374,18 x 6)
Gesamt: 16.257,84 €
Es errechnet sich eine durchschnittliche monatliche Rente von 1.354,82 €.
2018
Januar 2018 bis Juni 2018: 8.245,08 € (1.374,18 x 6)
Juli 2018 bis Dezember 2018: 8.527,44 € (1.421,24 x 6)
Gesamt: 16.772,52 €
Die durchschnittliche monatliche Rente beträgt 1.397,71 €.
2019
Januar 2019 bis April 2019: 5.684,96 € (1.421,24 x 4)
Mai 2019 bis Juni 2019: 2.871,48 € (1.435,74 x 2)
Juli 2019 bis Dezember 2019: 8.926,02 € (1.487,67 x 6)
Gesamt: 17.482,46 €
Die durchschnittliche monatliche Rente beläuft sich auf 1.456,87 €.
2020
Januar 2020 bis Juni 2020: 8.926,02 € (1.487,67 x 6)
Juli 2020 bis Dezember 2020: 9.274,08 € (1.545,68 x 6)
Gesamt: 18.200,10 €
Es errechnet sich eine durchschnittliche monatliche Rente von 1.516,68 €.
2021
Ab Januar 2021 ist in die Unterhaltsermittlung eine monatliche Rentenleistung von 1.545,68 € eingestellt worden.
Weitere Einkünfte sind auf Seiten der Antragstellerin nicht zu berücksichtigen. Ein Hinzuverdienst kommt wegen des Alters und der gesundheitlichen Verfassung der geschiedenen Ehefrau nicht in Betracht. Erträge aus der Vermietung der Ferienwohnung bleiben unberücksichtigt. Diese sind - soweit bekannt - auch nur geringfügig und von keinem der Beteiligten in die Unterhaltsberechnung eingestellt worden. Substanzielles Vorbringen zur Höhe fehlt.
Soweit das Amtsgericht den von der Antragstellerin erstinstanzlich geltend gemachten krankheitsbedingten Mehrbedarf (monatlich 500 €) bei der Unterhaltsermittlung nicht berücksichtigt hat, gibt das keinen Grund zur Beanstandung. Die Erwägungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung sind richtig. Mit der Beschwerde hat die Antragstellerin diesen Punkt auch nicht konkret angegriffen. (Die Unterhaltsforderungen sind nur nicht angepasst worden.) Eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung ist insoweit nicht erfolgt.
Einkünfte des Antragsgegners
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners sind für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts nicht nur die Einkünfte für das Jahr 2014, sondern für den gesamten streitgegenständlichen Unterhaltszeitraum heranzuziehen. Die Unterhaltsermittlung erfolgt dabei anhand der in der Ehe angelegten Einkünfte. Das sind hier die jeweiligen Rentenleistungen der Antragstellerin und das Erwerbseinkommen des Antragsgegners einschließlich Bonus- und Prämienzahlungen wie auch (normale) Gehaltserhöhungen. Einkommensänderungen sind eheprägend, wenn die Einkommensentwicklung nach der Trennung und nach der Scheidung einem Normalverlauf entspricht. Dies gilt sowohl für übliche Gehaltssteigerungen oder Regelbeförderungen als auch für unterhaltsbezogen nicht leichtfertige Einkommensreduzierungen, z.B. durch unvermeidbare Gehaltssenkungen, Kurzarbeitergeld (Wendl/Siebert, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 4 Rn. 552).
Erwerbseinkommen
Der Antragsgegner hat im Unterhaltszeitraum folgende Nettoeinkünfte (einschließlich eheprägender Bonus- und Prämienzahlungen) erzielt:
2014
Januar 2014: 3.892,19 €
Februar 2014: 3.892,19 €
März 2014: 9.280,19 €
April 2014: 8.316,18 €
Mai 2014: 4.017,49 €
Juni 2014: 4.017,49 €
Juli 2014: 4.017,49 €
August 2014: 4.017,49 €
September 2014: 4.017,49 €
Oktober 2014: 4.017,49 €
November 2014: 4.017,49 €
Dezember 2014: 4.162,31 €
Gesamt: 57.665,49 €
Dies entspricht einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 4.805,46 €.
2015
Januar 2015: 4.018,39 €
Februar 2015: 4.018,39 €
März 2015: 6.524,44 €
April 2015: 8.889,32 €
Mai 2015: 4.534,80 €
Juni 2015: 4.121,46 €
Juli 2015: 4.121,46 €
August 2015: 4.121,46 €
September 2015: 4.121,46 €
Oktober 2015: 4.121,46 €
November 2015: 4.135,42 €
Dezember 2015: 16.929,04 €
Gesamt: 69.657,10 €
Es ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 5.804,76 €.
2016
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sind die zusätzlichen Einkünfte des Antragsgegners während seiner Auslandstätigkeit nicht in die Einkommensermittlung einzustellen. Es handelt sich dabei nicht um eheprägendes Einkommen. Der Antragsgegner war fast eineinhalb Jahre (15.01.2016 bis 30.06.2017) für seinen Arbeitgeber in (X) tätig. Anhaltspunkte dafür, dass ein ähnlich langer Auslandseinsatz schon zuvor stattgefunden hat, gibt es nicht. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin gehörten temporäre Tätigkeiten im Ausland (… , …) während der Ehe zum Berufsalltag des Antragsgegners (Schriftsatz vom 23.02.2021). Zur Dauer der jeweiligen Auslandseinsätze ist aber nichts dargetan. Ein Auslandseinsatz von fast eineinhalb Jahren ist etwas grundlegend anderes als gelegentliche Dienstreisen ins Ausland. Dies geht zu Lasten der Antragstellerin, die als Unterhaltsgläubigerin die Darlegungs- und Beweislast für Grund und Höhe des beantragten Unterhalts trägt. Hierauf ist sie bereits mit Senatsbeschluss vom 28.01.2021 hingewiesen worden. Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit die zusätzlichen Einkünfte des Antragsgegners in (X) durch Sonderbelastungen aufgezehrt worden sind.
Das in 2016 erzielte Gesamtnettoeinkommen des Antragsgegners betrug - ohne die zusätzlichen Zahlungen für den Auslandseinsatz - 54.299,54 €, was einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 4.524,96 € entspricht. Im Hinblick darauf, dass das Vorjahresnettoeinkommen (69.657,10 €) höher war, hat der Senat das in 2015 erzielte Einkommen für das Jahr 2016 fortgeschrieben. In 2015 betrug das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen 5.804,76 €. Der Auslandsaufenthalt hat die berufliche Karriere des Antragsgegners aller Voraussicht nach befördert. Damit verbundene Einbußen muss die Antragstellerin aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht hinnehmen, auch wenn sie an nicht eheprägenden Vorteilen nicht zu beteiligen ist. Es ist das Einkommen zugrunde zu legen, das fiktiv ohne den Auslandseinsatz hätte erzielt werden können.
2017
Die vorstehenden Ausführungen gelten für das Jahr 2017 entsprechend. Im Hinblick darauf, dass der Auslandseinsatz des Antragsgegners bis Ende Juni 2017 dauerte, hat der Senat für diesen Zeitraum (mit Ausnahme der Monate März und Juni 2017) das monatliche Nettoeinkommen des Antragsgegners auf der Grundlage des Nettoentgelts für August 2017 fingiert. Die Sonderzahlungen in März und Juni 2017 entsprechen dem üblichen Verlauf der Vorjahre, in denen jeweils in 2 Monaten deutlich höhere Entgeltzahlungen erfolgt sind. Diese Einkommensbestandteile sind daher auch für das gesamte Jahr 2017 zu berücksichtigen. Im Übrigen sind die tatsächlichen monatlichen Nettoeinkünfte berücksichtigt worden. Es ergibt sich folgendes Zahlenbild:
Januar 2017: 4.405,19 €
Februar 2017: 4.405,19 €
März 2017: 16.440,45 €
April 2017: 4.405,19 €
Mai 2017: 4.405,19 €
Juni 2017: 6.400,45 €
Juli 2017: 12.021,38 €
August 2017: 4.405,19 €
September 2017: 4.538,12 €
Oktober 2017: 4.538,12 €
November 2017: 4.538,12 €
Dezember 2017: 4.538,12 €
Gesamt: 75.040,71 €
Es errechnet sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 6.253,39 €.
2018
Januar 2018: 4.550,22 €
Februar 2018: 4.408,32 €
März 2018: 11.191,92 €
April 2018: 4.991,38 €
Mai 2018: 4.588,13 €
Juni 2018: 4.588,13 €
Juli 2018: 4.588,13 €
August 2018 4.588,13 €
September 2018: 4.588,13 €
Oktober 2018: 4.588,13 €
November 2018: 4.588,13 €
Dezember 2018: 4.588,59 €
Gesamt: 61.847,34 €
Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen beläuft sich auf 5.153,95 €.
2019
Januar 2019: 4.615,78 €
Februar 2019: 4.615,78 €
März 2019: 12.306,39 €
April 2019: 4.746,68 €
Mai 2019: 4.746,68 €
Juni 2019: 4.746,68 €
Juli 2019: 4.746,68 €
August 2019: 4.746,68 €
September 2019: 4.746,68 €
Oktober 2019: 4.746,68 €
November 2019: 4.746,68 €
Dezember 2019: 7.279,62 €
Gesamt: 66.791,01 €
Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen beträgt 5.565,92 €.
2020
Januar 2020: 4.965,91 €
Februar 2020: 4.965,91 €
März 2020: 10.682,60 €
April 2020: 4.965,91 €
Mai 2020: 4.003,93 €
Juni 2020: 4.586,45 €
Juli 2020: 4.403,33 €
August 2020: 4.403,33 €
September 2020: 4.403,33 €
Oktober 2020: 4.403,33 €
November 2020: 4.403,33 €
Dezember 2020: 4.403,33 €
Gesamt: 60.590,69 €
Dies entspricht einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 5.049,22 €. Der gegenüber dem Vorjahr eingetretene Einkommensrückgang beruht auf in 2020 geleisteter Kurzarbeit infolge der Corona-Pandemie.
2021
In 2021 stellt sich die Einkommenssituation bisher wie folgt dar:
Januar 2021: 4.678,59 €
Februar 2021: 4.955,95 €
März 2021: 9.233,63 €
April 2021: 5.203,29 €
Mai 2021: 5.203,29 €
Gesamt: 29.274,75 €
Der Antragsgegner befindet sich seit Februar dieses Jahres nicht mehr in Kurzarbeit. In Anbetracht der Tatsache, dass noch nicht eingeschätzt werden kann, wie sich die deutsche Wirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie erholen wird, kommt eine Hochrechnung nur auf der Basis des regelmäßigen monatlichen Nettoeinkommens in Betracht. Es ist nicht absehbar, dass der Antragsgegner in diesem Jahr (außer der gewährten Corona Prämie) noch Bonus- und Prämienzahlungen erhalten wird, die jeweils auf dem wirtschaftlichen Ergebnis des Vorjahres beruhen. In 2020 dürfte sich der wirtschaftliche Erfolg der meisten Unternehmen pandemiebedingt in Grenzen halten, wofür im Ausgangsfall auch die Anordnung der Kurzarbeit spricht. Rechnet man zu dem bisherigen tatsächlichen Nettoeinkommen (29.274,75 €) noch sieben Nettogehälter je 5.203,29 € hinzu, ergibt sich ein Gesamtnettoeinkommen von 65.697,78 €, was einem Monatsdurchschnitt von 5.474,82 € entspricht. Dieser Betrag ist in die Unterhaltsberechnung einzustellen.
Steuererstattungen sind bei der Unterhaltsberechnung nicht zu berücksichtigen. Die (darlegungs- und beweisbelastete) Antragstellerin hat hierzu nichts vorgetragen.
berufsbedingte Aufwendungen
Soweit das Amtsgericht von dem monatlichen Nettoeinkommen des Antragsgegners 5 % für berufsbedingte Aufwendungen abgezogen hat, kann das nicht von Bestand sein. Gemäß Ziffer 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Stand: 01.01.2021) können berufsbedingte Aufwendungen mit einem Anteil von 5 % des Nettoeinkommens angesetzt werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es fehlt bereits an der Darlegung des Vorhandenseins derartiger Aufwendungen dem Grunde nach. Der Antragsgegner, der als Unterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für Abzüge vom Einkommen trägt, hat auf den entsprechenden Hinweis des Senats vom 28.01.2021 hierzu auch nichts Konkretes vorgetragen.
Private Nutzung des Dienstwagens
Die Antragstellerin beanstandet zu Recht, dass das Amtsgericht dem Einkommen des Antragsgegners keinen Sachvorteil zugerechnet hat. Es steht außer Frage, dass dem geschiedenen Ehemann ein Dienstwagen zur Verfügung steht, den er auch für Privatfahrten benutzen darf. Ihm fließt hierdurch ein geldwerter Vorteil zu.
Zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen des Arbeitnehmers zählen auch Sachbezüge, die er von seinem Arbeitgeber erhält, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen (vgl. Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 7. Aufl., Kapitel 4 Rn. 78). Hierzu gehört auch die unentgeltliche Überlassung eines Dienstwagens, wenn der Pkw - wie hier - auch privat genutzt werden darf.
Soweit die Antragstellerin den Wert dieses Sachbezugs mit monatlich 350 € veranschlagt hat, unterliegt das keinen Bedenken. Wie der im Internet frei abrufbaren Veröffentlichung des ADAC (www.adac.de) zu den TOP 10 der Kleinwagenklasse entnommen werden kann, belaufen sich bereits die durchschnittlichen monatlichen Gesamtkosten für einen Kleinwagen auf mindestens 344 €. Laut Angaben der Antragstellerin soll es sich bei dem Dienstwagen um einen Mercedes (Schriftsatz vom 14.08.2014) und damit keinen Kleinwagen handeln. In Anbetracht dessen erscheint der in Ansatz gebrachte Nutzungsvorteil, dessen Höhe in erster Instanz unstreitig war, nicht überzogen. Dies gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass der Antragsgegner den in seinem Bruttoeinkommen enthaltenen Sachbezugsbetrag Pkw (01/14 bis 01/16: 564,00 €; 08/17 bis 01/18: 314,45 €; 02/18 bis 03/18: 474,55 €; 04/18 bis 05/21: 466,70 €) versteuern muss. Soweit der Antragsgegner in der Beschwerdebegründung vom 10.08.2020 den Sachvorteil mit 188 € beziffert und auch so in seine Einkommensaufstellung (Anlage zum Schriftsatz vom 22.01.2021) aufgenommen hat, fehlt hierfür jegliche Begründung. Ein substantiiertes Bestreiten stellt das nicht dar.
Der Nutzungsvorteil (monatlich 350 €) ist dem Einkommen des Antragsgegners hinzuzurechnen und zwar im gesamten streitbefangenen Unterhaltszeitraum. Der Auslandseinsatz spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil der Antragstellerin daraus - wie bereits ausgeführt - unterhaltsrechtlich keine Nachteile erwachsen dürfen.
Kindesunterhalt
Ein Abzug von Kindesunterhalt erfolgt nicht.
Grundsätzlich ist der Unterhalt für ein minderjähriges Kind gemäß § 1609 Nr. 1 BGB dem nachehelichen Unterhalt gegenüber vorrangig und daher durch Abzug vom Nettoeinkommen des Verpflichteten zu berücksichtigen. Der dafür darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner hat jedoch das Bestehen einer Unterhaltspflicht gegenüber einem nachgeborenen Kind nicht bewiesen. Abgesehen von der bereits nicht nachgewiesenen rechtlichen Vaterschaft (dazu unten) fehlt es auch an der Darlegung der hier allein maßgeblichen Barunterhaltspflicht für die gesamte Zeit ab der Geburt des Kindes nach Grund und ggf. Höhe. Hierzu gehört jedenfalls die konkrete Darlegung zur tatsächlichen Betreuung des Kindes, weil im Umfang der geleisteten Betreuung kein zusätzlicher Barunterhalt geschuldet ist. Für die Vergangenheit kommt es zusätzlich darauf an, ob ein ggf. bestehender Barunterhaltsanspruch tatsächlich erfüllt worden ist bzw. noch gefordert werden kann. Nimmt der Verpflichtete für sich in Anspruch, das Kind sei in einer Lebensgemeinschaft von beiden Eltern betreut worden, haften die Eltern anteilig nach ihren Betreuungs- und Einkommensverhältnissen auf Barunterhalt. Nichts davon hat der Antragsgegner konkret vorgetragen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen weiter unten in Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit und ggf. bestehenden Unterhaltsansprüchen einer Ehefrau verwiesen.
Berechnung des nachehelichen Unterhalts
Die Berechnung des Unterhalts ergibt sich aus der anliegenden Tabelle (Anlage 1).
Die ermittelten Unterhaltsbeträge stellen sich wie folgt dar:
2014: 1.614,73 € Rest: 864,73 € (1.614,73 – 750)
2015: 2.015,08 € Rest: 1.265,08 € (2.015,08 – 750)
2016: 1.992,50 € Rest: 1.242,50 € (1.992,50 – 750)
2017: 2.152,62 € Rest: 1.402,62 € (2.152,62 – 750)
2018: 1.659,98 € Rest: 909,98 € (1.659,98 – 750)
2019: 1.806,96 € Rest: 1.056,96 € (1.806,96 – 750)
2020: 1.555,61 € Rest: 805,61 € (1.555,61 – 750)
2021 1.723,51 € Rest: 973,51 € (1.723,51 – 750)
Leistungsfähigkeit des Antragsgegners
Es ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner den nachehelichen Unterhalt leisten kann. Der angemessene Selbstbehalt ist gewahrt (2014: 1.100 €, 2015 bis 2019: 1.200 €, ab 2020: 1.280 €). Soweit er sich auf weitere Unterhaltsverpflichtungen beruft, greift das nicht. Nach seiner Behauptung hat er am …2014 wieder geheiratet; am …2015 sei seine Tochter geboren worden.
Dem Unterhaltspflichtigen obliegt die Darlegungs- und Beweislast für vom Einkommen vorzunehmende Abzüge wegen vorrangiger Ansprüche auf Kindesunterhalt sowie für eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB). Das umfasst auch die Umstände, aus denen sich die Unterhaltsbedürftigkeit eines neuen Ehegatten des Pflichtigen ergeben, weil es sich insoweit um einen Gesichtspunkt handelt, der im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit von Bedeutung ist (BGH, FamRZ 2012, 281; Eschenbruch/Schürmann/Menne, a.a.O., Kapitel 1 Rn. 242).
Der Antragsgegner hat hierzu nichts Substantielles vorgetragen. Er macht geltend, dass die neue Ehefrau bei Eheschließung Studentin gewesen sei. Von Oktober 2013 bis zum 27.07.2015 sei sie an der … Universität in … eingeschrieben gewesen. Nach der Rückkehr aus (X) habe sie sich (auf seine Kosten) weitergebildet, um nunmehr als …/… mit Spezialisierung in … (…) und … (…) arbeiten zu können.
Die Antragstellerin hat die Wiederverheiratung und die Vaterschaft des Antragsgegners bestritten. Der Antragsgegner werde bei seinem Arbeitgeber als ledig und kinderlos geführt; er wohne bei einem Herrn B. S… in … , … , in beengten Verhältnissen zur Untermiete.
Die Lebensverhältnisse des Antragsgegners sind in der Tat undurchsichtig. Laut den vorgelegten Verdienstabrechnungen erfolgt die Besteuerung nach Steuerklasse 1 und ohne Kinderfreibetrag. Ermittlungen der Polizei des Landes Brandenburg zufolge wohnt der geschiedene Ehemann unter der vorbezeichneten Anschrift zur Untermiete (Bl. 632 GA). In einer Auskunft des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten … vom 10.01.2018 wurde der Familienstand des Antragsgegners mit „geschieden“ angegeben (Bl. 1012 GA). Der Antragsgegner hat Kopien einer polnischen Ehe- und Geburtsurkunde mit Übersetzung in die deutsche Sprache zu den Akten gereicht (Bl. 593 ff. GA). Mit einfachen Kopien einer öffentlichen Urkunde kann kein Beweis geführt werden. Es sind die Originale der Ehe- und Geburtsurkunde vorzulegen (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 420 ZPO), (die allerdings keiner Apostille - wie die Antragstellerin meint - oder sonstigen Legalisation bedürfen (Art. 4 Verordnung EU 2016/1191, in Kraft seit dem 16.02.2019 - gilt für Polen). Trotz ausdrücklichen Hinweises vom 28.01.2021 sind die Urkunden im Original weder zur Akte gereicht, noch im Senatstermin am 03.06.2021 vorgelegt worden.
Zudem fehlt es an substantiiertem Vorbringen des Antragsgegners zu den behaupteten weiteren Unterhaltsverpflichtungen, worauf ebenfalls schriftlich mit Beschluss vom 28.01.2021 hingewiesen wurde.
Zu den Lebensumständen der Familie hat der Antragsgegner nichts Konkretes dargetan, geschweige denn zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der neuen Ehefrau. Im Verfahren, das immerhin seit August 2014 läuft, hat er keine Angaben zum Wohnort der Familie gemacht und auch nicht dazu, ob der Antragsgegner mit der neuen Ehefrau und dem Kind zusammen lebt. Anhaltspunkte dafür, dass er der neuen Ehefrau und dem Kind Barunterhalt leistet oder Unterhaltstitel bestehen, gibt es auch nicht. Unter Umständen wäre auch das anwendbare Recht fraglich, da ein Auslandsbezug vorliegt.
Wie dem Einkommensteuerbescheid für 2016 entnommen werden kann, wurde das Kind steuerlich nicht berücksichtigt, da „weder Meldedaten noch steuerliche Identifikationsnummer vorhanden sind/angegeben wurden“ (Bl. 1097, 1099 GA). Gleiches ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid für 2018 (Bl. 1108 ff. GA). Gemäß Einkommensteuerbescheid für 2017 erfolgte eine Einzelveranlagung, wobei die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden (Bl. 1102 ff. GA). Zu den aufgezeigten Ungereimtheiten, die von der Antragstellerin immer wieder angesprochen worden sind, hat der Antragsgegner nicht Stellung genommen. Die Lebensverhältnisse des geschiedenen Ehemannes sind undurchsichtig. Hieran ändert auch seine Erklärung in der Sitzung vom 03.06.2021 nichts, dass er seit der Eheschließung mit seiner jetzigen Ehefrau stets in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe und dass auch das Kind stets in der häuslichen Gemeinschaft aufgezogen worden sei. Die oben angeführten Widersprüche sind damit nicht ausgeräumt. Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 15.06.2021 Beweis für sein Vorbringen angeboten hat, ist dem nicht nachzugehen. Da der Antragsgegner auf das substanzielle Bestreiten seinerseits nur völlig pauschal behauptet hat, eine Lebensgemeinschaft der Familie habe stets bestanden, ohne auch nur Angaben dazu zu machen, wie dies mit den Tatsachen der angeblichen Eheschließung in Polen, der Geburt des Kindes in Polen und seiner Arbeit in Deutschland sowie mit den weiteren dagegen sprechenden Anzeichen in Übereinstimmung zu bringen ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Zudem ist der Beweisantrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt worden und damit unzulässig (§ 296a ZPO). Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist die mündliche Verhandlung am 03.06.2020 geschlossen worden. Der Senat hat den Beteiligten keine Schriftsatzfrist eingeräumt, sondern dem Antragsgegner lediglich die Auflage erteilt, die Verdienstabrechnungen aus dem laufenden Kalenderjahr binnen einer Woche einzureichen (zur Vermeidung eines baldigen Abänderungsverfahrens). Die vom Antragsgegner im vorbezeichneten Schriftsatz angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 23.03.2021 – II ZR 80/20) ist hier nicht einschlägig. Abgesehen davon kommt es darauf auch gar nicht an, weil der Antragsgegner die Eheschließung und die Geburt seiner Tochter schon nicht nachgewiesen hat. Weder eine rechtswirksame Eheschließung noch die rechtliche Vaterschaft können durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden.
Unterhalt für die Vergangenheit
Soweit das Amtsgericht der Antragstellerin nachehelichen Unterhalt seit dem 01.01.2014 zuerkannt hat, ist das nicht richtig. Der nacheheliche Unterhalt beginnt (frühestens) mit dem Tag, an dem die Rechtskraft des Scheidungsurteils eintritt (BGH, FamRZ 1988, 370; Wendl/Bömelburg, a.a.O., § 4 Rn. 115 m.w.N.). Das war hier der 07.01.2014.
Gemäß §§ 1585 b Abs. 2, 1613 Abs. 1 BGB kann beim nachehelichen Unterhalt ein Rückstand ab Rechtshängigkeit, ab Verzug und ab Auskunftsbegehren zum Zweck der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches begehrt werden.
Für den Verzug bedarf es nach § 286 Abs. 1 BGB grundsätzlich einer Mahnung. Die Mahnung erfordert für ihre Wirksamkeit eine der Höhe nach bestimmte und eindeutige Leistungsaufforderung (Wendl/Siebert, a.a.O., § 6 Rn. 122). Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 07.01.2014 (an diesem Tag wurde der Scheidungsausspruch rechtskräftig) zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 1.761 € aufgefordert und damit in Verzug gesetzt. Zu berücksichtigen ist aber, dass mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 24.04.2014 (erneute Mahnung) die Unterhaltsforderung auf monatlich 1.550,69 € ermäßigt worden ist. Ab diesem Zeitpunkt besteht Verzug nur für den reduzierten Unterhalt (BGH, Beschluss vom 07.11.2012 – XII ZB 229/11, FamRZ 1990, 283; Wendl/Siebert, a.a.O., § 6 Rn. 128). Ein höherer Unterhalt kann erst zu dem Zeitpunkt verlangt werden, ab welchem erneut ein höherer Unterhalt in verzugsbegründender Wirkung verlangt wird (erkennender Senat, Beschluss vom 04.08.2020 - 9 UF 39/20). Mit der Antragsschrift vom 14.08.2014, die am 17.10.2014 zugestellt worden ist, hat die Antragstellerin ihre Unterhaltsforderung erneut ermäßigt und zwar auf monatlich 1.537,74 €. Diese Unterhaltszahlung ist auch in der Sitzung vom 30.04.2015 beantragt worden (Bl. 142 ff. GA) worden. Erst mit Schriftsatz vom 29.08.2019 hat die Antragstellerin einen höheren Unterhalt und zwar ab 01.10.2019 monatlich 2.377,59 € verlangt (Bl. 374 GA). Die Zustellung ist am 03.09.2019 erfolgt. Mit der Beschwerdebegründung vom 10.08.2020 hat sie sodann einen monatlichen Unterhalt von 2.234,74 € ab 01.09.2020 und mit Schriftsatz vom 25.05.2021 einen monatlichen Unterhalt von 2.207,89 € ab 01.06.2021 begehrt.
Die Antragstellerin kann daher rückständigen Unterhalt wie folgt verlangen (§§ 1585 b Abs. 2, 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB):
2014
07.01. bis 31.01.2014: 552,20 € (1.614,73 : 31 x 25 = 1.302,20 - 750)
02/14 bis 03/14: 1.729,46 € (1.614,73 – 750 = 864,73 x 2)
04/14 bis 09/14: 4.804,14 € (1.550,69 – 750 = 800,69 x 6)
10/14 bis 12/14: 2.363,22 € (1.537,74 – 750 = 787,74 x 3)
Gesamt: 9.449,02 €
2015
01/15 bis 12/15: 9.452,88 € (1.537,74 – 750 = 787,74 x 12)
2016
01/16 bis 12/16: 9.452,88 € (1.537,74 – 750 = 787,74 x 12)
2017
01/17 bis 12/17: 9.452,88 € (1.537,74 – 750 = 787,74 x 12)
2018
01/18 bis 12/18: 9.452,88 € (1.537,74 – 750 = 787,74 x 12)
2019
01/19 bis 09/19: 7.089,66 € (1.537,74 – 750 = 787,74 x 9)
10/19 bis 12/19: 3.170,88 € (1.806,96 – 750 = 1.056,96 x 3)
Gesamt: 10.260,54 €
2020
01/20 bis 12/20 9.667,32 € (1.555,61 – 750 = 805,61 x 12)
2021
01/21 bis 06/21 5.841,06 € (1.723,51 – 750 = 973,51 x 6)
Nach alledem beläuft sich der Gesamtrückstand für den Unterhaltszeitraum 07.01.2014 bis 30.06.2021 auf 73.029,46 € (2014: 9.449,02 €; 2015: 9.452,88 €; 2016: 9.452,88 €; 2017: 9.452,88 €; 2018: 9.452,88 €; 2019: 10.260,54 € 2020: 9.667,32 €; 01/21- 06/21: 5.841,06 €).
Ab Juli 201 sind monatlich 1.723,51 € zu zahlen.
Befristung/Herabsetzung
Der Anspruch nach § 1572 BGB kann seit dem 01.01.2008 wie jeder andere Anspruch des nachehelichen Unterhalts gemäß § 1578 b BGB grundsätzlich zeitlich begrenzt und/oder herabgesetzt werden (BGH, FamRZ 2009, 406). Von dieser Möglichkeit macht der Senat im Streitfall im tenorierten Umfang Gebrauch.
Eine solche Befristung und/oder Herabsetzung ist vorzunehmen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, wenn der Unterhaltsberechtigte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (BGH, FamRZ 2013, 1291). Ein ehebedingter Nachteil ist auch denkbar, soweit ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit vorgesorgt hat (BGH, FamRZ 2013, 1291).
Ehebedingte Nachteile sind vorliegend nicht erkennbar. Die Antragstellerin war während der Ehe, die fast 26 Jahre währte, 13 Jahre berufstätig. Die Beteiligten haben keine gemeinsamen Kinder. Etwa seit dem Jahr 2000 leidet die Antragstellerin an einer psychischen Erkrankung. Es soll sich hierbei um eine Angsterkrankung (mit Panikzuständen, Selbstisolation) handeln. Wegen ihrer gesundheitlichen Probleme konnte die Antragstellerin ihrer Arbeit als … nicht länger nachgehen. Das Ausscheiden aus dem Berufsleben erfolgte aus Krankheitsgründen und war nicht der Rollenverteilung in der Ehe geschuldet. Seit dem 01.12.2002 erhält sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die seit dem 01.07.2010 als Dauerrente gewährt wird. Die Antragstellerin hat durch die Ehe keine Nachteile in ihrer Versorgung erlitten. Im Januar 2014, d.h. vor Durchführung des Versorgungsausgleichs, betrug die monatliche Rentenleistung 932,04 € und danach 1.198,78 €. Ohne die Ehe wäre die Antragstellerin in jedem Fall schlechter versorgt; sie hat von den guten Einkommensverhältnissen des Antragsgegners profitiert. Konkrete Nachteile behauptet sie nicht.
Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind (BGH, FamRZ 2011, 713; FamRZ 2010, 1057). In die Abwägung einzubeziehen sind etwa die Dauer der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie die Dauer der Ehe. Als Billigkeitsgesichtspunkt kann im Einzelfall auch der Umstand, dass der Unterhaltspflichtige unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsberechtigten (mit-)verantwortlich ist, eine Rolle spielen (BGH, FamRZ 2013, 1291).
Im Ausgangsfall kommt der langen Ehedauer Bedeutung zu. Die Beteiligten waren fast 26 Jahre miteinander verheiratet. Für die Ehedauer ist auf die Zeit von der Eheschließung (…1987) bis zur Zustellung des Scheidungsantrags (…2013) abzustellen.
Die lange Ehedauer von fast 26 Jahren rechtfertigt es aber nicht allein, aus Billigkeitsgründen von einer Begrenzung des Unterhalts abzusehen. In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragstellerin ihre Berufstätigkeit nicht aus Gründen, die in der Gestaltung der Ehe zu suchen sind, aufgegeben hat. Es waren schicksalhafte Umstände, die dazu führten. Die Antragstellerin behauptet zwar, der Antragsgegner habe die Erkrankung verursacht. Ohne die Ehe wäre sie nicht psychisch krank. Bewiesen ist das aber nicht. Sie erhebt gegen den Antragsgegner schwere Vorwürfe (häusliche Gewalt, Vergewaltigungen, massive Bedrohungen). Dieser habe sie jahrelang körperlich und vor allem seelisch misshandelt. Sie habe diverse Verletzungen davongetragen (Oberarm und Schulter rechts, Distorsion des rechten Handgelenks, Steißbeinfraktur, Fraktur kleiner Finger rechts, Sprunggelenk rechts, Bl. 1201 ff. GA). Am 19.03.2011 habe der Antragsgegner sie mit folgenden Worten angeschrien: „Du bist ein Nichts, ein Niemand. Ich vergewaltige dich wieder. Ich schlag dich tot, wenn du deine Fresse aufmachst und jemanden davon etwas erzählst. Das schwör ich dir.“ (Bl. 1125 GA).
Der Antragsgegner hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten; er fühlt sich durch die Antragstellerin diskreditiert. Anlässlich seiner Anhörung am 03.06.2021 hat er ausgeführt, dass die Ehe schon nach 10 Jahren zerrüttet gewesen sei, mit den üblichen Begleiterscheinungen. Es habe keinen wirklich respektvollen Austausch mehr gegeben. Die Ehefrau habe aber alle Freiräume gehabt und auch Kontakt mit vielen Leuten. Sie erfinde Geschichten, das sei Teil ihrer Krankheit. Er habe die Ehe zunächst aus Verantwortungsgefühl nicht beendet und zwar wegen der psychischen Erkrankung der Antragstellerin.
Die Angaben des geschiedenen Ehemannes lassen sich nicht widerlegen. Das Vorliegen häuslicher Gewalt kann nicht festgestellt werden. Beide Beteiligte sind durch den Senat persönlich angehört worden. Sie haben jeweils aus ihrer Sicht das eheliche Leben geschildert. Die Angaben waren jeweils nachvollziehbar und in sich plausibel. Welche der Darstellungen den Tatsachen entspricht, war für den Senat aus der persönlichen Anhörung nicht festzustellen.
Auch die sonstigen Umstände geben dem Senat nicht die hinreichende Gewissheit, dass das Vorbringen der Antragstellerin zutrifft. Die verbleibenden erheblichen Zweifel gehen zu ihren Lasten.
Auch die Aussage des Zeugen K… M…, der mit der Antragstellerin seit Jahren befreundet ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Der Zeuge hat zwar bestätigt, dass es den Vorfall vom 19.03.2011 - wie im Schreiben vom 22.03.2011 (Bl. 1209 GA) ausgeführt - gegeben habe. Er habe vor der Tür der Eheleute G… gestanden und das Brüllen des Ehemannes gehört, der die oben angeführten Worte gebraucht habe. Zu den Umständen der Errichtung des Schreibens befragt, hat sich der Zeuge aber zusehends in Widersprüche verwickelt. Seine Aussage ist inkonsistent und unglaubhaft. Nachdem der Zeuge zunächst versichert hatte, dass er das Schreiben vom 22.03.2011 selbst verfasst habe, musste er später einräumen, dass er sich nicht mehr genau erinnern könne. Zu der Frage, wann das Scheiben verfasst worden ist, konnte er auch keine konkreten Angaben machen. Gleiches gilt für die Frage, wie es geschrieben worden ist. Nach eigenen Angaben besitzt der Zeuge nur eine Schreibmaschine. Besagtes Schreiben ist aber auf einem Computer geschrieben worden. Es ist auch wenig überzeugend, dass der Zeuge das Schreiben aufgesetzt haben will, weil das Geschehene zu „happig“ gewesen sei und man etwas in der Hand habe. Hierzu bestand nach seiner Einlassung überhaupt kein Anlass. Nach eigenen Angaben hatte die Ehefrau ihn gerade erfolgreich angefleht, in dieser Sache nichts zu machen. Eine Dokumentation des Geschehens war danach entbehrlich. Es sollte ja Stillschweigen herrschen. Für die Unrichtigkeit der Aussage spricht auch, dass der Zeuge nach dem Vorfall in seine Wohnung zurückgekehrt sein will, ohne etwas zu unternehmen. Es ist lebensfremd, dass ein pensionierter Polizeibeamter eine Ehefrau mit ihrem gewalttätigen Ehemann allein lässt und nichts unternimmt. Mit der langjährigen Berufserfahrung - wie sie der Zeuge hat - hätte er die damit verbundenen Gefahren erkannt, was er auch einräumt. Er hätte den Vorfall auch zur Anzeige gebracht, wenn sich das Ganze so - wie behauptet - abgespielt hätte. Nach eigenem Bekunden würde er eine schwere Straftat selbstverständlich zur Anzeige bringen. Bei der behaupteten Bedrohung der Ehefrau durch den Ehemann (Drohen mit einer Vergewaltigung und dem Tod) nach § 241 StGB handelt es sich um eine solche. Jeder verantwortungsbewusste Bürger würde eine solche Straftat zur Anzeige bringen. Die Bekundung des Zeugen, dass er keine Anzeige erstattet habe, weil er nicht mehr im Dienst gewesen sei, überzeugt das nicht. Hierzu passt schon seine Aussage nicht, dass er den Vorfall als sehr schlimm erlebt und sich deshalb so aufgeregt habe. Sehr auffällig war auch, dass es dem Zeugen sehr daran gelegen war, gerade und nur das mitgeteilte Beweisthema zu bestätigen. Auf kritische Nachfragen reagierte er gereizt und unwillig und war nur durch mehrfache Nachfragen und Hinweise zu immer ausweichenderen Angaben zu bewegen, bis letztlich zur Flucht in Erinnerungsprobleme. An den Vorfall vom 27.10.2012, bei dem der Antragsgegner mit seinem Pkw ohne zu bremsen auf die Antragstellerin zugefahren sein soll, konnte sich der Zeuge nicht erinnern, obwohl es sich dabei nach Angaben der Antragstellerin um einen dramatischen „Mordversuch“ gehandelt haben soll.
Festzuhalten bleibt, dass durch die Beweisaufnahme der Nachweis für die von der Antragstellerin gegen den Antragsgegner erhobenen Gewaltvorwürfe nicht erbracht worden ist. Auch im Übrigen gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen häuslicher Gewalt. Bei den Akten befinden sich zwar zahlreiche Berichte/Atteste von Hausärzten und Orthopäden, die die schlechte gesundheitliche Verfassung der Antragstellerin bestätigen und das dem Antragsgegner anlasten (häusliche Gewalt, körperliche und seelische Misshandlungen, schwere traumatische Geschehnisse). Frau Dr. rer. medic. Dipl.-Psych. M… S…, die die Antragstellerin seit Februar 2014 psychotherapeutisch behandelt (wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, starker Ängste, anhaltenden somatoformen Schmerzen, Bl. 1200 GA), sieht das nicht anders (Befund vom 18.02.2021, Bl. 1200 GA). Zu berücksichtigen bleibt aber, dass die vorgelegten Unterlagen ausschließlich auf den Angaben der (geschiedenen) Ehefrau beruhen. Von daher kann ihnen kein Beweiswert beigemessen werden. Den Bescheinigungen verschiedener Ärzte sowie Personen aus einem Unterstützerkreis lässt sich fraglos entnehmen, dass die Antragstellerin diesen Personen vermittelt hat, durch ihren Ehemann in der Vergangenheit misshandelt und gequält worden zu sein. Aus den Bescheinigungen, die auch keine Beweismittel im Sinne der ZPO sind, lässt sich allerdings nicht entnehmen, ob überhaupt Untersuchungen durchgeführt worden sind, die belegen könnten, dass die Schilderungen nicht Ausfluss – statt Grund der psychischen Erkrankung der Antragstellerin sind. Strafanzeigen sind während bestehender Ehe jedenfalls nicht gestellt worden, erst viel später. Polizeieinsätze hat es - nach Aktenlage - auch keine gegeben.
Auffallend ist auch, dass die Antragstellerin, die sich auf eine schwere psychische Erkrankung beruft, in dem seit mehr als 6 Jahre dauernden Verfahren kein fachärztliches Attest oder entsprechende Berichte vorgelegt hat. Bei einer Angsterkrankung (Angststörung) handelt es sich um ein komplexes psychiatrisches Krankheitsbild, das regelmäßig durch einen Psychiater diagnostiziert und auch behandelt wird. Über eine psychiatrische Behandlung der Antragstellerin ist nichts bekannt. Sie erhält eine Traumatherapie, die durch den behandelnden Hausarzt (Bl. 508 GA) oder auch Orthopäden (Bl. 1189 GA) verordnet wird. Diesen dürfte dafür die erforderliche fachliche Qualifikation fehlen. Letztlich ist hier völlig unklar, aufgrund welcher Diagnosen die Verrentung der Antragstellerin erfolgt ist. Hierzu ist nichts vorgetragen worden.
Es verwundert auch, dass die Antragstellerin über die heimliche Wohnungssuche des Antragsgegners im April 2011 verärgert war. Sie hätte doch froh sein müssen, den „Peiniger“ los zu werden. Auch der Brief der Antragstellerin (Bl. 1235 GA), den sie am 30.08.2012 an den getrennt lebenden Ehemann geschrieben hat, passt nicht recht ins Bild. Es ist nicht nachvollziehbar, dass man mit einem Mann, der einem ein derartiges Leid - wie von der Antragstellerin behauptet - angetan hat, die Ehe fortsetzen möchte. Die Wortwahl in dem besagten Brief ist wohlgesonnen und betont entschlossen. Der unbedingte Wunsch der Ehefrau, die Trennung noch einmal rückgängig zu machen, kommt darin klar zum Ausdruck. Die Antragstellerin führt in dem Brief auch aus, dass sie nicht fehlerlos sei und sich verändert habe. Ein solches Vorgehen lässt sich nur erklären, wenn man noch Gefühle für den anderen hat und ihn auch wertschätzt.
Das widersprüchliche Verhalten der Antragstellerin zeigt der von ihr behauptete Vorfall vom 27.10.2012. An diesem Tag ist sie mit einem Mietwagen zu einem Treffen der Beteiligten gefahren. In ihrer Begleitung befand sich der Zeuge K… M… . Bei dieser Gelegenheit soll der Antragsgegner mit seinem Pkw (nach einem Treffen der Ehegatten in einem Restaurant) ungebremst mit hoher Geschwindigkeit auf die Antragstellerin zugefahren sein. Diese habe in letzter Sekunde ausweichen können. Der Vorfall vom 27.10.2012, also zu einer Zeit, als die Beteiligten schon getrennt lebten, ist erst vier Jahre später und zwar am 14.09.2016 zur Anzeige gebracht worden. Ein Zusammenhang mit dem laufenden Unterhaltsverfahren lässt sich nicht ausschließen. Das gegen den Ehemann geführte Ermittlungsverfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ist nach § 153 a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages von 1.500 € eingestellt worden (Bl. 626 GA.).
Eine wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten lässt sich auch nicht feststellen. Die Antragstellerin war von dem Antragsgegner wirtschaftlich nicht abhängig. Sie hatte zunächst ihr Erwerbseinkommen und ab Dezember 2002 die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg in seiner Entscheidung zum Zugewinnausgleich vom 21.02.2019 (Az. 124 F 17245/14) verfügte die Antragstellerin im Zeitpunkt der Trennung über Aktiva in Höhe von 100.371,61 € (Bl. 350 f. GA). Aus der Auflösung eines gemeinsamen Kontos erhielt sie 60.000 € und 22.172,78 € an Zugewinn. Die Ferienimmobilie in … steht heute noch im Miteigentum der geschiedenen Eheleute.
Die Antragstellerin will ihr Vermögen über die Jahre für medizinische Maßnahmen (z.B. mechanische Lymphdrainage, Physiotherapie, Osteopathie), Zuzahlungen für Medikamente, einen Fahr- und Begleitservice (zu Arzt- und Therapieterminen) ausgegeben haben. Die jährlichen Kosten beziffert sie mit 13.000 € bis 15.000 €. Es mag sein, dass die Antragstellerin erhebliche gesundheitliche Probleme hat. Die angeführten Kosten dürften aber völlig überzogen sein (z.B. Rechnungen des Kosmetikinstituts „…“ über 6.000 € für mechanische Lymphdrainage pro Jahr, der Freundin H… J… über 1.200 € plus 1.800 € für Begleitdienste (pro Jahr pauschal 3.000 €). Die medizinische Notwendigkeit der oben angeführten Therapien lässt sich den vorgelegten Unterlagen auch nicht entnehmen. Sie sind wenig aussagekräftig (nur pauschale Begründungen). Im Übrigen enthalten die eingereichten Quittungen in großem Umfang Kosten für völlig normales und nicht orthopädisches Schuhwerk, Einkäufe in Apotheken (Tees und eine Vielzahl geschwärzter Einzelartikel).
In Abwägung dieser Umstände ist eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts geboten. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Antragsgegner in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Er erzielt ein sehr gutes Einkommen und hat keine weiteren (belegten) Zahlungsverpflichtungen. Demgegenüber verfügt die Antragstellerin, die seit vielen Jahren krank ist, eher über bescheidene Einkünfte. Ihre EU-Rente beläuft sich derzeit auf monatlich 1.545,68 € sie hat auch krankheitsbedingte Aufwendungen, deren Ausmaß allerdings unklar ist. Bei diesen Gegebenheiten erscheint es nicht unbillig, wenn der Antragsgegner bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze der Antragstellerin (November 2024) Nachscheidungs-unterhalt leistet, wobei die Unterhaltsrente ab dem 01.01.2023 auf die Hälfte des Unterhaltsbetrages (monatlich 862 €) herabzusetzen ist. Die am …1958 geborene Antragstellerin erhält mit Vollendung ihres 66. Lebensjahres die Regelaltersrente. Für den Durchschnittsarbeitnehmer ist der Renteneintritt regelmäßig mit nicht unerheblichen wirtschaftlichen Einschnitten verbunden, auf die er sich einstellen muss. Wenn die Antragstellerin nicht erwerbsunfähig erkrankt wäre, hätte sich die Situation für sie nicht anders dargestellt. Von daher ist es nicht unangemessen, die Zahlung von nachehelichem Unterhalt zu diesem Zeitpunkt enden zu lassen. Der Antragsgegner hätte dann 13 Jahre Unterhalt an die Antragstellerin gezahlt, davon 11 Jahre bemessen nach den ehelichen Verhältnissen. Er hat damit seiner nachehelichen Solidarität Genüge getan, auch angesichts einer Ehedauer von fast 26 Jahren und der Erkrankung der geschiedenen Ehefrau. Der Unterhalt war ab 01.01.2023 - wie geschehen - herabzusetzen. Der Antragstellerin wird so die Möglichkeit gegeben, sich in den verbleibenden zwei Jahren bis zum Eintritt der Regelaltersrente auf die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse einzustellen.
Verwirkung
Für eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gibt der Sachverhalt nichts her. Die Darlegungen des Antragsgegners hierzu sind völlig unkonkret.
Zinsen
Die zuerkannten Zinsen sind nach §§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 1613 Abs. 1 Satz 2, 193, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Eine Billigkeitsprüfung - wie vom Antragsgegner geltend gemacht - sieht das Gesetz nicht vor.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € (für das Anwaltsschreiben vom 24.04.2014) kann die Antragstellerin nicht als Verzugsschaden nach §§ 286, 288 Abs. 4 BGB ersetzt verlangen. Verzug ist zwar gegeben. Ein tauglicher Nachweis für die Begleichung der Kosten befindet sich aber nicht bei den Akten. Ein Beweisantritt fehlt. Solange die Kosten nicht ausgeglichen sind, hätte lediglich Freistellung von der Verbindlichkeit beantragt werden können. § 249 BGB sieht Naturalrestitution vor.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat einen Wert von 5.355,94 €, wobei auf den Rückstand 2.129,56 € entfallen: 01/14: 265,64 € (1.261,64 - 996); 02/14 bis 06/14: 1.331,30 € (266,26 [1.128,26 – 862] x 5); 07/14 bis 08/14: 532,62 € (266,31 [1.115,31 – 849] x 2). Für den laufenden Unterhalt (09/14 bis 08/15) sind 3.226,38 € anzusetzen: 09/14 bis 12/14: 1.065,24 € (266,31[1.115,31 – 849] x 4); 01/15 bis 02/15: 539,82 € (269,91 [1.177,91 – 908] x 2); 03/15 bis 08/15: 1.621,32 € (270,22 [1.177,22 – 907] x 6). Der Beschwerdewert entspricht den zunächst mit der Beschwerdebegründung vom 10.08.2020 geltend gemachten Unterhaltsrückständen abzüglich der vom Amtsgericht zuerkannten rückständigen Unterhaltsbeträge.
Der Wert der Beschwerde des Antragsgegners beläuft sich auf 17.658 €, wobei auf den Rückstand (01/14 bis 08/14) 7.004 € entfallen: 01/14: 996 € (1.746 – 750); 02/14 bis 06/14: 4.310 € (862 [1.612 – 750] x 5); 07/14 bis 08/14: 1.698 € (849 [1.599 – 750] x 2). Für den laufenden Unterhalt (09/14 bis 08/15) ergibt sich ein Betrag von 10.654 €: 09/14 bis 12/14: 3.396 € (849 [1.599 – 750] x 4); 01/15 bis 02/15: 1.816 € (908 [1.658 – 750] x 2) 03/15 bis 08/15: 5.442 € (907 [1.657 – 750] x 6). Die festgesetzten Werte entsprechen den zuerkannten restlichen Unterhaltsbeträgen, gegen die sich der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel wendet.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.