Gericht | ArbG Brandenburg 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 26.08.2020 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 2 Ca 332/20 | ECLI | ECLI:DE:ARBGBRA:2020:0826.2CA332.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 27. April 2020, zugegangen am 28. April 2020, zum 30.06.2020 aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Klageantrages zu 1.) zu den bestehenden Arbeitsbedingungen als technischer Leiter über den Ablauf der Kündigungsfrist 30.06.2020 hinaus weiter zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis gemäß § 109 GewO in Textform zu erteilen, welches sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.
4. Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis aufzulösen wird zurückgewiesen.
5. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
6. Der Streitwert wird auf 17.000,00 Euro festgesetzt.
Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der am 21.02.1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten in verschiedenen Funktionen unter anderem als Heimleiter, zuletzt als Leiter des technischen Bereiches gegen ein Entgelt von 3.400,00 Euro brutto je Monat beschäftigt. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der auf dem Gebiet der Arbeitsförderung, Regionalentwicklung, Kinder- und Jugendhilfe sowie im Bereich der Migration durch das Betreiben von Gemeinschaftsunterkünften mobiler Migrationssozialarbeit tätig ist.
Nachdem die Beklagte mit einem weiteren Mitarbeiter K. arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen hatte, und dieser Mitarbeiter der Beklagten eine rechtsextreme Gesinnung unterstellte, übergab die Zeugin W. der Beklagten einen WhatsApp-Chat einer von dem Arbeitnehmer K. erstellten WhatsApp-Gruppe. Ausschnitte des Chats, der Gruppe mit dem Titel „die nicht Verstrahlten!“ wurden von dem Zeugen K. an den Vorstand sowie die „Märkische Allgemeine Zeitung“, die darüber berichtete, zur Kenntnis gegeben.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zu dem Kläger mit Schreiben vom 27.04.2020, welches dem Kläger am 28.04.2020 zuging, zum 30.06.2020.
Mit der am 07.05.2020 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung, seine Weiterbeschäftigung, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses bzw. Endzeugnisses geltend und trägt vor: Es sei zwar richtig, dass er an einem WhatsApp-Chat der in einer von dem Zeugen K. erstellten Gruppe geführt worden sei, teilgenommen habe, jedoch habe er diesen Chat ebenso wie die anderen Teilnehmer lediglich auf seinem privaten Handy geführt. Dieses sei zwischenzeitlich nicht mehr in seinem Besitz, so dass er sich an den Wortlaut des Chats sowie den Inhalt der von ihm geäußerten Aussagen nicht mehr erinnern könne. Jedenfalls handele es sich bei der Chat-Korrespondenz um eine rein private Unterhaltung von Arbeitskollegen, die nicht dienstlich, insbesondere nicht auf Diensthandys geführt worden sei. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen würden.
Er hätte nicht damit rechnen müssen, dass durch sie der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet werde. Er habe auch die Vertraulichkeit dieses Gespräches nicht aufgehoben, so dass dies auch nicht zu seinen Lasten gehen könne.
Der Schutz der Privatsphäre und Meinungsfreiheit könne ihm gegenüber nicht eingeschränkt werden.
Selbst wenn er aber Äußerungen wie sie von der Beklagten behauptet werden, gemacht haben sollte, sei ihm keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. So habe er keinerlei Nachrichten an andere als die Mitglieder der Chatgruppe verteilt oder nach außen getragen.
Er habe auch keine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt, indem er die Beklagte über die fremdenfeindlichen Äußerungen der ehemaligen Mitarbeiter W. und K. nicht in Kenntnis zu setzen.
Wenn der Chat bewertet werde, soweit er denn von dem Kläger stammen sollte, seien seine Aussagen vom Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt. Der Grundrechtsschutz bestehe unabhängig davon, welches Medium der Arbeitnehmer für seine Meinungsäußerung nutze und ob dieses rational oder emotional begründet oder unbegründet sei. Jedenfalls stünden die in das Verfahren eingeführten angeblichen Äußerungen des Klägers im Gesamtkontext einer – wenn auch einseitigen und möglicherweise überzogenen – Bewertung des von dem Kläger als belastend empfundenen Verhaltens der Bewohner der von der Beklagten betriebenen Unterkünfte und stelle damit ein Werturteil dar.
Soweit dem Kläger die Erklärung zugeschrieben werde, … dass gerade Menschen aus Afrika jenseits der Sahara wegen ihrer soziokulturellen Herkunft Hygiene anderes definieren; besonders diejenigen, die nicht aus Kriegsgebieten gekommen sind, empfinden keinen Respekt oder Dankbarkeit dem Gastgeber gegenüber“, äußere er lediglich ein Werturteil, welches eine fremdenfeindliche Gesinnung nicht belege.
Selbst wenn er dies so geäußert hätte, handele es sich bei dem Hinweis auf eine Tendenz zum Parasitismus, ebenso nur um ein Werturteil.
Dabei sei das Arbeitsumfeld der Teilnehmer der Chatgruppe zu berücksichtigen. So käme es in der Gemeinschaftsunterkunft K., in der sich überwiegend männliche Straftäter aufhielten, häufiger zu Straftaten wie Brandstiftung, Morddrohung gegen Mitarbeiter, Drogendelikte, Sachbeschädigung und verbalen Übergriffen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Vor diesem Hintergrund hätte sich auf die Mitarbeiter der Leitungsebene, auch dem Kläger, erheblicher Druck aufgebaut.
Zugleich habe es gegenüber den Verantwortlichen des Beklagten immer wieder Beschwerden von Dritten über Hygienezustände der Unterkünfte sowie auch Kakerlakenbefall und verdreckte Räumlichkeiten gegeben.
Die Beklagte habe bei der Bewertung der Vorgänge nicht hinreichend gewürdigt, dass der Kläger durch Änderung des Arbeitsvertrages vom 19.06.2019 als Technischer Leiter beschäftigt sei und nicht im Migrationsbereich tätig ist.
Darüber hinaus sei auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge K. offensichtlich absichtlich provoziert habe, indem er durch ein rechtswidriges Verhalten einen Angriff herausforderte, indem er in dem Chat schrieb: „Igitt, diese menschlichen Kakerlaken. Heute hat mich diese widerliche Afrikanerin, die dir damals das Fleisch auf den Tisch geklatscht hat, angeschrien. Ich würde alle abschieben, am besten in ein syrisches Foltergefängnis“ sowie mitteilte, dass er ein wissenschaftliches Buch geschrieben habe, welches „Integration nach den Prinzipien des Grundgesetzes“ heiße und ziemlich hart im Gericht mit der Flüchtlingspolitik und der Pseudointegration gehe.
Der Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 27. April 2020, zugegangen am 28. April 2020, zum 30.06.2020 aufgelöst worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern unverändert fortbesteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Klageantrages zu 1.) zu den bestehenden Arbeitsbedingungen als technischer Leiter über den Ablauf der Kündigungsfrist 30.06.2020 hinaus weiter zu beschäftigen.
Hilfsweise:
4. Die Beklagte wird den Kläger zu den bisherigen vertraglichen Arbeitsbedingungen als technischer Leiter per 01.07.2020 wiedereinzustellen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis gemäß § 109 GewO in Textform zu erteilen, welches sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.
Hilfsweise:
6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zeugnis gemäß § 109 GewO in Textform zu erteilen, welches sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass sie mit den Mitarbeitenden im Asylbereich in einem internen Diskussionsprozess ein Leitbild für die soziale Arbeit mit Migranten/-innen erarbeitet habe. Der Kläger sei bis zum Herbst 2019 Heimleiter einer Flüchtlingseinrichtung gewesen, nunmehr technischer Leiter und Arbeitsschutzbeauftragter und auch in den Flüchtlingseinrichtungen tätig. Der Kläger habe sich abfällig und fremdenfeindlich in einem über WhatsApp geführten Chat mit zwei weiteren ehemaligen Mitarbeitern des Beklagten beteiligt. So habe er geäußert:
„Diese Lebensformen (Kamerunerin + P.) verbringen ihre Zeit in Symbiose mit Tendenz zum Parasitismus. Ein gutes Beispiel ist der Bandwurm: zuerst ist das Abnehmen des Wirtes angenehm … und auch das Kribbeln im Bauch wird gerade von älteren Mitbürgerinnen als Erinnerung an die Jugend wahrgenommen. Dann ist aber der Wirt irgendwann ausgesaugt! … aber Wurm hat schon längst Eier für den nächsten Gutmenschen gelegt …“
Darüber hinaus habe er geäußert, dass gerade Menschen aus Afrika jenseits der Sahara wegen ihrer soziokulturellen Herkunft Hygiene anders definierten, besonders diejenigen, die nicht aus Kriegsgebieten gekommen seien, empfänden keinen Respekt oder gar Dankbarkeit dem Gastgeber gegenüber, solche Typen gehörten in eine Abschiebeeinrichtung, sowie weiter:
„… es sind im Heim nur B. und der Messerstecher aus dem Busch, die in K. anstrengend sind.“
Über eine Mitarbeiterin:
„… sie fühlt sich doch berufen diese subjekte zu retten.“
sowie weiter:
„… wer kein Asyl bekommen hat muss uns verlassen = Perspektive! Warum beim IB solche Zustände? Weil Sozialromantik schlicht hartes durchgreifen unmöglich macht … der Landkreis bekommt schlicht das, was eingekauft wurde, … Diese Typen gehören in eine Abschiebeeinrichtung! … Lieber geben wir Millionen für sinnfreie Sozialarbeit etc. aus.“
Die Beklagte reichte den Ausdruck des Chats zur Akte. Bezüglich des Inhalts wird auf Blatt 65 ff. der Akte verwiesen.
Sie meint, dass die Chatbeiträge belegten, dass der Kläger ein problematisches Verhältnis zu mehreren Mitarbeitern des Beklagten hatte bzw. hat.
Darüber zeige auch sein Verhalten im Prozess, nämlich das bewusste Inabredestellen des Empfangs und die Versendung des fremdenfeindlichen Chatinhalts und das sehr schwierige Verhältnis zu anderen Mitarbeitern, dass das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers bzw. in eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit irreparabel zerstört sei.
So stellten die fremdenfeindlichen Äußerungen des Klägers einen erheblichen Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme gemäß § 241 BGB aus dem Arbeitsverhältnis dar.
Die klägerischen Äußerungen seien mit dem Leitbild des Beklagten für eines nicht vereinbarungsgeeigneten der Reputation des Beklagten als Träger der Migrationssozialarbeit dauerhaft erheblichen Schaden zuzufügen. Die Beklagte könne den Chat auch zur Stützung der Kündigung verwenden, da jeder Teilnehmende des WhatsApp-Chats die Möglichkeit habe, den Gesprächsinhalt mit nur einem Klick an unzählige Kontakte weiterzuleiten.
Auf das Recht zur freien Meinungsäußerung könne sich der Kläger nicht berufen, denn dieses Grundrecht sei nicht schrankenlos gewährt. So würde die Meinungsfreiheit durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Artikel 5 Abs. 2 Grundgesetz beschränkt und müsse mit diesem in einem ausgeglichenen Verhältnis gebracht werden. Herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, seien nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt.
Anhand der Äußerung des Klägers im Chat werde deutlich, dass es ihm nicht darum ging, die Flüchtlingspolitik als solche zu kritisieren. Vielmehr habe für den Kläger die Diskriminierung von Migranten im Vordergrund gestanden. Deutlich werde dies in der Äußerung, in der er eine Kamerunerin mit einem Parasiten bzw. Bandwurm gleichsetze.
Darüber hinaus habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten auch dadurch verletzt, dass er es unterlassen habe, dem Beklagten über die fremdenfeindlichen Äußerungen der ehemaligen Mitarbeiter W. und K. in Kenntnis zu setzen.
So habe die Arbeitnehmerin W. im Chat mehrfach Inhalte aus rechtsextrem einzustufenden Internetportalen geteilt und Sympathie mit deren Aussagen geäußert. Auch habe sich die Zeugin W. mehrfach abfällig und beleidigend gegenüber den Klienten des Vereins geäußert, indem sie beispielsweise äußerte: „Das Problem ist unsere Politik. Wenn du nicht so bist, wie die Gutmenschen, dann bis du eben ein Nazi … so etwas darf man nicht sagen. Nein … wir sind Schuld. Am Dreck, an den Kakerlaken und wenn sie durchdrehen …“
Der ehemalige Mitarbeiter K. habe im Chat geäußert, dass er alle abschieben würde, am besten direkt in ein syrisches Foltergefängnis, woraufhin Frau W. kurz geantwortet habe, dass sie dafür sei.
Im Ergebnis seien die Pflichtverletzungen derart schwerwiegend, dass die Kündigung begründet sei, jedenfalls sei ihr das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis zu dem Kläger jedoch nicht zumutbar, so dass es gegebenenfalls aufgelöst werden müsse.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Akten und die Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen, die Gegenstand der Erörterung waren.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Beklagte konnte das Arbeitsverhältnis zu dem Kläger nicht durch die Kündigung beenden.
Die Kündigung ist unwirksam.
Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, da bei der Beklagten regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind und der Kläger auch mehr als 6 Monate bei der Beklagten arbeitete.
Gemäß § 2 Kündigungsschutzgesetz kann das Arbeitsverhältnis gekündigt werden, wenn Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die eine Kündigung rechtfertigen. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein zur Kündigung berechtigender Grund vorliegt und damit, ob im jeweiligen Einzelfall ein ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber das Fehlverhalten des Arbeitnehmers ebenfalls mit einer Kündigung geahndet hätte.
Vorliegend begründet die Beklagte die Pflichtverletzungen des Klägers mit seinen Äußerungen in dem WhatsApp-Chat bzw. dem Umstand, dass er die Äußerungen der Kollegin bzw. des Kollegen nicht der Beklagten bekannt gegeben hat.
Die Beklagte ist jedoch daran gehindert, die private WhatsApp-Unterhaltung des Klägers zu verwerten.
So durfte der Kläger darauf vertrauen, dass seine Äußerungen in dem WhatsApp-Chat nicht nach außen getragen werden und damit der Betriebsfrieden bzw. das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht zerstört wird.
Dies ergibt sich daraus, dass lediglich die Nichtberücksichtigung der vertraulichen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz) gewährleisten können.
So hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass eine vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre als Ausdruck der Persönlichkeit besonders geschützt ist (BAG, 2 AZR 418/2001, zitiert nach NZA NJ OZ 2003, 3172). Das BAG führt weiter aus, dass ein Arbeitnehmer nicht gehalten ist, von seinem Arbeitgeber und von seinen Kollegen nur positiv zu denken und sich in seiner Privatsphäre ausschließlich positiv über sie zu äußern. Dieses gelte solange, bis der Betroffene diese Vertraulichkeit aufhebe.
Hebe der Gesprächspartner, wie vorliegend, gegen den Willen des sich negativ über seinen Arbeitgeber äußernden Arbeitnehmer die Vertraulichkeit auf, geht dies arbeitsrechtlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG a.a.O.).
Der von drei Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern der Beklagten geführte WhatsApp-Chat ist nicht anders zu beurteilen, als ein mündliches Gespräch zwischen Arbeitnehmern oder wie im Fall der BAG-Entscheidung eines Briefes des Arbeitnehmers an den Personalrat. Entscheidend für die Verwertbarkeit der Aussagen ist jeweils, ob diese im privaten Rahmen getätigt worden sind und ob dabei damit gerechnet werden musste, dass diese Aussagen über den Kreis der Empfänger hinausgetragen werden.
Dabei ist unbeachtlich, ob die technische Möglichkeit besteht, im Rahmen des WhatsApp-Chats einzelne Nachrichten auf einfache Art und Weise anderen zur Kenntnis zu geben. Dies ist im Übrigen auch bei Briefen durch Kopieren, Abfotografieren, sogar bei Gesprächen durch Weitererzählen möglich.
Der Zeuge K. erstellte die WhatsApp-Gruppe. Er hat sowohl die Zeugin W. als auch den Kläger dieser Gruppe hinzugefügt. Nach den Ausführungen des beklagten Vereines gab es keine weiteren Mitglieder. Der Chat enthält – wie jede WhatsApp-Chatgruppe – zunächst den Hinweis, dass die Kommunikation verschlüsselt erfolgt. Das macht zunächst deutlich, dass andere keinen Zugriff auf die Nachrichten haben – der Chat also privat ist und bleibt.
Nach den Bekundungen der Beklagten gab es keinerlei dienstliche Verpflichtung oder dienstlichen Anlass zur Führung des Chats, auch ist er nicht auf einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Diensthandy oder ähnlichem Gerät geführt worden.
Der Kläger sowie die weiteren Beteiligten nutzten hierzu ausschließlich ihre Privatgeräte. Weder bei dem Beginn noch im Verlauf des Chats ergeben sich Hinweise darauf, dass einer oder mehrere der Chattenden davon ausgehen, dass die Nachrichten, die sie hier austauschen, nicht innerhalb ihrer Gruppe verbleiben, sondern nach außen getragen werden.
Dem Chat sind auch keine Umstände zu entnehmen, die den Kläger verpflichtet hätten, Inhalte des Chats etwa wegen der Verabredung von Straftaten oder ähnlichem staatlichen Stellen oder anderen zur Kenntnis zu geben.
Die Kammer will zwar betonen, dass die Inhalte der Äußerungen, so sie denn in einem offenen ungeschützten Kontext nach außen oder gegenüber dem Arbeitgeber oder den Bewohnerinnen oder Bewohnern gefallen wären, erhebliche Pflichtverletzungen, die auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen kann, zum Gegenstand haben.
Jedoch ist nach Auffassung der Kammer ein WhatsApp-Chat wie jedes andere Privatgespräch auch durch das Persönlichkeitsrecht vor unbefugter Kenntnisnahme bzw. Verwertung zum Ausspruch von Kündigungen geschützt.
Da der Kläger offensichtlich weder von der Weitergabe des Chats durch die Arbeitnehmerin W. unterrichtet worden ist, noch dieser zugestimmt hat, kann die Beklagte die dem Kläger zugeschriebenen Äußerungen des WhatsApp-Chats nicht verwenden.
Die Beklagte trägt auch keine weiteren Umstände aus der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses oder dem Verhalten des Klägers zu Kundinnen oder Kunden des Vereines zu Bewohnerinnen oder Bewohnern der Flüchtlingsheime vor, die darauf schließen lässt, dass der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben könnte. Mithin besteht wegen der Nichtverwertbarkeit des Chatverlaufs keinerlei Kündigungsgrund.
Der Auflösungsantrag der Beklagten war aus den gleichen Gründen zurückzuweisen, da das Gericht zwar das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls auflösen kann, soweit es der Beklagten nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Jedoch kann auch insoweit der Inhalt des Chats nicht verwertet werden, woraus sich ergibt, dass der Beklagten auch insoweit kein Grund zusteht, aus dem heraus es ihr unzumutbar wäre, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten.
Die Beklagte war zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, da sie das Arbeitsverhältnis kündigte und so Anlass gibt, dass der Kläger sich zur Schadensminderung um ein neues Arbeitsverhältnis bemühen kann.
Der Ausspruch zur Weiterbeschäftigung folge aus den vom Großen Senat des BAG entwickelten Grundsätzen und versteht sich als solcher bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Streitwert war in Höhe der Summe von drei Bruttomonatsgehältern wegen des Kündigungsschutzantrages, einem wegen des Zeugnis- bzw. Zwischenzeugnisantrages, ein weiteres wegen des Weiterbeschäftigungsantrages festzusetzen. Der Auflösungsantrag wirkt nicht streitwerterhöhend.