Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 20.09.2021 | |
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Aktenzeichen | 11 N 41.16 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0920.11N41.16.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 14 Abs 1 BNatSchG, § 15 Abs 6 S 2 BNatSchG |
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. Februar 2016 wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens tragen die Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 8.377,00 EUR festgesetzt.
Mit Bescheid vom 17. November 2014 erteilte der Beklagte den Klägern unter der Bedingung einer näher bezeichneten Ausgleichszahlung die wasserrechtliche Genehmigung für die Erweiterung einer Steganlage. Mit ihrer beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage haben die Kläger die Aufhebung dieser Bedingung, hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer von der Bedingung befreiten Genehmigung begehrt. Durch Urteil vom 18. Februar 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung.
Dieser Antrag ist unbegründet, weil die Kläger die von ihnen geltend gemachten Berufung Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO nicht dargetan haben.
1. Das Rechtsbehelfsvorbringen rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1.1. Die Kläger rügen zum einen, das Verwaltungsgericht habe sich bereits bei der tatbestandlichen Prüfung eines Eingriffs nach § 14 BNatSchG mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit gerade die Erweiterung der Steganlage erheblich sei und zu einer weiteren Kompensation, Ausgleichsleistung oder Geldersatzleistung führen müsse. Es fehlten insbesondere Feststellungen zur Größe und zur entzogenen Gewässerfläche aufgrund der bereits vorhandenen Steganlagen und sonstigen wasserbaulichen Anlagen.
Dieser Einwand verfängt nicht. Gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Das Erheblichkeitsprüfungskriterium hat die Funktion, Bagatellbeeinträchtigungen vom Eingriffsbegriff auszuschließen (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Gellermann, 95. EL Mai 2021, BNatSchG § 14 Rn. 16). Es ist bezogen auf die betroffene Örtlichkeit anhand einer Vielzahl von Kriterien zu konkretisieren, zu denen neben der Schutzbedürftigkeit des Naturgutes, seiner Regenerationsfähigkeit sowie der Dauerhaftigkeit der Auswirkungen auch die standortprägende Vorbelastung zählt (vgl. BeckOK UmweltR/Schrader, 59. Ed. 1.7.2021, BNatSchG § 14 Rn. 18). Eine solche umfassende Würdigung hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Kläger jedoch vorgenommen. Denn es hat ausgeführt, das Maß der Beeinträchtigung sei entsprechend dem konkreten Einzelfall zu bestimmen. Dabei seien die Bedeutung der betroffenen Fläche, die Größe der durch das Vorhaben beeinträchtigten Fläche, die Wirkungsdauer des Vorhabens, das Alter des Bestandes der gefährdeten Fläche, der Bewuchs, das Vorkommen seltener Tier- und Pflanzenarten, die Funktion der Fläche in der Vernetzung mit anderen Flächen unter Berücksichtigung der Nutzungsart und die Intensität der Nutzung benachbarter Flächen sowie die Intensität der Veränderung als Kriterien zu berücksichtigen. In der konkreten Subsumtion hat das Verwaltungsgericht sodann darauf abgestellt, dass die Erweiterung der Steganlage um eine überbaute Fläche von 74 m² zurechenbar zu einem Schiffsverkehr mit größeren Schiffen führe und allein schon aufgrund ihrer Größe und des damit verbundenen Flächenverbrauchs im ufernahen Gebiet für die Dauer von 15 Jahren als nicht unerheblich anzusehen sei. Zudem führe die Erweiterung der Steganlage als Bootsanleger für Gastanliegerboote mit einem erheblichen Publikumsverkehr zu einer Beschattung, zur Veränderung des Strömungsverhaltens und zu Aufwirbelungen von Bodensedimenten sowie zu Beeinträchtigungen der Wasserfauna. Dass das Verwaltungsgericht in Würdigung dieser Umstände eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG angenommen und ausgeführt hat, insoweit komme es nicht auf die Größe der bereits vorhandenen Anlagen an, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat der Beklagte die Erheblichkeit der Beeinträchtigung ebenfalls nachvollziehbar begründet (Genehmigungsbescheid vom 17. November 2014, Seite 5, vorletzter Absatz) und auch die vorhandenen Vorbelastungen berücksichtigt (Abhilfebescheid vom 28. Januar 2015, Seite 2). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass § 14 Abs. 1 BNatSchG für die Annahme eines Eingriffs bereits die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung genügen lässt.
1.2. Ohne Erfolg rügen die Kläger weiterhin, das Verwaltungsgericht übersehe maßgeblich das Zusammenspiel naturschutzrechtlicher und fischereirechtlicher Vorschriften. Das Fischereirecht selbst halte eine entsprechende Kompensationsregel vor, wenn untrennbar zusammen mit dem Fischereirecht auch die korrespondierende Hegepflicht beschrieben werde. Insoweit würden die Kläger, insbesondere der fischereiausübungsberechtigte Kläger, doppelt belastet, indem die Hegeverpflichtung, die sich aus der untrennbaren Verbindung zum Fischereirecht ergebe, nicht berücksichtigt werde. Denn diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass die Erweiterung der Steganlage, um die es vorliegend allein geht, nicht der Fischereiwirtschaft dient. Vielmehr hätten die Kläger in ihrem Schreiben an die Gemeinde S... vom 23. Oktober 2014 die Notwendigkeit der Erweiterung der Steganlage mit der Schaffung von Liegeplätzen für den zunehmenden Gastanliegerverkehr begründet.
1.3. Der weitere Einwand der Kläger, die Erweiterung der (Schwimm-)Steganlage werde nicht durch einen durchgehenden geschlossenen Schwimmkörper, sondern mehrere Schwimmerteile getragen, sodass eine lichtdurchlässige Beplankung mit Gitterrosten zu einer entsprechenden Kompensation hätte führen können, führt bereits deshalb nicht weiter, weil er die erforderliche Auseinandersetzung mit der das angefochtene Urteil diesbezüglich tragenden Argumentation des Verwaltungsgerichts vermissen lässt. Denn dieses hatte unter anderem darauf abgestellt, es brauche nicht entschieden werden, ob die Beplankung mit Gitterrosten den Eingriff reduzieren würde, da maßgeblich der Antrag der Kläger sei, der eine Vollbeplankung vorsehe. Zudem würde eine Gitterrostbeplankung die vom Steg selbst ausgehende Verschattung nur unwesentlich reduzieren, da die den Steg tragenden Schwimmkörper den möglichen Effekt einer lichtdurchlässigen Beplankung wieder erheblich reduzierten.
1.4. Ebenso wenig greift der Einwand der Kläger durch, die an der Unterseite der Schwimmkörper der Steganlage festgestellten Muschelkolonien deuteten darauf hin, dass „hier offenbar sehr günstige Lebensbedingungen bestehen“, denn er benennt lediglich einen Einzelaspekt, legt aber nicht dar, dass auch unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht angeführten Folgen des Erweiterungsbaus allein wegen dieses Aspekts nicht mehr von einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG auszugehen wäre.
1.5. Auch die Kritik der Kläger an der Ermittlung der Höhe der Ersatzzahlung rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
Gemäß § 15 Abs. 6 S. 2 BNatSchG bemisst sich die Ersatzzahlung nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten. Der Beklagte ist von dem plausiblen Ansatz ausgegangen, dass eine Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme hier in dem Rückbau der entsprechenden Fläche einer Steganlage bestehen würde, sodass deren Kosten anzusetzen seien. Eine entsprechend nachvollziehbare Ermittlung der konkreten Kosten der Ersatzzahlung ergibt sich entgegen den Einwänden der Kläger durchaus aus dem angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 17. November 2014. Denn danach sei die gesamte Erweiterungsfläche der Steganlage im Umfang von 74 m² mit vergleichbaren Kosten für einen Stegrückbau multipliziert worden. Hierfür seien bei mehreren einschlägigen Firmen die Kosten eingeholt worden. Die niedrigsten Kosten hätten sich auf 126,93 Euro pro Quadratmeter Stegfläche belaufen, woraus sich der zunächst geltend gemachte Betrag von 9.392 Euro ergebe, der durch den Abhilfebescheid des Beklagten vom 28. Januar 2015 sodann auf 8.377 Euro reduziert wurde. Die Kläger machen in ihrer Rechtsbehelfsbegründung keine Umstände geltend, die Anlass gäben, an der Richtigkeit der vom Beklagten angesetzten Faktoren zu zweifeln. Ihr Einwand, die Höhe der Ersatzzahlung bemesse sich gemäß § 15 Abs. 6 S. 3 BNatSchG nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem Verursacher daraus erwachsenden Vorteile, wenn die durchschnittlichen Kosten nicht feststellbar seien, vernachlässigt, dass der Beklagte letzteres gerade nachvollziehbar angenommen hat.
Soweit sich die Kläger auf fischereirechtliche Judikate des Verwaltungsgerichts sowie des beschließenden Senats (Urteil vom 28. Juni 2018 – 11 B 15.15) berufen, stehen diese in einem rechtlich andersartigen Kontext und begründen ebenfalls keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an dem hier angefochtenen Urteil.
2. Das Rechtsbehelfsvorbringen rechtfertigt auch nicht die Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Da die Kläger insoweit lediglich auf ihre Ausführungen zur Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils verweisen, diesen aber nicht zu folgen ist, kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.
3. Auch eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO haben die Kläger nicht dargetan. Soweit ihren diesbezüglichen Ausführungen konkrete Rechtsfragen entnommen werden könnten, fehlt es aus den dargelegten Gründen jedenfalls an einem entscheidungserheblichen obergerichtlichen Klärungsbedarf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).