Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 10.09.2021 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 826/19 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0910.6K826.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 KAG BB, § 2 KAG BB, § 4 Abs 2 KAG BB, § 5 Abs 1 KAG BB, § 823 BGB |
Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 17. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2019 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Gebühren für die Erteilung von Leitungsauskünften.
Sie führte im Auftrag eines Telekommunikationsunternehmens Kabeltiefbauarbeiten in der Stadt G... durch. Vorab wandte sie sich mehrfach an den Beklagten, einen Wasser- und Abwasserzweckverband, um von ihm Auskunft über etwaige im Bereich des jeweiligen Bauvorhabens vorhandene Leitungen zu erhalten. Der Beklagte erteilte daraufhin in fünf Fällen eine sogenannte Schachtgenehmigung, der jeweils ein Leitungsplan beigefügt war. Hierfür setzte er mit Bescheid vom 17. Januar 2019 eine Gebühr in Höhe von jeweils 20,00 Euro fest, was einschließlich einer Mehrwertsteuer in Höhe von 19,00 Euro den Gesamtbetrag von 119,00 Euro ergab.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2019, beim Beklagten eingegangen am 28. Januar 2019, sandte die Klägerin den Gebührenbescheid an den Beklagten zurück. Dies begründete sie damit, dass der Beklagte ihr im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gesetzlich zur Erteilung einer Leitungsauskunft verpflichtet sei und daher hierfür keine Kosten geltend machen könne.
Der Beklagte wertete dieses Schreiben als Widerspruch gegen den Gebührenbescheid und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2019 zurück.
Am 20. Juni 2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt sie vor, dass die der Gebührenerhebung zugrundeliegende Verwaltungsgebührensatzung des Beklagten nichtig sei. Im Übrigen sei es allgemeine Ansicht, dass Anlagenbetreiber gegenüber bauausführenden Firmen rechtlich verpflichtet seien, unentgeltliche Leitungsauskünfte zu erteilen. Dies ergebe sich insbesondere aus deren gesetzlicher Schadensminderungspflicht. Auf Seiten der Anlagenbetreiber bestehe insoweit ein ureigenes Interesse an der Nichtbeschädigung ihrer Anlagen und Leitungen. Deshalb dürfe auch ein öffentlich-rechtlicher Anlagenbetreiber hierfür in seiner Gebührensatzung keine Gebühren vorsehen. Anderenfalls würde sich dieser gegenüber einem privaten Anlagenbetreiber besserstellen.
Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2020 hat die Klägerin die vorliegende Klage um den Gebührenbescheid des Beklagten vom 10. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2020 sowie um einen weiteren Gebührenbescheid vom 4. August 2020 erweitert. Insoweit hat die Kammer das Verfahren mit Beschluss vom 9. September 2021 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen V... fortgeführt.
Die Klägerin hat schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2019 aufzuheben.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, dass er mit seiner Verwaltungsgebührensatzung über eine wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitgegenständlichen Gebühren verfüge. Diese seien auch zutreffend gegenüber der Klägerin festgesetzt worden, da diese mit der Leitungsauskunft eine gebührenpflichtige Leistung beantragt und erhalten habe. Die Höhe der Gebühr sei zutreffend gemäß dem einschlägigen Gebührentarif in der Anlage zur Verwaltungsgebührensatzung berechnet worden. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Klägerin durch die festgesetzten Gebühren nicht wirtschaftlich belastet sei, da sie diese ihrem Auftraggeber in Rechnung stellen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die jeweils der Entscheidung zu Grunde lagen.
Die Kammer konnte gemäß § 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden, da diesem der Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. August 2020 zur Entscheidung übertragen worden ist. Der Einzelrichter konnte ferner im Wege des schriftlichen Verfahrens (§ 101 Abs. 2 VwGO) entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist als Anfechtungsklagen gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist das nach § 68 VwGO erforderliche Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Beklagte hat das innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei ihm eingegangene Schreiben der damals noch nicht anwaltlich vertretenen Klägerin vom 23. Januar 2019 zutreffend als Widerspruch gegen seinen Gebührenbescheid vom 17. Januar 2019 ausgelegt. Denn es lässt sich ihm hinreichend deutlich und unter ausdrücklicher Benennung des vorgenannten Bescheides entnehmen, dass die Klägerin die darin festgesetzten Gebühren nicht akzeptiert und dessen Aufhebung begehrt.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 17. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin (daher) in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für die streitigen Gebührenfestsetzungen in dem angefochtenen Bescheid kommen allein die Regelungen in §§ 1, 2, 4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) in Verbindung mit §§ 1, 2 und 3 der Verwaltungsgebührensatzung des G... Wasser- und Abwasserzweckverbandes vom 3. Dezember 2018 (VGS) sowie Tarifnummer 3. des hierzu erlassenen Gebührentarifs in Betracht. Nach den erstgenannten Bestimmungen in §§ 1, 2 und 4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 KAG dürfen die Gemeinden auf Grund einer kommunalen Satzung Verwaltungsgebühren als Gegenleistung für eine besondere Leistung - Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit - der Verwaltung von denjenigen erheben, die die Leistung der Verwaltung beantragt haben oder die hiervon unmittelbar begünstigt werden, soweit nicht geltende Gesetze etwas anderes bestimmen. Die Verwaltungsgebührensatzung des Beklagten sieht in § 1 ebenfalls die Erhebung von Verwaltungsgebühren für die in dieser Satzung genannten besonderen Leistungen (Amtshandlungen) und Tätigkeiten des Verbandes vor, deren Höhe sich nach § 3 Nr. 1 VGS aus dem Gebührentarif ergibt und die gemäß § 2 Nr. 1 VGS von denjenigen geschuldet werden, die eine Amtshandlung veranlasst haben oder zu deren Gunsten sie vorgenommen wird. Die Regelungen in Nr. 3 des Gebührentarifs bestimmten schließlich für "Leitungsauskünfte A 4" eine Gebühr von 25,00 Euro (Nr. 3.1 des Tarifs) und für Schachtgenehmigungen eine Gebühr von 20,00 Euro (Nr. 3.5 des Tarifs).
Auf dieser rechtlichen Grundlage darf der Beklagte die hier streitigen Gebühren jedoch nicht erheben. Denn bei der von ihm gegenüber der Klägerin erbrachten Leistung handelt es sich weder um eine Amtshandlung noch um eine sonstige Verwaltungstätigkeit i. S. d. § 4 Abs. 2 KAG.
Bei den in § 4 Abs. 2 KAG genannten Amtshandlungen und sonstigen Verwaltungstätigkeiten, für die kommunale Verwaltungsgebühren erhoben werden können, muss es sich zwingend um öffentlich-rechtliche Tätigkeiten handeln (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Januar 2014 – 9 N 158.12 –, juris Rn. 6). Eine solche liegt hier nicht vor. Die Kammer folgt insoweit der in Rechtsprechung (vgl. Thüringer OVG, Urteil vom 28. Dezember 2016 – 4 KO 210/14 –, juris Rn. 17 ff.; VG Leipzig, Urteil vom 8. Oktober 2001 – 6 K 71/99 –, juris, Orientierungssatz 4.) und Literatur (vgl. Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Komm., § 5 Rn. 9b; Freese, in: Rosenzweig/Freese, NKAG, § 4 Rn. 35) ganz überwiegend vertretenen Auffassung, wonach ein Einrichtungsträger bei der Erteilung einer Leitungsauskunft wegen anstehender Tiefbauarbeiten, auch wenn dies so wie hier in Form einer sogenannten Schachtgenehmigung erfolgt, privatrechtlich tätig wird. Denn Einrichtungsträger und Tiefbauunternehmen bewegen sich hierbei in einem gegenseitigen, privatrechtlichen Pflichtenkreis. Letzteres ist nach ständiger Rechtsprechung zivilrechtlich in erhöhtem Maße verpflichtet, sich vor Beginn der Tiefbauarbeiten nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen im Bereich öffentlicher Straßenflächen zu erkundigen (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 33/05 -, juris Rn. 8 m. w. N.; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 5. April 2017 – 4 U 24/16 –, juris Rn. 25). Anderenfalls kann das Unternehmen Schadensersatzansprüchen des Einrichtungsträgers wegen Beschädigung einer in dessen Eigentum stehenden Leitung nach § 823 Abs. 1 BGB ggf. i. V. m. § 831 BGB ausgesetzt sein. In diesem Zusammenhang ist aber auch der Einrichtungsträger unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens i. S. d. § 254 BGB und der Pflicht zur Schadensminderung verpflichtet, gewissenhaft Auskunft über seinen Leitungsbestand zu erteilen. Darüber hinaus hat dieser ein ureigenes (fiskalisches) Interesse daran, Beschädigungen seines Eigentums zu verhindern bzw. das Risiko der Beschädigung schon im Vorfeld so weit wie möglich zu minimieren (vgl. Thüringer OVG, Urteil vom 28. Dezember 2016 – 4 KO 210/14 –, juris Rn. 19).
Selbst wenn es sich bei der Leitungsauskunft um eine hoheitliche Maßnahme handeln würde, könnte der angefochtene Gebührenbescheid hier keinen Bestand haben. Auch dann wären die einschlägigen Regelungen in Tarifnummer 3 der Anlage zur Verwaltungsgebührensatzung des Beklagten unwirksam. Insoweit bestehen schon Bedenken, ob diese Regelungen dem Bestimmtheitsgebot gerecht werden. Denn es wird nicht hinreichend deutlich was unter den verwendeten Begriffen Leitungsauskunft, Schachtschein, und Schachtgenehmigung inhaltlich zu verstehen ist bzw. worin sich die damit beschriebenen Gebührentatbestände unterscheiden. Der vorliegende Fall zeigt dies exemplarisch. Denn obwohl die Klägerin mit E-Mail vom 2. Oktober 2018 ausdrücklich eine Leitungsauskunft beantragt hat, wurde ihr vom Beklagten eine Schachtgenehmigung übersandt. Jedenfalls genügen aber die unterschiedlichen Gebührensätze für eine „Leitungsauskunft A 4“ in Höhe von 25,00 Euro (vgl. Nr. 3.1 des Gebührentarifs) und eine „Schachtgenehmigung“ in Höhe von 20,00 Euro (vgl. Nr. 3.5 des Gebührentarifs) nicht den Anforderungen des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes. Denn obwohl der Beklagte, wie sich dem Verwaltungsvorgang entnehmen lässt, auch bei einer Schachtgenehmigung regelmäßig einen Leitungsplan im Format DIN A 4 beifügt – anderenfalls würde die Schachtgenehmigung für das Auskunft beantragende Tiefbauunternehmen auch keinen Nutzen haben -, werden hierfür geringere Gebühren erhoben, als für eine reine Leitungsauskunft in Form der Übermittlung eines Leitungsplanes im Format DIN A 4. Sachliche Gründe, die dieses Ungleichgewicht der Gebührentarife zu rechtfertigen vermögen, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. |