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Aufnahme in die Grundschule; Staatliche Europa-Schule Berlin (SESB); Sprachkombination Deutsch und Französisch; vorrangige Aufnahme von Geschwisterkindern; Geschwisterkind am Französischen Gymnasium; maßgeblicher Zeitpunkt; Gleichheitsverstoß (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 23.09.2021
Aktenzeichen OVG 3 S 88/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0923.OVG3S88.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, § 55a SchulG BE, § 3 Abs 2 AufnahmeVO-SbP, § 3 Abs 5 S 2 Nr 1 AufnahmeVO-SbP, § 4 AufnahmeVO-SbP

Tenor

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat am 23. September 2021 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Prüfung durch das Oberverwaltungsgericht ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern, soweit das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller zu 1 zum Schuljahr 2021/22 vorläufig in die Jahrgangsstufe 1 der Grundschule - SESB - aufzunehmen, bzw. - hilfsweise - unter sämtlichen Bewerberkindern, die schulpflichtig sind, der deutschen Sprachgruppe zugeordnet sind und den Sprachtest bestanden haben, ein fiktives Losverfahren durchzuführen, hierbei eine Rangfolge zu ermitteln und den Antragsteller zu 1 zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in die 1. Klasse der Grundschule - SESB - aufzunehmen, sofern bei der Verlosung einer der ersten acht Rangplätze auf ihn entfällt.

Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, der Antragsteller zu 1 hätte an der gewünschten Grundschule in dem dort eingerichteten Zug der Staatlichen Europa-Schule Berlin (SESB) mit den Partnersprachen Deutsch und Französisch (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufnahmeVO-SbP), im Rahmen des wegen Übernachfrage durchzuführenden Auswahlverfahrens nach § 3 Abs. 5 AufnahmeVO-SbP aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung Kindern gleichgestellt werden müssen, die als Geschwister von Kindern, die an einem anderen SESB-Grundschulstandort in derselben Sprachkombination unterrichtet werden, gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AufnahmeVO-SbP vorrangig zu berücksichtigen seien, weil seine ältere Schwester im Schuljahr 2021/2022 die sechste Klasse des Französischen Gymnasiums besuche. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung nach ihrem klaren Wortlaut den Fall eines Geschwisterkinds am Französischen Gymnasium nicht erfasst und die von den Antragstellern erstrebte Ausweitung ihres Anwendungsbereichs nicht in Betracht kommt. Der Hinweis der Beschwerde auf bzw. ihre Ausführungen zu Parallelen der als „weitgehend austauschbar“ bezeichneten Bildungswege an der SESB und dem Französischen Gymnasium ändern nichts daran, dass es sich - wie der Vergleich der in § 3 und in § 4 AufnahmeVO-SbP getroffenen, deutlich unterschiedlichen Aufnahmeregelungen zeigt - um Schulen handelt, zwischen denen grundlegende Unterschiede bestehen. Namentlich handelt es sich bei dem Französischen Gymnasium nicht um eine Grundschule, sondern um eine weiterführende Schule (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SchulG), auch wenn die Aufnahme in die der deutschen Verwaltung unterstehenden Klassen bereits in der Jahrgangsstufe 5 erfolgt (§ 18 Abs. 3 SchulG, § 4 Abs. 1 Satz 1 AufnahmeVO-SbP). Schon diese Gesichtspunkte rechtfertigen die Entscheidung des Verordnungsgebers, die bevorzugte Berücksichtigung von Kindern, deren Geschwister an diesem oder einem anderen Grundschulstandort in derselben Sprachkombination unterrichtet werden, bei der Vergabe eines Schulplatzes in der Jahrgangsstufe 1 einer SESB nicht auf Kinder mit Geschwistern in der Primarstufe des Französischen Gymnasiums zu erstrecken. Von einer unbewussten Regelungslücke als Voraussetzung einer analogen Anwendung kann danach ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage, ob ein Bewerber an der von ihm gewünschten Schule aufgenommen wird, sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung beurteilt, die als verbindlicher Abschluss des bei einer Übernachfrage durchzuführenden Aufnahmeverfahrens gemäß § 56 Abs. 6 SchulG ergeht, und dass tatsächliche Umstände, die ein Bewerber nach der Aufnahmeentscheidung erstmalig geltend macht, in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. August 2020 - OVG 3 S 64/20 - juris Rn. 4; Beschluss vom 6. September 2019 - OVG 3 S 76.19 - juris Rn. 6; Beschluss vom 19. Dezember 2018 - OVG 3 M 79.18 - juris Rn. 4, Beschluss vom 16. Oktober 2017 - OVG 3 S 82.17 - juris Rn. 4; Beschluss vom 25. September 2017 - OVG 3 S 68.17 - juris Rn. 3, 6; Beschluss vom 31. Oktober 2016 - OVG 3 S 79.16 - juris Rn. 5). Nur dies wird dem Sinn und Zweck des - hier in § 3 Abs. 5 AufnahmeVO-SbP normierten - Aufnahmeverfahrens gerecht, durch das die Schulplatzvergabe bei einer Übernachfrage verbindlich und abschließend geregelt werden soll. Die Antragsteller haben jedoch erst nach der Aufnahmeentscheidung am 28. Januar 2021 angegeben, dass die Schwester des Antragstellers zu 1 das Französische Gymnasium besucht. Das bestreitet die Beschwerde nicht, sondern macht geltend, die Antragsteller hätten nicht damit rechnen müssen, dass „das Vorhandensein von Geschwistern das für die Auswahlentscheidung an einer Schule mit besonderem pädagogischen Profil … letztlich das maßgebliche Auswahlkriterium“ sei, zumal das Formular für den gestellten „Antrag zur Aufnahme eines Kindes in eine andere öffentliche Grund- oder Gemeinschaftsschule“ nicht spezifisch auf die Auswahl unter konkurrierenden Bewerbern an der SESB ausgerichtet sei. Dabei berücksichtigt die Beschwerde indessen nicht, dass zwar nicht das offizielle Formular des Antrags auf Aufnahme in eine andere Schule, wohl aber das an der gewünschten SESB abgegebene Formular „Anmeldung für das Schuljahr 2021/2022“ unter Ziffer 7 ausdrücklich die Frage „Gibt es Geschwisterkinder?“ stellt. Diese von der Antragstellerin zu 2 unter dem Datum 6. Oktober 2020 unterzeichnete Anmeldung enthält weder an dieser noch an anderer Stelle (etwa unter Ziffer 8 - Bemerkungen/Wünsche) einen Hinweis darauf, dass die Schwester des Antragstellers zu 1 das Französische Gymnasium mit den Sprachen Deutsch und Französisch besucht. Dies haben die Antragsteller - wie auch die Beschwerde sieht - vielmehr erst mit dem Widerspruch vom 2. März 2021 gegen den Ablehnungsbescheid vom 16. Februar 2021 geltend gemacht.

Die Beschwerde hat auch mit ihrer gegenläufigen Argumentation keinen Erfolg, das Geschwisterprivileg des § 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AufnahmeVO-SbP sei „im hier betroffenen grundrechtsrelevanten Bereich kein sachgerechtes Differenzierungskriterium“ und eine Privilegierung von (bestimmten) Geschwisterkindern an Schulen besonderer pädagogischer Prägung, die - wie hier - zu einem weitgehenden Zugangsausschluss anderer Bewerber führe, sei mit Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Für die Geschwisterregelung in § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SchulG hat der Senat verfassungsrechtliche Bedenken, namentlich einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, mit der Erwägung verneint, dass es im Hinblick auf die in Art. 12 Abs. 1 VvB in Übereinstimmung mit Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, sachlich gerechtfertigt ist, wenn der Gesetzgeber sich bei der Einschulung in die unzuständige Grundschule entschieden hat, für die Vergabe freier Plätze vorrangig auf die familiären Bindungen des Kindes und die sich aus dem gemeinsamen Besuch derselben Grundschule ergebenden Betreuungsvorteile für die gesamte Familie abzustellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - OVG 3 S 60.18 - juris Rn. 8; Beschluss vom 12. September 2013 - OVG 3 S 46.13 - juris Rn. 11; VerfGH Berlin, Beschluss vom 19. Februar 2007 - 180/06 - juris Rn. 44). Diese Erwägung ist auf den Fall des Besuchs einer SESB übertragbar, für die sich die gleichen Betreuungsvorteile jedenfalls dann ergeben, wenn das Geschwisterkind an demselben Standort der SESB die Grundschule besucht. Ob die vorrangige Berücksichtigung von Geschwisterkindern an einem anderen SESB-Grundschulstandort derselben Sprachkombination rechtlichen Bedenken unterliegt oder - wie das Verwaltungsgericht meint - mit Blick auf ein schützenswertes Interesse des aufzunehmenden Kindes und seiner Eltern daran, dass Geschwisterkinder in derselben Sprache unterrichtet werden und jeweils im Anschluss auch einen Anspruch auf Fortsetzung ihres Bildungsgangs in der Sekundarstufe der SESB haben (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 1 AufnahmeVO-SbP) - gerechtfertigt ist, bedarf hier nicht der Entscheidung. Nach den von der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind ausweislich der Geschwisterliste zum Einrichtungsvermerk (vom 11. bzw. 28. Januar 2021) bei der Aufnahme nur Kinder mit Geschwistern an der von den Antragstellern gewünschten Grundschule (SESB) vorrangig berücksichtigt worden, nicht aber Kinder mit Geschwistern an anderen SESB-Grundschulstandorten in derselben Sprachkombination (Beschlussabdruck Seite 7).

Dass der Senat in seinem Beschluss vom 7. November 2018 - OVG 3 S 75.18 - (juris) den Ausschluss der privilegierenden Geschwisterkind-Regelung des § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SchulG grundsätzlich in § 2 Abs. 3 Satz 1 AufnahmeVO-SbP und speziell in § 5a Abs. 8 Satz 2 AufnahmeVO-SbP für die Aufnahme von Kindern aus dauerhaft in Berlin lebenden Familien in die Staatlichen Internationalen Schulen im Hinblick auf deren besonderes pädagogisches und organisatorisches Konzept für gerechtfertigt gehalten hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. November 2018 - OVG 3 S 75.18 - juris Rn. 24 ff.), besagt unter Berücksichtigung des gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Wertungsspielraums des Verordnungsgebers nichts über die Zulässigkeit einer Verordnungsregelung, die eine privilegierte Aufnahme von Geschwisterkindern an einem SESB-Grundschulstandort vorsieht. Der Hinweis der Beschwerde, diese Regelung sei unverhältnismäßig, weil es für die Antragsteller den Ausschluss von einem besonderen Bildungsangebot bedeute, wenn - wie hier - von acht in der deutschen Sprachgruppe aufzunehmenden Schülern sieben Schulplätze an Geschwisterkinder vergeben würden, vermag durchgreifende rechtliche Bedenken gegen § 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AufnahmeVO-SbP nicht zu begründen. Der Bildungsgang der Grundschule steht dem Antragsteller zu 1 an der für ihn zuständigen (Einzugsbereichs-)Grundschule (§ 55a Abs. 1 Satz 1 und 2 SchulG) offen, wie der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 17. August 2021 bestätigt hat. Darüber hinaus steht ihm aber auch das von ihm gewünschte besondere Bildungsangebot der SESB mit der gewünschten Sprachkombination offen, denn der Antragsgegner hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der von den Antragstellern bei der Schulanmeldung angegebene Zweitwunsch an der M... Grundschule im SESB-Zweig erfüllt werden könne, die nach den erstinstanzlichen Angaben der Antragsteller von ihrem Wohnort 8,2 km entfernt und mit dem öffentlichen Nahverkehr in 37 Minuten erreichbar ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).