Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.08.2021 | |
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Aktenzeichen | 6 K 1122/17 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0817.6K1122.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 113 Abs 1 VwGO, § 161 Abs 2 VwGO, § 2 Abs 1 KAG BB, § 42 Abs 1 VwGO, § 6 Abs 1 KAG BB, § 92 Abs 3 VwGO |
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 54 % und der Beklagte zu 46 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Trinkwasser- und Abwassergebühren.
Er ist Eigentümer des Grundstücks B... .
Mit Gebührenbescheid vom 15. Februar 2017 zog der Beklagte den Kläger für das obengenannte Grundstück hinsichtlich des Zeitraums vom 20. September 2016 bis 31. Dezember 2016 zu Trinkwassergebühren in Höhe von insgesamt 31,14 Euro und Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 46,60 Euro heran. Hinsichtlich der Trinkwassergebühren ergab sich dieser Betrag aus einer Grundgebühr in Höhe von 28,91 Euro und einer Mengengebühr in Höhe von 2,23 Euro. Der Gesamtbetrag der Abwassergebühren ergab sich aus einer Grundgebühr in Höhe von 40,52 Euro und einer Mengengebühr in Höhe von 6,08 Euro. Ferner setzte der Beklagte in dem genannten Bescheid Vorauszahlungen für das Jahr 2017 in Höhe von 810,00 Euro fest.
Gegen diesen Gebührenbescheid legte der Kläger am 23. Februar 2017 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Anhebung der Grundgebühr für Wasser und Abwasser im Vergleich zum Vorjahr nicht nachvollziehbar sei.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2017, zugestellt am 7. April 2017, zurück.
Mit seiner am 8. Mai 2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus, dass der Gebührenbescheid des Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides rechtswidrig sei. Dies gelte insbesondere für die darin festgesetzten Vorauszahlungen für das Jahr 2017. Es sei insoweit nicht nachzuvollziehen, dass sich im Vergleich zum Vorjahr die Grundgebühr Trinkwasser um 830 % und die Grundgebühr Abwasser sogar um 1.357 % erhöht habe. Auch die Mengengebühr Abwasser sei immerhin noch um 329 % vom Beklagten erhöht worden. Sachliche oder rechtliche Gründe für diese Erhöhungen seien nicht ersichtlich. Insoweit fehle es der Gebührenkalkulation bereits an Transparenz bzw. Plausibilität. Auch sei diese, wie sich einem Bericht des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer vom 15. Januar 2015 entnehmen lasse, wahrscheinlich fehlerhaft erfolgt. Dafür spreche auch, dass der Beklagte in seinen Bescheiden nicht ausgeführt habe, welche Grundstücksflächen er seiner Kalkulation zugrunde gelegt habe. Soweit der Beklagte die Gebührenerhöhungen damit begründe, dass im Versorgungsgebiet S... nunmehr unterschiedliche Gebühren für die Vollbeitragszahler, Teilbeitragszahler und die Nichtbeitragszahler erhoben werden, werde bestritten, dass dort überhaupt Beiträge entsprechend unterschiedlich entrichtet worden sind. Ebenso werde bestritten, dass Beiträge dort zur Refinanzierung der öffentlichen Versorgungsanlagen dienen bzw. dafür verwendet werden. Es sei vielmehr zu vermuten, dass der Beklagte mit den streitgegenständlichen Gebührenerhöhungen versuche, die ihn aufgrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 treffenden Rückzahlungspflichten auszugleichen. Im Übrigen habe der Kläger bei Erwerb des Grundstücks darauf vertrauen dürfen, dass sich die Abgaben und Lasten allenfalls moderat erhöhen. Insoweit überwiege der Vertrauensschutz des Klägers gegenüber dem Finanzierungsinteresse des Beklagten. Auch dass der Bescheid bzw. die festgesetzten Gebühren rückwirkend ab dem 1. Januar 2017 gelten sollen, führe zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung.
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf die in dem angefochtenen Gebührenbescheid festgesetzten Vorauszahlungen für das Jahr 2017 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Kläger nunmehr schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 15. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.April 2017 aufzuheben, soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.
Der Beklagte hat nunmehr schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.
Zur Begründung trägt er vor, dass der angegriffene Gebührenbescheid rechtmäßig sei. Der Kläger sei als Grundstückseigentümer sowohl hinsichtlich der Abwasser- als auch der Trinkwassergebühren zutreffend als Gebührenschuldner in Anspruch genommen worden. Die Trinkwassergebühren gliedern sich zulässigerweise in Grund- und Mengengebühren. Dabei sei die Grundgebühr unabhängig von der tatsächlich entnommenen Trinkwassermenge zur teilweisen Abdeckung der entstandenen fixen Kosten zu entrichten. Hingegen bemesse sich die Mengengebühr nach dem mittels Trinkwasserzähler festgestellten tatsächlichen Wasserverbrauch. Die Höhe der Trinkwasservorauszahlungen bemesse sich nach der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Trinkwassergebührensatzung. Die darin vorgenommene Unterscheidung zwischen Vollbeitragszahlern, Teilbeitragszahlern und Nichtbeitragszahlern sei aus Gründen der Abgabengerechtigkeit erforderlich und entspreche der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, welches mit Urteil vom 6. Juni 2007 – 9 A 77.05 – entschieden habe, dass es in Fällen wie hier erforderlich sei, differenzierte Gebühren zu erheben. Auch die festgesetzten Abwassergebühren seien nicht zu beanstanden. Die betreffende Grundgebühr sei zutreffend nach der Nenngröße der Trinkwassermesseinrichtung und die Mengengebühr zutreffend anhand der der Entsorgungsanlage zugeführten und durch Wasserzähler ermittelten Wassermenge bemessen worden. Die betreffende Vorauszahlung beruhe auf der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Abwassergebührensatzung des Beklagten, wobei es auch insoweit aus Gründen der Abgabengerechtigkeit erforderlich gewesen sei, unterschiedliche Gebühren für Vollbeitragszahler, Teilbeitragszahler und Nichtbeitragszahler zu erheben, da diese sich jeweils unterschiedlich an der Refinanzierung der öffentlichen Anlage beteiligt haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die zur Kammersammlung gereichten Satzungsunterlagen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die jeweils der Entscheidung zu Grunde lagen.
Die Kammer konnte gemäß §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Wege des schriftlichen Verfahrens durch den Berichterstatter entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben.
Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf die Erhebung von Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 2017 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Insoweit war nur noch gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (vgl. insoweit unten die Begründung der Kostenentscheidung). |
Dies gilt insbesondere für die Maßstabsregelung der Grundgebühren. Bei dem in § 2 Abs. 2 GebS-W... 2011 festgelegten Zählermaßstab - Gebührenstaffelung nach der Größe der Trinkwassermesseinrichtung - handelt es sich um einen grundsätzlich zulässigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. August 2019 – 9 A 5.17 –, juris Rn. 30; Urteil vom 6. Juni 2007 - 9 A 77.05 -, juris Rn. 32; OVG Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2002 - 2 D 78.00.NE -, juris Rn. 97). Diesem liegt die sachgerechte Annahme zugrunde, dass sich mit steigender Nennleistung des Wasserzählers auch die vorzuhaltende und abrufbare Leistung, nämlich die Höchstlastkapazität der Wasserversorgungseinrichtung, erhöht und damit zugleich der Umfang der gewährten und in Anspruch genommenen Vorhalteleistungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. August 1981 - 8 B 20.81 -, juris Rn. 5). Wird - wie hier - ein Zählermaßstab gewählt, dann ist den wesentlichen Unterschieden bei der Nennleistung der Wasserzähler durch eine Gebührenstaffelung Rechnung zu tragen, die die Höhe der Gebühr zu dem möglichen Umfang der Benutzung, d. h. der Inanspruchnahme der Vorhalteleistung, in eine zumindest annähernde Beziehung setzt, so dass neben den Anforderungen des Äquivalenzprinzips vor allem denen des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG genügt ist. Dementsprechend müssen die Gebührensätze für unterschiedlich große Wasserzähler im Wesentlichen gleichmäßig entsprechend dem Anstieg der Nennleistungen der verschieden großen Wasserzähler steigen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. August 2019 – 9 A 5.17 –, juris Rn. 31; OVG Brandenburg, Urteil vom 22. August 2002 - 2 D 10/02.NE -, juris Rn. 50; Thüringer OVG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - 4 N 595/94 -, juris Rn. 98 f.). Von der dadurch vorgegebenen linearen Staffelung der Gebührensätze für unterschiedlich große Wasserzähler hat der Beklagte in § 2 Abs. 3 Nr. 1 GebS-W... 2011 in der Fassung von § 1 Nr. 1 GebS-W... 2015 Gebrauch gemacht.
Auch die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bzw. § 3 Abs. 2 lit. a) GebS-W... 2011 in der Fassung von § 1 Nr. 1 und Nr. 2 GebS-W... 2015 für die Trinkwasserversorgungseinrichtung S... festgelegten Gebührensätze für die Grundgebühr und für die Mengengebühr sind nicht zu beanstanden. |
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Insoweit entspricht es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen. Denn die Erfolgsaussichten der Klage hinsichtlich der für erledigt erklärten Vorauszahlungen erweisen sich als offen und es sind insoweit auch keine anderen Billigkeitsgesichtspunkte für die Kostenverteilung ersichtlich. Insbesondere ob sich die festgesetzten Vorauszahlungen auf wirksame satzungsrechtliche Grundlagen stützen lassen, wirft komplexe Rechtsfragen auf, die nach summarischer Prüfung nicht beantwortet werden können. Zwar hat das OVG Berlin-Brandenburg die vom Beklagten hinsichtlich der Festsetzung von Vorauszahlungen für die Trinkwassergebühren ursprünglich zugrunde gelegte Gebührensatzung zur Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserverbandes W... für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung „S... “ vom 8. Dezember 2016 mit Urteilen vom 29. Januar 2020 (- 9 A 3.17 – und - 9 A 8.17 -) für unwirksam erklärt. Ebenso hat das OVG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 19. Februar 2020 (- 9 A 4.17 -) die vom Beklagten für die Festsetzung von Vorauszahlungen für die Abwassergebühren zugrunde gelegte Abwassergebührensatzung des Wasser- und Abwasserverbandes W... für die „zentrale Schmutzwasserbeseitigung S... und Umland“ vom 8. Dezember 2016 für unwirksam erklärt. Mit der jeweils rückwirkend zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Gebührensatzung zur Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserverbandes W... für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung „S... “ in den Erhebungszeiträumen 2017 bis 2019 vom 1. April 2020 sowie der Abwassergebührensatzung des Wasser- und Abwasserverbandes W... für die „zentrale Schmutzwasserbeseitigung S... und Umland“ in den Erhebungszeiträumen 2017 bis 2019 vom 1. April 2020 hat der Beklagte jedoch neues Satzungsrecht geschaffen, welches die ursprünglich streitgegenständlichen Vorauszahlungen in zeitlicher Hinsicht erfasst und damit als Rechtsgrundlage für diese in Betracht kommt. Die formelle und materielle Wirksamkeit der beiden neuen Satzungen kann aber insbesondere auch im Hinblick auf deren rückwirkendes Inkrafttreten nicht anhand einer nur noch summarischen Prüfung hinreichend sicher prognostiziert werden.
Im Sinne einer einheitlichen Kostenentscheidung waren dem Kläger damit 54 % sowie dem Beklagten 46 % der Kosten aufzuerlegen. Das Gericht geht dabei davon aus, dass der übereinstimmend für erledigt erklärte Teil angesichts festgesetzter Vorauszahlungen für 2017 in Höhe von insgesamt 810,00 Euro mit 92 % und der im Übrigen anhängige Teil angesichts festgesetzter Jahresgebühren für 2016 in Höhe von insgesamt 77,74 Euro mit 8 % anzusetzen ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. |