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Wohngeldrecht


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Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 23.08.2021
Aktenzeichen 8 K 1910/18 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0823.8K1910.18.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 104 SGB 10, § 12a S 1 SGB 2, § 29 Abs 2 WoGG, § 387 BGB, § 12a S 2 Nr 2 SGB 2

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Auszahlung des ihr bewilligten Wohngeldes.

Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 17. Februar 2017 auf deren Antrag für das von ihr bewohnte Eigenheim einen Lastenzuschuss als Wohngeld für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 30. April 2017 in Höhe von monatlich 151 Euro. Nachdem die Klägerin mit Antrag vom 27. April 2017 die Weiterleistung des Wohngeldes beantragt und dabei angegeben hatte, rückwirkend ab dem 20. Januar 2017 bis zum 18. Juli 2017 Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 36,20 Euro zu erhalten, hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17. Februar 2017 mit Bescheid vom 11. Juli 2017 ab dem 1. Februar 2017 auf und stellte fest, dass der Klägerin ab diesem Zeitpunkt kein Wohngeld mehr zustehe. Mit Rückforderungsbescheid ebenfalls vom 11. Juli 2017 forderte er das dementsprechend überzahlte Wohngeld für die Monate Februar 2017 bis einschließlich April 2017 in Höhe von insgesamt 453,00 Euro zurück. Mit Bescheid vom 17. August 2017 gewährte er der Klägerin auf deren Antrag diesbezüglich eine Stundung bis zum 15. Juli 2019 mit der Maßgabe einer Ratenzahlung in Höhe von monatlich 20 Euro ab dem 15. September 2017. In der Folgezeit entrichtete die Klägerin jedoch lediglich die Rate für November 2017.

Bereits am 13. Juli 2017 hatte die Klägerin formlos erneut Wohngeld ab Juli 2017 beantragt. Hierbei gab sie an, dass ab dem 17. Juli 2017 eine medizinische Reha geplant sei. Ob sie Übergangsgeld, Krankengeld oder Arbeitslosengeld I erhalten werde, sei noch ungeklärt.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 wurden der Klägerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II für die Monate August 2017 bis Juli 2018 bewilligt. In die Berechnung flossen die Kosten der Unterkunft und Heizung ein. Für den Monat August 2017 belief sich die gewährte Leistung auf einen Betrag in Höhe von 25,56 Euro.

Am 24. Januar 2018 bat die Klägerin nochmals um „Überprüfung und Aufrechterhaltung ihres Antrages auf Wohngeld vom 13. Juli 2017.“ Dabei wies sie darauf hin, dass sie im Juli 2017 für 16 Tage Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 36,20 Euro bezogen habe. Im August 2017 habe sie vom Jobcenter einen Betrag in Höhe von 25,56 Euro erhalten und vom 17. Juli 2017 bis zum 4. August 2017 Übergangsgeld bezogen.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2018 meldete das Jobcenter S... bei dem Beklagten einen Erstattungsanspruch für den Monat August 2017 an.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2018, zugestellt am 11. April 2018 zusammen mit den nachfolgenden Bescheiden, bewilligte der Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 13. Juli 2017 hin Wohngeld in Höhe von monatlich 253 Euro für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. August 2017. Mit Bewilligungs- und Aufrechnungsbescheid vom 10. April 2018 wies der Beklagte unter Ziffer 1 darauf hin, dass er auf den Antrag der Klägerin vom 24. Januar 2018 mit beiliegenden Wohngeldbescheid vom 28. Februar 2018 für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. August 2017 den Wohngeldanspruch festgestellt habe. Unter Ziffer 2 gewährte er für den genannten Zeitraum einen monatlichen Lastenzuschuss in Höhe von 253 Euro, während die Klägerin ab dem 1. September 2017 zum vom Wohngeld ausgeschlossenen Personenkreis gehöre, so dass ein Wohngeldanspruch ab diesem Zeitpunkt nicht bestehe. Unter Ziffer 3 des Bescheides rechnete der Beklagte den Nachzahlungsbetrag mit einer noch bestehenden Rückforderungen von überzahltem Wohngeld in Höhe von 433,50 Euro auf. Der Rückforderungsbescheid vom 11. Juli 2017 sei daher durch Zahlung erledigt und der Stundungsbescheid vom 17. August 2017 gegenstandslos geworden. Unter Ziffer 4 wies der Beklagte darauf hin, dass der Restbetrag der Nachzahlung in Höhe von 72,50 Euro anteilig in Höhe des im Monats August 2017 gezahlten Arbeitslosengeldes II von 25,56 Euro an das Jobcenter S... erstattet und der verbliebene Betrag in Höhe von 46,94 Euro auf das Konto der Klägerin überwiesen worden sei.

Zur Begründung verwies der Beklagte im Wesentlichen darauf, dass der Antrag der Klägerin vom 24. Januar 2018 als ein Antrag im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X auszulegen sei, um für die bestehende Lücke zwischen dem Ende des Bezuges des Arbeitslosengeldes I am 17. Juli 2017 und dem Beginn des Bezuges des Arbeitslosengeldes II unter Berücksichtigung des Ausfalls der Krankengeldzahlungen ab dem 17. Juli 2017 den Wohngeldanspruch festzustellen. Zugleich habe die Klägerin ausdrücklich der mit Stundungsbescheid vom 17. August 2017 festgesetzten Ratenzahlung widersprochen. Unter Hinzuziehung des schlüssigen Vortrages vom 27. April 2017 sei über die Mitteilungen der Klägerin vom 13. Juli 2017 und den Antrag vom 24. Januar 2018 nunmehr im Nachgang zu entscheiden. Rechtsgrundlage der Neubescheidung sei § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 31 WoGG. Hiernach bestehe unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel ein Wohngeldanspruch nur für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. August 2017.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2018 erhob die Klägerin gegen den Bewilligungs- und Aufrechnungsbescheid vom 10. April 2018 sowie gegen den Wohngeldbescheid vom 28. Februar 2018 Widerspruch. Mündlich begründete sie diesen insbesondere damit, dass sie mit der Höhe des Arbeitslosengeldes II im Monat August 2017 und mit dem Erstattungsverfahren nicht einverstanden sei. Zugleich legte sie ein Urteil des Sozialgerichts vor, demzufolge ihr befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehe. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2018, der Klägerin zugestellt am 12. Oktober 2018, zurück. Zur Begründung wiederholte er seine Ausführungen aus dem Bescheid vom 10. April 2018 und wies ergänzend darauf hin, dass dem Überprüfungsantrag der Klägerin vom 24. Januar 2018 im vollen Umfang entsprochen worden sei. Sie sei daher nicht in ihren Rechten verletzt.

Am 12. November 2018 hat die Klägerin daraufhin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie sinngemäß zunächst die Auszahlung des für die Monate Juli und August 2017 bewilligten Betrages in voller Höhe und die Weitergewährung von Wohngeld ab September 2017 begehrt hat.

Mit Bescheid vom 25. April 2019 hat der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 31. März 2018 Wohngeld in Höhe von monatlich 30 Euro bewilligt, während er für den Zeitraum ab 1. April 2018 die Bewilligung von Wohngeld mit gesonderten Bescheid vom selben Tage abgelehnt hat. Die hiergegen gerichteten Widersprüche der Klägerin hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2019 bestandskräftig zurückgewiesen. In Bezug hierauf haben die Beteiligten das vorliegende Verfahren für den Zeitraum ab dem 1. September 2017 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin noch gegen die erfolgte Aufrechnung des ihr für die Monate Juli und August 2017 bewilligten Betrages. Sie ist der Auffassung, dass dem Rückforderungsbescheid vom 11. Juli 2017 ein falsches Einkommen zu Grunde gelegt worden sei, vielmehr habe sie für den kompletten Leistungszeitraum Anspruch auf Wohngeld gehabt. Zugleich sei sie mit der Erstattung gegenüber dem Jobcenter nicht einverstanden, da diesbezüglich bereits Erstattungsansprüche gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geltend gemacht worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 10. April 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11. Oktober 2018 zu verurteilen, ihr einen Betrag in Höhe von 459,06 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die mit Bescheiden vom 11. Juli 2017 erfolgte Aufhebung und Rückforderung von Wohngeld für den Zeitraum vom 1. Februar 2017 bis zum 30. April 2017 zu Recht erfolgt sei. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 31. August 2017 hätte die Klägerin anhand der nachgereichten Angaben zum Übergangsgeld zudem tatsächlich nur ein Wohngeld in Höhe von monatlich 131 Euro beanspruchen können.

Am 31. Mai 2021 hat in der Sache eine mündliche Verhandlung stattgefunden, die zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes vertagt worden ist. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß §§ 92 Abs. 3 Satz 1 analog, 161 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen und nur noch über die Kosten zu entscheiden (hierzu unter 3.)

Über die Klage kann die Kammer gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Klägerin und der Beklagte sich hiermit einverstanden erklärt haben.

Die als Stufenklage in Form einer Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten. Vielmehr erfolgten sowohl die mit Bescheid vom 10. April 2018 erklärte Aufrechnung (hierzu unter 1.) als auch die Auszahlung eines Teilbetrages an das Jobcenter S... (hierzu unter 2.) rechtmäßig und verletzten die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und 4 VwGO.

1. Die durch den Beklagten erklärte Aufrechnung des der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 31. August 2017 bewilligten Wohngeldes in Höhe von insgesamt 506,00 Euro mit dem mit Bescheid vom 11. Juli 2017 zurückgeforderten überzahlten Wohngeld ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Das Rechtsinstitut der Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) findet auch im öffentlichen Recht entsprechende Anwendung (vgl. VG Aachen, Urteil vom 12. Oktober 2020 – 7 K 462/20 –, juris Rn. 36 m.w.N.). Die Zulässigkeit der Aufrechnung im Wohngeldrecht ergibt sich spezifisch aus § 29 Abs. 2 des Wohngeldgesetzes (WoGG). Danach kann die Wohngeldbehörde mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachten Wohngeldes abweichend von § 51 Abs. 2 SGB I gegen Wohngeldansprüche statt bis zu deren Hälfte in voller Höhe aufrechnen.

Die nach § 387 BGB erforderliche Aufrechnungslage war hier gegeben.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann gemäß § 387 BGB jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Voraussetzung ist damit, dass die Gegenforderung – hier die Rückforderung des überzahlten Wohngeldes auf Grundlage des Bescheides vom 11. Juli 2017 – durchsetzbar ist (vgl. Schlüter, in: MüKo zum BGB, 8. Auflage 2019, § 397 Rn. 36). Das ist sie, wenn der Bescheid bestandskräftig und die Forderung fällig ist. Dies ist hier der Fall.

Die Klägerin hat gegen den Rückforderungsbescheid vom 11. Juli 2017 keinen Widerspruch erhoben, so dass der Bescheid bestandskräftig ist. Auf ihr Vorbringen, der Rückforderung liege ein falsches, da zu niedriges Einkommen zu Grunde, kommt es hier daher nicht an.

Die mit Bescheid vom 18. August 2017 erfolgte Stundung des Rückforderungsbetrages steht der Aufrechnung nicht entgegen. Zwar wären hiernach an sich nur die vereinbarten Raten in Höhe von monatlich 20 Euro bis zum 15. März 2018 fällig gewesen (vgl. Schlüter, in MüKo zum BGB, 8. Auflage 2019, § 397 Rn. 37). Allerdings bestimmt der Bescheid, dass die Restforderung sofort fällig wird, wenn die Frist für die Leistung von zwei Raten um mehr als 14 Tage überschritten wird. Da die Klägerin bis zum 10. April 2018 nur die Rate für November 2017 entrichtet hat, ist die nach Abzug von 20 Euro verbleibende Forderung in Höhe von 433,00 Euro im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung i.S.v. § 388 BGB fällig gewesen.

Soweit der Beklagte die Aufrechnung des gewährten Wohngeldes mit einem den verbliebenen Rückforderungsbetrag in Höhe von 433,00 Euro um 0,50 Euro übersteigenden Betrag erklärt hat, geht dies ersichtlich auf ein bloßes Schreibversehen zurück. Insoweit hat der Beklagte durch Vorlage des entsprechenden Kontoauszuges hinreichend belegt, dass der Klägerin tatsächlich ein Betrag in Höhe von 47,44 Euro ausgezahlt worden ist und damit der nach Abzug des Rückforderungsbetrages in Höhe von 433,00 Euro und des an das Jobcenter ausgezahlten Erstattungsbetrages in Höhe von 25,56 Euro zutreffend zu Gunsten der Klägerin verbleibende Differenzbetrag, so dass diese durch die fehlerhafte Bezeichnung der Beträge in den angefochtenen Bescheiden jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt ist. Dem entsprechenden Vortrag des Beklagten ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

2. Die Erstattung eines Teilbetrages in Höhe von 25,56 Euro an das Jobcenter S... unterliegt ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

Rechtsgrundlage ist § 104 Satz 1 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

Auf eine Zustimmung der oder des Berechtigten kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin insoweit weder nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm noch nach Sinn und Zweck des Systems der Erstattungsregelungen nach §§ 102 ff SGB X an, die der Vermeidung zweckidentischer zeitgleicher Doppelleistungen und damit einer Übersicherung der Leistungsempfänger dienen. Dem nachrangig verpflichteten Leistungsträger wird insoweit ein eigenständiger Anspruch eingeräumt (vgl. Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 112. EL September 2020, § 102 SGB X Rn. 2, 4).

Hier hat das Jobcenter der Klägerin für August 2017 Arbeitslosengeld II in Höhe von 25,56 Euro als nachrangig verpflichteter Leistungsträger i.S.v. § 104 Satz 2 SGB X gezahlt.

Nach § 104 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Die Vor- bzw. Nachrangigkeit ist bei § 104 SGB X für den Einzelfall, also konkret-individuell zu bewerten (vgl. Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 112. EL September 2020, § 104 SGB X Rn. 10).

Im hiesigen Zusammenhang bestimmt § 12a Satz 1 SGB II, dass Leistungsberechtigte nach diesem Gesetz verpflichtet sind, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Damit ist die Vorschrift im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 SGB II Ausdruck der Subsidiarität der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gegenüber dem Wohngeldrecht als Sozialleistung (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 12. November 2019 – B 14 AS 77/19 B –, juris Rn. 7 m.w.N.; Kühl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 12a (Stand: 01.03.2020) Rn. 4, 7, 35). Dem steht vorliegend auch nicht die Ausnahmeregelung in Satz 2 der Norm entgegen. Zwar sind nach Satz 2 Nr. 2 Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde. Sinn und Zweck der Dreimonatsprognose ist, dass in Fällen, in denen erkennbar nur kurzfristig ein bedarfsdeckendes Einkommen erzielt wird, nicht vom Arbeitslosengeld II zum Wohngeld und zurück gewechselt werden muss, wodurch ebenfalls unnötige Bürokratie vermieden werden soll (Kühl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 12a (Stand: 01.03.2020) Rn. 38).

Selbst wenn die Klägerin aufgrund der Begrenztheit ihres Leistungsbezuges hiernach nicht verpflichtet gewesen wäre, im August 2017 zur Vermeidung ihrer Hilfebedürftigkeit vorrangig Wohngeld in Anspruch zu nehmen, entfällt die Nachrangigkeit der Leistungen des Jobcenters vorliegend deshalb nicht, weil die Klägerin das Wohngeld aber dennoch – freiwillig - beantragt und bewilligt bekommen hat, was ihr unbenommen blieb (vgl. Kühl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 12a (Stand: 01.03.2020) Rn. 40), aber den auf § 104 Satz 2 SGB X gestützten Erstattungsanspruch des Jobcenters begründet. Denn letztlich soll die Regelung des § 12a Satz 2 Nr. 2 SGB II sicherstellen, dass entweder Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder die vorrangigen Leistungen in Anspruch genommen werden (vgl. Neumann in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 60. Ed. (Stand 01.03.2021), SGB II § 12a Rn. 4).

Mit ihrem Vorbringen, das Jobcenter habe den Erstattungsbetrag zuvor schon gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geltend gemacht, vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Vielmehr hat sie selbst eingeräumt, dass es insoweit lediglich eine Anfrage der Bundesagentur für Arbeit gegeben habe, dass aber eine Erstattung insoweit tatsächlich nicht erfolgt ist. Dies findet seine Bestätigung in dem vom Beklagten vorgelegten Schreiben des Jobcenters vom 16. Februar 2018, in dem dieses gegenüber der Agentur für Arbeit erklärt, dass ein Erstattungsanspruch nicht geltend gemacht werde.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, der Klägerin auch insoweit die Kosten aufzuerlegen, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Denn es ist davon auszugehen, dass die mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid erfolgte Ablehnung des beantragten Wohngelds für den Zeitraum ab September 2017 zunächst rechtmäßig gewesen ist und die nachfolgende, zur Erledigung führende Korrektur auf der Berücksichtigung insoweit nachträglich geänderter Verhältnisse beruht, bezüglich derer dem Beklagten ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge erst am 11. März 2019 vollständige Unterlagen vorlagen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.