Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 28.06.2021 | |
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Aktenzeichen | 6 K 1129/16 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0628.6K1129.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 113 Abs 1 VwGO, § 2 Abs 1 KAG BB, § 42 Abs 1 VwGO, § 421 BGB, § 44 Abs 1 AO, § 49a StrG BB 2009 |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Winterdienstgebühren durch den Beklagten.
Er ist Miteigentümer eines an der Hauptstraße des Ortsteils P... der Stadt U... gelegenen Grundstückes, welches aus zwei katasterrechtlichen Flurstücken (Flurstück 2... der Flur 7... und Flurstück 1... der Flur 2... ) besteht.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2016 zog der Beklagte den Kläger im Hinblick auf das oben genannte Grundstück zu Winterdienstgebühren für das Jahr 2016 in Höhe von 17,16 Euro heran. Er legte dabei 4... Flächenmeter sowie einen Gebührensatz von 0,39 Euro je Flächenmeter zugrunde.
Hiergegen legte der Kläger am 2. Juni 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam, welches eine Straßenreinigungssatzung, die mit der Satzung des Beklagten vergleichbar sei, für unwirksam erklärt habe.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2016, dem Kläger zugestellt am 29. Juni 2016, zurück. Dies begründete er damit, dass das vom Kläger angeführte Urteil eine Einzelfallentscheidung darstelle und keine allgemeinverbindliche Wirkung habe. Die Winterdienstgebührenerhebung sei nicht zu beanstanden, da das klägerische Grundstück bebaut sei und an eine öffentliche Straße grenze, welche durch den Winterdienst befahren werde.
Mit seiner am 19. Juli 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus, dass es dem Bescheid bereits an einer hinreichenden Satzungsgrundlage mangele. Das ordnungsgemäße Zustandekommen der Satzung werde in Abrede gestellt. Insbesondere müsse bestritten werden, dass den Stadtverordneten eine ausreichende Beschlussvorlage mit einem konkreten Satzungsvorschlag und mit ausreichender Zeit zur Vorbereitung zur Verfügung gestellt worden sei. Ebenso werde die ordnungsgemäße Bekanntmachung der Satzung in Abrede gestellt. Darüber hinaus sei die Satzung des Beklagten auch inhaltlich unwirksam. Diese genüge nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz, da ihr nicht hinreichend klar zu entnehmen sei, wann die Winterdienstgebühren entstehen. Auch mangele es der Satzung an einer ordnungsgemäßen Kalkulation. Eine solche habe insbesondere auch den Stadtverordneten bei ihrer Beschlussfassung nicht zur Verfügung gestanden. Zudem fehle es der Satzung an einer Gebührenstaffelung, welche das unterschiedliche Benutzungsinteresse der Anlieger an der öffentlichen Einrichtung Winterdienst berücksichtige. Der vom Beklagten vorgenommene Abschlag von 25% der kalkulierten Gesamtkosten greife diesbezüglich zu kurz. Der in § 7 der Satzung vorgesehene Gebührenmaßstab enthalte des Weiteren eine Rundungsregelung, die zu einer Überschreitung der maximalen Umlage von 75% der Gesamtkosten führe. Darüber hinaus habe der Beklagte ermessensfehlerhaft nur den Kläger für die Winterdienstgebühren in Anspruch genommen, obwohl dieser zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des veranlagten Grundstückes sei. Dies sei mit § 9 der Satzung nicht zu vereinbaren, wonach mehrere Gebührenpflichtige als Gesamtschuldner haften sollen. Werde der Gebührenbescheid – so wie hier - nur an einen Eigentümer gerichtet, nehme man diesem die Möglichkeit zum Gesamtschuldnerausgleich, da die Gebührenschuld nicht kraft Gesetzes oder Satzung entstehe, sondern erst durch den Gebührenbescheid.
Der Kläger hat schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt, |
den Bescheid des Beklagten vom 10. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2016 aufzuheben.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, |
die Klage abzuweisen.
Die im Amtsblatt ordnungsgemäß bekanntgemachte Satzung sei in enger Zusammenarbeit mit der Kommunalaufsicht erstellt worden. Den Stadtverordneten seien die vollständigen Satzungsunterlagen ausgehändigt worden und die Beratungsfolge von den Ausschüssen über den Hauptausschuss zur Stadtverordnetenversammlung mehrmals durchlaufen worden. Die entsprechenden Protokolle können eingesehen werden. Dies gelte auch für die kompletten Kalkulationsunterlagen. Die Anwendung des Quadratwurzelmaßstabes und die konkrete Gebührenberechnung seien ebenso wenig zu beanstanden. Was die Auswahl des Gebührenschuldners anbelange, so seien die Miteigentümer eines Grundstücks Gesamtschuldner und es liege im Ermessen des Gebührengläubigers, welchen Gesamtschuldner er heranziehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie die von ihm eingereichten Satzungs- und Kalkulationsunterlagen verwiesen, die jeweils der Entscheidung zu Grunde lagen.
Die Kammer konnte gemäß §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Wege des schriftlichen Verfahrens durch den Berichterstatter entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben.
Vorliegend war mit Blick auf § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Brandenburgisches Verwaltungsgerichtsgesetz (BbgVwGG) zunächst einmal das Rubrum von Amts wegen dahingehend zu berichtigen, dass Beklagter der Verbandsgemeindebürgermeister der Verbandsgemeinde L... ist. Denn mit Wirkung zum 1. Januar 2020 hat sich die Stadt U... mit drei weiteren Städten zur Verbandsgemeinde L... zusammengeschlossen und nach § 9 Abs. 4 des Verbandsgemeinde- und Mitverwaltungsgesetzes (VgMvG) nimmt der Verbandsgemeindebürgermeister die Aufgabe des Hauptverwaltungsbeamten für die Ortsgemeinden wahr. Insoweit ist ein gesetzlicher Parteiwechsel eingetreten.
Die statthafte und auch sonst zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) ist unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 10. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger (daher) nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Gebührenbescheid findet seine Rechtsgrundlage in der Satzung über die Durchführung der Straßenreinigung und den Winterdienst sowie die Erhebung von Winterdienstgebühren in der Stadt U... vom 30. September 2015, die gemäß § 12 der Satzung zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist und damit den streitgegenständlichen Erhebungszeitraum 2016 erfasst. |
Die Satzung weist keine formellen Satzungsfehler auf. Sie wurde ordnungsgemäß unter Angabe von Ort und Datum vom Bürgermeister ausgefertigt und entsprechend den Vorgaben des § 16 Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt U... vom 4. März 2009 im Amtsblatt für die Stadt U... vom 14. Oktober 2015 auf S. 2 ff. veröffentlicht, wobei diese Veröffentlichung keinen Bedenken begegnet.
Die Satzung ist auch im Übrigen in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Ihre Ausfertigung und Bekanntmachung stimmen unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen mit der Beschlussfassung überein. Die Satzung ist auch nicht deshalb rechtswidrig und nichtig, weil den Stadtverordneten der Stadt U... bei ihrer Beschlussfassung am 30. September 2015 über die Satzung der Satzungstext oder andere für die Beschlussfassung erforderliche Informationen gefehlt hätten. Nach dem Vortrag des Beklagten, den der Kläger jedenfalls nicht substantiiert bestrittenen hat, wurden den Stadtverordneten die vollständigen Unterlagen ausgehändigt. Auch dem Verwaltungsvorgang, der u. a. die entsprechende Beschlussvorlage enthält, lassen sich insoweit keine Anhaltspunkte für ein formell fehlerhaftes Satzungsgebungsverfahren entnehmen. Dies gilt auch, soweit der Kläger des Weiteren bezweifelt, dass die betreffenden Unterlagen den Stadtverordneten mit ausreichender Vorbereitungszeit zur Verfügung gestellt wurden. Hierfür ist vorliegend schon deshalb nichts ersichtlich, weil nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten der Beschlussfassung am 30. September 2015 weitere Stadtverordnetenversammlungen, bei denen die betreffende Satzung auf der Tagesordnung stand, vorrausgegangen waren. Wie sich der Beschlussvorlage zur Stadtverordnetenversammlung vom 30. September 2015 entnehmen lässt, erfolgte jedenfalls in der vorangegangenen Versammlung am 26. August 2015 auch bereits eine Abstimmung über die Satzung.
Der formell-rechtlichen Wirksamkeit der Satzung steht schließlich auch nicht entgegen, dass - wie der Kläger rügt – den Stadtverordneten beim Beschluss der Satzung nicht die vollständigen Kalkulationsunterlagen für die Winterdienstgebühren vorgelegen hätten. Denn ungeachtet des tatsächlichen Zutreffens dieser Rüge ist dies für das ordnungsgemäße Zustandekommen der Satzung unbeachtlich. Nach der sogenannten Ergebnisrechtsprechung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Mai 2006 – 9 N 9.06 –, juris, Rn. 8; Urteil vom 1. Dezember 2005 – 9 A 3.05 – juris, Rn. 23; OVG Brandenburg, Urteil vom 27. März 2002 – 2 D 46/99.NE -, juris Rn. 60), der die Kammer folgt, ist der Kalkulationsvorgang als solcher (Aufstellung und Beschluss einer Gebührenkalkulation) kein notwendiger Teil des Satzungsgebungsverfahrens. Der Gebührensatz muss lediglich im Ergebnis den Anforderungen der einschlägigen Gebührenvorschriften entsprechen, darf also insbesondere nicht überhöht sein. Das bedeutet, dass auch ein von der Vertretungskörperschaft beschlossener Gebührensatz, der auf einer fehlerhaften Gebührenkalkulation beruht, noch bis zur Entscheidung des Gerichts – ggf. bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens – durch eine nachgeschobene, stimmige Gebührenkalkulation gerechtfertigt werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. Dezember 2005 – 9 A 3.05 –, juris Rn. 23; VG Cottbus, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – VG 6 L 55/10 –, juris Rn. 24). Nichts Anderes kann für einen von der Vertretungskörperschaft auf Grund von unvollständigen oder fehlenden Kalkulationsunterlagen beschlossenen Gebührensatz gelten.
Materielle Satzungsfehler, die die Annahme der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Satzung rechtfertigen könnten, sind gleichfalls nicht ersichtlich. Die Satzung enthält die von § 2 Abs. 1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) vorgesehenen Satzungsmindestbestandteile. Die dort getroffenen Regelungen sind auch wirksam. Dies gilt zunächst für die Vorschriften zum Abgabentatbestand (§ 6 der Satzung), zum Kreis der Abgabenschuldner (§ 9 der Satzung) und zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe (§ 10 Abs. 4 der Satzung). Mangels substantiierter Einwendungen des Klägers bedarf dies insoweit keiner näheren Ausführungen.
Auch die in der Satzung enthaltenen Regelungen zum Gebührenmaßstab (§ 7 der Satzung) unterliegen entgegen der sinngemäß zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Klägers keinen Bedenken. Der vom Beklagten in § 7 Abs. 1 der Satzung gewählte Gebührenmaßstab in der Form der Quadratwurzel der Grundstücksfläche des erschlossenen Grundstücks stellt einen anerkannten, zulässigen und nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstoßenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG dar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 2009 – 9 A 1.07 -, juris Rn. 35; Urteil vom 10. Dezember 2007 – 9 A 72.05 -, juris Rn. 33; VG Cottbus, Urteil vom 21. August 2013 – 6 K 552/12 –, juris Rn. 17; Beschluss vom 18. Januar 2012 – 6 L 79/11 -, juris Rn. 11).
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die in § 7 Abs. 2 der Satzung für die Anwendung des Quadratwurzelmaßstabes vorgesehene Rundungsregelung, wonach die Flächenmeter aufgerundet werden, wenn die erste Zahl nach dem Komma 5 und größer ist, die Flächenmeter hingegen abgerundet werden, wenn die Zahl nach dem Komma kleiner als 5 ist. An einer solchen rein mathematischen Rundungsregelung führt schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität kein Weg vorbei. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass jede Rundung Härten mit sich bringt, wenn der zu rundende Wert gerade auf oder knapp über der Rundungsgrenze liegt und deshalb aufzurunden ist. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesbezüglich sinngemäß ausführt, dass die Anwendung der Rundungsregelung dazu führe, dass die in § 49a Abs. 6 Satz 2 Brandenburgisches Straßengesetz (BbgStrG) vorgeschriebene pauschale Obergrenze für das Gebührenaufkommen von 75 % der Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet überschritten werde, da bei einer Aufrundung ab der Zahl 5 ein Aufrunden viel öfter erfolge, als ein Abrunden, kann dies schon im Ansatz nicht nachvollzogen werden. Denn beim hier angewandten mathematischen Runden wird im Mittel ebenso oft auf- wie abgerundet.
Auch der in § 8 der Satzung normierte Gebührensatz unterliegt entgegen der Auffassung des Klägers keiner Beanstandung. Soweit der Kläger diesbezüglich rügt, dass der Stadtverordnetenversammlung bei Beschluss der Satzung die Kalkulationsdaten nicht vollumfänglich bekannt gewesen seien, ist dies – wie oben ausgeführt wurde - von vornherein nicht geeignet, sich auf die Rechtmäßigkeit des Gebührensatzes auszuwirken.
Was die konkrete Höhe des Gebührensatzes anbelangt, so war eine nähere Überprüfung derselben im Wege der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) jenseits der von dem Kläger erhobenen Bedenken (dazu sogleich) nicht veranlasst. Zwar sind die Verwaltungsgerichte in der Regel verpflichtet, jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze des Zumutbaren zu versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer Meinung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO findet jedoch in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten seine Grenze. Diese besteht nicht nur darin, das Gericht bei der Erforschung des Sachverhalts zu unterstützen, sondern auch und gerade darin, dass ein Kläger die zur Begründung seines Rechtsbehelfs und seiner Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO angeben soll. Solange er dieser Pflicht nicht nachkommt, überprüfbare Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhafter Satzungsbestimmungen nicht nachzugehen. Insoweit ist aufgrund der Bindung der öffentlichen Verwaltung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) davon auszugehen, dass Aufklärungsmaßnahmen nur insofern und insoweit angezeigt sind, als sich dem Gericht im Sinne einer Plausibilitätskontrolle nach den beigezogenen Unterlagen oder dem Sachvortrag der klagenden Partei Fehler und/oder Widersprüche geradezu aufdrängen. Lässt es die klagende Partei insoweit an substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergeben sich auch aus den vom Einrichtungsträger übermittelten Unterlagen keine Hinweise auf Satzungsmängel, insbesondere im Sinne einer Plausibilitätskontrolle keine konkreten Anhaltspunkte für fehlerhafte Kostenansätze oder Ansätze bei den Maßstabseinheiten und damit Gebührensätze, hat es hiermit sein Bewenden. Die Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden.
Gemessen an diesen Vorgaben begegnet der in § 8 der Satzung festgelegte Gebührensatz in Höhe von 0,39 Euro je Quadratwurzelmeter keinen Bedenken. Dessen Kalkulation ist anhand der vom Beklagten eingereichten Unterlagen nachvollziehbar. Der Beklagte hat, was zulässig ist (vgl. Kluge, in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6 Rn. 1366), für die Kostenabschätzung einen Durchschnittswert aus den in den Jahren 2011 - 2013 tatsächlich angefallenen Kosten gebildet und diesen durch die Quadratwurzelmeter der erschlossenen Grundstücke im Stadtgebiet geteilt.
Von dem sich danach ergebenden Satz hat der Beklagten, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist, einen Abschlag von 25 % für das öffentliche Interesse an der Winterreinigung vorgenommen. Soweit der Kläger diesbezüglich sinngemäß vorträgt, ein pauschaler Abschlag für das Allgemeininteresse von nur 25 % sei im Hinblick auf die Straße, an die sein Grundstück angrenze, nicht leistungsgerecht, da es sich um eine überörtliche Straße mit Durchgangsverkehr handele und insoweit unterschiedliche Gebührensätze für das Satzungsgebiet fordert, kann dem nicht gefolgt werden. Die Festlegung der Höhe des auf das Allgemeininteresse entfallenden Teils der Straßenreinigungskosten (kommunaler Eigenanteil) liegt im Ermessen des Landes- bzw. Ortsgesetzgebers (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 1989 – 8 C 90/87 –, juris Rn.19; OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 2016 – 9 KN 288/13 –, juris Rn. 17; Hessischer VGH, Urteil vom 20. November 2014 – 5 A 1992/13 –, juris Rn. 35; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Juni 2007 – 9 A 956/03 –, juris Rn. 24). Dabei belässt ihm der Gleichheitssatz für die Bewertung des Allgemeininteresses eine weitgehende Einschätzungsfreiheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 1989 – 8 C 90/87 –, juris Rn.19). Der diesbezüglich vom Landesgesetzgeber in § 49a Abs. 6 Satz 2 BbgStrG festgelegte kommunale Eigenanteil von mindestens 25 % der Gesamtkosten der Straßenreinigung ist insoweit angemessen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 20. Mai 2002 – 13 U 9125/99 -, juris Rn. 3; Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 8. Aufl. Rn. 353; Kluge, in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6 Rn.1379;). Es begegnet mithin keinen Bedenken, dass der Beklagte hier diesen nicht umlagefähigen Teil von mindestens 25 % pauschal als das öffentliche Interesse an der Straßenreinigung veranschlagt hat.
Auch im Übrigen war der Beklagte vorliegend nicht verpflichtet, in seiner Satzung unterschiedliche Gebührensätze für unterschiedliche Straßen(gruppen) festzulegen. Findet der Winterdienst regelmäßig für alle Straßen gleich häufig und in gleichem Umfang statt, können die Winterdienstkosten über eine Einheitsgebühr mit einheitlichem Gebührensatz abgerechnet werden bzw. ist die Festlegung eines einheitlichen Gebührensatzes in der Satzung grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. August 2009 – 1 L 131/08 –, juris Rn. 11 f.; Kluge,in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6Rn. 1367; nach Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 9 A 72.05 -, juris Rn. 37 ist die Erhebung einer Einheitsgebühr in diesem Fall nicht nur zulässig, sondern auch geboten). Nur wenn gewichtige Unterschiede in der Leistungserbringung bestehen, muss dem durch eine entsprechend differenzierte Gebührenstruktur Rechnung getragen werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Mai 2003 – 9 A 4716/00 –, juris Rn. 26; Urteil vom 16. September 1996 – 9 A 1888/93 -, juris Rn. 14; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. Juni 1998 – 2 L 88/97 –, juris Rn. 37; Kluge,in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6Rn. 1370). Anderenfalls läge ein Verstoß gegen die Grundsätze der Leistungsproportionalität und der Abgabengerechtigkeit vor (vgl. hierzu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. August 2009 – 1 L 131/08 -, juris Rn. 10; VG Cottbus, Urteil vom 21. August 2013 – 6 K 552/12 –, juris Rn. 21 ff).
Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Leistungserbringung bzw. Arbeitsweise des Winterdienstes sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Der Kläger hat solche nicht konkret vorgetragen oder gar belegt. Der Beklagte hat auf Nachfrage des Gerichts erklärt, dass es beim Umfang der Winterwartung keine Priorisierung von Straßen gab. Lediglich eine gewisse Reihenfolge sei stets beachtet worden (bspw. Vorrang von Straßen, die zu den Grundschulen und Kindertagesstätten führen). Auch aus dem von ihm eingereichten Einsatzplan für den Winterdienst lässt sich nichts dafür entnehmen, dass bestimmte Straßen im Stadtgebiet nicht oder nur in wesentlich geringerem Umfang als andere Straßen gewartet wurden. Eine weitere Aufklärung durch das Gericht war insoweit nicht veranlasst.
Die der Gebührenerhebung zugrunde liegende Satzung leidet entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht an einem zu ihrer Unwirksamkeit führenden Bestimmtheitsmangel. Die in § 10 Abs. 1 der Satzung getroffenen Festlegungen sind insoweit nicht zu beanstanden. So legt § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung zunächst unmissverständlich fest, das Erhebungs- bzw. Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr ist, dieses also der Zeitraum ist, in dem die durch die Gebühr abzugeltende Leistung erbracht wird. Weiterhin legt § 10 Abs. 1 Satz 2 der Satzung fest, dass die Gebühr mit dem ersten des Monats entsteht, der auf den Beginn des Winterdienstes folgt. Auch diese Regelung ist hinreichend bestimmt und nicht zu beanstanden. Zwar entsteht bei einer – so wie hier der Fall - laufenden Jahresgebühr die Gebührenschuld grundsätzlich erst mit Ablauf des Kalenderjahres (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. September 2015 – 4 LB 39/14 –, juris Rn. 98; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7. November 1996 – 4 K 11/96 –, juris Rn. 24; VG Cottbus, Urteil vom 30. März 2021 – 6 K 627/20 –, juris Rn. 75; Urteil vom 24. Oktober 2019 – 6 K 1847/16 –, juris Rn. 40; Kluge, in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6 Rn. 803). Satzungsmäßig kann aber etwas hiervon Abweichendes festgelegt werden. Dies ist mit § 10 Abs. 1 Satz 2 der Satzung erfolgt, wonach die Gebühr nicht erst mit Ablauf des erhebungsrelevanten Jahres entsteht, sondern bereits mit dem ersten des Monats, der auf den Beginn des Winterdienstes folgt. Damit wird eine „antizipierte Gebühr“ normiert. Denn der Gebührenanspruch der Stadt entsteht danach schon während des Verlaufs des Leistungs- bzw. Gebührenerhebungszeitraumes für den gesamten Zeitraum der Erbringung von Winterdienstleistungen in voller Höhe. Eine solche „antizipierte Gebührenerhebung“ ist für die hier streitgegenständlichen Winterdienstgebühren zulässig. Denn die Erbringung der weiteren Leistungen für den gesamten Leistungszeitraum ist aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung (vgl. § 49a Abs. 1 und Abs.2 Satz 1 Nr. 3 BbgStrG) gesichert und Art und Umfang der Leistungserbringung stehen aufgrund der einschlägigen satzungsrechtlichen Regelungen im Wesentlichen fest (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 20. November 2014 – 5 A 1992/13 -, juris Rn. 25; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Oktober 1983 – 2 B 1943/83 -, KStZ 1984, S. 79 f., Kluge, in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6 Rn. 804 ff.; Wagner, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Komm., § 6 Rn. 694).
Die Unwirksamkeit der Satzung folgt schließlich auch nicht aus der darin vorgesehenen Übertragung des Winterdienstes auf Gehwegen auf die Anlieger. Dies steht im Einklang mit der landesgesetzlichen Übertragungsermächtigung des § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG. Dem vom Kläger angeführten Urteil des VG Potsdams vom 26. September 2013 (– 10 K 2786/12 –, juris) kann insoweit nichts Anderes entnommen werden. Abgesehen davon, dass dieses Urteil im Berufungsverfahren keinen Bestand hatte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 9 B 21.14 -, juris), wurde darin insbesondere die Übertragung der Reinigungspflicht auf Fahrbahnen beanstandet. Solches sieht der winterdienstrechtliche Teil der hier streitgegenständlichen Satzung jedoch überhaupt nicht vor.
Auch die konkrete Veranlagung ist hier nicht zu beanstanden.
So begegnet es zunächst keinen Bedenken, dass der Beklagte hier zwei Flurstücke, Flurstück 2... der Flur 7... und Flurstück 1... der Flur 2... , gemeinsam veranlagt hat. Insoweit kann offen bleiben, ob es sich bei den beiden Flurstücken um zwei selbständige Buchgrundstücke oder um ein Buchgrundstück handelt, da sie, wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2016 ausgeführt hat, auf einem Grundbuchblatt geführt werden. Zwar ist als Grundstück im straßenreinigungsrechtlichen Sinne grundsätzlich das Buchgrundstück anzusehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Februar 2016 – 9 A 15.13 –, juris Rn. 62; Beschluss vom 26. August 2015 – 9 S 36.16 –, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. März 2020 – 9 A 1126/18 –, juris Rn. 18) und allein die Buchung auf einem gemeinsamen Grundbuchblatt verbindet zwei Flurstücke noch nicht zu einem einheitlichen Buchgrundstück. Vielmehr ist hierfür darüber hinaus erforderlich, dass diese auch unter einer gemeinsamen Nummer geführt werden (vgl. hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 17 Rn. 5; VG Cottbus, Beschluss vom 11. Mai 2011 - VG 6 L 56/11 -, S. 6 des E. A.). Vorliegend kommt es aber auf die katasterrechtliche Beurteilung der beiden Flurstücke nicht an. Denn ausnahmsweise bilden auch zwei selbständige Buchgrundstücke ein einziges Grundstück im straßenreinigungsgebührenrechtlichen Sinne und können demzufolge gemeinsam veranlagt werden, wenn beide demselben Eigentümer gehören und wenigstens eines von ihnen zwar nicht für sich genommen, wohl aber zusammen mit dem anderen auf eine - innerhalb geschlossener Ortslagen übliche und sinnvolle Art - wirtschaftlich genutzt werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. August 2015 – 9 S 36.16 –, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. März 2020 – 9 A 1126/18 –, juris Rn. 21; Kluge, in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6 Rn. 1210). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn beide Flurstücke stehen im Miteigentums des Klägers und seiner Ehefrau und das Flurstück 1... der Flur 2... ist ausweislich der im Veraltungsvorgang enthaltenen Luftbildaufnahme zu klein und auch zu schmal geschnitten, um selbständig wirtschaftlich genutzt werden zu können. Gemeinsam mit dem angrenzenden und ebenfalls durch die Hauptstraße erschlossenen Flurstück 2... der Flur 7... ist dies aber möglich.
Der angefochtene Bescheid leidet auch nicht an einem Ermessensfehler, weil der Beklagte gerade den Kläger als einen von zwei Gesamtschuldnern in Anspruch genommen hat. Nach § 9 Abs. 1 der Satzung sind die Eigentümer des erschlossenen Grundstücks – hier der Kläger und seine Ehefrau – gebührenpflichtig. Gemäß § 9 Abs. 2 der Satzung des Beklagten haften mehrere Gebührenpflichtige als Gesamtschuldner. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b. KAG i. V. m. § 44 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Die Auswahl eines Gesamtschuldners liegt dabei im pflichtgemäßen Ermessen der abgabenberechtigten Körperschaft. Dies folgt aus dem ergänzend heranzuziehenden § 421 Satz 1 BGB wobei an die Stelle von dessen Worten "nach Belieben" sinngemäß die Worte "nach Ermessen" treten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2010 – 3 B 17/10 –, juris Rn. 10; Urteil vom 22. Januar 1993 – 8 C 57/91 –, juris Rn. 20). Dieses bei der Schuldnerauswahl eröffnete Ermessen lässt dem Abgabengläubiger einen sehr weiten Spielraum. Er ist insoweit auch nicht verpflichtet, seine Auswahlentscheidung näher zu begründen. Denn die Anordnung der Gesamtschuld in einer Gebührensatzung verfolgt den Sinn und Zweck, es dem Träger der gebührenpflichtigen Einrichtung zu ermöglichen, seine Gebührenforderung rasch und sicher zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund darf der Gebührengläubiger innerhalb der Grenzen, die ihm das Willkürverbot und die offenbare Unbilligkeit setzen, ohne nähere Begründung denjenigen Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, der ihm dafür unter dem Blickwinkel der Verwaltungspraktikabilität geeignet erscheint. Maßstab der Ermessensausübung hat insoweit vor allem die Zweckmäßigkeit und die Effizienz zu sein (vgl. - zu anderen Fällen der im Interesse der Verwaltungseffizienz angeordneten gesamtschuldnerischen Haftung - BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 57.91 -, juris Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 – 1 B 25.14 –, juris Rn. 33; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. August 2018 – 9 B 1020/18 –, juris Rn. 7; Urteil vom 23. Juli 2014 – 9 A 169/12 -, juris Rn. 50; OVG Bremen, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 1 A 253/12 -, juris Rn. 36; Bayerischer VGH, Beschluss vom 14. September 2015 - 4 ZB 15.1029 -, juris Rn. 7 f.). |
Als einzigem Adressaten eines Gebührenbescheides ist dem Kläger entgegen seiner Auffassung dadurch auch nicht die Möglichkeit zum Gesamtschuldnerausgleich genommen worden. Denn die Gesamtschuldnerschafft wird nicht erst durch die Festsetzung der Gebühr in einem Bescheid begründet. Vielmehr entsteht diese dadurch, dass mehrere Gebührenschuldner, etwa Grundstückseigentümer, denselben Gebührentatbestand erfüllen (Kluge, in: Becker u. a., KAG Bbg, Komm., § 6 Rn. 1298). Demzufolge kommt es für den Ausgleichsanspruch eines Gesamtschuldners im Innenverhältnis gegenüber den anderen Gesamtschuldnern nicht darauf an, dass auch den anderen gegenüber Bescheide ergangen sind.
Gründe, an der Rechtmäßigkeit der Veranlagung als solcher im Übrigen, insbesondere an deren Höhe zu zweifeln, sind weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich.
Schließlich ist auch die Gebührenfestsetzung schon im Mai 2016 für das gesamte Jahr 2016 nicht zu beanstanden. Denn wie oben ausgeführt wurde, hat der Beklagte in § 10 Abs. 1 seiner Satzung eine wirksame Regelung zur vorzeitigen Entstehung der Winterdienstgebühr getroffen und war eine antizipierte Gebührenerhebung hier zulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.