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Entscheidung 11 VA 7/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 04.08.2021
Aktenzeichen 11 VA 7/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0804.11VA7.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG zu behandelnde Beschwerde der Antragstellerin vom 05.05.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 27.04.2021 - 6 F 255/14 - betreffend die Nichtgewährung von Akteneinsicht in die Verfahrenskostenhilfeunterlagen des am …2018 verstorbenen Antragstellers des abgeschlossenen Ausgangsverfahrens wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

III. Der Geschäftswert beträgt € 5.000,00.

Gründe

I.

Ohne Niederschrift tatsächlicher Feststellungen

(analog § 313a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 540 Abs. 2 und § 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO;

vgl. BeckOK-FamFG/Obermann, 39. Ed., § 69 Rdn. 22; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 69 Rdn. 44).

II.

A. Das der Auslegung bedürftige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig. Laut nahezu einhelliger Meinung, die der Senat in ständiger Judikatur teilt, sind Prozess- und Verfahrenshandlungen entsprechend ihrem objektiven – für den jeweiligen Adressaten vernünftigerweise erkennbaren – Sinne (erforderlichenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung) im Zweifel so zu verstehen, dass der Beteiligte damit erstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und mit seinen wohlverstandenen Interessen in Einklang steht (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 - XII ZR 94/98, juris Rdn. 4 = BeckRS 1999, 300838 63; ebenso Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., Vor § 128 Rdn. 25; jeweils m.w.N.). Aus ihrem explizit im Fettdruck mit Beschwerde überschriebenen und zweifelsfrei den oben im Tenor näher bezeichneten Beschluss betreffenden Telefax an die Staatsanwaltschaft vom 05.05.2021 geht eindeutig hervor, dass die Antragstellerin sich gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Bernau bei Berlin wenden möchte und dass sie diese aus den von ihr dargelegten Erwägungen für unzutreffend hält. Die Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Beschluss ist unvollständig; sie weist zwar auf die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung hin, enthält aber keine Angaben über das Gericht, bei dem er zu stellen ist, und dessen Sitz sowie die einzuhaltende Form und Frist (§ 26 Abs. 2 Satz 2 EGGVG). Gleichwohl gelangte das Schreiben vom 05. 05.2021 noch vor Ablauf eines Monats seit Erlass des angegriffenen Beschlusses zum Amtsgericht Bernau bei Berlin. Bei der Entscheidung, die von dessen Direktor auf der Grundlage von § 299 Abs. 2 ZPO getroffen wurde, handelt es sich unabhängig davon, das dort in der Überschrift (offenbar versehentlich) die Abteilung für Familiensachen genannt ist, um einen Justizverwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit zur gerichtlichen Überprüfung gestellt wird (§ 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG; vgl. dazu BGH, Beschl. v. 29.04.2015 - XII ZB 214/14, Rdn. 10 ff., juris = BeckRS 2015, 8913; ferner BeckOK-GVG/Köhnlein, 11. Ed., EGGVG § 23 Rdn. 91a; BeckOK-ZPO/Reichling, 41. Ed., § 117 Rdn. 42; Longrée/Maiwurm, MDR 2015, 805, 808; Zöller/Lückemann aaO, EGGVG § 23 Rdn. 12). § 13 FamFG, wonach laut überwiegender Ansicht in allen Konstellationen das Gericht im Rahmen der Rechtsprechung und nicht der Behördenleiter (Vorstand des Gerichts) über Akteneinsichtsgesuche zu befinden hat (vgl. hierzu BeckOK-FamFG/Burschel, 39. Ed., § 13 Rdn. 41; Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl., § 13 Rdn. 18; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 13 Rdn. 72; Zöller/Feskorn aaO, FamFG § 13 Rdn. 9 f.; jeweils m.w.N.), kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, da im Ursprung eine Familienstreitsache i.S.d. § 231 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 112 Nr. 1 FamFG betroffen ist (§ 113 Abs. 1 FamFG; vgl. BeckOK-FamFG/Burschel aaO Rdn. 3; Fischer, MDR 2015, 1112). Dass die Antragstellerin die Anfrage des Amtsgerichtsdirektors vom 25.05.2021 betreffend die Klarstellung des Zwecks ihres Schreibens nicht beantwortet hat, ändert am Ergebnis nichts; das Petitum wurde von ihr jedenfalls nicht zurückgenommen.

B. In der Sache selbst bleibt der Antrag erfolglos. Denn die Ablehnung der Einsicht in die Verfahrenskostenhilfeunterlagen ist weder rechtswidrig noch verletzt sie die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 28 Abs. 2 EGGVG). Im Prozess- und Verfahrenskostenhilfeverfahren ist der Antragsgegner, soweit es um die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers geht, nicht erst wie stets alle Beteiligten nach dem Verfahrensabschluss, sondern schon von Beginn an Dritter i.S.d. § 299 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 113 Abs. 1 FamFG, weil ihm diesbezüglich keinerlei eigene Verfahrensrechte zustehen (so BGH, Beschl. v. 29.04.2015 - XII ZB 214/14, Rdn. 10 ff., juris = BeckRS 2015, 8913; vgl. ferner BeckOK-ZPO/Bacher, 41. Ed., § 299 Rdn. 18 und 26). Diesen Personen darf der Behördenleiter (Vorstand des Gerichts) ohne Einwilligung der Parteien respektive Beteiligten die Akteneinsicht nur dann gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Geht es wie hier um die Erklärung einer Seite über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie beizufügende Belege, so verbietet § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO generell deren Offenbarung ohne Zustimmung des Antragstellers, es sei denn, der andere Teil hat gegen diesen nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen. Dahinter steht der Gedanke, dass solche Unterlagen in aller Regel besonders schutzbedürftige personenbezogene Daten enthalten, mitunter sogar sensible i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Die notwendige Einwilligung wird im vorliegenden Falle zumindest von einer Miterbin des am …2018 verstorbenen Antragstellers des (abgeschlossenen) Ausgangsverfahrens nicht erteilt. Einen Rechtsanspruch auf Anhörung dazu oder auf Akteneinsicht hat die Gegenseite gemäß der höchstrichterlichen Judikatur selbst dann nicht, wenn ihr materiell-rechtliche Auskunftsansprüche zustehen (so BGH aaO Rdn. 19 ff.; vgl. ferner BGH, Beschl. v. 17.12.2020 - IX ZA 16/20, Rdn. 6, juris = BeckRS 2020, 37742). Für deren Klärung und Befriedigung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren einer anderen Streitsache ist regelmäßig kein Raum (vgl. BGH [XII ZB 214/14] aaO Rdn. 22 a.E.; BGH [IX ZA 16/20] aaO a.E.). Dies gilt erst recht im Rahmen der Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche nach § 299 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG. Ob die Justizbehörde eine Ermessensentscheidung i.S.d. § 28 Abs. 3 EGGVG zu treffen hat, wenn die Existenz eines Auskunftsanspruchs hinsichtlich der Einkommens- und Vermögenssituation feststeht oder glaubhaft gemacht wurde (so offenbar OLG Hamm, Beschl. v. 12.03.2020 - 15 VA 50/19, Rdn. 15 ff., juris = BeckRS 2020, 122 80), kann hier offen bleiben. Denn es spricht nichts dafür, dass die Antragstellerin noch gemäß § 1605 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1361 Abs. 4 Satz 4 oder § 1580 BGB Auskunftserteilung verlangen kann, weil der Antragsteller des Ausgangsverfahrens am ….2018 verstorben und die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit nur ausnahmsweise im Rahmen des § 1613 BGB möglich ist. Ein generelles Interesse daran, in Erfahrung zu bringen, ob der VKH-Antragsteller zu seinen Lebzeiten oder danach seine Miterbin dem Amtsgericht gemäß § 120a ZPO unverzüglich eine (eventuelle) wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse mitgeteilt hat, rechtfertigt es nicht, über § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO hinausgehend Einsicht in Unterlagen betreffend die Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.

III.

Ein Ausspruch betreffend die Verfahrenskosten ist nicht veranlasst. Denn die Pflicht zur Tragung der Gerichtsgebühren ergibt sich bei einem erfolglosen Antrag wie hier unmittelbar aus § 22 Abs. 1 und § 34 GNotKG i.V.m. Nr. 15301 KV-GNotKG (vgl. die Begr. z. BReg-Entwurf eines 2. KostRMoG, BT-Drucks. 17/ 11471 [neu], S. 133, 285; ferner OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 13.11.2015 - 4 WF 198/15; juris Rdn. 16 = BeckRS 2015, 20813 Rdn. 14 Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl., EGGVG § 30 Rdn. 1). Für die Anordnung der Erstattung (eventueller) außergerichtlicher Kosten nach § 30 Satz 1 EGGVG bleibt im Streitfall bereits deshalb kein Raum, weil das erfolglos gebliebene Rechtsschutzbegehren kein Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gewesen ist. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 3 i.V.m. § 79 Abs. 1 GNotKG (vgl. dazu Begründung aaO). Da sich der Wert weder aus den Vorschriften dieses Gesetzes ergibt noch genügende Anhaltspunkte für seine Bestimmung nach billigem Ermessen bestehen, ist der gesetzlich vorgesehene Hilfswert in Ansatz zu bringen.

IV.

Die Rechtsbeschwerde wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 EGGVG i.V.m. § 133 GVG fehlt. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche – über den vorliegenden Streitfall hinausgehende – Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Rechtsbeschwerdegericht.