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Entscheidung 1 AR 28/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 09.07.2021
Aktenzeichen 1 AR 28/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0709.1AR28.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Bestimmung der funktionell zuständigen Kammer des Landgerichts Cottbus wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft, die zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit Genussrechtsbeteiligungen ausgab, gegenüber dem Beklagten auf der Grundlage eines Zeichnungsscheins für Genussrechte vom 27./30. Januar 2012 ausstehende Zahlungen in Höhe von insgesamt 25.200,00 € geltend. Nachdem der Beklagte gegen den zunächst im Rahmen eines Mahnverfahrens geltend gemachten Anspruch Widerspruch eingelegt hatte, gab das Mahngericht das Verfahren an das im Mahnantrag als Streitgericht benannte Landgericht Cottbus ab, bei dem der Kläger am 10. März 2021 seine Anspruchsbegründung vom selben Tag einreichte.

Mit Verfügung vom 12. März 2021 gab der Vorsitzende der für Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften nach § 72a Abs. 1 Nr. 1 GVG zuständigen 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus unter Hinweis auf eine fehlende Zuständigkeit nach dieser Vorschrift das Verfahren an den zuständigen Einzelrichter ab, der es daraufhin mit Verfügung vom 15. März 2021 an den Vorsitzenden der aufgrund der Buchstabenzuordnung zuständigen 6. Zivilkammer mit der Bitte um Übernahme weiterleitete. Dieser gab das Verfahren mit Verfügung vom 30. März 2021 unter Hinweis auf eine seiner Auffassung nach bestehende Zuständigkeit der für Streitigkeiten aus Handelssachen ohne die Begründung der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen zuständigen 1. Zivilkammer an die 2. Zivilkammer zurück, die das Verfahren mit Verfügung vom 7. Mai 2021 unter Hinweis auf ihre bisherige Rechtsauffassung erneut an die 6. Zivilkammer abgab, die eine Übernahme am 28. Mai 2021 ablehnte. Schließlich legte der zuständige Einzelrichter der 6. Zivilkammer den Rechtsstreit mit Verfügung vom 2. Juni 2021 dem Präsidium des Landgerichts Cottbus mit der Bitte um Bestimmung der zuständigen Kammer vor.

Nachdem das Präsidium eine Entscheidung der Kompetenzstreitigkeit mit Beschluss vom 15. Juni 2021 abgelehnt hatte, hat die 2. Zivilkammer die Sache mit Beschluss vom 24. Juni 2021 dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung der zuständigen Kammer nach §36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog vorgelegt und diese Entscheidung dem Kläger am selben Tag mit dem Hinweis übersandt, dass seine Anspruchsbegründung vom 10. März 2021 wegen des bestehenden Kompetenzkonflikts noch nicht an den Beklagten zugestellt worden sei.

II.

Für die in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO begehrte Gerichtsstandsbestimmung ist kein Raum.

1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht grundsätzlich über den vorliegenden Zuständigkeitsstreit zu entscheiden. Insbesondere ist die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nach allgemeiner Auffassung auf Fälle wie den vorliegenden entsprechend anwendbar, in denen mehrere Spruchkörper desselben Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung dieses Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung wie der des §72a Abs. 1 Nr. 6 GVG abhängt (BayObLG, NZBau 2021, 254 Rn. 19 ff.; KG, NJW-RR 2018, 639 Rn. 4; OLG Nürnberg, MDR 2018, 1015, 1016; OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Oktober 2018, Az.: 6 AR 17/18, juris Rn. 6; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Auflage, § 36 Rn. 39; Müchener Kommentar/Patzina, ZPO, 6. Auflage, § 36 Rn. 6, jeweils m.w.N.).

2. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen jedoch nicht vor. Eine Zuständigkeitsbestimmung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass sich in einem rechtshängigen Verfahren mehrere Gerichte bzw. Spruchkörper durch rechtskräftige Entscheidungen für örtlich, sachlich oder funktionell unzuständig erklärt haben, also zumindest eine den Parteien bekanntgemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat, NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Auflage, § 36 Rn. 35; speziell für die vorliegende Konstellation: OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. August 2019, Az.: 11 SV 28/19, juris Rn. 8). Daran fehlt es hier, weil die an dem Kompetenzstreit beteiligten Zivilkammern des Landgerichts Cottbus ihre entsprechenden Verfügungen vom 12. März 2021, 15. März 2021, 30. März 2021, 7. Mai 2021, 28. Mai 2021 und 2. Juni 2021 den Parteien nicht bekannt gemacht haben. Rein gerichtsinterne Vorgänge wie die (Rück-) Übersendung von Akten oder interne Vermerke genügen insoweit nicht (KG, NJW-RR 2018, 639 Rn. 6; OLG Nürnberg, MDR 2018, 1015, 1016; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juni 2018, Az.: 11 SV 25/18, juris Rn. 15).

Der Beschluss der 2. Zivilkammer vom 24. Juni 2021, mit dem diese sich zumindest im Rahmen der Begründung für funktionell unzuständig erklärt hat, wurde zudem ausschließlich dem Kläger übersandt; eine Beteiligung des Beklagten ist bislang nicht erfolgt. Zwar kann es für die Verlautbarung einer beiderseitigen Kompetenzleugnung gerade noch ausreichen, wenn eine der beteiligten Kammern die Parteien über den bestehenden Zuständigkeitsstreit informiert und damit auch die jeweilige Leugnung der eigenen Zuständigkeit der weiteren Kammern bekannt gibt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juni 2018, Az.: 11 SV 25/18, juris Rn. 15; OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Oktober 2018, Az.: 6 AR 17/18, juris Rn. 11). Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass den Parteien in diesem Zusammenhang rechtliches Gehör gewährt worden ist (Senat, Beschluss vom 17. Mai 2021, Az.: 1 AR 20/21 (SA Z); vgl. OLG Nürnberg, MDR 2018, 1015, 1017). Vorliegend wurde jedoch lediglich eine Partei erstmals mit dem Vorlagebeschluss vom 24. Juni 2021 über den bestehenden Kompetenzkonflikt in Kenntnis gesetzt, ohne zuvor zu den insoweit maßgeblichen Fragen Stellung nehmen zu können.

In der Sache ist nach der vorläufigen Einschätzung des Senats eine Zuständigkeit nach § 72a Abs. 1 Nr. 1 GVG nicht gegeben. Hierunter fallen nach der gesetzgeberischen Zielsetzung nur Streitigkeiten, an denen eine Bank, eine Sparkasse, ein Kredit- oder ein Finanzinstitut beteiligt ist, sofern Ansprüche aus den in § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1a Satz 2 KWG benannten Geschäften betroffen sind (BT-Drucks. 18/11437, Seite, 45; Kissel/Mayer/Mayer, GVG, 10. Auflage, § 72a Rn. 5). Vorliegend bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob es sich bei der insoweit maßgeblichen Insolvenzschuldnerin um ein von dieser Vorschrift erfasstes Kreditinstitut handelt. Ausweislich des vorliegenden Prospektes war die … Energie AG im Bereich der regenerativen Energien tätig, indem sie Beteiligungen an verschiedenen Energiegewinnungsanlagen anstrebte und sich ausdrücklich vorbehielt, zum Zwecke der Produktion von Biotreibstoffen geeignete Grundstücke zu erwerben. Allein der Umstand, dass sie in diesem Bereich neben den Beteiligungen an auf diesem Gebiet tätigen Gesellschaften auch das Angebot von nicht näher dargelegten Finanzierungen beabsichtigte, reicht zur Annahme dieser Voraussetzung nicht aus. Ob es sich bei einem an der Streitigkeit Beteiligten um eine Bank oder um ein Finanzinstitut handelt, ist aber letztlich durch Einsichtnahme in das von der Bundesanstalt für Finanzaufsicht gemäß § 32 Abs. 5 KWG zu führende Institutsregister zu klären (KG, Beschluss vom 10. Dezember 2018, Az.: 2 AR 58/18, BeckRS 2018, 410,35 Rn. 9; OLG Hamburg, MDR 2018, 1327). Darüber hinaus liegt kein Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG vor, da es bei Genussrechtsbeteiligungen der vorliegenden Art, bei denen das Genussrechtskapital an den laufenden Verlusten des kapitalnehmenden Unternehmens mit dem Risiko eines Totalverlustes teilnimmt, an einer unbedingten Rückzahlbarkeit der vereinnahmten Gelder fehlt (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, KWG - CRR-VO, 5. Auflage, § 1 KWG Rn. 46; Münchener Kommentar/Fest, HGB, 4. Auflage, Bankvertragsrecht, Teil 2 N Rn. 87).

3. Von einer im Falle der Ablehnung oder der Rücknahme des Bestimmungsantrags grundsätzlich zu treffenden Kostenentscheidung nach § 91 ZPO (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 757) wird abgesehen, da das Verfahren nicht auf Antrag des Klägers eingeleitet wurde. Ein Absehen von der Erhebung von Kosten gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG kommt nicht in Betracht, da für das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren keine Gerichtsgebühren anfallen.