Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) | Entscheidungsdatum | 04.08.2021 | |
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Aktenzeichen | OVG 62 PV 5/20 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0529.OVG62PV5.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 75 Abs 3 Nr 17 BPersVG, § 80 Abs 1 Nr 21 BPersVG, § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG, § 66 Abs 3 BPersVG, § 2 Abs 3 BPersVG, § 114 Abs 2 BPersVG |
Eröffnet eine Behörde einen eigenen Auftritt in den sozialen Medien (Facebook, Instagram, Twitter) und ermöglicht den Bürgern, dort Kommentare zu posten, sind die technischen Einrichtungen nicht zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten in der Dienststelle bestimmt.
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Mai 2020 geändert. Der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Der Beteiligte betreibt bei Facebook die Seite @DeutscheRentenversicherungBund, womit er auf die Gewinnung von Nachwuchskräften sowie Fachkräften zielt. Mit dem Instagram-Kanal @drvbunt wendet sich der Beteiligte an potenzielle Auszubildende und potenzielle Studenten. Unter @DeutscheRentenversicherung bei Facebook betreibt der Beteiligte gemeinsam mit allen Rentenversicherungsträgern im Rahmen seiner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einen allgemeinen Kanal. Stellvertretend für alle Träger der deutschen Rentenversicherung betreibt die Deutsche Rentenversicherung Rheinland den Twitterkanal @die_rente. Die Seiten ermöglichen es Nutzern, von den Betreibern eingestellte Beiträge zu kommentieren. Eigene Beiträge können (auswärtige) Nutzer nicht einstellen.
Der Antragsteller forderte den Beteiligten mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 wegen des Facebook-Auftritts zur Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG unter Hinweis auf den Beschluss des BAG vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – auf. Der Beteiligte verneinte mit Schreiben vom 14. Februar 2019 die Mitbestimmungspflicht. Die Beiträge auf der Kommentarfunktion würden durch Administratoren täglich geprüft. Es seien keine unangemessenen Kommentare abgegeben worden. Sollte das doch der Fall sein, würden sie sofort gelöscht. Die Funktion „Besucher-Beiträge“ sei abgeschaltet worden. Der Antragsteller beharrte mit Schreiben vom 11. März 2019 wegen der Kommentarfunktion auf der Mitbestimmungspflicht. Der Beteiligte verneinte mit Schreiben vom 20. März 2019 erneut die Mitbestimmungspflicht. Er verwies darauf, dass die Kommentarfunktion nicht abgeschaltet werden könne. Kommentare könnten aber verborgen oder gelöscht werden. Eine Erfassung bzw. statistische Auswertung erfolge nicht.
Der Antragsteller beschloss in der Sitzung vom 9. bis 11. April 2019, eine gerichtliche Klärung unter Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten herbeizuführen. Er holte mit Schreiben vom 16. April 2019 beim Beteiligten die Bestätigung der Kostenübernahme in Bezug auf die gerichtliche Klärung ein und benannte neben Facebook auch die ähnlichen Funktionalitäten in anderen Auftritten in den sozialen Medien, beispielsweise Instagram und Twitter.
Der Antragsteller hat am 6. August 2019 einen Antrag beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig gemacht, der nach dessen in der mündlichen Anhörung vom 29. Mai 2020 angebrachter Fassung darauf zielt festzustellen, dass der Antragsteller aus Anlass der Kommentarfunktion auf der bzw. dem vom Beteiligten betriebenen
1. Facebook-Seite www.facebook.com/DeutscheRentenversicherungBund/;
2. lnstagram-Kanal „drvbunt" (www.instagram.com/drvbunt/);
3. Twitter-Kanal @die_rente(https://twitter.com/die rente) und
4. Facebook-Seite https://www.facebook.com/DeutscheRentenversicherung/
jeweils nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG zu beteiligen ist.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben (Beschluss vom 29. Mai 2020 – VG 72 K 7.19 PVB – juris) und sich in der Begründung dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – im Ergebnis angeschlossen. Es meint, Nutzerkommentare könnten abhängig von ihrem Inhalt dazu geeignet sein, zur Überwachung von Leistung bzw. Verhalten der Beschäftigten beizutragen. Das reiche zur Mitbestimmungspflicht aus. Die vom Gesetz gemeinte technische Einrichtung sei auch dann anzunehmen, wenn die Daten von Personen eingegeben und sie gesondert von Personen ausgewertet werden müssten. Es komme weder auf die erklärte Zwecksetzung des Einsatzes der sozialen Medien noch darauf an, ob ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten feststellbar sei, ob diese Beschwerden gewohnt seien. Auch sei für den Mitbestimmungstatbestand unerheblich, ob die Kommentare losgelöst von der Leistungs- bzw. Verhaltensüberwachung ansonsten das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten berühren könnten, was das Bundesarbeitsgericht anders zu sehen scheine. Es sei auch unerheblich, ob außer den verantwortlichen Sachbearbeitern des Beteiligten auch Außenstehende die Kommentare lesen könnten. Der Beteiligte sei auch für den Twitterkanal verantwortlich, den die Deutsche Rentenversicherung Rheinland stellvertretend für die deutschen Rentenversicherungen unterhalte, weil er seinen Einfluss nach § 164 Abs. 1 BGB geltend machen könne.
Der Beteiligte hat gegen den ihm am 17. Juni 2020 zugestellten Beschluss am 30. Juni 2020 Beschwerde eingelegt und diese am 20. Juli 2020 samt Antragstellung begründet. Er meint, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Kommentarfunktion aus technischen Gründen nicht ermögliche, die Leistung oder das Verhalten der Beschäftigten zu überwachen. Eine Kontrolle wäre erst möglich, wenn in zusätzlichen Verfahrensschritten Kommentare extrahiert, auf ein anderes Medium übertragen und dort systematisiert und gesammelt würden. Der Beteiligte bezieht sich dazu auf die Äußerungen seiner für die Pflege der Internetauftritte zuständigen Sachbearbeiter in der mündlichen Anhörung vor dem Oberverwaltungsgericht und erklärt, die sozialen Medien böten den Betreibern keine Suchfunktionen in den Kommentarseiten an. Laut dem Bundesarbeitsgericht setze der Mitbestimmungstatbestand voraus, dass die Überwachung durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden müsste. Letztlich biete die Kommentarfunktion nur eine weitere Möglichkeit, sich über Beschäftigte im Kundenkontakt zu beschweren. Der Mitbestimmungstatbestand schütze nicht vor Beschwerden, sondern vor unverhältnismäßiger, in ihrem Ausmaß nicht durchschaubarer Überwachung des Verhaltens im Beschäftigungsverhältnis durch den Arbeitgeber. Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts betreffe nur Besucher-Beiträge. Wäre er auf die nicht abstellbare Kommentarfunktion zu übertragen, könnte keine Dienststelle die sozialen Medien mitbestimmungsfrei nutzen. Das habe das Bundesarbeitsgericht nicht entscheiden wollen. In der mündlichen Anhörung auf den Vorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund angesprochen, erklärt der Beteiligte, nicht dieser, sondern er selbst habe den Auftritt in den sozialen Medien durchgeführt.
Der Beteiligte beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Mai 2020 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen
mit der Maßgabe, dass der erstinstanzliche Tenor wegen der Gesetzesänderung auf § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG umgestellt werden müsse.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Beteiligten zurückzuweisen.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Er verweist auf die vom Bundesdatenschutzbeauftragten aktuell geäußerten Bedenken gegenüber den Auftritten von Bundesbehörden in den sozialen Medien und das problematische Verhalten von Betreibern sozialer Medien. Er hält für möglich, mit Google Einzelheiten auf Facebookseiten zu suchen, und führt an, auf diese Weise während der mündlichen Anhörung ein vom Beteiligten selbst bei Facebook eingestelltes Klinikum gefunden zu haben.
Beide Seiten haben angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Antragstellers und des Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der Beteiligte hat mit seiner zulässigen Beschwerde Erfolg.
Der konkrete Feststellungsantrag des Antragstellers ist zulässig.
Maßgeblich ist das Bundespersonalvertretungsgesetz in der Fassung vom 9. Juni 2021, die seit dem 15. Juni 2021 in Kraft ist. Die Novelle enthält keine Regelung, wonach anhängige Gerichtsverfahren unter Anwendung des früheren materiellen Rechts fortzuführen seien. Es kommt nach den im Personalvertretungsrecht allgemein geltenden Grundsätzen auf die objektive Klärung der Zuständigkeit und Rechtsstellung der Personalvertretung (vgl. § 108 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG n.F.) an, die für die Gegenwart und Zukunft bedeutsam ist; hingegen ist das verwaltungsgerichtliche Beschlussverfahren nicht dazu vorgesehen zu entscheiden, wer in der Vergangenheit Recht gehabt habe (BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 6 P 9.06 – juris Rn. 13). An die Stelle von § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG a.F. ist § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG getreten. Die Mitbestimmungstatbestände entsprechen sich (siehe die BT-Drs 19/26820 vom 19. Februar 2021, S. 126 zu Nr. 21). Davon abgesehen betrifft § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG die Mitbestimmung über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, erfasst mithin nicht nur den Zeitpunkt der Eröffnung, sondern auch den in die Zukunft offenen Zeitraum der Nutzung. Auch deswegen stellen sich mit Blick auf die Gesetzesnovelle hier nicht die Fragen, ob eine in der Vergangenheit mitbestimmungsfrei vorgenommene Einführung, die heute mitbestimmungspflichtig wäre, nunmehr ein Mitbestimmungsverfahren nötig machte und ob umgekehrt eine früher womöglich mitbestimmungspflichtige Einführung, die von einem heutigen Mitbestimmungstatbestand nicht erfasst würde, von der Personalvertretung noch zu beanstanden wäre.
Die Gesetzesänderung hätte allerdings zur Folge, dass bei einem Obsiegen des Antragstellers der erstinstanzliche Tenor unter Nennung der neuen statt der alten Bestimmung zu fassen wäre, was die höhere Instanz vornehmen darf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. September 2013 – 6 P 4.13 – juris Rn. 35).
Der Antragsteller hat auch in Bezug auf die Einbeziehung der Twitter- und Instagram-Auftritte einen zulässigen Antrag gestellt. Die insoweit erstinstanzlich problematisierte Bestimmung in § 66 Abs. 3 BPersVG a.F., nach der außenstehende Stellen erst angerufen werden dürfen, wenn eine Einigung in der Dienststelle nicht erzielt worden ist, betraf zwar auch die Verwaltungsgerichte, formulierte indes keine Verfahrensvoraussetzung im Sinn eines gerichtlichen Vorverfahrens, sondern brachte das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit zum Ausdruck (Gräfl in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 66 Rn. 32 f.; siehe auch Gerhold in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., BPersVG, § 66 <Stand Februar 2014> Rn. 27a ff.). Bei einer Außerachtlassung könnte einem Antrag bei Gericht das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (Ilbertz in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 66 Rn. 19 m.w.N.). Dementsprechend findet sich die Bestimmung nunmehr – systematisch passend – in § 2 Abs. 3 BPersVG.
Der Feststellungsantrag ist unbegründet.
Der Antragsteller ist immerhin nach § 88, § 92 Abs. 1 BPersVG die zuständige Personalvertretung, soweit es um die Klärung der Mitbestimmungspflicht der Auftritte in den sozialen Medien geht, weil alle Dienststellen der Deutschen Rentenversicherung Bund von den Angeboten betroffen sind.
Zudem ist das Direktorium der Deutschen Rentenversicherung Bund im vorliegenden Fall die zuständige Dienststellenleitung. Gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 BPersVG handelt für die bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung abweichend von § 8 Satz 1 BPersVG der Vorstand, soweit ihm die Entscheidung zusteht (so schon § 88 Nr. 2 BPersVG a.F.). Die Satzung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 1. Oktober 2005 in der Fassung des 3. Nachtrages vom 2./3. Dezember 2020 unterscheidet unter anderem den Bundesvorstand, den Vorstand und das Direktorium. Gemäß deren § 34 Abs. 1 verwaltet der Vorstand die Deutsche Rentenversicherung Bund, soweit Gesetz oder sonstiges für die Deutsche Rentenversicherung Bund maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen und soweit nicht der Bundesvorstand zuständig ist. Wie es in § 34 Abs. 2 Nr. 9 der Satzung heißt, beschließt der Vorstand als Dienststellenleiter über die Ernennung, Entlassung oder Versetzung zu einem anderen Dienstherrn oder in den Ruhestand von Beamten sowie über die Einstellung (Eingruppierung), Höhergruppierung und Kündigung von Arbeitnehmern mit dem höheren Dienst bei Beamten vergleichbaren Tätigkeiten (in einem genannten Fall im Einvernehmen mit dem Bundesvorstand). Daneben legt § 42 Abs. 1 der Satzung fest, dass die Mitglieder des Direktoriums hauptamtlich die laufenden Verwaltungsgeschäfte führen, soweit Gesetz oder sonstiges für die Deutsche Rentenversicherung Bund maßgebendes Recht nicht Abweichendes bestimmen. Die Satzung unterscheidet abgesehen von den explizit geregelten Zuständigkeiten allgemein zwischen der Verwaltungszuständigkeit des Vorstands und der Zuständigkeit des Direktoriums für die laufenden Verwaltungsgeschäfte. In der Praxis – so auch erklärtermaßen im vorliegenden Fall – trifft regelmäßig das Direktorium durch seine Mitglieder die personalvertretungsrechtlich relevanten Entscheidungen (vgl. den Beschluss des Senats vom 14. Februar 2013 – OVG 62 PV 8.12 – juris Rn. 28). Die Beteiligung des Vorstands im personalvertretungsrechtlichen Verfahren folgt aus § 114 Abs. 2 Satz 1 BPersVG, soweit ihm die Entscheidung zusteht; die Beteiligung des Direktoriums ergibt sich aus § 8 Satz 1 BPersVG, soweit dem Vorstand die Entscheidung nicht zusteht (vgl. Baunack in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 88 Rn. 43). Dabei ist nicht entscheidend, welche der beiden Stellen nach den zuständigkeitsregelnden oder organisationsrechtlichen Vorschriften für den Erlass der Maßnahme zuständig ist. Maßgeblich ist vielmehr, welche Stelle eine Maßnahme zu treffen beabsichtigt (entsprechend BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 5 P 10.15 – juris Rn. 26).
In die Betrachtung ist auch der von der Deutschen Rentenversicherung Bund gewollte und von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland für alle Rentenversicherungsträger eingerichtete Twitterkanal einzuschließen. Ein technisches Überwachungssystem, dass von der Dienststelle gewollt durch einen Dritten verwendet wird, wäre nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtig (Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 544).
Die vom Beteiligten zu verantwortenden Auftritte in den sozialen Medien sind auch im Hinblick auf die den Nutzern ermöglichte Kommentierung nicht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtig. Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat mit, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Maßgeblich ist eine objektiv-finale Betrachtungsweise: Diejenigen technischen Einrichtungen unterliegen der Mitbestimmung des Personalrats, die nach ihrer Konstruktion oder konkreten Verwendungsweise eine Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten ermöglichen. Der Mitbestimmungstatbestand erstreckt sich auf solche technischen Einrichtungen, die zur Überwachung objektiv geeignet sind, ohne dass die Dienststellenleitung bei ihrer Einführung und Anwendung die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris Rn. 4 zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung). Daran hat die Gesetzesnovelle nichts geändert (vgl. die BT-Drs 19/26820 vom 19. Februar 2021, insbesondere S. 126 zu Nr. 21).
Die objektive Eignung zur Überwachung unterscheidet eine gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung von anderen technischen Einrichtungen, die sich lediglich zur technischen Hilfe eignen und nicht unter diesen Mitbestimmungstatbestand fallen (vgl. Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>). Beispielhaft seien Kommunikationsmittel (klassisch das Telefon), Arbeitshilfen (Taschenrechner, computergestützte Schreib- und Rechenprogramme) und Archiveinrichtungen (elektronische Akten) genannt. Die sich nach Anwendungsgebieten sowie nach dem Ausmaß ausdehnende Technisierung erweitert die Möglichkeiten und bietet so Rationalisierungschancen, birgt aber auch unterschiedliche Gefahren. Nach dem Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestands ist nicht schlechterdings jeder Technisierungsfortschritt mitbestimmungspflichtig. Stattdessen soll das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nur sicherstellen, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit des Beschäftigten am Arbeitsplatz, die von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Ein Beschäftigter, der befürchten muss, während der Arbeit mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden, kann unter einen Überwachungsdruck geraten, der ihn in der freien Entfaltung der Persönlichkeit behindert, ihn insbesondere unter Anpassungsdruck setzt und ihn in eine erhöhte Abhängigkeit bringt (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris Rn. 4).
Einhelliger Auffassung entspricht es, dass ein Überwachungsdruck, der sich durch eine womöglich kleinliche, jedenfalls engmaschige persönliche Kontrolle seitens der Vorgesetzten aufbaut, nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG unbeachtlich ist (Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 258). Die Vorschrift dient nicht der Verwirklichung moderner Führungskonzepte. Die Kontrolle muss vielmehr mit Hilfe einer technischen Einrichtung erfolgen. Mit dem Merkmal der Technizität verbindet sich nach einer verbreiteten Ansicht nicht schon jedes Hilfsmittel, das eine den Überwachten verborgene Kontrolle erlaubt, etwa durch eine Beobachtung mittels Fernglas, Türspion oder einer einseitig durchsichtigen Fensterscheibe (Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 258). Die verdeckte Überwachung mit solchen Hilfsmitteln kann zwar, im Unterschied zur offenen, aufsuchenden Kontrolle durch Vorgesetzte, die Empfindung auslösen, jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden. Für den Mitbestimmungstatbestand ist hingegen spezifisch, dass die Überwachung gerade mit Hilfe einer als technisch zu bewertenden Einrichtung erfolgt. Sommer spricht insoweit von einer Kontrolle „durch technische Einrichtungen“, von einer technisierten Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten (in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 196a). Denn der Gesetzgeber reagierte in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Einführung von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG im Jahr 1972 und § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG im Jahr 1974 auf das verbreitete Unbehagen der Beschäftigten, das sich vornehmlich an elektronischer Datenverarbeitung festmachte. Die viel ältere Überwachungsmöglichkeit mittels optischer Instrumente stand nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Es liegt auf dieser Linie, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Überwachung „mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen“ so interpretiert hat, dass technische Einrichtungen Anlagen oder Geräte seien, die unter Verwendung nicht menschlicher, sondern anderweit erzeugter Energie mit den Mitteln der Technik, insbesondere der Elektronik, eine selbständige Leistung erbrächten; dabei seien Anlagen zur elektronischen Datenverarbeitung dann zur Überwachung geeignet, wenn sie mit einem entsprechenden Programm versehen seien oder werden könnten (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2011 – 6 P 10.10 – juris Rn. 16; siehe auch Sommer in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 201a).
Die selbständige Leistung der technischen Einrichtung kann bei der Erhebung von Daten oder bei deren Auswertung zum Tragen kommen. Es reicht aus, wenn nur die Erhebung durch einen Automaten erfolgt und die Auswertung von Menschen durchgeführt wird (Überwachungskamera; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 – OVG 60 PV 19.05 – juris; unbeanstandet durch den Beschluss des BVerwG vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris; ebenso Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 538). Umgekehrt lässt eine händische Eingabe den Mitbestimmungstatbestand nicht entfallen, wenn die Auswertung automatisiert ist (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 – 6 P 32.84 – juris Rn. 23). Dabei würde es für den Senat schon ausreichen, wenn automatisch eine Vorsortierung erfolgt, beispielsweise eine Auswahl von 10 aus 100 Datensätzen nach Schlüsselbegriffen, die von Personen weiter ausgewertet werden müsste. Wird hingegen sowohl die Eingabe leistungs- und verhaltensrelevanter Daten als auch deren Auswertung von Menschen vorgenommen, erbringt die Einrichtung keine selbständige Leistung.
Die selbständige Leistung zur Überwachung wäre nicht schon darin zu sehen, dass die Daten gespeichert werden. Für den Senat bedeutet es keinen Unterschied, ob die erhobenen Daten augenblicklich ausgewertet werden müssten, weil sie nicht gespeichert werden (Beispiel: die in einem mit Personal besetzten Kontrollraum zusammentreffenden Bilder aus laufenden Überwachungskameras), oder im Fall einer dauerhaften Aufzeichnung erst später, etwa nach Bedarf, ausgewertet werden könnten. Denn im Fall der Archivierung von Daten handelt es sich um nicht mehr als eine elektronische Akte (siehe dazu Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>; Schiller in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0 - Arbeitsrecht und Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt, 4. Aufl. 2018, § 10 Arbeitsrechtliche Aspekte zu Social Media, Rn. 78).
Nach diesen Maßstäben sind die hier in Rede stehenden sozialen Medien auch im Hinblick auf die Kommentarfunktion keine technischen Einrichtungen im Sinn des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG, sondern technische Hilfsmittel, weil weder die Datenerhebung noch die Datenauswertung ganz oder teilweise automatisch erfolgt (ebenso Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107> zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG; so wohl auch Sommer in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 212b zum „reinen Betrieb einer Facebook-Seite“). Die womöglich mitbestimmungsrelevanten Daten werden von Nutzern händisch eingegeben. Und die Anbieter der sozialen Medien stellen den Seiteninhabern weder die Möglichkeit einer automatisierten (Teil-)Auswertung der Kommentare bereit noch sehen die Programme den nachträglichen Anschluss eines zur Auswertung bestimmten Programms vor. Es fehlt insgesamt eine selbständige Leistung der Einrichtung, ein datenverarbeitendes Programm im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts, das die Dienststelle zur Überwachung von Beschäftigten nutzen könnte. Eine automatisierte Auswertung von Daten durch die Anbieter der sozialen Medien wie auch die Möglichkeit einer Ausspähung durch Geheim- bzw. Nachrichtendienste sind für den Mitbestimmungstatbestand, der allein die Überwachung durch den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber der Beschäftigten in den Blick nimmt, unerheblich. Das gilt auch für das Datenschutzrecht (vgl. Ehmann, jurisPR-ArbR 16/2021 Anm. 8 lit. C). Die Kommentarfunktion eröffnet den Nutzern eine niederschwellige Möglichkeit für Eingaben und Nachrichten. Der elektronisch übersandte Kommentar gleicht nach der Versendungsart einer Email (Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>) und nach der Wirkung – bis zur Löschung – einem offenen Brief (Fuhlrott, EWiR 2017, 349 <350>).
Der erkennende Senat weicht insofern von der erstinstanzlichen Entscheidung und vom Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – ab. Das Bundesarbeitsgericht hielt es für genügend, dass die Informationen durch die Nutzer der Facebookseite aufgrund der dort vorhandenen Funktion eingegeben und mittels der von Facebook eingesetzten Software einer dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzten Zugriffsmöglichkeit zugeführt würden. Die Abweichung vom Bundesarbeitsgericht erklärt sich nicht dadurch, dass in dem dort entschiedenen Fall allein über die bei Facebook abstellbare Funktion „Besucher-Beiträge“ entschieden wurde und nicht über die unvermeidliche Kommentarfunktion. Bei der Eröffnung von Besucher-Beiträgen handelt es sich um eine attraktivere Kommentarfunktion, die sich in Bezug auf die Möglichkeit von leistungs- und verhaltensrelevanten Mitteilungen nicht von der grundlegenden Kommentarfunktion unterscheidet.
Das Bundesarbeitsgericht traf seine Entscheidung zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese Vorschrift stimmt im Wortlaut praktisch mit § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG überein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind beide Vorschriften im Wesentlichen gleich auszulegen; die Interessenlage in privaten Betrieben und öffentlichen Behörden gleicht sich insoweit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 – 6 P 32.84 – juris Rn. 19; ähnlich Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 536). Angesichts dessen wich das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2016 von der vorhergehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dadurch ab, dass es nicht auf eine selbstständige Leistung der Einrichtung, auf ein datenverarbeitendes Programm abstellte (vgl. auch Bieder, NZA-RR 2017, 225 <230>). Nach den Besprechungen dieses Beschlusses wich das Bundesarbeitsgericht zudem von seiner eigenen Rechtsprechung ab, insbesondere vom Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12 – (juris) zur Verwendung von GoogleMaps bei der Überprüfung von Reisekostenabrechnungen (Wahlers, jurisPR-ITR 11/2017 Anm. 5; Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>; Schiller in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0 - Arbeitsrecht und Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt, 4. Aufl. 2018, § 10 Arbeitsrechtliche Aspekte zu Social Media, Rn. 78). Ob der Beschluss vom 13. Dezember 2016 in der Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht eine Einzelfallentscheidung bleibt (so die Prognose von Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>), braucht hier allerdings nicht weiter zu beschäftigen.
Die in etlichen Anmerkungen kritisch kommentierte Ausdehnung der bisherigen Rechtsprechung, die letztlich zur Mitbestimmungspflicht bei jedweder Eröffnung elektronischer Kommunikationsmittel durch die Dienststellenleitung führt (Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>; siehe auch Mues, ArbRB 2017, 174 <175>; Prinz, SAE 2017, 92 <95>; Wahlers, jurisPR-ITR 11/2017 Anm. 5; dem BAG zustimmend Ley, BB 2017, 1213 <1215>; sich dem BAG unkommentiert anschließend Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 263; Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 545; Rehak in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., BPersVG, § 75 <Stand März 2021> Rn. 680), mag das Bundesarbeitsgericht in seiner Facebook-Entscheidung veranlasst haben, seinem abstrakten Rechtssatz Folgendes hinzuzufügen: „Zudem sind diese Daten über die Facebookseite dauerhaft öffentlich zugänglich. Sie sind deshalb nicht – wie das Landesarbeitsgericht meint – mit einem an den Arbeitgeber gerichteten Beschwerdebrief vergleichbar.“ Die Verknüpfung dieser Sätze mit der vorangegangenen Würdigung durch die Konjunktion „zudem“ lässt zwar daran zweifeln, ob es entscheidend auf den zusätzlichen Aspekt ankommen soll oder ob er hinweggedacht werden könnte, ohne am Ergebnis des Bundesarbeitsgerichts etwas zu ändern. Immerhin eignet sich der zusätzliche Aspekt zur Eindämmung einer ansonsten nahezu umfassenden Mitbestimmungspflicht.
Der Aspekt führt allerdings einen neuartigen Gesetzeszweck in die Auslegung des Mitbestimmungstatbestands ein, der sich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht findet. War bislang von den Gefahren der Technisierung nur der erhöhte Überwachungsdruck relevant, dem die Beschäftigten ausgesetzt sind, kommt nunmehr durch die Prangerwirkung öffentlich zugänglicher, womöglich unberechtigter oder tatsächlich haltloser Beschwerden über Beschäftigte, die einen Shitstorm und ähnlich gravierende Nachteile nach sich ziehen könnten, das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfassend in Betracht (vgl. Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>). Auch wenn sich nach den Mitteilungen des Antragstellers und des Beteiligten seit der Eröffnung der Kommentarfunktionen nichts dergleichen ereignet hat, wären solche Vorkommnisse Anlass für die Dienststelle, im schutzwürdigen Interesse der Beschäftigten auf Abhilfe zu sinnen. Der Senat hält es allerdings für falsch, aus solchen Erwägungen heraus den Gesetzeszweck von § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG um einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Schutzgegenstand zu erweitern (ebenso Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333> zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen. Der Zulassungsgrund einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) liegt vor.