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Entscheidung OVG 9 N 70.19


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 14.09.2021
Aktenzeichen OVG 9 N 70.19 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0914.OVG9N70.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 124 VwGO, § 124a VwGO, § 8 KAG BB, § 12 KAG BB

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. September 2019 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 69.166,81 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 18. September 2019 hat das Verwaltungsgericht einen Schmutzwasserbeitragsbescheid des beklagten Verbandsvorstehers vom 9. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2013 und eines Änderungsbescheides vom 31. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 aufgehoben (Flurstücke 1... und 1..., zusammen 2... m², Vollgeschossfaktor 0... <zweigeschossige Bebauung>, 6... Euro). Das Verwaltungsgericht hat mit Blick auf BVerfG, Beschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris, angenommen, auf den vorliegenden Beitragsfall finde § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der seit dem 1. Februar 2004 geltenden neuen Fassung aus Vertrauensschutzgründen keine Anwendung. Nach dem deshalb weiter anwendbaren § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. sei eine Beitragserhebung nicht möglich.

Das Urteil ist dem Beklagten am 11. Oktober 2019 zugestellt worden. Er hat am 5. November 2019 Zulassung der Berufung beantragt und seinen Zulassungsantrag erstmals am 11. Dezember 2019 begründet.

II.

Der Antrag des beklagten Verbandsvorstehers hat keinen Erfolg. Die fristgerecht geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) rechtfertigen keine Zulassung der Berufung.

I. Das Zulassungsvorbringen des Beklagten weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Wird ein Anschlussbeitrag nach § 8 Abs. 4 KAG erhoben, so entsteht die Beitragspflicht nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der bis zum 1. Februar 2004 geltenden alten Fassung, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. ist vom OVG Frankfurt (Oder) dahin ausgelegt worden, dass Beitragspflichten im Falle des schon einmal erfolgten Erlasses einer (wegen formeller oder materieller Fehler) unwirksamen Satzung nur begründet werden können, indem eine wirksame Satzung erlassen wird, die sich Rückwirkung auf den formalen Inkrafttretenszeitpunkt der ersten, unwirksamen Satzung (oder ein darin nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG a. F. festgelegtes Datum für die Entstehung der Beitragspflicht) beimisst (grundlegend: OVG Frankfurt [Oder], Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.). Nach dieser Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. ist der fehlgeschlagene Satzungsgebungsversuch nicht bedeutungslos, sondern maßgeblich dafür, auf welchen Zeitpunkt Beitragspflichten durch eine wirksame Satzung zur Entstehung zu bringen sind. Damit wird eine erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Zeitpunktes des Entstehens und der Verjährung von Beitragsforderungen vermieden, die andernfalls bestehen würde, wenn und soweit Zweifel an der Gültigkeit des einschlägigen Satzungsrechts bestehen (vgl. OVG Frankfurt [Oder], a. a. O, Rn. 48). Letztlich wird verhindert, dass jeder zur Unwirksamkeit führende Satzungsfehler (insbesondere auch jeder zur Unwirksamkeit führende unerkannte Satzungsfehler) bewirkt, dass die Festsetzungsfrist noch nicht anläuft, was mit dem Gebot der Herbeiführung von Belastungsklarheit nicht vereinbar wäre (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris, Rn. 50). Die vom OVG Frankfurt (Oder) vorgenommene Auslegung kann je nach dem formalen Inkrafttretenszeitpunkt der ersten, unwirksamen Satzung und je nach dem Zeitpunkt des Bestehens der Anschlussmöglichkeit dazu führen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Beitragsfestsetzung für ein Grundstück nicht mehr möglich ist, weil auf Grund der Abläufe eine Lage besteht, in der es einerseits nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. zur Begründung der Beitragspflicht einer wirksamen - rückwirkenden - Beitragssatzung bedarf (also eine Beitragserhebung noch nicht möglich ist, solange es eine solche Satzung noch nicht gibt), und andererseits feststeht, dass im (hypothetischen) Fall des Erlasses einer solchen rückwirkenden Satzung sogleich Festsetzungsverjährung eintreten würde (eine Beitragserhebung also auch dann nicht mehr möglich ist, wenn eine entsprechende Satzung erlassen wird), so dass eine Lage besteht, die sich als "hypothetische Festsetzungsverjährung" bezeichnen lässt (vgl. zu diesem Begriff u. a. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 11. Februar 2016 - OVG 9 B 1.16 -, juris, Rn. 31, und vom 15. Juni 2016 - OVG 9 B 31.14 -, juris, Rn. 44).

Der Landesgesetzgeber hat § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG zum 1. Februar 2004 dahin geändert, dass es nicht mehr heißt "mit dem Inkrafttreten der Satzung", sondern "mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung" (Hervorhebung nur hier). Danach bedarf es auch im Falle eines schon einmal wegen formeller oder materieller Fehler gescheiterten Satzungsgebungsversuchs keiner rückwirkende Satzung zur Begründung von Beitragspflichten mehr. Anders als zunächst vom OVG Berlin-Brandenburg (grundlegend Urteile vom 12. Dezember 2007 - OVG 9 B 44.06 -, juris, Rn. 55 ff., - OVG 9 B 45.06 -, juris, Rn. 55 ff.), vom Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 14. Juli 2008 - 9 B 22/08 -, juris, Rn. 7; Beschluss vom 24. September 2009 - 9 BN 1/09 -, juris, Rn. 9) und vom Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (Beschluss vom 21. September 2012 - 46/11 -, juris, Rn. 66 ff.) angenommen, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber der Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. in denjenigen Fällen Vertrauensschutz, in denen nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. in der Auslegung des OVG Frankfurt (Oder) schon vor dem 1. Februar 2004 keine Beitragserhebung mehr möglich gewesen ist, weil bereits vor dem 1. Februar 2004 die Lage einer "hypothetischen Festsetzungsverjährung eingetreten" gewesen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris). Angesichts der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG) und angesichts deren Beginns mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Beitrag entstanden ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO), müssen dazu folgende Voraussetzungen vorliegen: erstens muss das Inkrafttretensdatum der ersten, unwirksamen Beitragssatzung (oder ein darin geregeltes Datum für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht) vor dem 1. Januar 2000 gelegen haben; zweitens muss eine dauerhafte Anschlussmöglichkeit vor dem 1. Januar 2000 bestanden haben; drittens darf vor dem 1. Januar 2004 kein Beitragsbescheid erlassen (oder dieser nicht wieder durch die Behörde aufgehoben) worden sein; viertens dürfen keine Gründe für die Hemmung der vierjährigen Festsetzungsfrist gegeben gewesen sein.

Der Vertrauensschutz gegenüber der Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F., der aus einer schon vor dem 1. Februar 2004 eingetreten Lage der "hypothetischen Festsetzungsverjährung" folgt, bezieht sich insofern auf einen konkreten Beitrag, als es um den Beitrag hinsichtlich einer bestimmten beitragsfähigen Anlage, hinsichtlich einer bestimmten beitragsfähigen Maßnahme an dieser Anlage und hinsichtlich eines bestimmten Grundstücks geht (vgl. zum Anlagenbezug des Beitrages schon OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 - OVG 9 B 43.15 -, juris, Rn. 27; ausführlich Beschlüsse vom 28. Juni 2017 - OVG 9 S 14.16 -, juris, Rn. 18 ff.; vom 24. Mai 2018 - OVG 9 N 142.18 -, juris, Rn. 14 ff.; vom 6. Dezember 2018 - OVG 9 S 6.18 - juris, Rn. 7 ff.; auch Beschluss vom 17. Januar 2020 - OVG 9 S 19.19 -, juris, Rn. 9, Verfassungsbeschwerde vom BVerfG nicht angenommen, Beschluss vom 22. Oktober 2020 - 1 BvR 631/20 -). Ein hinsichtlich des Beitrages in Bezug auf eine bestimmte Anlage, auf eine bestimmte betragsfähige Maßnahme an dieser Anlage und in Bezug auf ein bestimmtes Grundstück bestehender Vertrauensschutz schließt nicht aus, dass die Frage des Vertrauensschutzes gegenüber der Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. hinsichtlich eines Beitrages in Bezug auf eine andere Anlage, in Bezug auf eine andere beitragsfähige Maßnahme an derselben Anlage oder in Bezug auf ein anderes Grundstück anders zu beantworten ist. Insoweit ist das Bestehen der Lage einer "hypothetischen Festsetzungsverjährung" jeweils gesondert zu prüfen. Der Anlagen-, Maßnahme- und Grundstücksbezug des Vertrauensschutzes ergibt sich aus der Anknüpfung des Vertrauensschutzes an die Lage einer "hypothetischen Festsetzungsverjährung" selbst. Das Bestehen einer solchen Lage setzt - wie ausgeführt - voraus, dass die Beitragspflicht im hypothetischen Fall des Erlasses einer wirksamen rückwirkenden Beitragssatzung sogleich festsetzungsverjährt wäre. Weder eine rückwirkende satzungsmäßige Begründung einer Beitragspflicht noch deren Festsetzungsverjährung schließt es indessen nach allgemeinen beitragsrechtlichen Grundsätzen aus, dass (später) eine Beitragspflicht in Bezug auf eine andere Anlage, in Bezug auf eine andere beitragsfähige Maßnahmen an derselben Anlage oder in Bezug auf ein anderes Grundstück entsteht. Denn der dem § 8 KAG immanente Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrages sperrt lediglich (grundsätzlich) die erneute satzungsmäßige Begründung einer Beitragspflicht in Bezug auf dieselbe Anlage, dieselbe Maßnahme an dieser Anlage und dasselbe Grundstück (vgl. Unkel, in Driehaus, KAG, Rn. 511 zu § 8 KAG, Stand März 2021), aber nicht in Bezug auf eine andere Anlage (vgl. VGH München, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, juris, Rn. 34; Urteil vom 19. Mai 2010 - 20 N 09.3077 -, juris, Rn. 42; Beschluss vom 29. Juni 2006 - 23 N 05.3090 -, juris, Rn. 27; OVG Weimar, Beschluss vom 3. Mai 2007 - 4 EO 101/07 -, juris, Rn. 38; Urteil vom 21. Juni 2006 - 4 N 574/98 -, juris, Rn. 98), eine andere Maßnahme an derselben Anlage (vgl. das Nebeneinander von Herstellung, Erweiterung, Erneuerung, Verbesserung in § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG) oder in Bezug auf ein anderes Grundstück im wirtschaftlichen, besser: beitragsrechtlichen Sinne (vgl. OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2006 - 15 A 3734/03 -, juris, Rn. 27 f.; Beschluss vom 15. Juli 1997 - 15 A 1660/96 -, juris, Rn. 11: Entstehung einer neuen wirtschaftlichen Einheit mit der Entstehung einer neuen Beitragspflicht, die sich allerdings nur auf den hinzugekommenen Grundstücksteil bezieht). Das alles ist namentlich auch keine "Erfindung" aus Anlass des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris (vgl. hierzu schon OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2018, a. a. O.).

b) Gemessen daran erschüttert das Zulassungsvorbringen nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach vorliegend Vertrauensschutz gegenüber der Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. besteht.

Die strittige Beitragsfestsetzung bezieht sich auf die leitungsgebundene Entsorgungsanlage, mit deren Herstellung der Zweckverband bereits in den 1990er Jahren begonnen hat. Die zum 1. Januar 2005 erfolgte Eingliederung des Zweckverbandes S... S... hat entgegen der Auffassung des Beklagten für das bis dahin bestehende Altgebiet des Zweckverbandes nichts an der Anlagenidentität geändert, die rechtlich und nicht tatsächlich zu bewerten ist; insoweit nimmt der Senat auf seine ständige Rechtsprechung Bezug (vgl. etwa Beschluss vom 28. August 2019 - OVG 9 N 197.17 -, Rn. 9). Festgesetzt ist vorliegend ein Beitrag für die Maßnahme "Herstellung" der leitungsgebundenen Anlage.

Die ersten, unwirksamen Satzungsregelungen zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen hat der Zweckverband in der A...satzung 1992 getroffen. Spätestens seit 1997 ist auch das Vorhandensein eines Grundstücksanschlusses nach der A... nicht mehr Voraussetzung für das Bestehen eines Anschlussrechts gewesen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2017 - OVG 9 S 14.16 -, Rn. 23).

Die vorliegend strittige Beitragsfestsetzung bezieht sich auf ein aus den Flurstücken 1... und 1... bestehendes Buchgrundstück (insgesamt 2... qm). Die Flurstücke sind durch Teilung des Flurstücks 1... entstanden, das seinerseits am 25. Juli 2001 zusammen mit dem sogleich abgeschriebenen Flurstück 1... als Teil eines Buchgrundstücks unter Nummer 1 auf dem Grundbuchblatt 6... eingetragen worden ist; zuvor bildeten die Flurstücke 1... und 1... zusammen das Flurstück 4... .

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Fläche des vorliegend veranlagten Grundstücks (Flurstücke 1... und 1..., zusammen davor Flurstück 1... ) in den 1990er Jahren - vereinfacht gesagt - inmitten eines "Gesamtgrundstücks" gelegen habe. Als Eigentümerin des Gesamtgrundstücks sei von 1993 bis 2000 die Stadt S... eingetragen gewesen. Das Gesamtgrundstück sei zu DDR-Zeiten und in den 1990er Jahren ein S... gewesen. Für das Gesamtgrundstück habe in den 1990er Jahren eine rechtlich gesicherte Anschlussmöglichkeit bestanden. Das Gesamtgrundstück habe an der L... angelegen, in der sich der Hauptsammler befunden habe. Eine Hinterliegersituation habe nicht bestanden. Die grundbuchliche Sicherung eines Leitungsrechts sei nicht geboten gewesen, weil das ganze Grundstück der Stadt S... gehört habe. Nach den (unwirksamen) Satzungen von 1992 und 1997 sei eine Beitragspflicht dem Grunde nach gegeben gewesen. Die relevanten Flächen seien beplant und bebaut gewesen. Die nach dem 1. Januar 2000 erfolgte Grundstücksteilung habe die dem Grunde nach bestehende Beitragspflicht nicht entfallen lassen.

Der Zulassungsantrag geht ebenfalls davon aus, dass das aus den Flurstücken 1... und 1... bestehende Beitragsgrundstück in den 1990er Jahren Teil eines "Gesamtgrundstücks" gewesen sei, für das seit 1993 die Stadt S... als Eigentümerin eingetragen gewesen sei ("Stadtgrundstück"). Das "Stadtgrundstück" habe jedoch nicht über eine direkte Anschlussmöglichkeit an den Hauptsammler in der L... verfügt. Es hätten - wie heute noch - zwei Privatgrundstücke zwischen der Straße mit dem Hauptsammler und dem "Stadtgrundstück" bzw. dahinter der [heutigen] Fläche der Klägerin gelegen. Erst mit der Ausbindung und dem eigenen Anschluss 2014 habe der Beitragsgegenstand [d. h. die Flurstücke 1... und 1... ] über eine eigene Anschlussmöglichkeit verfügt. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, es habe wegen des vermeintlich direkten Anschlusses des "Stadtgrundstücks" keiner [rechtlichen] Sicherung der historischen Ableitung bedurft. Der VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung und später der Zweckverband hätten nichts mit den vor 1990 von der Nationalen Volksarmee errichteten Anlagen zu tun gehabt. Eine Übertragung auf den Zweckverband habe es nie gegeben. Es sei weiter unrichtig, dass es auf dem [heutigen] Beitragsgegenstand bereits vor dem 1. Januar 2000 angeschlossene Gebäude gegeben habe. Ausweislich von Luftaufnahmen aus 1997 habe es auf dem Beitragsgegenstand ("gut sichtbar die Flächen neben der Tartanbahn") 1997 keine Baulichkeiten an dieser Stelle gegeben. Es habe auf dem Beitragsgrundstück jedenfalls vor 2001 keine Bebauung gegeben. Ein Lageplan des Beklagten weise dies ebenso aus wie die heute noch bestehenden Baulichkeiten, die tatsächlich eigene Schmutzwasseranschlüsse hätten. Das erfasse jedoch nicht den räumlichen, damals sichtbar baufreien Bereich des Beitragsgegenstandes, der zwischen barackenähnlichen (jeweils eingeschossigen) alten Baulichkeiten und der ovalen Tartanbahn [gelegen habe]. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass nach der bestehenden Anschlusssituation das gesamte Grundstück nach dem Maßstab der Abwasserabgabensatzungen von 1992 und 1997 wegen der vermeintlich angeschlossenen Baulichkeiten und wegen der Gesamtnutzung als städtischer Sport- und Freizeitpark beitragspflichtig gewesen sei. Das Gesamtgrundstück sei schon wegen seiner schieren Größe und seiner historischen Gliederung in mehrere Grundstücke im - beitragsrechtlich maßgeblichen - wirtschaftlichen Sinne zerfallen. Danach sei zumindest die am westlichen Rand belegene historische Bebauung als eine Beitragseinheit oder sogar als mehrere Beitragseinheiten anzusehen, ebenso die kleine Bebauung direkt an der Südwestseite (L... ) und an der Nordostseite sowie die an der östlichen Seite befindliche Bebauung mit den Baracken (Eingeschossern). Ferner seien die verstreuten Einzelanlagen (Laufbahn, Leichtathletikoval, Fußballfeld u. a.) jeweils abzugrenzen. Jedenfalls sei die Annahme einer [einzigen] wirtschaftlichen Einheit weder für 1992/1993, 1997 oder 1999/2000 zu halten. Die unterschiedlichen wirtschaftlichen Nutzungen seien durch die schon seit 1991 aufscheinenden dauerhaften Vermietungen und Verpachtungen parzellenhaft gut sichtbar, damals wie heute dokumentiert durch einen Großlageplan am Sportparkeingang, der ausweise, welcher Nutzer wo auf dem riesigen Freigelände zu finden sei. Ausgehend von den unterschiedlichen wirtschaftlichen Einheiten habe der Beitragsgegenstand weder über einen Anschluss, noch über eine Anschlussmöglichkeit verfügt, weil keine öffentliche Straße, keine Anschlussleitung und auch keine (wie auch immer) gesicherte private Leitung zur öffentlichen Anlage geführt habe.

Das greift nicht.

Dem § 8 KAG liegt der sogenannte wirtschaftliche, besser: beitragsrechtliche Grundstücksbegriff zu Grunde. Dieser grenzt - allerdings ausgehend vom Buchgrundstück - schon die Beitragsgrundstücke nach Vorteilsgesichtspunkten ab: Einerseits können unter Umständen erst mehrere Buchgrundstücke zusammen oder Teile mehrerer Buchgrundstücke zusammen zu einem Grundstück im beitragsrechtlichen Sinne verklammert sein. Andererseits kann ein (großes) Buchgrundstück in mehrere Grundstücke im beitragsrechtlichen Sinne (oder in ein Grundstück im beitragsrechtlichen Sinne und einen beitragsrechtlich irrelevanten "Rest") zerfallen (vgl. näher Becker, in: Becker u. a. KAG, Rn. 119 ff. zu § 8 KAG). Nachdem nicht das Buchgrundstück, sondern das Grundstück im beitragsrechtlichen Sinne Bezugspunkt der Beitragserhebung ist, ist konsequenterweise auch die Frage, ob Vertrauensschutz hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. besteht, in Bezug auf das Grundstück im beitragsrechtlichen Sinne zu beantworten. Insoweit ist ausgehend von dem Grundstück, um dessen Veranlagung es geht (hier das Grundstück bestehend aus den Flurstücken 1... und 1... ), zu prüfen, ob hinsichtlich dieses Grundstücks schon vor dem 1. Februar 2004 die Lage einer hypothetischen Festsetzungsverjährung bestanden hat, wozu - wie ausgeführt - bestimmte Gegebenheiten schon vor dem 1. Januar 2000 bestanden haben müssen (Satzungsgebungsversuch, Anschlussmöglichkeit). Hat das veranlagte Grundstück vor dem 1. Januar 2000 noch nicht bestanden, so ist zunächst das Vorliegen dieser Gegebenheiten in Bezug auf das oder die Vorgängergrundstücke zu prüfen und in einem zweiten Schritt zu untersuchen, inwieweit das auf das veranlagte Grundstück durchschlägt.

Soweit der Zulassungsantrag – übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht – für die Zeit vor dem 1. Januar 2000 vom Bestehen eines „Gesamtgrundstücks" ausgeht, kann damit bei verständiger Würdigung nur das Bestehen eines Buchgrundstücks gemeint sein. Die Behauptung, dieses Buchgrundstück habe nicht direkt an der L... angelegen, in der sich der Hauptsammler befunden hat, ist zumindest unsubstantiiert. Abgesehen von der fehlenden Darlegung von Größe, Lage und grundbuchlicher Behandlung des "Gesamtgrundstücks" hat der Beklagte schon erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 8. August 2012 zwei Lagepläne eingereicht, aus denen sich ergibt, dass es 1999 auch von den Gebäuden nordwestlich der Tartanbahn eine Schmutzwasserableitung gegeben hat, und zwar in Richtung L..., wobei insoweit vom mutmaßlichen "Gesamtgrundstück" keine "Zwischengrundstücke" zu durchqueren gewesen sind. Dafür, dass diese Lagepläne unrichtig oder sonst wie „überholt" wären, besteht kein Anhaltspunkt; auf den Lageplan von 1999 nimmt das Zulassungsvorbringen selbst Bezug.

Soweit der Beklagte hinsichtlich des Bestehens einer Anschlussmöglichkeit vor dem 1. Januar 2000 nicht auf das von ihm angenommene "Gesamtgrundstück", sondern auf ein kleineres Grundstück im beitragsrechtlichen Sinne abhebt, das dem Beitragsgegenstand entsprochen haben soll, ist sein Vortrag ebenfalls unsubstantiiert. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Grundstücks im beitragsrechtlichen Sinne ist stets das Buchgrundstück. Über den Zerfall eines großen Buchgrundstücks in mehrere Grundstücke im beitragsrechtlichen Sinne ist bei Lichte besehen erst nachzudenken, wenn das Vorhandensein eines großen Buchgrundstücks belegt ist. Auch im Außenbereich, von dem der Beklagte hier mit dem Argument ausgeht, der Bebauungsplan von 1999 sei mangels formeller Wirksamkeit der Hauptsatzung der Stadt unwirksam, besteht keineswegs stets die Notwendigkeit, vorhandene kleinere Buchgrundstücke, deren Zuschnitte möglicherweise bereits an unterschiedliche Nutzungen ausgerichtet sind, beitragsrechtlich weiter aufzuteilen. Unbeschadet dessen macht der Beklagte auch sonst nicht nachvollziehbar deutlich, welches kleinere Grundstück oder welche kleineren Grundstücke im beitragsrechtlichen Sinne gerade die Flächen abgedeckt haben, die seinerzeit den hier in Rede stehenden Beitragsgegenstand ausgemacht haben. Soweit er das Vorhandensein von Baulichkeiten leugnet, an denen sich das möglicherweise orientieren könnte (ggf. mit großzügiger Arrondierung) ist wiederum auf den vom Beklagten selbst eingereichten Lageplan von 1999 hinzuweisen, in dem als Altbestand mit Schmutzwasseranschluss Gebäude auf der Fläche eingezeichnet sind, die den hier in Rede stehenden Beitragsgegenstand ausmacht. Zudem geht der Beklagte fehl, wenn er meint, dass allein Verpachtungen oder Vermietungen von Flächen oder Gebäuden dafür ausreichen würden, schon von unterschiedlichen Grundstücken im beitragsrechtlichen Sinne auszugehen. Der beitragsrechtliche Grundstücksbegriff stellt ungeachtet des Umstandes, dass vielfach - verkürzend - vom "wirtschaftlichen" Grundstücksbegriff die Rede ist, keineswegs allein auf unterschiedliche tatsächliche Nutzungen ab, sondern fragt - letztlich - danach, welche Flächen als "Bau- oder Gewerbegrundstück" und welche als sonst bevorteilt anzusehen sind (vgl. z. B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juni 2015 - OVG 9 N 99.12 -, juris, Rn. 7; Beschluss vom 20. März 2014, OVG 9 N 35.11 -, Rn. 8). Ungeachtet all dessen hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf das Eigentum der Stadt an dem Gesamtgrundstück eine Hinterliegersituation und die Notwendigkeit einer grundbuchlichen Sicherung eines Leitungsrechts verneint (UA S. 13); eine grundbuchrechtliche Sicherung ist auch dann nicht erforderlich, wenn mehrere aneinander angrenzende Grundstücke im beitragsrechtlichen Sinne demselben Eigentümer gehören und ausweislich einer vorhandenen Anschlussleitung eine Verbindung zur öffentlichen leitungsgebundenen Schmutzwasseranlage benötigen (vgl. hierzu auch Becker, in: Becker u. a., KAG, Rn. 184 und 141 zu § 8 KAG). Schließlich ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Ausweislich der mit Schriftsatz vom 8. August 2012 eingereichten "Übersicht SW-Entsorgung S... " ist das Beitragsgrundstück bestehend aus den Flurstücken 1... und 1... schon früher über eine Leitung mit dem Hauptsammler verbunden gewesen, die in der Tat die beiden "weißen" Grundstücke (4... und 4... ) durchquert. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das aus nunmehriger Sicht des Beklagten mangels ausreichender Sicherung für die Begründung einer Beitragspflicht nicht gereicht haben soll, während es den Beklagten im Jahr 2011 noch nicht an einer Beitragserhebung gehindert hat, er also seinerzeit davon ausgegangen sein muss, dass eine aus DDR-Zeiten herrührende "Altanschlusssituation" vorgelegen haben muss, deren Dauerhaftigkeit außer Frage stand.

Ist nach alledem auch in Ansehung des Zulassungsvorbringens mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass hinsichtlich der Flächen, die das in Rede stehende Beitragsgrundstück ausmachen, schon vor dem 1. Januar 2000 eine Anschlussmöglichkeit bestanden hat, so schlägt der daraus resultierende Vertrauensschutz auch auf das Beitragsgrundstück durch. Denn bei unterstelltem Erlass einer bis in die 1990er Jahre zurückwirkenden - wirksamen - Beitragssatzung wären die Flächen nunmehr auch in Ansehung der späteren Grundstücksveränderungen nicht mehr zu einem Beitrag heranzuziehen. Zwar ist der Anschlussbeitrag grundstücksbezogen. Flächen, für die schon einmal eine Beitragspflicht entstanden ist, sind indessen wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Beitrages auch bei Grundstücksveränderungen nicht mehr beitragsrelevant; nur zu einem Grundstück hinzukommende, noch nicht beitragspflichtige Flächen können noch veranlagt werden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2006 - 15 A 3734/03 -, juris, Rn. 27 f.; Beschluss vom 15. Juli 1997 - 15 A 1660/96 -, juris, Rn. 11).

c) Die nicht erschütterte Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach vorliegend Vertrauensschutz gegenüber der Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. besteht, wäre unerheblich, wenn nicht nur § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F., sondern auch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. dahin auszulegen wäre, dass die sachliche Beitragspflicht auch im Falle des schon erfolgten Erlasses einer unwirksamen Satzung erst auf den Zeitpunkt zur Entstehung zu bringen ist, in dem die erste wirksame Satzung in Kraft tritt, also dem § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. für den Fall eines früheren Satzungsgebungsversuchs kein Rückwirkungserfordernis zu entnehmen wäre (so BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 - III ZR 93/18 -, juris). Eine solche Auslegung wird durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris, nicht gesperrt, weil der darin angenommene Vertrauensschutz allein an die Tatsache anknüpft, dass das OVG Frankfurt (Oder) § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. in einer bestimmten Weise ausgelegt hat und nicht an die Richtigkeit dieser Auslegung. Indessen folgt der erkennende Senat der anderslautenden Auslegung des Bundesgerichtshofs nicht (vgl. Urteil vom 12. November 2019 - OVG 9 B 11.19 -, juris, Rn. 19) und ist durch diese auch nicht gebunden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2020 - 1 BvR 908/20 u. a. -, juris, Rn. 4).

II. Die Berufung ist aus den vorstehenden Gründen nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

III. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen; die Frage, wie § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. auszulegen ist, ist in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt. Einer Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist insoweit auch nicht unter dem Blickwinkel der Schaffung einer einheitlichen Sicht zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und ordentlicher Gerichtsbarkeit geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2020 - 1 BvR 908/20 -, juris, Rn. 3; BVerwG, Beschluss vom 8. April 2021 - 9 B 28.20 -, juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).