Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 06.08.2021 | |
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Aktenzeichen | 8 K 1955/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0806.8K1955.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 42 Abs 2 VwGO, § 8a SGB 8, Art 100 Abs 1 S 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 8 SGB 8 |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Art und Weise der Bearbeitung seiner Kindeswohlgefährdungsmeldungen durch das Jugendamt des Beklagten.
Der Kläger ist sorgeberechtigter Vater des am 9. April 2013 geborenen J.... Die Kindeseltern leben seit März 2018 getrennt, die Ehe wurde am 12. November 2020 geschieden. Nachdem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J... zunächst vorläufig bei dem Kläger gelegen hatte, übertrug es das Familiengericht K... mit Beschluss vom 6. Mai 2019 auf die ebenfalls sorgeberechtigte Kindesmutter. Aufgrund einer von den Kindeseltern am 14. Oktober 2019 vor dem Familiengericht getroffenen Vereinbarung, die eine sog. Friedenspflicht einschloss, nahm der Kläger den Umgang mit seinem Sohn zunächst jede zweite Woche von Donnerstag bis einschließlich Montag wahr.
Der Beklagte gewährte den Kindeseltern auf deren gemeinsamen Antrag mit Bescheid vom 12. November 2019 Hilfe zur Erziehung in Form einer Erziehungs- und Familienberatung gemäß §§ 27, 28 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII), die von dem Träger „K....“ bzw. später „K...“ geleistet wurde.
Im Laufe des Jahres 2019 wendete sich der Kläger wiederholt schriftlich an das Jugendamt des Beklagten, um diesem Kindeswohlgefährdungen zu melden, denen sein Sohn im Haushalt der Kindesmutter ausgesetzt sei. Mit Schreiben vom 15. März 2020 wies er das Jugendamt darauf hin, dass durch die Corona-Pandemie eine Situation entstanden sei, angesichts derer für ihn, auch wenn er Beratungsangebote vorziehe, eine Anrufung des Familiengerichtes in Betracht komme. Die Auswirkungen der Pandemie würden dazu führen, dass die Kindeseltern noch intensiver kooperieren müssten, um die Betreuung und online-Beschulung ihres Sohnes sowie ggf. erforderliche Schutzmaßnahmen zu organisieren. Die Kindesmutter blockiere dies jedoch und verweigere sich einer entsprechenden Kommunikation mit ihm. Der Träger der Erziehungs- und Familienberatungsstelle teilte daraufhin mit Schreiben vom 19. März 2000 mit, dass er sich im Hinblick auf die von dem Kläger eingeleiteten bzw. angekündigten Schritte entschlossen habe, die gemeinsame Beratung der Kindeseltern zunächst ruhen zu lassen; nachfolgend bot die Beratungsstelle Einzelberatungsgespräche an.
Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. März 2020 mit, dass er zwar dessen Sorgen nachvollziehen, insoweit aber keine Kindeswohlgefährdung für J... feststellen könne. Mit Schreiben vom 20. April 2020 leitete er zudem im Hinblick auf den fortlaufenden Dissens zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung ein familiengerichtliches Verfahren beim Amtsgericht K... ein, das dort unter dem Aktenzeichen 5...anhängig ist. Am 10. Juni 2020 beschloss das Familiengericht die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung und zur Feststellung der Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern sowie zu den ggf. erforderlichen Maßnahmen.
Der Kläger seinerseits beantragte am 1. August 2020 beim Familiengericht die einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für J... auf ihn, was das Gericht mit Beschluss vom 3. August 2020, bestätigt durch Beschluss vom 31. August 2020 (5...) ablehnte. Gegenüber dem Beklagten zeigte der Kläger mit Schreiben ebenfalls vom 31. August 2020 eine Kindeswohlgefährdung seines Sohnes an, da sich die Kindesmutter weigere, J... - anders als er - täglich rektal Temperatur zu messen, um eine SARS-COVID-19-Infektion auszuschließen. In seiner daraufhin vorgenommenen Gefährdungsabschätzung kam das Jugendamt des Beklagten zu dem Ergebnis, dass eher in der Praxis täglicher rektaler Temperaturmessung durch den Kläger eine Kindeswohlgefährdung liegen könnte und nahm entsprechend gegenüber dem Familiengericht Stellung.
Am 15. September 2020 fand ein Hilfeplangespräch statt, in dessen Verlauf die Kindeseltern und das Jugendamt übereinkamen, dass die Beratungen der Kindeseltern ohne eine weitere Beteiligung des Jugendamtes fortgeführt werden könnten. Mit Bescheid vom 17. September 2020 stellte der Beklagte daraufhin die diesbezügliche Hilfe zur Erziehung ein.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 wendete sich der Kläger erneut an das Jugendamt des Beklagten, da die Kindesmutter einen wirren Eindruck mache und unter dem Einfluss von Drogen oder Psychopharmaka zu stehen scheine. In seiner am gleichen Tag vorgenommenen Gefährdungseinschätzung kam das Jugendamt des Beklagten zu dem Ergebnis, dass die Annahme des Klägers nicht nachvollziehbar sei und keine Kindeswohlgefährdung festgestellt werden könne.
Am 18. November 2020 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut Hilfe zur Erziehung in Form einer gemeinsamen Erziehungsberatung der Kindeseltern mit dem Ziel, erforderliche Elternabsprachen rechtzeitig herbeizuführen. Der Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 23. November 2020 mit, dass es den Kindeseltern nach wie vor freistehe, die Leistungen der Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen, ohne dass hierfür ein förmlicher Antrag beim Jugendamt erforderlich sei. Gleichzeitig wies er den Kläger darauf hin, dass er zwar jedes der in großer Vielzahl eingehenden Schreiben des Klägers zur Kenntnis nehme, jedoch künftig nicht mehr jeden Posteingang einzeln, sondern zusammengefasst beantworten werde, wenn eine förmliche Erwiderung notwendig sei. Im Übrigen werde der Ausgang des familiengerichtlichen Verfahrens abgewartet. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2020 übersandte er dem Kläger zudem ein Antragsformular hinsichtlich der von diesem begehrten Hilfe zur Erziehung und wies nochmals darauf hin, dass die Kindeseltern die Möglichkeit gemeinsamer Gespräche bei der Familienberatungsstelle hätten.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 zeigte der Kläger dem Jugendamt des Beklagten an, dass die Kindesmutter J... nach der pandemiebedingten Schließung der Schule am 17. Dezember 2021 an diesem und am darauffolgenden Tag berufsbedingt tagsüber allein in der Wohnung zurückgelassen und auch keine häusliche Beschulung vorgenommen habe. Die im Rahmen der Gefährdungseinschätzung an selben Tage erfolgte Rücksprache des Beklagten mit der Kindesmutter ergab, dass J... nicht unbeaufsichtigt gewesen sei, so dass eine Kindeswohlgefährdung nicht festgestellt wurde.
Der Kläger beantragte ebenfalls am 22. Dezember 2020 beim Familiengericht die einstweilige Entziehung des Sorgerechtes der Kindesmutter, hilfsweise den Erlass zahlreicher Auflagen, was das Familiengericht mit Beschluss vom gleichen Tage, bestätigt durch Beschluss vom 8. Februar 2021 (5...) ablehnte. Hiergegen erhob der Kläger in der Folgezeit Beschwerde sowie zwei Gehörs- und eine Beschleunigungsrüge.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2020 kündigte der Kläger gegenüber dem Beklagten eine Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht sowie die Einleitung eines weiteren familiengerichtlichen Verfahrens an, nachdem der Beklagte zu seinen Kindeswohlgefährdungsmeldungen in unzulässiger Art und Weise nicht mit ihm kommuniziert habe. Insoweit setze er eine „Notfrist“ bis zum 30. Dezember 2020, nach deren Ablauf er den Ministerpräsidenten bzw. das Ministerium des Innern anrufen sowie eine Musterklage beim Verwaltungsgericht erheben werde. Ebenfalls am 29. Dezember 2020 beantragte der Kläger beim Familiengericht erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung, was dieses mit Beschluss vom selben Tage (5...) ablehnte. Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 2020 darauf hin, dass seine Kindeswohlgefährdungsmeldung vom 22. Dezember 2020 geprüft, jedoch keine akute Kindeswohlgefährdung festgestellt worden sei. Er versicherte nochmals, dass sämtliche Schreiben des Klägers, auch wenn sie nicht in jedem Fall einzeln beantwortet würden, zur Kenntnis genommen würden.
Daraufhin hat der Kläger am 30. Dezember 2020 die vorliegende Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes gestellt.
Am 6. Januar 2021 hat das Familiengericht den Beteiligten des Verfahrens 5... das familienpsychologische Sachverständigengutachten des Diplom-Psychologen M... vom 30. November 2020 übersandt, ausweislich dessen keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls von J...im Haushalt der Kindesmutter feststellbar seien, während im Hinblick auf den lang anhaltenden Elternkonflikt eine latente Kindeswohlgefährdung bestehe. Der Fortbestand der zwischen den Kindeseltern existierenden Beziehungsmuster stehe einer Lösung dieses Konfliktes und einer Kooperation zum Wohle des Kindes entgegen, weshalb der Gutachter empfahl, der Kindesmutter die alleinige elterliche Sorge zu übertragen und den Umgang des Klägers mit seinem Sohn auf 14tägig Freitag bis Sonntag zu beschränken. Letzteres hat die Kindesmutter mit Wirkung ab dem 15. Januar 2021 umgesetzt. Der Kläger hat die Befangenheit sowohl des Gutachters als auch der zuständigen Familienrichterrinnen des Amtsgerichtes K... und des brandenburgischen Oberlandesgerichtes gerügt und in der Folgezeit mit dem Ziel einstweiliger Umgangsregelungen noch zwei weitere Verfahren vor dem Familiengericht anhängig gemacht (5...und 5...).
Zudem hat er gegenüber dem Beklagten weitere Kindeswohlgefährdungsmeldungen getätigt, so am 31. Januar 2021, am 4. Februar 2021, am 7. März 2021, am 14. März 2021 und am 23. Mai 2021, die seitens des Beklagten stets einer Gefährdungseinschätzung unterzogen wurden, in deren Ergebnis dieser in keinem Fall eine akute Kindeswohlgefährdung durch die seitens des Klägers diesbezüglich erhobenen Beanstandungen festgestellt hat. Gleichzeitig hat der Beklagte monatliche Hausbesuche im Haushalt der Kindesmutter wahrgenommen.
Die Kammer hat den Eilantrag des Klägers mit Beschluss vom 25. Januar 2021 mangels Antragsbefugnis als unzulässig abgelehnt.
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die von ihm vorgenommenen Kindeswohlgefährdungsmeldungen im Jugendamt des Beklagten nicht korrekt bearbeitet worden seien. Vielmehr halte das Jugendamt die Kindesmutter an, nicht mit ihm, dem Kläger, zu kommunizieren und zu kooperieren, und weigere sich, ihn zu unterstützen. Weder habe es die seiner, des Klägers, Auffassung nach offensichtlichen Gefährdungen seines Sohnes beim Familiengericht angezeigt, noch die von ihm beantragten Beratungsleistungen und Anhörungen seines Sohnes vorgenommen. Durch diese von Befangenheit, Ignoranz und Diskriminierung geprägte Praxis würden er und sein Sohn in ihren Grundrechten verletzt. Da die Handlungen der Jugendämter in der praktischen Umsetzung aber für Kinder und Eltern von erheblicher Bedeutung seien, müssten diese auch gerichtlich überprüfbar und durchsetzbar sein, andernfalls die maßgeblichen Normen einen Konstruktionsfehler enthielten, der durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden müsse.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die Bestimmungen des § 8 und § 8a SGB VIII in jedem Fall bezogen auf ihn und sein Kind umzusetzen,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat – im einstweiligen Rechtschutzverfahren – im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Kindeswohlgefährdungsmeldungen des Klägers stets entsprechend den gesetzlichen Vorgaben und fachlichen Standards geprüft worden seien. Ebenso sei im erforderlichen Maße mit beiden Kindeseltern kommuniziert worden. Die Kindeswohlgefährdungsmeldungen des Klägers seien dabei zwar in großer Vielzahl, aber stets nachweislos und unsubstantiiert erfolgt, es habe weder eine erhebliche Versagensleistung der Kindesmutter noch ein dringendes Schutzbedürfnis des Kindes festgestellt werden können. Deshalb seien sie zuletzt nur noch zusammengefasst beantwortet worden.
Mit Beschluss vom 30. März 2021 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden und des zugehörigen Eilrechtsschutzverfahrens VG 8 L 601/20 und auf den Verwaltungsvorgang (12 Hefte) sowie auf die Gerichtsakten der Verfahren OLG 9 WF 130/21 und AG 5 F 733/20 ergänzend Bezug genommen.
Die auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften und damit auf ein nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierendes Verwaltungshandeln gerichtete und deshalb als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage ist unzulässig.
Der Kläger ist bereits nicht klagebefugt.
Gemäß § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der auf allgemeine Leistungsklagen analog Anwendung findet, ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch das begehrte Verwaltungshandeln bzw. dessen Unterlassen in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klagebefugnis setzt also das Bestehen einer subjektiven Rechtsposition des Klägers voraus, deren Verletzung durch das in Rede stehende Verwaltungshandeln zumindest möglich erscheinen muss. Daran fehlt es hier.
Der Kläger beanstandet vorliegend, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes des Beklagten die Vorschriften der §§ 8, 8a des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) ihm gegenüber nicht korrekt anwenden würden, und begehrt eine Änderung dieses Verhaltens. Diese Normen gewähren dem Kläger jedoch keine subjektive Rechtsposition. § 8 SGB VIII enthält generelle Regelungen über die Stellung der Kinder und Jugendlichen bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB VIII, normiert ihre Einbeziehung und Anhörung und in seinem Abs. 3 auch einen – hier nicht einschlägigen - altersunabhängigen Leistungsanspruch des Kindes oder Jugendlichen. In § 8a SGB VIII hat der Gesetzgeber spezifische Verfahrensvorschriften normiert, die den allgemeinen Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe bereichs- und situationsspezifisch modifizieren und konkretisieren. Die Normen gehören nicht zum Leistungskatalog der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII, sondern dienen als spezifische Verfahrensvorschriften im Wesentlichen der – von Amts wegen gebotenen - Erfüllung des staatlichen Wächteramtes. Damit sind sie der Disposition der Betroffenen entzogen. Namentlich entfalten diese Normen keine konkret schützende Wirkung für die Kinder und Jugendlichen, da Verfahrensregelungen und ihre Einhaltung für sich genommen noch nicht den Schutz der Betroffenen verbürgen, sondern lediglich den Prozess der Gefährdungseinschätzung zu strukturieren bestimmt sind. Insofern haben sie lediglich eine verfahrenssteuernde, die Entscheidung über die Gewährung von Hilfen zur Erziehung, über eine Inobhutnahme oder eine Anrufung des Familiengerichtes vorbereitende Funktion. Sie konkretisieren den objektiv-rechtlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, und statuieren eine entsprechende objektiv-rechtliche Pflicht des Jugendamtes, begründen aber kein subjektives Recht auf Vornahme einer Gefährdungseinschätzung oder auf eine bestimmte Art und Weise der Bearbeitung von Kindeswohlgefährdungsmeldungen für die Kinder und Jugendlichen, ihre Eltern oder Personen, die eine Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Jugendamt melden (so bereits Beschluss der Kammer vom 25. Januar 2021 – VG 8 L 601/20 -, S. 2 EA; vgl. auch Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Juni 2009 – 12 A 1078/09 -, juris Rn. 4 ff.; und Beschluss vom 15. Januar 2014 – 12 A 2078/13 -, juris Rn. 19; Wiesner in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 8 Rn. 1 ff., § 8a Rn. 3f.).
Die Einhaltung dieser Vorschriften ist damit für den Kläger nicht isoliert gerichtlich durchsetzbar; Verwaltungskontrolle können die Gerichte vielmehr nur ausüben, soweit subjektive Rechte in Rede stehen. Es existiert kein rechtlicher Ansatz, wonach das Verwaltungsgericht losgelöst von einer individuellen Betroffenheit privater Belange die Einhaltung von Verfahrensregelungen durch das Jugendamt zu kontrollieren hätte. Ein hinreichender Individualrechtschutz wird vielmehr materiell-rechtlich im Rahmen des kinder- und jugendhilferechtlichen Leistungs- und Maßnahmenkatalogs gewährleistet.
Soweit der Kläger dem mit dem sinngemäßen Vortrag entgegentritt, das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes ihm gegenüber verzerre den durch das Familiengericht zu bewertenden Sachverhalt, vermag auch dies keine subjektive Rechtsposition zu begründen. Vielmehr dienen die §§ 8,8a SGB VIII und die darin normierten Pflichten schon von vorn herein nicht dem „Schutz“ der richterlichen Überzeugungsbildung des angerufenen Familiengerichtes, sondern betreffen ausschließlich den Entscheidungsprozess innerhalb des Jugendamtes hinsichtlich der ggf. von diesem zu ergreifenden Maßnahmen oder Leistungen.
Entgegen der Auffassung des Klägers war das Verfahren auch nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, wobei die Verfahrensbeteiligten zwar im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Anspruch auf eine solche Vorlage haben, wenn das Gericht wegen Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen hierzu verpflichtet ist, aber kein förmliches Antragsrecht der Beteiligten – und kein Rechtsmittel - diesbezüglich besteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 94 Rn. 18a). Maßgeblich ist vielmehr allein die Überzeugung des Gerichtes von der Verfassungswidrigkeit eines nachkonstitutionellen, förmlichen Gesetzes.
Das Gericht teilt die Auffassung des Klägers nicht, dass die mangelnde isolierte gerichtliche Durchsetzbarkeit der Verfahrensvorschriften der §§ 8, 8a SGB VIII einen „rechtlichen Konstruktionsfehler“ darstelle und zur Verfassungswidrigkeit dieser Normen führe. Das Grundgesetz garantiert – namentlich in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bzw. durch den aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG resultierenden allgemeinen Justizgewährungsanspruch - einen umfassenden Rechtsschutz vielmehr gerade nur zum Zweck des Schutzes subjektiver Rechte und daher auch nur unter der Voraussetzung, dass die Verletzung einer Rechtsposition geltend gemacht wird, die die Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen gewährt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 1969 – 2 BvR 23/65 -, juris Rn. 21 und Urteil vom 18. Juli 2005 – 2 BvR 2236/04 -, juris Rn. 105); die Verletzung bloßer Interessen oder eine rein faktische Betroffenheit in eigenen Angelegenheiten reicht nicht aus. Das aus dem Grundgesetz resultierende Recht auf Gerichtsschutz begründet also keine subjektiven Rechte, sondern setzt sie voraus. Die Schaffung subjektiver Rechtspositionen obliegt vielmehr dem demokratisch legitimierten Gestaltungsauftrag des Parlaments; grundsätzlich entscheidet der Gesetzgeber, unter welchen Voraussetzungen Bürgerinnen und Bürgern ein Recht zusteht und welchen Inhalt es haben soll (vgl. auch Schmidt-Aßmann/Schenk in Schoch/Schenk, VwGO, 40. EL Februar 2021, Einleitung Rn. 19, 51).
Ein verfassungsrechtliches Gebot, im Rahmen der §§ 8, 8a SGB VIII subjektive Rechtspositionen im hier in Rede stehenden Kontext vorzusehen, ist auch im Übrigen nicht ersichtlich und folgt namentlich auch nicht aus Art. 6 GG. Wie oben bereits dargelegt, betreffen die §§ 8, 8a SGB VIII allgemein die Rechtsstellung des Kindes oder Jugendlichen bzw. dienen der Strukturierung des Entscheidungsprozesses und damit der Vorbereitung der durch das Jugendamt zu treffenden Entscheidung. Einer Vorverlagerung subjektiv-individueller Rechtspositionen in diesen Verfahrensabschnitt bedarf es jedoch nicht, da der Individualrechtschutz materiell-rechtlich im Rahmen des kinder- und jugendhilferechtlichen Leistungs- und Maßnahmenkatalogs hinreichend gewährleistet ist. Soweit der Kläger demgegenüber ersichtlich maßgeblich das Anliegen verfolgt, seine Position im – bereits anhängigen, mit der Frage des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung befassten - familiengerichtlichen Sorgerechtsstreit zu verbessern, unterfällt dies – auch das hat das Gericht oben bereits dargelegt – schon nicht dem Schutzbereich des Kinder- und Jugendhilferechts.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Nur höchst ergänzend und unter dem Eindruck insbesondere auch der mündlichen Verhandlung erlaubt sich das Gericht gelegentlich dieser Entscheidung, auf die Brecht’sche Parabel vom Kaukasischen Kreidekreis und den dortigen Richterspruch hinzuweisen. Mehr als die von dem Kläger mit seinen Kindeswohlgefährdungsmeldungen beanstandeten abweichenden Erziehungsbedingungen im Haushalt der Kindesmutter, mehr als ein möglicher Geschwisterzwist oder der von ihm als unangemessen bewertete Medienkonsum, mehr als die von ihm als unzureichend empfundene Umsetzung pandemischer Schutzmaßnahmen oder die von ihm bemängelte Versorgung seines Sohnes mit Nahrungsmitteln und wetterangemessener Kleidung dürfte der erbitterte Streit seiner Eltern das Wohl von J...gefährden. Es kann von verantwortlicher – also selbstloser – Liebe zu seinem Kind zeugen, loszulassen … ehe es zerreißt.