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Entscheidung 9 L 181/21


Metadaten

Gericht VG Cottbus 9. Kammer Entscheidungsdatum 29.07.2021
Aktenzeichen 9 L 181/21 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0729.9L181.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 59 AufenthG, § 80 S 5 VwGO

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (V...) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2021 wird hinsichtlich der in Ziffer 2 Satz 2 des Bescheides vom 25. Januar 2021 ausgesprochenen Abschiebungsandrohung angeordnet, soweit darin dem Antragsteller die Abschiebung in die Bolivarische Republik Venezuela angedroht worden ist. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner zu 75% und der Antragsteller zu 25%.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

3. Der Streitwert wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, der nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die vom Antragsgegner ausgesprochene Abschiebungsandrohung gerichtet ist und mit welchem der Antragsteller (folglich sinngemäß) begehrt,

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (V...) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2021 hinsichtlich der in Ziffer 2 des Bescheides vom 25. Januar 2021 ausgesprochenen Abschiebungsandrohung anzuordnen,

ist zunächst entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Ansicht zulässig. Denn nach § 80 Abs. 1 VwGO bezieht sich die aufschiebende Wirkung nicht bloß auf den Widerspruch, sondern auch auf die Anfechtungsklage, die in Bezug auf die ausgesprochene Abschiebungsandrohung auch die statthafte Klage ist. Anzumerken ist, dass der Eilantrag auch schon vor Erhebung der Klage, also im Zeitpunkt der Abgabe der Antragserwiderung des Antragsgegners, zulässig gewesen ist, denn nach § 80b Abs. 1 VwGO endet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs grundsätzlich erst mit der Unanfechtbarkeit des angegriffenen Bescheides, die hier mangels Ablauf der Klagefrist (§ 74 VwGO) noch nicht eingetreten war.

Der Antrag ist im tenorierten Umfang auch begründet.

Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage in Fällen, in denen einem Rechtsbehelf die aufschiebende Wirkung – wie hier – von vornherein nicht zukommt, anordnen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich aufgrund der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung, bei der die Erfolgsaussichten in der Hauptsache in den Blick zu nehmen sind, ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse ergibt. Vorliegend fällt die Interessenabwägung hinsichtlich der für den Zielstaat Venezuela ausgesprochenen Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 des Bescheides vom 25. Januar 2021 zugunsten des Antragstellers aus. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der Antragsgegner hat zunächst in Verkennung der Rechtslage seine Amtsermittlungspflicht verletzt, indem er es bewusst unterlassen hat, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Venezuela zu prüfen. Dabei ist – was der Antragsgegner freilich erkannt haben mag – eine Prüfung von Abschiebungsverboten nicht wegen einer Bindungswirkung der Ausländerbehörde an eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingen (BAMF) nach § 42 AsylG gegeben, da das BAMF über einen Asylantrag des Antragstellers nicht entschieden hat; mangels eines Asylantrags ist das BAMF auch zu einer solchen Entscheidung (vgl. § 24 Abs. 2; § 31 Abs. 3 AsylG) nicht berufen. Insoweit verbleibt es bei der Zuständigkeit der Ausländerbehörde nach Maßgabe des § 72 Abs. 2 AufenthG, wonach die Ausländerbehörde (auch) über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes entscheidet. Vor diesem Hintergrund kann sich der Antragsgegner – dies sei angemerkt – seiner Obliegenheit zur Prüfung von Abschiebungsverboten auch nicht dadurch entziehen, indem er den Antragsteller, wie er es indes in der Begründung des Widerspruchsbescheides getan hat, auf die Möglichkeit der Asylantragstellung beim Bundesamt verweist. Es bleibt hier festzuhalten, dass dem Bundesamt die Prüfung von Abschiebungsverboten nur dann obliegt, wenn der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat. Ein Vorrang der Asylantragstellung beim Bundesamt oder eine Pflicht des Ausländers zur Asylantragstellung existiert indes nicht, zumal dem Antragsteller, kann er ersichtlich keinen Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz und auch keine Asylberechtigung für sich geltend machen, dann auch droht, dass ein entsprechender Asylantrag vom Bundesamt als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird, was empfindliche ausländerrechtliche Folgen für den Antragsteller nach sich ziehen könnte (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).

Obliegt insoweit der Ausländerbehörde die Prüfung von Abschiebungsverboten, so kann sich der Antragsgegner – wie es in der Begründung des Widerspruchsbescheides heißt – auch nicht darauf zurück ziehen, dass die Prüfung von Abschiebungsverboten lediglich ein „Zwischenschritt“ bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine – hier aus anderen Gründen abzulehnende – Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sei und dem Antragsteller (daher) das Rechtsschutzbedürfnis bzw. Sachentscheidungsinteresse fehle. Hierbei blendet der Antragsgegner aus, dass in der Abschiebungsandrohung als Zielstaat die Bolivarische Republik Venezuela ausdrücklich benannt ist, eine Abschiebung in diesen Staat aber zu unterbleiben hat, wenn in Bezug auf diesen Staat ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot besteht. Denn nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist in der Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.Das Vorhandensein von Abschiebungsverboten steht dabei dem Erlass der Abschiebungsandrohung zwar im Grunde nicht entgegen, § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, woraus folgt, dass sich die Prüfung von Abschiebungsverboten in der Regel auf die Ebene des Vollzugs verlagert. Liegt jedoch ein Abschiebungsverbot vor, so ist der Staat, in den der Ausländer aufgrund des Abschiebungshindernisses nicht abgeschoben werden darf, gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ausdrücklich im Bescheid zu bezeichnen. Wenn dies nicht erfolgt ist, ist die Abschiebungsandrohung insoweit rechtswidrig; im Übrigen bleibt die Abschiebungsandrohung grundsätzlich wirksam, da sie auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter hat (Zimmerer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, 7. Edition, Stand: 01.01.2021, § 59 Rn. 20; VG München, Urteil vom 25. Februar 2021 – M 10 K 18.2153 – juris Rn. 67; OVG Münster, Beschluss vom 27. Juli 2007 – 19 E 269/07 – juris Rn. 6; VG Schleswig, Beschluss vom 19. Juli 2007 – 14 B 35/07 – juris Rn. 15). Insbesondere bei einem zwingenden (und nicht nur vorübergehenden) zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot, wie es bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, führt dies zur Rechtwidrigkeit der Bezeichnung dieses Staates als Zielstaat in der Abschiebungsandrohung, weil bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Abschiebung in den betreffenden Staat ausnahmslos ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, juris Rn. 20).

Allerdings erweist sich die Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat Venezuela nicht bereits deshalb als offensichtlich rechtswidrig, weil der Antragsgegner § 72 Abs. 2 AufenthG außer Anwendung gelassen hat. Es bedarf, beruft sich ein Ausländer im gerichtlichen Verfahren auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, trotz der Vorschrift des § 72 Abs. 2 AufenthG auch keiner Beiladung des Bundesamtes und das Verwaltungsgericht kann grundsätzlich direkt über das Vorliegen von Abschiebungsverboten befinden. Denn bei der Beteiligung des Bundesamtes nach § 72 Abs. 2 AufenthG handelt es sich um eine nicht selbstständig anfechtbare verwaltungsinterne Stellungnahme, deren Zweck darin liegt, vor einer Entscheidung über ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot durch die Ausländerbehörde die Sachkunde des Bundesamtes hinsichtlich der Verhältnisse in dem betreffenden Zielstaat einfließen zu lassen. Bei der in § 72 Abs. 2 AufenthG vorgeschriebenen Beteiligung des Bundesamtes handelt es sich aber um eine bloße Anhörung i. S. v. § 13 Abs. 3 VwVfG, die im Unterschied zu einer Zustimmung oder des Einvernehmens keinen Konsens erfordert. Daher entfaltet die vom Bundesamt erteilte Auskunft auch keine Bindungswirkung, mögen sich die Ausländerbehörden vor dem Hintergrund der dem Bundesamt zukommenden Sachkunde hinsichtlich der Verhältnisse im betreffenden Zielstaat gleichwohl regelmäßig an die Auskunft des Bundesamtes halten (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 19. August 2019  3 B 83/19 – juris Rn. 35 m.w.N.).

Ist mithin die Frage des Bestehens eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots in Bezug auf Venezuela maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der für diesen Zielstaat ausgesprochenen Abschiebungsandrohung, so fällt im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers aus.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist nach der Rechtsprechung des EGMR insbesondere dann mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung der ernsthaften Gefahr („real risk“) der Todesstrafe, der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt wäre (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 23. März 2016, F.G. gegen Schweden, Nr. 43611/11, Rn. 110 m.w.N. und vom 28. Juni 2011, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 u.a., Rn. 212).Zwar können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 04. Juli 2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 12; Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 25). Dies kann der Fall sein, wenn die betroffene Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen sich in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 89 ff.; Urteil vom 19. März 2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 92 ff.; BVerwG, Urteil vom 04. Juli 2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 12, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 06. Februar 2020 – 13a B 19.33510 – juris Rn. 23).

Hiervon ausgehend bedarf es einer näheren Prüfung, ob für die Person des Antragstellers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Venezuela bestehen könnte. Die wirtschaftliche und soziale Lage in Venezuela ist prekär und seit Jahren in einem stetigen Niedergang begriffen. So führt das Verwaltungsgerichts Leipzig erst jüngst (Urteil vom 12. April 2021 – 1 K 666/20.A – abgerufen in der Datenbank des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge; veröffentlicht mit Orientierungssatz bei juris) aus:

Geprägt wird das Leben der Menschen in Venezuela von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation und Versorgungslage, außerdem von prekären humanitären Gegebenheiten, sowie von einer hohen Kriminalitätsrate und einer damit einhergehenden schlechten Sicherheitslage. Es kann im Einzelfall problematisch sein, das Existenzminimum zu sichern. Venezuela leidet an einer dramatischen wirtschaftlichen und humanitären Krise. Das Land befindet sich seit 2014 in einer Rezession. Die andauernde, massive Wirtschaftskrise beherrscht nahezu jeden Aspekt des täglichen Lebens (BAMF, Länderreport Venezuela Stand 2/2019, S. 2). Die Nahrungsmittel in Venezuela sind knapp, die Lebensmittelversorgung ist prekär und die Teuerungsrate für Nahrungsmittel steigt weiter (vgl. Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland - AA -, Stellungnahme vom 25.1.2018 zu Anfrage des Bundesamtes vom 28.7.2017 [zu Fragen 12 und 13]; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 28.3.2018, S. 25). Hunger ist ein zunehmendes Problem (BAMF, Länderreport Venezuela Stand 2/2019, S. 11). Die Hyperinflation "frisst" Einkommen sofort auf. Nach dem Amnesty International-Report 2017/2018 (S. 8) hat die Nichtregierungsorganisation Centro de Documentaciön y Anälisis para los Trabajadores berichtet, dass der Preis für einen Warenkorb von Konsumgütern für eine fünfköpfige Familie, auf dem der Verbraucherpreisindex basiere, im Dezember 2017 das sechzigfache des Mindestlohns betragen habe. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 24.1.2019 bescheinigt der Internationale Währungsfond (IWF) dem Land praktisch den totalen Kaufkraftverlust bei einer Preissteigerung von 1,4 Million Prozent im Jahr 2018 (https://www.sueddeutsche.de/politik/venezuela-wirtschaftslage.de, Warum so viele Venezolaner verzweifelt sind). Seit dem 20.8.2018 hat Venezuela eine neue Währung, den Bolivar Sobrano. De fakto wurden fünf Nullen der vorherigen Währung, Bolivar Fuerte, gestrichen. Die Einführung der neuen Währung hat die Bargeldknappheit nicht behoben, die Hyperinflation zusätzlich angeheizt und die Lebensmittelknappheit verschärft (AA, Venezuela Reise- und Sicherheitshinweise vom 24.10.2018). Die durch die schwere Wirtschaftskrise verursachten Versorgungsschwierigkeiten und Versorgungsengpässe führen dazu, dass auch Güter des täglichen Bedarfs und Medikamente oft über längere Zeiträume nicht verfügbar sind (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, Venezuela, Reisehinweise für Venezuela vom 23.5.2018). Der im Mai 2016 ausgerufene Ausnahmezustand über das gesamte Land gilt fort; der wirtschaftliche und medizinische Versorgungsnotstand dauert an (AA, Venezuela Reise- und Sicherheitshinweise vom 24.10.2018 und vom 14.3.2019). Der Schwarzmarkt im Inland und der grenzüberschreitende Schmuggel florieren (vgl. Claudia Zilla, Forschungsgruppe Stiftung Wissenschaft und Politik vom 22.3.2018). Die Lebensmittelproduktion kommt immer mehr zum Erliegen und das sozialistische Regime benötigt steigende Lebensmittelimporte aus dem Ausland (Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Länderbericht vom Dezember 2018). Einem im Sommer 2018 eingeleiteten staatlichen Konjunkturprogramm fügte Präsident Maduro im Dezember 2018 neue Maßnahmen hinzu. Der Mindestlohn wurde um 150 % erhöht. Boni und Subventionen wie bei den Sozialprogrammen für Jugendarbeit und für die Unterstützung armer und extrem armer Familien wurden um den gleichen Faktor angepasst. Parallel zu diesen Erhöhungen hat die Regierung die Währung abgewertet. Präsident Maduro gab zudem neue Festpreise für Grundbedarfsgüter bekannt. Mit Privatunternehmen der Lebensmittel- und Hygieneartikel-Produktion seien entsprechende Vereinbarungen getroffen worden. Präsident Maduro teilte zudem mit, dass die Regierung weiterhin die Gehälter im Privatsektor und bei den Selbständigen bezahlen werde (https://amerika21.de, Venezuela erhöht Mindestlohn und reguliert Preise neu, vom 6.12.2018). Der staatlich festgelegte Mindestlohn ist jedoch nicht geeignet, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, zumal er durch die hohe Inflation sehr schnell aufgebraucht wird. Auch Anhebungen des Mindestlohns lösen das Problem nicht, zumal der Lohn schneller an Wert verliert als er angehoben wird (BAMF, Länderreport Venezuela Stand 2/2019, S. 10). Zwar ist die venezolanische Bevölkerung mit einem gravierenden Mangel an Nahrungsmitteln konfrontiert, jedoch geht dies vorwiegend zu Lasten von besonders hilfsbedürftigen Personen (vgl. Human Rights Watch, World Report 2018 vom 18.1.2018). Es sind vor allem Kinder (vgl. ARD, Deutsche Welle, Bericht vom 1.3.2018, Venezuela: Der Hunger bedroht eine ganze Generation), erkrankte Personen und Schwangere betroffen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 28.3.2018, S. 23). Nach dem Amnesty International-Report2017/2018 (S. 8) - unter Verweis auf Angaben der humanitären Organisation Caritas Venezuela - sind weiterhin 27,6 % der Schulkinder von Mangelernährung bedroht, und 15,7 % von ihnen leiden unter leichter bis akuter Mangelernährung. Mehr als 12 % der Bevölkerung müssen mit zwei Mahlzeiten oder weniger auskommen (Amnesty International, Amnesty Report Venezuela, 21.5.2017). Die wirtschaftliche Situation stellt sich nur für privilegierte Einwohner Venezuelas besser dar. Personen, die der Oberschicht angehören und die dem Maduro-Regime nahestehenden Personen- und Berufsgruppen verfügen über Zugang zu Devisen wie Dollar und Versorgungsgütern, die anderen Bürgern nicht zugänglich sind (BAMF, Länderreport Venezuela Stand 2/2019, S. 10). Die Arbeitslosenquote betrug im Jahr 2017 26,4 % im Vergleich zu 20,6% im Jahr 2016. Hinzu kommt ein hoher Teil informeller Beschäftigungsverhältnisse (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 28.3.2018, S. 25, 26). Strom und Wasser stehen grundsätzlich zumindest einige Stunden pro Woche zur Verfügung (vgl. AA, Stellungnahme vom 25.1.2018 zur Anfrage des Bundesamtes vom 28.7.2017; AA, Venezuela Reise- und Sicherheitshinweise vom 23.5.2018 und vom 14.3.2019). Seit dem 7.3.2019 gibt es im gesamten Land aber anhaltende Stromausfälle (AA, Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 9.5.2019). Die medizinische Versorgung ist selbst in Großstädten oftmals nicht mehr gewährleistet. In vielen öffentlichen Krankenhäusern sind die hygienischen Verhältnisse prekär. Engpässe der Versorgung mit Medikamenten betreffen öffentliche und private Krankenhäuser (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, Venezuela, Reisehinweise für Venezuela vom 23.5.2018; vgl. AA, Stellungnahme vom 25.1.2018 zur Anfrage des Bundesamtes vom 28.7.2017 (zu Frage 4); AA, Venezuela Reise- und Sicherheitshinweise vom 24.10.2018). Eine adäquate medizinische Notfallversorgung ist in vielen Landesteilen nicht gewährleistet. Dies betrifft in zunehmendem Maße auch Städte (AA, Venezuela Reise- und Sicherheitshinweise; Homepage des Auswärtigen Amts, Länderinformation zu Venezuela, Stichwort Wirtschaft). Die Sterblichkeitsrate von Säuglingen hat extrem zugenommen. Im Jahr 2017 starben 26 von 1.000 Babys, doppelt so viele wie im Nachbarland Kolumbien und fast doppelt so viele wie in Syrien (Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 24.1.2019, Warum so viele Venezolaner verzweifelt sind, veröffentlicht auch unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/venezuela-wirtschaftslage.de). Die Kindersterblichkeit (Kinder unter fünf Jahren) liegt mit 32 toten Kindern auf 1.000 Lebendgeburten noch unterhalb des weltweiten Durchschnitts von 40 toten Kindern. Diese Werte haben sich in den letzten Jahren aber deutlich verschlechtert, und es gibt keine Anzeichen, dass sich diese Entwicklung absehbar umkehren würde (BAMF, Länderreport Venezuela Stand 2/2019, S. 11). Auch die Sicherheitslage in Venezuela ist prekär. Gewalttätige Ausschreitungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sind jederzeit möglich. Es besteht eine verbreitete, hohe Gewaltkriminalität. Entführungen zur Erpressung von Geldzahlungen, Überfälle mit Waffengewalt sowie Straßenkriminalität haben zugenommen und sind weit verbreitet (AA, Venezuela Reise- und Sicherheitshinweise vom 14.3.2019; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 28.3.2018, S. 10). Die Überforderung der Polizei durch das explosive Anwachsen der Bandenkriminalität hat mit dazu beigetragen, dass Caracas heute als eine der unsichersten Städte der Welt gilt (BAMF, Länderreport Venezuela Stand 2/2019, S. 10). Es gibt zudem immer wieder Berichte über polizeilichen Missbrauch und Beteiligung an Straftaten, einschließlich illegaler und willkürlicher Festnahmen, außergerichtlicher Tötungen, Entführungen und exzessiver Gewaltanwendung (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 28.3.2018, S. 10). Diese schlechte wirtschaftliche und humanitäre Situation hat sich seither nicht verbessert, sondern - wie die aktuelle Erkenntnismittellage belegt - sogar noch weiter verschlechtert. Ausweislich des Länderreports Venezuela des Bundesamtes eskalierte die Lage im Februar 2019, nachdem Venezuela seine Grenzen für Hilfsgüter geschlossen habe. Im März 2019 sei es zu einem mehrtägigen landesweiten Stromausfall gekommen, der den Zustand der Infrastruktur drastisch ins Bewusstsein gerückt und zusammen mit der politischen Krise die Situation weiter verschärft habe. Venezuela sei nicht in der Lage, seine Bevölkerung angemessen zu ernähren. Die Mehrheit der Bevölkerung lebe in relativer, teilweise absoluter, Armut und leide massiv unter der Versorgungskrise. In Anbetracht der sich verschärfenden Krise und des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems müsse auch von einem sprunghaften Anstieg der Kindersterblichkeit ausgegangen werden. Auch, dass Hunger ein zunehmendes Problem darstelle, sei ein deutliches Zeichen für die gegenseitige Verstärkung der negativen Tendenzen. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sich die wirtschaftliche und politische Lage in absehbarer Zeit entspannen werde. Nach wie vor seien aber viele der wesentlichen Parameter der Entwicklung für Venezuela besser als für einen Großteil der Welt, allerdings lägen hierzu keine aktuellen belastbaren Daten vor (BAMF, Länderreport Venezuela Stand 9/2019, S. 3, 8 f., 15). Der erschwerte oder fehlende Zugang zu Nahrungsmitteln und das desaströse Gesundheitssystem wird auch von den Vereinten Nationen berichtet. Nach dem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen sollen 3,7 Mio. Menschen in Venezuela unterernährt sein, in erster Linie Kinder und schwangere Frauen. Die medizinische Versorgungslage und Infrastruktur sei schrecklich. Zwischen November 2018 und Februar 2019 sollen 1.557 Menschen aufgrund der Versorgungsengpässe in Krankenhäusern verstorben sein (Report of the United Nations High Commissionerfor Human Rights on the Situation of Human Rights in the Bolivarian Republic of Venezuela, Human Rights Council, Advance Unedited Version 5.7.2019, S. 3 f.). Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (International Committee of the Red Cross, ICRC) schreibt in einem Artikel vom September 2019, dass Venezuela weiterhin mit den Konsequenzen einer sich verschlechternden sozioökonomischen Lage konfrontiert sei, was direkte Auswirkungen auf den Gesundheitssektor habe. Es gebe nicht nur einen Mangel an Medikamenten, sondern auch an Diagnosegeräten, Hygieneprodukten und medizinischen Möbeln ("medical furniture"). Auch die fehlende Instandhaltung der Gesundheitsinfrastruktur und Probleme beim Zugang zu Wasser und bei der Stromversorgung seien besorgniserregend, da ohne sie kein Krankenhaus oder Gesundheitszentrum effektiv betrieben werden könne. Ein weiterer wichtiger Faktor, der den Gesundheitsbereich betreffe, sei der Mangel an Experten, die die Dienstleistungen und die Betreuung zur Verfügung stellen könnten, die die Bevölkerung benötige. In den am stärksten betroffenen Gebieten habe ein Krankenhaus mit 500 Betten früher bis zu zwanzig medizinische Fachrichtungen anbieten können, nun seien es wegen des Mangels an Fachärzten nur noch fünf. Der Mangel an notwendigen Ressourcen, Ausrüstung und Material verschärfe die Situation noch. Gleichzeitig würden die Bedürfnisse der Menschen zunehmen, wie auch die Anzahl der Menschen, die wegen Gewalt in die Notaufnahme kämen. Bei Menschen, die in Gebieten leben würden, die von bewaffneter Gewalt betroffen seien, sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie schnellen und effizienten Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten erhalten würden, geringer, weshalb sie die vulnerabelsten seien (ICRC, 18.9.2019). Amnesty International berichtet ebenfalls, dass der humanitäre Ausnahmezustand weiter anhalte, die wirtschaftlichen Maßnahmen der venezolanischen Behörden hätten sich als unwirksam erwiesen. Die Regierung weigere sich, die Schwere der Krise anzuerkennen und die Unterstützung von humanitären Organisationen anzunehmen. Im August 2019 hätten die USA Sanktionen gegen venezolanische Regierungsinstitutionen verhängt. Dies habe die bestehende Knappheit an Gütern und Dienstleistungen noch verschärft. Die immer häufiger und länger auftretenden Stromausfälle hätten zu irreparablen Schäden bei den Gesundheitsdienstleistungen und der medizinischen Infrastruktur geführt. Erhebliche Engpässe bei den Gesundheitsdienstleistungen und Medikamenten sowie die Abwanderung von medizinischem Personal schränkten die Möglichkeit der Bevölkerung ein, eine angemessene Gesundheitsversorgung zu erhalten. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln habe sich nicht gebessert. Die Hyperinflation sowie wirtschaftliche und soziale Maßnahmen verringerten die Nahrungsmittelproduktion und schwächten das Verteilungssystem für Lebensmittel (Amnesty International, Amnesty Report Venezuela 2019 vom 27.2.2020, S. 8 f.).

Die Situation hat sich bis heute nicht signifikant verbessert. Venezuela befindet sich nach wie vor in einer tiefen wirtschaftlichen und humanitären Krise. Das BIP des Landes betrug für das Jahr 2020 laut IWF -15 %. Nach Angaben einer nationalen Erhebung zum Lebensstandard in Venezuela leben 95 % der Haushalte in Armut und 79 % der Haushalte in extremer Armut. Die Arbeitslosenquote schätzte der IWF für 2020 auf 35,5 % (vgl. EASO Country of Origin Information Report on Venezuela, Stand August 2020 - EASO-Bericht -, S. 18 ff.). Die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Elektrizität ist weiterhin mangelhaft (vgl. EASO-Bericht, a. a. O., S. 49 ff.). Auch die medizinische Versorgung ist mangelhaft, was insbesondere eine verschärfende Wirkung bezüglich der vorherrschenden Covid-19-Pandemie hat (vgl. EASO Bericht, a. a. O., S. 44 ff.). Aktuell besteht aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie weiterhin eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Venezuela. Das Auswärtige Amt berichtet, dass aufgrund der prekären Lage des öffentlichen Gesundheitssystems sowohl die medizinische Versorgung als auch die zuverlässige Information über den Ausbreitungsgrad als völlig unzureichend einzuschätzen seien (vgl. unter https:// www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/venezuela). Das gesamte Land ist bereits seit dem 17.3.2020 von Quarantänemaßnahmen betroffen. Rückkehrer, insbesondere aus benachbarten Staaten werden verunglimpft und in Quarantänelagern untergebracht. Dass diese Behandlung auch bei Rückkehrern aus europäischen Staaten angewandt wird, ist den Erkenntnismitteln jedoch nicht zu entnehmen (vgl. BAMF - Länderinformation Gesundheitssystem und COVID-19-Pandemie, Stand November 2020). Neben den Auswirkungen auf das Gesundheitssystem hat der Lockdown auch politische und soziale Auswirkungen. So habe er effektiv Demonstrationen unterbunden und gilt als Vorwand zur Unterdrückung der Opposition. Die bereits bestehenden großen Probleme an Lebensmittelsicherheit, Gesundheitsversorgung und generell wirtschaftlicher Krise seien durch die Pandemie massiv verstärkt worden, zumal gerade die besonders hart getroffenen Gruppen üblicherweise auf Tageslohnarbeiten angewiesen seien und sich selbst nur sehr begrenzt isolieren oder schützen könnten. Zum Stand 18.11.2020 müsse von rd. 98.000 bestätigten Infektionen und 858 Todesfällen ausgegangen werden, zuverlässige Statistiken zum Gesundheitswesen lägen allerdings nicht vor. Venezuela setze bei der Akquise eines Impfstoffes auf den russischen Impfstoffkandidaten „Sputnik V", der in Venezuela erprobt werde und von dem die Regierung 10 Mio. Dosen geordert habe (vgl. BAMF - Länderinformation Gesundheitssystem und COVID-19-Pandemie, Stand November 2020, S. 3 f.).

Ein ähnliches Bild zeichnen das VG Leipzig in anderen Entscheidungen (vgl. etwa Urteile vom 26. Februar 2021 – 1 K 800/20.A –; vom 12. März 2021 – 4 K 203/20.A –; vom 27. November 2020 – 1 K 966/20.A –; vom 11. Dezember 2020 – 4 K 251/20.A – jeweils im Volltext in der Datenbank Milo) und andere Verwaltungsgerichte (vgl. etwa VG Schleswig, Urteil vom 28. Januar 2021 – 15 A 38/19 – und VG Chemnitz, Urteil vom 21. Juli 2020 – 4 K 2960/17.A – jeweils im Volltext in der Datenbank Milo).

Gleichwohl steht aufgrund der soeben beschriebenen allgemeinen wirtschaftlichen und sozioökonomischen Lage noch nicht mit Gewissheit fest, dass die derzeitigen Umstände stets auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Venezuela führen. Den oben genannten Urteilen lässt sich insoweit nämlich auch entnehmen, dass für die Gruppe der gesunden, jungen und (uneingeschränkt) arbeitsfähigen Männer ein Abschiebungsverbot verneint worden ist. Auch das Bundesamt verweist insoweit in seiner vom Antragsteller zu den Akten der Ausländerbehörde des Antragsgegners gereichten Stellungnahme an das Einwohner-Zentralamt H... vom 23. Mai 2018 auf – dort allerdings nicht näher umrissene – individuelle Umstände des Ausländers bei der Einschätzung, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung vom Art. 3 EMRK droht.

Dies zugrunde gelegt vermag die Kammer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache in dem auf eine summarische Prüfung beschränkten Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nicht hinreichend sicher zu beurteilen. Zum einen hat der Antragsteller unter Vorlage fachärztlicher Befundberichte des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 2. Januar 2019 und 20. März 2019 eine psychische Erkrankung (desorganisiertes-manisches Syndrom bei bipolar-affektiver Psychose nach F 31.0 der ICD-10) vorgebracht mit Auswirkungen auf den Lebensalltag insbesondere „unzureichender beruflicher Belastbarkeit“. Bereits dies bedarf der näherer Aufklärung in einem Hauptsacheverfahren insbesondere dahingehend, ob und mit welcher Schwere die Erkrankung noch besteht und ob unter den Verhältnissen in Venezuela der Antragsteller aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen überhaupt in der Lage sein wird, das Existenzminimum zu sichern. Ebenfalls bedarf es gegebenenfalls näherer Untersuchung, ob die Eltern des Antragstellers – wie der Antragsteller u.a. bereits mit Schriftsatz vom 5. August 2019 vorgetragen hat – in Opposition zu dem den venezolanischen Staat tragenden Regime gestanden haben bzw. diesen aufgrund ihrer Ausreise in die USA eine oppositionelle Einstellung unterstellt wird und sich diese – bisher vom Antragsgegner noch nicht aufgeklärten – Umstände im Falle einer Rückkehr des Antragstellers nach Venezuela eventuell gefahrenerhöhend auswirken könnten und deshalb der Antragsteller womöglich von der staatlichen Zuteilung von Lebensmitteln (und eventuell erforderlichen Medikamenten) abgeschnitten ist oder diskriminiert wird (vgl. hierzu das vom Antragsteller zu den Akten der Ausländerbehörde eingereichte Urteil des VG Chemnitz vom 2. Mai 2019 – 4 K 3612/17.A). Ferner bedarf der weiteren Aufklärung, ob der Antragsteller in seinem Herkunftsland noch über ein soziales Netzwerk verfügt, welches ihn im Falle einer Rückkehr gegebenenfalls unterstützen könnte.

All diese – nicht zwingend abschließenden – Umstände hat der Antragsgegner, obwohl sich der Antragsteller substantiiert auf ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Venezuela berufen hat, noch nicht näher aufgeklärt, indem er etwa – was bisher nicht erfolgt ist – den Antragsteller angehört hätte. Ob und mit welchem Ergebnis sie gesichert sind und gegebenenfalls unter Einbeziehung noch zu aktualisierender Erkenntnisse zu Venezuela mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen, lässt sich für das Verwaltungsgericht in einem auf lediglich summarische Prüfung der Erfolgsaussichten beschränkten Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht abschließend beurteilen. Die danach gebotene (von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelöste) Interessenabwägung fällt insoweit zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn angesichts der dem Antragsteller nach den Verhältnissen in Venezuela eventuell drohenden erheblichen Gefährdungen für Leib, Leben und Gesundheit ist es nicht gerechtfertigt, den Antragsteller auf der Grundlage einer unzureichenden Sachaufklärung der Ausländerbehörde basierenden Abschiebungsandrohung in diesen Staat abzuschieben, so dass vorläufig die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs insoweit anzuordnen ist (vgl. hierzu auch: OVG Bautzen, Beschluss vom 19. August 2018 – 3 B 83/19 – juris).

Hinsichtlich der weiteren Regelung in Ziffer 2 Satz 3 des Bescheides des Antragsgegners vom 25. Januar 2021 bleibt der Antrag hingegen ohne Erfolg. Insoweit erweist sich die Abschiebungsandrohung im Übrigen, also soweit dem Antragsteller die Abschiebung in einen anderen Staat angedroht worden ist, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, als offensichtlich rechtmäßig. Dieser Bestandteil der Abschiebungsandrohung findet seine rechtliche Grundlage in § 59 Abs. 2 Satz 1 2. Teilsatz AufenthG, wonach der Ausländer in der Abschiebungsandrohung auch darauf hingewiesen werden soll, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Abschiebungsverbote in Bezug auf Venezuela stehen lediglich einer Abschiebungsandrohung in Bezug auf diesen Staat entgegen (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Im Übrigen steht dem Erlass der Androhung das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht entgegen. Auch bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt, würde das Verwaltungsgericht in der Hauptsache das Vorliegen eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Venezuela feststellen (§ 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Hinsichtlich der USA, in die eine Abschiebung des Antragstellers vorliegend in Betracht käme, beruft sich der Antragsteller selbst nicht auf ein Abschiebungsverbot; ein solches ist auch nicht ersichtlich. Er weist lediglich darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie derzeit eine Einreisesperre in die USA für Menschen aus Europa bestehe. Hierbei würde es sich aber lediglich um ein vorübergehendes tatsächliches Hindernis handeln, das eine tatsächliche Unmöglichkeit im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG begründen könnte; diese steht aber nach § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dem Erlass einer Abschiebungsandrohung gerade nicht entgegen und würde lediglich dazu führen, dass dem Antragsteller – sollte eine Abschiebung des Antragstellers in die USA derzeit nicht möglich sein und auch kein anderer Staat für eine Abschiebung in Betracht kommen – eine gegebenenfalls entsprechend zu befristende Duldung zu erteilen sein könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt, dass der Antragsteller mit seinem Hauptanliegen, vorläufig nicht nach Venezuela abgeschoben zu werden, obsiegt hat und nur hinsichtlich eines Nebenaspektes der Abschiebungsandrohung unterlegen gewesen ist.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B... ist abzulehnen. Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichts-ordnung i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist glaubhaft zu machen, dass die Kosten der Prozessführung aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht aufgebracht werden können. Hieran fehlt es. Trotz Aufforderung und Fristsetzung hat der Antragsteller bis zum heutigen Tage eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zur Akte gereicht.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die sich aus ihrem Antrag für den Antragsteller ergebende Bedeutung der Sache bemisst die Kammer mit dem halben Auffangwert, der mit Blick auf die Vorläufigkeit einer Regelung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu halbieren ist (vgl. Nr. 8.3, 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).