Gericht | VG Cottbus 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 18.08.2021 | |
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Aktenzeichen | 5 K 243/21.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0818.5K243.21.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Ausländische Zuerkennung internationalen Schutzes begründet kein Familienasyl nach § 26 AsylG (Anschluss an VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 15. November 2017 - 33 K 275.14.A - Juris Rn 13 - 14)
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die im Bundesgebiet am 22. November 2018 als Tochter der am 3... 1989 geborenen russischen Staatsangehörigen M... und des am 5... 1988 in Grosny, Russische Föderation, geborenen I... , der unter dem 3. Juni 2019 die Vaterschaft für die Klägerin anerkannt hatte, begehrt Asyl, internationalen Schutz, jedenfalls aber Feststellung von Abschiebungsverboten.
Ihr Asylantrag galt mit der Geburtsmitteilung der Stadt C... an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) als am 8. Oktober 2019 gestellt. Einer Aufforderung des Bundesamtes mit Schreiben vom 9. Oktober 2019, eigene Asylgründe des Kindes vorzutragen, kamen die Eltern nicht nach.
Ausweislich der Mitteilung polnischer Behörden vom 4. Juli 2014 genießen die Eltern und die Geschwister der Klägerin in Polen subsidiären Schutz.
Mit dem seit dem 17. Januar 2017 bestandskräftigen Bescheid wurde der Asylantrag des Vaters als nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig abgelehnt und eine Abschiebung nach Polen angedroht. Der Asylantrag der Mutter und der Geschwister wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 7. April 2017 als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unter negativer Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Polens abgelehnt. Diese Entscheidung wurde am 5. Januar 2018 bestandskräftig. Gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 4. Januar 2021, mit dem die Abschiebung der Mutter und der Geschwister nach Polen angedroht wurde, wurde Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) (VG 2 K 56/21.A) erhoben.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 17. Februar 2021 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin in der Sache umfassend ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG und drohte eine Abschiebung nach Polen an. Gleichzeitig verhängte es eine auf 30 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Wegen der Begründung wird auf Blatt 4 – 11 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit ihrer am 4. März 2021 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Verpflichtungsbegehren weiter.
Zur Begründung macht sie zunächst geltend, dass aus der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Polen ihr in Deutschland ein Anspruch auf subsidiären Schutz erwachse. Ferner macht die Klägerin individuelle Verfolgungsgefahr geltend. In Tschetschenien drohe ihr Sippenhaft. Das Auswärtige Amt berichte von Sippenhaft und Kollektivstrafen für Familienangehörige von Terroristen und Rebellen. Der Vater der Klägerin sei in Tschetschenien von russischen und tschetschenischen Behörden beschuldigt worden, gemeinsam mit seinem Cousin und anderen Terroristen im Wald zu kämpfen. Unter Folter habe er ein Geständnis ablegen und eine Erklärung unterschreiben müssen, worin er sich verpflichtet habe, mit den Sicherheitskräften zu kooperieren. Während seines Krankenhausaufenthaltes habe man ihm angedroht, seiner Familie etwas anzutun, falls er von der Folter berichten würde. Seit der Ausreise ihres Vaters nach Polen werde der Onkel des Vaters alle 3 – 4 Monate von der Polizei besucht, befragt und gedrängt, den Vater der Klägerin als Spitzel für die tschetschenischen Sicherheitskräfte in Deutschland anzuwerben. Einmal sei dieser Onkel auch zusammengeschlagen worden. Die Klägerin führt zur Sippenhaft mehrere Berichte ins Verfahren ein.
Ihr stehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Im Falle ihrer Rückführung nach Russland würde der Klägerin eine Unterbringung in einem Kinderheim drohen, falls sich keine Verwandten zur Aufnahme bereitfänden. Die Lage in den Kinderheimen sei hingegen katastrophal.
Mangels zugesicherter Aufnahmebereitschaft durch die polnischen Behörden sei eine Abschiebungsandrohung nach Polen rechtswidrig. Dies verstoße gegen die Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG.
Unter Rücknahme der Klage im Übrigen beantragt die Klägerin,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 17. Februar 2021 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, ihr subsidiären Schutz zuzuerkennen.
Schriftsätzlich beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen. Sämtliche Akten wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
Die Ablehnung des Asylantrags durch den angefochtenen Bescheid des Bundesamts vom 17. Februar 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Asylanerkennung. Auch das hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Aus eigenem Recht kann die Klägerin mangels Vorverfolgung Flüchtlingsschutz nur dann beanspruchen, wenn ihr eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Daran fehlt es vorliegend. Sippenhaft oder Kollektivbestrafung mit Blick auf den gegen ihren Vater, Herrn I... , gehegten Terrorverdacht droht schon deshalb nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, weil das Abstammungsverhältnis in Russland unbekannt ist. Da die Eltern der Klägerin keine standesamtliche Ehe eingegangen sind, trägt die Klägerin den Mädchennamen ihrer Mutter. Ausweislich der Bekundungen ihrer Mutter, Frau M... , bestehen nach Russland keine Kontakte mehr. Vor diesem Hintergrund erschließt es sich nicht, wie die russischen oder die tschetschenischen Behörden von der Abstammung der Klägerin von ihrem Vater erfahren sollten, zumal die Ursprungsorte der väterlichen und der mütterlichen Familie weit entfernt voneinander belegen sind („zwei Stunden Fahrt“).
Abgesehen davon sprechen die ins Verfahren eingeführten Erkenntnisse gegen eine auch die Klägerin, ein dreijähriges Mädchen, erfassende Kollektivbestrafung. In der von der Klägerin ins Verfahren eingeführten Anfragebeantwortung durch ACCORD vom 7. Juli 2015 heißt es nämlich: „Wer in Tschetschenien lebt, lebt immer in dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung – unabhängig von seinem Geschlecht, Alter. Gesundheitszustand oder seiner Stellung in der Gesellschaft. Lediglich kleine Kinder sind hiervon nicht betroffen.“ Dagegen, dass die dreijährige Klägerin für ihre Eltern zur Verantwortung gezogen würde, spricht im Übrigen, dass der dortige Machthaber, Ramzan Kadyrow, den Eltern die Verantwortung für ihre Kinder zuweist, nicht aber die Kinder für ihre Eltern verantwortlich macht: „der Vater wird für die Handlungen seines Sohnes verantwortlich gemacht … . Wenn Du ein Kind zur Welt bringst, bist Du rechenschaftspflichtig. Ein Vater ist rechenschaftspflichtig für seinen Sohn, und eine Mutter für ihre Tochter“ (Dr. Mark Galeotti, Lizenz zum Töten? Das Risiko für Tschetschenen innerhalb Russlands 2019, Seite 3). Von Schwierigkeiten mit tschetschenischen Sicherheitsorganen kraft Kindschaftsverhältnisses wird im Übrigen nur für jugendliche und erwachsene Söhne berichtet (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation „Russische Föderation“ Stand 10. Juni 2021, Seite 48).
Aus denselben Gründen scheidet Asyl gemäß Art. 16a GG aus.
Auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes erweist sich die Klage als unbegründet. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG scheidet aus, weil von einer gerichtlich angeordneten Hinrichtung keine Rede sein kann. Zur Annahme des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG müsste der Klägerin eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt drohen. Vorliegend fehlt es schon nach der Darstellung der Klägerin an der „willkürlichen“ Gewalt. Der Begriff der „willkürlichen“ Gewalt wird im Sinne einer „allgemeinen, ungezielten Gewalt“ verstanden. Art. 15 lit. c QRL möchte die Angehörigen der Zivilbevölkerung vor den typischen Gefahren einer kriegerischen Auseinandersetzung schützen (vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/5065 S. 187). Demgegenüber wird gezielte Gewalt von Art. 15 lit. c QRL und damit von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nicht umfasst (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3070/11 – Juris Rn. 30). In diesem Zusammenhang ist das Adjektiv „individuell“ dahin zu verstehen, dass es sich auf schädigende Eingriffe bezieht, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richten (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – C-901/19 – Rn. 28). Die Klägerin fürchtet keine solche allgemeine, ungezielte Gewalt bei einer Rückkehr nach Russland. Vielmehr fürchtet sie gerade die spezifisch gegen sie gerichtete und gezielte Gewalt.
Gleiches gilt im Ergebnis für § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Da die Eltern der Klägerin in Polen subsidiären Schutz genießen, die Klägerin deshalb unbegleitet nach Russland ausreisen müsste, sie aber nach den Bekundungen ihrer Mutter in der mündlichen Verhandlung bei ihrer Ankunft in Russland keine Verwandten vorfinden würde, die sie aufnehmen könnten, kommt ihre Unterbringung in einem staatlichen Kinderheim in Betracht. Die Klägerin macht geltend, dass ihr in einem Kinderheim unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohen würde. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf einen Bericht der russischen Generalstaatsanwaltschaft, der von katastrophalen Zuständen in tausenden Kinderheimen spricht und anprangert, dass in vielen Regionen der gesetzlich garantierte soziale Schutz nicht gewährt werde. Dies führt jedoch nicht zur Annahme subsidiären Schutzes für die Klägerin. Schlechte humanitäre Verhältnisse in einem Land sind typischerweise auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen. Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG bedarf es jedoch eines Akteurs, dem die unmenschliche Lebenssituation zuzurechnen ist. Deshalb muss diese unmenschliche Lebenssituation jedenfalls maßgeblich und nicht nur in geringem Umfang auf das bewusste und zielgerichtete Handeln eines Akteurs zurückzuführen sein (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11.19 – NVwZ 2021, 327ff. = Juris Rn. 15), woran es hier fehlt.
Unabhängig vom Vorstehenden droht eine Unterbringung in einem Kinderheim, wo die Klägerin unmenschliche Bedingungen erwarten könnten schon mit Blick auf § 58 Abs. 1a AufenthG nicht.
Soweit die Klägerin für sich internationalen Schutz aus der Zuerkennung subsidiären Schutzes für ihre Eltern durch polnische Behörden auf der Grundlage von § 26 AsylG ableitet, kann sie damit nicht durchdringen. § 26 AsylG setzt eine Schutzgewährung durch das Bundesamt voraus.
Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Dies ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie) (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, BVerwGE 150, 29-44, Rn. 29). Bedarf es aber einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, wie sie in § 60 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 AufenthG erfolgt, damit ausländischen Entscheidungen im Inland binden, bleiben ausländische Zuerkennungen internationalen Schutzes außerhalb des § 60 Abs. 1 Satz AufenthG, also auch im Rahmen des § 26 AsylG, mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung unbeachtlich.
Gegen die Anwendung des § 26 AsylG auf ausländische Zuerkennungen sprechen aber auch weitere Gründe. Sinn des § 26 AsylG ist eine automatische Erstreckung des Status des Stammberechtigten auf die Familienangehörigen (Marx, AsylG, 9. Aufl., § 26 Rn. 5). Die Neufassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) diente der Umsetzung von Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie. Nach § 23 Abs. 1 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann. Daran anknüpfend heißt es in der Gesetzesbegründung: „Die Richtlinienvorschrift sieht vor, dass Familienangehörige eines international Schutzberechtigten Anspruch auf die gleichen Rechte haben wie der Schutzberechtigte selbst (Stammberechtigte), wenn sie sich in Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz im Mitgliedstaat aufhalten.“ (BT-Drs. 17/13063 S. 21). Daraus folgt, dass nur derjenige Staat, der über die Stammberechtigung zu befinden hat, auch für die akzessorischen Ansprüche zuständig ist. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Bundesrepublik Deutschland für den Asylantrag der Klägerin originär zuständig ist, wie der Umstand zeigt, dass sie inzwischen auch wegen Fristablaufs für die Asylverfahren der übrigen Familienangehörigen zuständig geworden ist, denn gleichwohl bleibt es dabei, dass sie nicht zur Prüfung deren Anspruches auf internationalen Schutz berufen ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
Im Rahmen des familiären Flüchtlingsschutzes an Statusentscheidungen anderer Mitgliedsstaaten anzuknüpfen, widerspräche zudem dem Zweck der durch § 26 AsylG angestrebten Verfahrensvereinfachung. So wäre es, auch wenn der Gesetzgeber vor allem die Entlastung von der Prüfung eigener Verfolgungsgründe der Familienangehörigen vor Augen hatte, mit dem angestrebten Entlastungszweck unvereinbar, wenn die Gerichte gehalten wären, generell die – meist schwierigeren – Widerrufsvoraussetzungen bei dem Stammberechtigten zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2006 – 1 C 8/05 –, BVerwGE 126, 27 = juris Rn. 19). Das Gleiche gilt für die Ermittlung von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten, denn auch hier wäre – anders als bei Verfahren „in einer Hand“ – ggf. aufwändig zu ermitteln, ob diese bestandskräftig geworden sind und noch sind. Auch dies spricht vielmehr dafür, dass für die Umsetzung der Rechte aus Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie nur der für die Grundentscheidung zuständige Mitgliedstaat verantwortlich ist. Eine an die Zuerkennung subsidiären Schutzes für die Familienangehörigen anknüpfende Rechtsstellung kann die Klägerin mithin nur in Polen erlangen (vgl. VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 15. November 2017 – 33 K 275.14 A – Juris Rn. 13 - 14).
Der im Verpflichtungsantrag enthaltene Anfechtungsantrag hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Polen ist unbegründet.
Gegen die Abschiebungsandrohung bestehen zunächst keine Bedenken mit Blick auf das Urteil des EuGH vom 14. Januar 2021 – C-441/19 -, weil die Abschiebungsandrohung nicht an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen ist.
Unter „Rückkehr“ ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie die Rückreise von Drittstaatsangehörigen in deren Herkunftsland oder ein Transitland gemäß gemeinschaftlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder ein anderes Drittland, in das der betreffende Drittstaatsangehörige freiwillig zurückkehren will und in dem er aufgenommen wird, zu verstehen. Gemeinsamer Oberbegriff ist der des (Herkunfts-, Transit- oder anderen) Drittlandes; hierunter fallen die EU-Mitgliedstaaten indessen nicht (vgl. auch Hörich, ZAR 2011, 281, 284). Die Überstellung eines Drittstaatsangehörigen in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union - hier Polen - fällt daher nicht unter den Rückkehrbegriff des Art. 3 Abs. 3 der Rückführungsrichtlinie, der Zielstaat der Überstellung ist auch nicht Rückkehrstaat im Sinne ihres Art. 10 Abs. 2 (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – OVG 3 S 40.13 – Juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 – Juris Rn. 59; (VG Würzburg, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – W 4 S 19.32094 – Juris Rn. 29; VG Ansbach, Beschluss vom 28. Januar 2021 – AN 17 S 19.50328 – Juris Rn. 55; VG Regensburg, Beschluss vom 20. Juli 2012 - RN 5 S 12.30230 - Juris Rn. 29; VG Göttingen, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 2 B 828/13 – Juris Rn. 8; Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: 72. Erg.lfg. September 2013, § 59 AufenthG Rn. 268).
An § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gemessen ist die Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Die Wahl Polens als Abschiebezielstaat ist nicht willkürlich. Dorthin sollen auch die dort internationalen Schutz genießenden Eltern der Klägerin und ihre Geschwister abgeschoben werden. Auch hat die Republik Polen sich unter dem 16. September 2019 im Rahmen des bilateralen Übernahmeabkommens bereit erklärt, die Klägerin samt der übrigen Familienmitglieder aufzunehmen.
Im Übrigen ist das Bundesamt selbst in Fällen, in denen aus tatsächlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ermächtigt und regelmäßig gehalten, eine "Vorratsentscheidung" zum Vorliegen von Abschiebungsverboten in Bezug auf bestimmte Zielstaaten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu treffen und diese auch in der Abschiebungsandrohung zu bezeichnen. Damit wird dem Asylsuchenden die gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung eröffnet und insoweit eine frühzeitige Klärung herbeigeführt (vgl. Urteil vom 10. Juli 2003 - BVerwG 1 C 21.02 - BVerwGE 118, 308 <311 f.>), die aber nur die in dem Bescheid geprüften jeweiligen Zielstaaten erfasst, ohne den Rechtsschutz für andere Zielstaaten auszuschließen (vgl. Urteil vom 29. September 2011 - BVerwG 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244). Es ist auch geklärt, dass das Bundesamt in der Abschiebungsandrohung auch einen Zielstaat bezeichnen darf, für den aus tatsächlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, wenn für ihn keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote bestehen (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39.12 – Buchholz 402.25 § 34 AsylVfG Nr 11).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die mit dem hilfsweise gestellten Beweisantrag angesprochene Frage nach der aktuellen Übernahmebereitschaft Polens als nicht entscheidungserheblich.
Der Abschiebungsandrohung nach Polen stehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 satz 1 AufenthG entgegen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.