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Entscheidung 26 Ta (Kost) 6166/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 08.09.2021
Aktenzeichen 26 Ta (Kost) 6166/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0908.26TA.KOST6166.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 104 ZPO, § 91 ZPO, Nr 3201 RVG-VV

Leitsatz

1. Bei der Frage, ob aus Anlass oder im Rahmen eines Berufungsverfahrens aufgrund einer Tätigkeit des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nach Zugang des erstinstanzlichen Urteils Gebühren angefallen sind, ist zunächst danach zu unterscheiden, ob die ausgeführte Tätigkeit noch zum erstinstanzlichen Verfahren gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist oder eine sonstige Einzeltätigkeit darstellt, die eine gesonderte Verfahrensgebühr auslöst.2. Ein Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist im Sinne des Gebührenrechts als Sachantrag anzusehen, sodass dem zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt des Rechtsmittelbeklagten, der einen Schriftsatz mit diesem Inhalt bei Gericht eingereicht hat, grundsätzlich die volle Prozessgebühr zusteht (vgl. BAG 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02, Rn. 12). Davon zu unterscheiden ist die Frage der Erstattungsfähigkeit.3. Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts nach Einlegung einer Berufung durch die Gegenseite ist die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen der Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung/Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf.4. Durch § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO wird nur die Beauftragung eines Rechtsanwalts der Überprüfung entzogen, ob sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist, nicht auch die einzelne veranlasste Maßnahme (vgl. BAG 18. November 2015 – 10 AZB 43/15, Rn. 22, str., zum Streitstand: BGH 7. Februar 2018 – XII ZB 112/17, Rn. 18).5. Das steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Kosten eines beauftragten Rechtsanwalts von der Rechtsprechung allein deshalb als erstattungsfähig anerkannt werden, weil der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer von ihm als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten darf (vgl. BGH 19. September 2013 – IX ZB 160/11, Rn. 7; 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02; 3. Juli 2007 - VI ZB 21/06; 6. Dezember 2007 – IX ZB 223/06, Rn. 10). Dieser Gesichtspunkt sagt als solcher noch nichts darüber aus, in welchem Umfang der Rat als zweckentsprechend angesehen werden kann, um die Kostenerstattungspflicht auszulösen (vgl. BGH 15. Oktober 2013 – XI ZB 2/13, Rn. 16 f.). 6. Eine Erstattung der Anwaltsgebühren kann dann nicht verlangt werden, wenn für die konkrete Tätigkeit des Anwalts kein Anlass bestand (vgl. BAG 18. April 2012 – 3 AZB 22/11, Rn. 10), insbesondere dann, wenn die Maßnahme offensichtlich nutzlos war (vgl. BGH 15. Oktober 2013 – XI ZB 2/13, Rn. 16).7. Es ist nicht ersichtlich, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausgehen kann, solange mangels einer Berufungsbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist (vgl. BAG 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02, Rn. 15). 8. Eine Bestellungsanzeige kann das Verfahren nicht fördern, wenn die Prozessbevollmächtigten aufgrund ihrer Vertretung im Berufungsverfahren ohnehin als Bevollmächtigte im Verfahren der Berufung zu behandeln sind (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 15. Oktober 2019 - 17 Ta (Kost) 6079/19, zu II 2 b bb der Gründe).

Tenor

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Juni 2021 – 53 Ca 1084/20 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird für die Klägerin zugelassen. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag die Festsetzung einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG nach Rücknahme der Berufung durch die Beklagte.

Die erstinstanzlich unterlegene Beklagte legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juli 2020 am 3. September 2020 Berufung ein. Der Schriftsatz enthält weder Anträge noch eine Begründung, aber einen Hinweis darauf, dass die Einlegung nur zur Fristwahrung erfolge, verbunden mit der Bitte, es möge sich noch kein Prozessbevollmächtigter bestellen. Der Schriftsatz ist der Klägerin am 26. September 2020 zugestellt worden. Noch am selben Tag ist bei dem Landesarbeitsgericht durch die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin per Fax eine Vertretungsanzeige eingereicht worden. Mit dem Schriftsatz sind zugleich die Zurückweisung der Berufung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt worden.

Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020 hat die Beklagte in Bezug auf die Berufungsbegründung Fristverlängerung beantragt, da wegen Arbeitsüberlastung eine Rücksprache mit der Mandantin noch nicht möglich gewesen sei. Die Frist ist bis zum 3. November 2020 verlängert worden.

Mit einem am 3. November 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag nahm die Beklagte die Berufung zurück. Mit Beschluss vom 19. November 2020 sind der Beklagten nach § 516 Abs. 3 ZPO die durch das Rechtsmittel der Berufung entstandenen Kosten auferlegt worden. Der Streitwert ist mit Beschluss vom 22. Februar 2021 auf 1.575,60 Euro festgesetzt worden.

Die Klägerin hat nach entsprechenden Hinweisen zur Höhe des Streitwerts und des maßgeblichen Umsatzsteuersatzes mit Schriftsatz vom 17. März 2021 zuletzt die Festsetzung der Kosten für das Berufungsverfahren beantragt und insoweit eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG in Ansatz gebracht sowie Auslagen, insgesamt 214,60 Euro. Durch die Stellung des Sachantrags sei bereits „eine volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVG“ entstanden. Es komme insbesondere nicht darauf an, ob der Prozessantrag zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich gewesen ist.

Das Arbeitsgericht (Rechtspflegerin) hat den Antrag mit Beschluss vom 25. Juni 2021 zurückgewiesen und das im Wesentlichen damit begründet, dass eine Gebühr zwar angefallen, aber nicht erstattungsfähig sei. Eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels sei ohne Vorliegen einer Begründung noch nicht möglich gewesen. Der Antrag habe daher gegen das Kostenschonungsgebot verstoßen.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 30. Juni 2021 zugestellten Beschluss mit einem bei dem Arbeitsgericht am 12. Juli 2020 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wiederholt er seine erstinstanzlich vertretenen Rechtsansichten. Der ausdrückliche Hinweis der Beklagten auf den Umstand, dass die Einlegung der Berufung nur vorsorglich erfolgt sei, stehe dem Entstehen der vollen Gebühr ebenso wenig entgegen, wie die in dem Schriftsatz enthaltene Bitte, noch keinen Prozessbevollmächtigten zu bestellen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 5. August 2021 nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Eine Verfahrensgebühr ist der Klägerin durch die Beklagte nicht zu erstatten, weil die von ihrem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten entfalteten Tätigkeiten teilweise noch zum ersten Rechtszug gehörten und die Bestellungsanzeige sowie der Zurückweisungsantrag zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren und gegen ihre Obliegenheit verstießen, die Kosten der Rechtsverteidigung möglichst niedrig zu halten.

1)  Die von den erstinstanzlich bereits für die Klägerin aufgetretenen Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Tätigkeiten gehörten zT noch zum erstinstanzlichen Verfahren und konnten daher insoweit im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gesondert keine Gebühren auslösen.

a) Bei einer Tätigkeit des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nach Zugang des Urteils ist danach zu unterscheiden, ob die Tätigkeit noch zum erstinstanzlichen Verfahren gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist oder eine sonstige Einzeltätigkeit darstellt, die eine gesonderte Verfahrensgebühr auslöst. Die Entgegennahme des Auftrags allein lässt die Verfahrensgebühr nicht entstehen (vgl. BGH 6. Dezember 2007 – IX ZB 223/06, Rn. 6; aA LAG Schleswig-Holstein 19. März 2014 – 3 Ta 36/14, Rn. 10; OLG Brandenburg 12. September 2008 – 6 W 146/08, Rn. 9). Während auch die bloße Entgegennahme der Berufung und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Übermittlung der Bitte, mit der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten noch zu warten, die Prüfung des fristgerechten Eingangs eines gegnerischen Rechtsmittels, die Besprechung des Berufungsurteils mit dem Auftraggeber und die Belehrung über das zulässige Rechtsmittel noch dem erstinstanzlichen Verfahren zuzuordnen und daher von der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG mitumfasst sind (vgl. BGH 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 5; 15. Oktober 2013 - XI ZB 2/13, Rn. 9 f.; 8. März 2017 - X ZB 11/16, Rn. 4 f.), kann eine eine Gebühr auslösende sonstige Einzeltätigkeit vorliegen, wenn der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte im Auftrag des Rechtsmittelgegners die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde prüft und sich sachlich damit auseinandersetzt (vgl. BGH 29. April 2019 – X ZB 4/17, Rn. 16) oder einen Zurückweisungsantrag bei Gericht einreicht.

b)  Danach scheidet hier der Ansatz einer Gebühr ua für die Entgegennahme und Weiterleitung der Berufung aus.

2)  Die Erstattung einer Gebühr für die Fertigung des Bestellungsschriftsatzes sowie die Einreichung eines Zurückweisungsantrags, was nicht mehr zum Berufungsrechtszug gehörte (vgl. dazu BGH 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 6), kommt hier nicht in Betracht, weil diese Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich waren und das Kostenschonungsgebot verletzt ist.

a) Bei der Frage, ob durch eine Prozesspartei verursachte Anwaltskosten erstattungsfähig sind, ist zu unterscheiden, ob die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts verursachten Kosten bei Beachtung des Schonungsgebots überhaupt erstattungsfähig sind. Das wird zB ausnahmsweise abgelehnt, wenn ein Berufungsbeklagter ungeachtet der Berufungseinlegung nichts zu befürchten hat, etwa weil das Berufungsgericht mit der Zustellung der Berufungsschrift darauf hinweist, dass es beabsichtigt ist, die Berufung als unzulässig zu verwerfen und die Beauftragung dadurch offensichtlich nutzlos war. Können im Ergebnis der Prüfung die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts verursachten Kosten grundsätzlich erstattungsfähig sein, wovon wegen § 92 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO regelmäßig auszugehen ist, ist weiter zu prüfen, ob die einzelnen Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, wie das § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorsieht. Dabei ist zu beachten, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gelten.

aa) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten, § 92 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO.  Eine Partei soll sich daher im Prozess grundsätzlich anwaltlicher Hilfe bedienen können, ohne Kostennachteile befürchten zu müssen (vgl. BGH 4. Februar 2003 - XI ZB 21/02 - zu II 2 d der Gründe). Das gilt auch für die rechtskundige Partei und für diejenige, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügt (vgl. BGH 19. September 2013 - IX ZB 160/11, Rn. 8). Die Partei ist auch nicht verpflichtet, eine kostenlose rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, die ihr aufgrund einer Verbandsmitgliedschaft zusteht. Im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO ist daher in der Regel nicht zu prüfen, ob die Partei für das Verfahren einen Rechtsanwalt beauftragen durfte und dies objektiv notwendig war (vgl. BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02, zu II 3 c der Gründe).

Grundsätzlich darf der Rechtsmittelgegner also auch bereits vor Begründung des Rechtsmittels einen Rechtsanwalt mit seiner Prozessvertretung beauftragen und im Fall seines Obsiegens nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO die entstandenen Kosten geltend machen (vgl. BGH 2. Juli 2009 - V ZB 54/09, Rn. 10). Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten von Rechts wegen als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (vgl. BGH 4. Februar 2003 - XI ZB 21/02; 26. April 2005 - X ZB 17/04; 2. November 2011 - XII ZB 458/10, Rn. 35). Die Norm bildet insofern eine Ausnahme zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grundsätzlich gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet (vgl. BAG 18. November 2015 – 10 AZB 43/15, Rn. 18; BGH 20. Mai 2014 - VI ZB 9/13, Rn. 9; 4. Februar 2003 - XI ZB 21/02, zu II 2 a der Gründe).

bb) Maßgeblich ist allein die Frage, ob eine verständige Prozesspartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragt hätte, was für einen Rechtsmittelgegner der Regelfall ist (vgl. BAG 18. November 2015 – 10 AZB 43/15, Rn. 21; BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02, zu II 3 c der Gründe; BAG 14. November 2007 - 3 AZB 36/07, Rn. 12).

cc) Durch § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO ist allerdings nur die Beauftragung eines Rechtsanwalts der Überprüfung ihrer Notwendigkeit entzogen, nicht auch die einzelne sich daran anschließende Maßnahme des Rechtsanwalts (str., zum Streitstand BGH 7. Februar 2018 – XII ZB 112/17, Rn. 18 ff.). § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO erspart nicht die Prüfung, ob die einzelnen Maßnahmen der Prozessbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren (vgl. BAG 18. November 2015 – 10 AZB 43/15, Rn. 22). Die durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts verursachten Kosten können dann nicht erstattungsfähig sein, wenn diese offensichtlich nutzlos ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn dem Rechtsmittelgegner gleichzeitig mit der Zustellung der Rechtsmittelschrift vom Rechtsmittelgericht mitgeteilt wird, dass aus formalen Gründen eine Verwerfung des Rechtsmittels ohne mündliche Verhandlung beabsichtigt sei und deshalb für ihn keine als risikohaft empfundene Situation besteht (vgl. BAG 14. November 2007 - 3 AZB 36/07 - Rn. 12; BGH 10. November 2009 - VIII ZB 60/09 - Rn. 10).

Bei der Überprüfung der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten soll im Übrigen entscheidend auf das Merkmal der „zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung“, nicht aber auf das der „Notwendigkeit“ im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzustellen sein (vgl. BAG 18. November 2015 – 10 AZB 43/15, Rn. 22).

Danach sind auch vor dem Hintergrund des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO Fälle denkbar, bei denen eine Kostenerstattung nicht in Betracht kommt. Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich gehalten werden dürfen. Auch insoweit ist zu beachten, dass eine Partei die Erstattung der durch das Tätigwerden ihres Rechtsanwalts verursachten Kosten nur insoweit erwarten kann, als der aus dem Prozessrechtsverhältnis nach Treu und Glauben erwachsenden Obliegenheit genügt ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. BGH 2. Mai 2007 - XII ZB 156/06, Rn. 12 f.; 10. Mai 2010 - II ZB 3/09, Rn. 13; 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 9 mwN). Demzufolge kann eine Erstattung der Anwaltsgebühren dann nicht verlangt werden, wenn für die Tätigkeit des Anwalts ausnahmsweise kein Anlass bestand (vgl. BAG 18. April 2012 – 3 AZB 22/11, Rn. 10).

Das steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Kosten eines gleichwohl beauftragten Rechtsanwalts von der Rechtsprechung allein deshalb als erstattungsfähig anerkannt werden, weil der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer von ihm als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten darf (vgl. BGH 19. September 2013 – IX ZB 160/11, Rn. 7; 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02; 3. Juli 2007 - VI ZB 21/06; 6. Dezember 2007 – IX ZB 223/06, Rn. 10). Das sagt als solches nichts darüber aus, in welchem Umfang der Rat als zweckentsprechend angesehen werden kann, um die Kostenerstattungspflicht auszulösen (vgl. BAG 18. November 2015 – 10 AZB 43/15, Rn. 22; BGH 15. Oktober 2013 – XI ZB 2/13, Rn. 16 f.).

b)  Bei Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte sind die durch den Zurückweisungsantrag und die Bestellungsanzeige veranlassten Anwaltsgebühren nicht erstattungsfähig.

aa) Zweckentsprechend ist eine Maßnahme, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen musste. Notwendig sind dann alle Kosten, die durch die zweckentsprechenden Maßnahmen entstanden sind (vgl. BGH 29. April 2019 – X ZB 4/17, Rn. 22).

bb) Die Bestellungsanzeige war schon deshalb nicht zweckentsprechend, da sie das Verfahren nicht fördern konnte. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren aufgrund ihrer Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren ohnehin als Bevollmächtigte im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln waren, § 87 Abs. 1 ZPO (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 15. Oktober 2019 - 17 Ta (Kost) 6079/19, zu II 2 b bb der Gründe).

cc) Auch die Fertigung des Schriftsatzes mit dem Zurückweisungsantrag war in der konkreten Situation nicht zweckentsprechend iSd § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

(1)   Ein solcher Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist im Sinne des Gebührenrechts allerdings als Sachantrag anzusehen, sodass dem zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt des Rechtsmittelbeklagten, der einen Schriftsatz mit diesem Inhalt bei Gericht eingereicht hat, die volle 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG zusteht (vgl. BAG 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02, Rn. 12).

(2) Der Erstattungsfähigkeit steht jedoch entgegen, dass es nicht ersichtlich ist, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausgehen konnte, solange mangels einer Berufungsbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich war (vgl. BAG 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02, Rn. 15), und zwar unabhängig davon, ob das Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt wurde oder nicht (vgl. BGH 28. Februar 2013 – V ZB 132/12, Rn. 13). Ein Rechtsmittelgegner kann sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründungsschrift mit Inhalt und Umfang des Angriffs des Rechtsmittelführers sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern, was auf die Erstattungsfähigkeit von Gebühren für solche Tätigkeiten durchschlägt, die sinnvoll nur aufgrund einer sachlichen Prüfung des Streitstoffs in der Rechtsmittelinstanz vorgenommen werden können (vgl. BGH 15. Oktober 2013 – XI ZB 2/13, Rn. 14).

dd) Das führt hier im Ergebnis dazu, dass eine durch den Zurückweisungsantrag angefallene Verfahrensgebühr in vollem Umfang nicht erstattungsfähig ist.

(1) Allerdings wird im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (ausgehend von der Entscheidung vom 17. Dezember 2002 – X ZB 9/02) die Ansicht vertreten, dass bei späterer Berufungsrücknahme die Anwaltschaft zwar nur von den Mandanten die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG beanspruchen könne, vom Gegner jedoch die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG zu erstatten sei (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern 9. Januar 2020 – 3 Ta 28/19, Rn. 14; LAG Köln 25. Februar 2016 – 4 Ta 31/16, Rn. 8; MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 91 Rn. 107; Musielak/Voit/Flockenhaus, 18. Aufl. 2021 Rn. 16, § 91 ZPO Rn. 16). Dies soll unabhängig davon gelten, ob die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß mehrfach verlängert wurde. Nur wenn die Parteien ein Stillhalteabkommen geschlossen hätten, in dem der Rechtsmittelbeklagte dem Gegner zugesagt habe, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz zu bestellen, bestehe auch kein Erstattungsanspruch in Höhe einer 1,1-Verfahrensgebühr (vgl. Hessisches LAG 11. April 2011 – 13 Ta 104/11, Rn. 19; Musielak/Voit/Flockenhaus, 18. Aufl. 2021 Rn. 16, § 91 ZPO Rn. 16). Die Entscheidung des BAG vom 18. April 2012 (3 AZB 22/11, Rn. 10) wird hingegen zT dahin verstanden, dass die Verfahrensgebühr jedenfalls dann nicht erstattungsfähig sein soll, wenn die Berufung lediglich zur Fristwahrung eingelegt worden ist (vgl. LAG Hamm 22. August 2019 – 8 Ta 613/18, Rn. 22; so wohl auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 9. Januar 2020 – 3 Ta 28/19, Rn. 22). Nach der dieser Auffassung zugrundeliegenden Ausgangsentscheidung des BGH vom 17. Dezember 2002 (X ZB 9/02, zu II 3 c der Gründe) kann die Frage, ob in der aktuellen Situation (nach Rechtmitteleingang) tatsächlich etwas zu veranlassen ist, nicht allein den Ausschlag geben. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts brauche nicht erforderlich zu sein, damit Vorbereitungen für eine Berufungserwiderung rechtzeitig getroffen werden könnten und dadurch ein Fristendruck vermieden werde. Es müsse genügen, dass der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten dürfe. Daher könne ihm im Normalfall auch nicht zugemutet werden, mit der Bestellung eines Anwalts solange zu warten, bis der Berufungskläger einen Antrag (oder gar mehrere Anträge) auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels gestellt habe. Bei dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Sachverhalt war die Berufung - wie hier - zunächst nur fristwahrend eingelegt worden. Gleichwohl hatte der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten einen Prozessbevollmächtigten beauftragt und – nachdem die Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zurückgenommen worden war – die Vertretung des Berufungsbeklagten angezeigt sowie einen Kostenantrag gestellt.

(2)  Bereits in dieser Entscheidung führte der BGH allerdings auch aus, dass von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts die Frage zu unterscheiden ist, welche Maßnahmen der einmal beauftragte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten dürfe (vgl. BGH 17. Dezember 2002 – X ZB 9/02, zu II 3 d der Gründe).

(3) Das erkennende Gericht stellt bisher maßgeblich darauf ab, ob die berufungsbeklagte Partei in der aus ihrer Sicht risikobehafteten Situation Maßnahmen eingeleitet hat, die nach Einlegung der Berufung unter Kostenschonungsgesichtspunkten prozessförderlich sind (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 17. Juni 2021 – 17 Ta (Kost) 6043/21, zu Nr. 2 der Gründe). Im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH wird davon ausgegangen, dass es nicht ersichtlich ist, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausgehen kann, solange mangels einer Berufungsbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist (vgl. BAG 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02, Rn. 15), und zwar unabhängig davon, ob das Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt wurde oder nicht (vgl. BGH 28. Februar 2013 – V ZB 132/12, Rn. 13). Es wird insoweit die Auffassung des BGH geteilt, dass der Berufungsgegner sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründungsschrift mit Inhalt und Umfang des Angriffs des Rechtsmittelführers sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern kann und dass das auf die Erstattungsfähigkeit von Gebühren für solche Tätigkeiten durchschlägt, die sinnvoll nur aufgrund einer sachlichen Prüfung des Streitstoffs in der Rechtsmittelinstanz vorgenommen werden können (vgl. BGH 15. Oktober 2013 – XI ZB 2/13, Rn. 14). Vor diesem Hintergrund ist es nicht erkennbar, mit welcher Rechtfertigung die durch den Abweisungsantrag angefallenen Gebühren auch nur teilweise erstattungsfähig sein könnten.

Die Klägerin war berechtigt, den Klägervertreter nach Eingang der Berufungsbegründung in der für sie risikobehafteten Situation zu beauftragen. Durch die Entgegennahme des Auftrags ist eine Gebühr hier nicht angefallen (vgl. BGH 6. Dezember 2007 – IX ZB 223/06, Rn. 6; aA wohl LAG Schleswig-Holstein 19. März 2014 – 3 Ta 36/14, Rn. 10; OLG Brandenburg 12. September 2008 – 6 W 146/08, Rn. 9). Andere als sich aus § 19 Abs. 1 Nr. 9 GKG ergebende Tätigkeiten außer der Bestellungsanzeige und der Fertigung und Versendung des Zurückweisungsantrags noch am Tag des Eingangs der Berufungsschrift sind nicht vorgetragen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungsrelevanten Rechtsfragen zugelassen worden, ob bei der vorliegenden Konstellation nicht zumindest die hier allein geltend gemachte 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG erstattungsfähig ist.