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Entscheidung 1 AR 37/21 (SA Z)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 10.09.2021
Aktenzeichen 1 AR 37/21 (SA Z) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0910.1AR37.21SA.Z.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Funktionell zuständig ist die – nach näherer Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans zur Entscheidung berufene – allgemeine Zivilkammer des Landgerichts Potsdam.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf die Zahlung von 5.129,52 € nebst Zinsen in Anspruch. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe die Beklagte mit der Beräumung und insbesondere der Fällung von Bäumen auf einem in ihrem Eigentum stehenden und unbebauten Grundstück beauftragt sowie die von der Beklagten dafür gestellte Rechnung beglichen. Später habe sie festgestellt, dass die Beklagte nicht alle fällbaren Bäume entfernt und vertragswidrig Baumstumpen hinterlassen habe. Die Beseitigung der verbliebenen Bäume und Baumstumpen führe zu Kosten in Höhe der Klageforderung, die die Beklagte zu erstatten habe.

Die mit der Klage zunächst befasste 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam hat sich durch Beschluss vom 10.5.2021 für funktionell unzuständig erklärt und die Akte der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vorgelegt; zur Begründung hat sie ausgeführt, es liege ein Bauvertrag nach § 650a Abs. 1 BGB vor, da der Umbau einer Außenanlage streitgegenständlich sei. Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam hat sich durch Beschluss vom 21.5.2021 ebenfalls für funktionell unzuständig erklärt und die Sache an die 11. Zivilkammer zurückgereicht.

Die 11. Zivilkammer hat am 4.6.2021 die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens angeordnet und die Beschlüsse vom 10.5.2021 und 21.5.2021 den Parteien übersandt. Die Klage ist der Geschäftsführerin der Beklagten am 16.7.2021 zugestellt worden.

Durch Beschluss vom 11.8.2021 hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II.

Auf die Vorlage durch die 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam ist die funktionelle Zuständigkeit der allgemeinen Zivilkammer des Landgerichts für den vorliegenden Rechtsstreit auszusprechen.

1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht über den vorliegenden Zuständigkeitsstreit zu entscheiden. Die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist nach allgemeiner Auffassung auf Fälle wie den vorliegenden, in denen mehrere Spruchkörper desselben Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung dieses Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung wie der des §72a Abs. 1 Nr. 6 GVG abhängt, entsprechend anzuwenden (Senat, Beschluss vom 17.5.2021, 1 AR 20/21 (SA Z); BayObLG, Beschluss vom 15.9.2020, 101 AR 99/20, zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 22.3.2018, 2 AR 11/18, zitiert nach juris; OLG Nürnberg, MDR 2018, 1015, 1016; OLG Hamburg, Beschluss vom 12.10.2018, 6 AR 17/18, zitiert nach juris; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 36 Rn. 39; MünchKomm./Patzina, ZPO, 6. Aufl. § 36 Rn. 6; jeweils m. w. N.).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl die 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam als auch die 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar Erstere durch den Beschluss vom 10.5.2021 und Letztere durch den Beschluss vom 21.5.2021. Beide Entscheidungen genügen den Anforderungen, die an das Merkmal rechtskräftig im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 36, Rn. 34 f.); Die Bekanntmachung der Beschlussfassungen an die Parteien ist mit der Anordnung der Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens durch die 11. Zivilkammer am 4.6.2021 geschehen.

3. Nachdem im Anschluss an die Übersendung der Beschlussfassungen vom 10.5.2021 und 21.5.2021 an die Parteien erst durch den Beschluss der 11. Zivilkammer vom 11.8.2021 die Sache dem Senat vorgelegt worden ist, ist den Parteien ein hinreichendes rechtliches Gehör zur Frage der funktionellen Zuständigkeit gewährt worden.

4. Eine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist nicht eingetreten, da weder die 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam noch die 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam eine Verweisung des Rechtsstreits ausgesprochen, sondern lediglich die 11. Zivilkammer den Rechtstreit der 6. Zivilkammer vorgelegt und jene den Rechtsstreit zurückgereicht hat.

4. Funktionell zuständig ist die allgemeine Zivilkammer des Landgerichts, da entgegen der Ansicht der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam keine Bausache nach § 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG vorliegt.

Der Begriff der Bausache im Sinne dieser Vorschrift ist weit auszulegen und erfasst – ungeachtet der typologischen Einordnung des Vertrags als Dienst-, Werk-, Werklieferungs- oder entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag – alle Verträge, durch die sich eine Partei des Vertrags zur Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten verpflichtet und mindestens ein Vertragspartner als Bauunternehmer, Architekt oder sonst berufsmäßig mit der Planung oder Ausführung von Bauarbeiten befasste Person in dieser Eigenschaft auftritt (OLG Rostock, Beschluss vom 17.5.2021, 2 UH 1/21, zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 25.2.2021, 2 AR 7/21, zitiert nach juris; OLG München, Beschluss vom 13.7.2020, 34 AR 70/20, zitiert nach juris; Zöller/Lückemann, a. a. O., § 72a GVG, Rn. 5). Er umfasst dabei insbesondere die Bauverträge im Sinne des § 650a BGB (Zöller/Lückemann a. a. O.).

Nach diesen Grundsätzen kann das Vorliegen eines Bauvertrags hier nicht festgestellt werden. Denn die Beklagte, die zur Sache bislang nicht vorgetragen hat, hat sich in dem von der Klägerin vorgetragenen Vertragsschluss nicht zu einer Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten verpflichtet. Sie ist nach dem Vorbringen der Klägerin auch nicht ein Bauunternehmer oder Architekt oder eine sonst berufsmäßig mit der Planung oder Ausführung von Bauarbeiten befasste Person, sondern eine Landschaftsfirma, die auch Baufelder von Bäumen beräumt.

Das Vorliegen einer Bausache kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nach § 650a Abs. 1 BGB ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau einer Außenanlage gleichfalls einen Bauvertrag dargestellt. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem zu beräumenden Grundstück der Klägerin um eine Außenanlage handelt. Als Außenanlagen im Sinne des § 650a Abs. 1 BGB sind anzusehen größere Grundstücksflächen, die durch Erd-, Pflanz-, Rasen- oder Saatarbeiten oder durch landschaftsgärtnerische Entwässerungs- und vegetationstechnische Arbeiten besonders gestaltet werden (Palandt/Retzlaff, BGB, 80. Aufl., § 650a, Rn. 6). Dass der Zustand des Grundstücks der Klägerin vor Beginn der Arbeiten der Beklagten durch derartige Maßnahmen hergestellt worden ist, kann dem Sachvortrag der Klägerin nicht entnommen werden.

Dass, wie der Klageschrift vom 19.4.2021 entnommen werden kann, die von der Beklagten zu erbringenden Baumfällarbeiten auf einem Baufeld und damit wohl zur Vorbereitung von Baumaßnahmen durchzuführen gewesen sind, führt ebenfalls nicht dazu, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als ein Bauvertrag zu qualifizieren ist. Ein Vertrag, der die Erbringung von Leistungen zum Gegenstand hat, die lediglich dazu dienen, ein Grundstück zur Bebauung freizumachen, stellt – noch – keinen Bauvertrag dar (BGH, Beschluss vom 25.2.2005, VII ZR 86/04, zitiert nach juris, zu § 648a Abs. 1 BGB a. F.). Damit fallen insbesondere Rodungsarbeiten, die – wie hier – nicht eine bereits bestehende Außenanlage beseitigen, nicht in den Anwendungsbereich der §§ 650a BGB, 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG (BGH a. a. O., zu § 648a BGB a. F.; Palandt/Retzlaff, a. a. O., § 650a, Rn. 8; Kniffka/Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Aufl., § 650a BGB, Rn. 24; Wellensiek, BauR 2018, 314, 320). Der in der Literatur vertretenen Gegenansicht (MünchKomm./Busche, BGB, 8. Aufl., § 650a, Rn. 9) kann angesichts des insoweit klaren Wortlauts des § 650a Abs. 1 BGB nicht beigetreten werden. Dass die Baumfällarbeiten in einem solch engen Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes stehen, dass unter diesem Gesichtspunkt das Vorliegen eines Bauvertrags angenommen werden könnte (vgl. Kniffka/Kniffka, a. a. O., § 650a BGB, Rn. 9, 24), ist – gleichfalls – nicht ersichtlich.

Demgemäß hat es bei der funktionellen Zuständigkeit der allgemeinen Zivilkammer des Landgerichts Potsdam zu verbleiben.