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Entscheidung 3 L 259/21


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 28.09.2021
Aktenzeichen 3 L 259/21 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0928.3L259.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 16. Juli 2021 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. Juli 2021 wird hinsichtlich der Ziffern 2 bis 4 wiederhergestellt und hinsichtlich der Ziffer 6 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der wörtliche Antrag des Antragstellers auf „Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung“ bedarf der Auslegung. Er ist darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 16. Juli 2021 gegen die gemäß § 80 Abs. 2 Satz Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für sofort vollziehbar erklärten Verhaltenspflichten in den Ziffern 2 bis 4 des Bescheids des Antragsgegner vom 13. Juli 2021 wiederherzustellen und gegen die Androhung der Zwangsgelder in Ziffer 6, die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, anzuordnen. Statthaft ist folglich ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Demgegenüber bedarf es einer Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der in Ziffer 1 des Bescheids erfolgten Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes nicht, weil dem Widerspruch insoweit bereits kraft Gesetzes ein Suspensiveffekt zukommt. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO haben auch gegen feststellende Verwaltungsakte gerichtete Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung. Dies hat zur Folge, dass aus der getroffenen Feststellung keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgerungen gezogen werden dürfen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2012 – OVG 6 S 20.12 – juris Rn. 4 m.w.N.). Die sofortige Vollziehung der Regelung in Ziffer 1 hat der Antragsgegner nicht angeordnet.

Der Antrag des Antragstellers ist demnach sinngemäß dahin auszulegen,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 16. Juli 2021 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. Juli 2021 hinsichtlich der Ziffern 2 bis 4 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 6 anzuordnen.

Der so verstandene Antrag hat Erfolg.

Bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 der VwGO gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung lässt sich ein überwiegendes privates Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die auferlegten Pflichten in den Ziffer 2 bis 4 des Bescheids des Antragsgegners feststellen.

Voraussetzung für die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Klage durch das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist, dass sich aufgrund der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse ergibt. Hierbei ist in erster Linie darauf abzustellen, ob sich der angegriffene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig oder offensichtlich rechtmäßig erweist.

Hiervon ausgehend fällt die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus, weil die unter den Ziffern 2 bis 4 angeordneten Verhaltenspflichten offensichtlich rechtswidrig sind, da die zugrundeliegende Feststellung der Gefährlichkeit des vom Antragsteller gehaltenen Hundes nicht sofort vollziehbar (und auch nicht bestandskräftig) ist.

Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Antragsteller getroffenen Anordnungen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ein unbeabsichtigtes Entweichen seines Hundes von seinem befriedeten Besitztum zu verhindern (Ziffer 2), ihn außerhalb des befriedeten Besitztums ständig an einer höchstens zwei Meter langen und reißfesten Leine zu führen (Ziffer 3) und ihm einen das Beißen verhindernden Maulkorb anzulegen (Ziffer 4), ist § 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz [OBG]). Danach können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Antragsgegners liegen nicht vor.

Soweit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mit Blick auf die in den Ziffern 2 bis 4 des Bescheids ausgestalteten Gebote des § 3 Abs. 1 Satz 3 (Ziffer 3), § 3 Abs. 3 Satz 2 (Ziffer 4) und wohl des § 2 Abs. 6 Satz 1 (Ziffer 2) der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (Hundehalterverordnung [HundehV]) in Betracht kommt, setzen diese die Gefährlichkeit des Hundes voraus. Dies hat der Antragsgegner in Ziffer 1 festgestellt. Hiergegen hat der Antragsteller aber Widerspruch erhoben, sodass die als rechtliche Folge ausgestalteten Pflichten der Hundehalterverordnung noch nicht bestehen und nicht mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen werden können. Dies hat zur Folge, dass aus der getroffenen Feststellung keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgerungen gezogen werden dürfen (Finkelnburg, in: ders./Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2021, Rn. 635, m.w.N.). Denn die in den Ziffern 2 bis 4 angeordneten Verhaltenspflichten setzen die Vollziehbarkeit der Feststellung nach Ziffer 1 des Bescheids voraus (vgl. zu dieser Konstellation OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2012 – OVG 6 S 20.12 – juris Rn. 4; a.A. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23. August 2010 – 12 ME 138/10 – juris Rn. 11). Dies hat der Antragsgegner vorliegend nicht beachtet, indem er in Ziffer 5 des Bescheids lediglich die sofortige Vollziehung der Regelungen in den Ziffern 2 bis 4 angeordnet hat.

Dem steht nicht entgegen, dass die Hundehalterverordnung eine positive Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nicht voraussetzt, sondern diese auch inzident erfolgen kann (vgl. Beschluss der Kammer vom 27. Mai 2019 – 3 L 79/19 – juris Rn. 16 m.w.N.). An der konkreten Ausgestaltung des Bescheids muss sich der Antragsgegner festhalten lassen, zumal er es in der Hand hat, ihn anders zu formulieren bzw. die sofortige Vollziehung des feststellenden Teils gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 7).

Ebenso ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die unter Ziffer 6 des Bescheids erfolgten Zwangsgeldandrohungen anzuordnen, da die Voraussetzungen für die Anwendung von Zwangsmitteln nach der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr vorliegen. Es fehlt an einem vollstreckbaren Verwaltungsakt.

Auf die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen für ein Einschreiten der Behörde vorlagen, etwa, ob der vom Antragsteller gehaltene Hund als gefährlich anzusehen ist, weil er als bissig gilt, kommt es daher nicht an. Gleichwohl dürfte nach der im einstweiligen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung viel für die Annahme der Gefährlichkeit des Hundes sprechen, insbesondere die übereinstimmenden Aussagen der durch den Biss verletzten Frau W... und der beim Bissvorfall anwesenden Zeugin L... . Soweit der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner behauptet, am Tag des Bissvorfalls den Hund „mit Gewissheit nicht dabei gehabt“ zu haben (vgl. die E-Mail an den Antragsgegner vom 26. April 2021, Bl. 22 d. GA), dürfte dem entgegenstehen, dass er sich zu einem früheren Zeitpunkt dahingehend äußerte, ihm sei nicht bewusst, ob er „mit dem Fall in Verbindung stehe“ und ob der Hund jemanden gebissen habe (vgl. die Sachverhaltsschilderung auf dem Anhörbogen der Staatsanwaltschaft vom 2. Februar 2021, Bl. 34 d. BA II). Dies muss aber, wie beschrieben, nicht entschieden werden. Offen bleiben kann auch, ob die (erst) in der Begründung des Bescheids genannten, sich ebenso aus der Hundehalterverordnung ergebenden weiteren Pflichten zur Haltung gefährlicher Hunde, wie etwa die Kennzeichnungspflicht, eigenständige Regelungen darstellen oder nur als Hinweise zu verstehen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine anderweitige Bestimmung bemisst die Kammer die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für die Antragstellerin mit dem halben Auffangwert (vgl. Ziffern 35.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit), wobei die Zwangsgeldandrohung hierbei außer Betracht bleibt (Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs).