Gericht | OLG Brandenburg 7. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 09.06.2021 | |
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Aktenzeichen | 7 U 117/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0609.7U117.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
I.
Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 155R - 158R) kann vollständig verwiesen werden (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO). Deutlicher hinzuweisen ist allein auf den Inhalt des Internet-Inserats des Klägers (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 12. Februar 2020, Bl. 54), das eine „Online-ID“ und eine „Ref.-Nr.“ enthält, die die Beklagte zu 1 in ihrer eMail vom 17. April 2018 (Anlage K 2 = Bl. 10) nennt.
Das Landgericht hat die auf den Maklerlohn von 24.990 Euro und Mahnkosten gerichtete Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen, weil die Beklagten unzureichend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden seien und ihre Widerrufserklärung deshalb rechtzeitig abgegeben hätten. Die Verträge beider Beklagten seien erst durch die Erklärungen vom 27. April 2018 zustande gekommen, nicht schon – für die Beklagte zu 1 – durch die eMails vom 17. und 18. April 2018. Die Folgen der Zustimmung zum sofortigen Leistungsbeginn und der den Beklagten nahegelegten und von ihnen abgegebenen „Verzichtserklärungen“ habe der Kläger in seinen Belehrungen falsch dargestellt.
Der Kläger verfolgt seinen Anspruch mit der Berufung weiter. Er meint, ein Vertrag mit der Beklagten zu 1 sei durch die gewechselten eMails vom 17. und 18. April 2018 zustande gekommen. Die vom Landgericht vermissten Angaben zur Provisionspflicht und zur Höhe der Provision seien in dem Internet-Inserat des Klägers deutlich benannt, und die Beklagte zu 1 habe sich in ihrer eMail auf dieses Inserat ausdrücklich bezogen. Der Vertrag sei durch die Annahmeerklärung des Klägers zustande gekommen. Die Beklagte zu 1 habe auf Grund einer beanstandungsfreien Belehrung bereits vor Leistungsbeginn, nämlich am 19. April 2018, wirksam auf ihr Widerrufsrecht verzichtet. Gleiches gelte für den Beklagten zu 2, der auf Grund einer inhaltsgleichen Belehrung am 27. April 2018 eine Verzichtserklärung abgegeben habe. Die Gesamtschau der Belehrungen und Erklärungsformulare, die der Kläger verwendet habe, gebe ein widerspruchsfreies, zutreffendes Bild der Rechtslage zum Widerruf und zu den Folgen sofortigen Leistungsbeginns.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 13.05.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 24.990,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 14.10.2018 sowie 2,50 Euro Mahnkosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über des Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für richtig.
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Beklagten haben die mit dem Kläger geschlossenen Maklerverträge wirksam, insbesondere rechtzeitig, widerrufen.
Das Widerrufsrecht ist nicht nach § 356 IV 1 BGB erloschen, weil die Beklagten ihre Zustimmung zum Leistungsbeginn auf Grund einer unzureichenden Belehrung über ihr Widerrufsrecht erklärt haben. Das Landgericht hat zutreffend begründet, weshalb die den Beklagten erteilte Belehrung wenigstens unklar, eher jedoch deutlich unrichtig war (2). Das gilt für beide Belehrungen, für die der Beklagten zu 1 allein erteilte ebenso wie für die inhaltsgleiche sodann beiden Beklagten gemeinsam erteilte Belehrung. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Beklagte zu 1 den Vertrag mit dem Kläger bereits durch die eMails vom 17. und 18. April 2018 geschlossen hat, so dass sie mit ihrer Erklärung vom 19. April 2018 (Bl. 57) dem Leistungsbeginn hätte zustimmen können. Der Vertragsschluss wird hier nur deshalb näher ausgeführt (1), weil die Berufungsbegründung diesen Fehler des angefochtenen Urteils anspricht; der Berufungsbegründung ist insoweit zuzustimmen, aber das führt nicht zum Erfolg der Berufung.
1. Das Zustandekommen des Vertrages des Klägers mit der Beklagten zu 1 ist anders zu beurteilen als im angefochtenen Urteil. Diese Parteien haben durch die am 17. und 18. April 2018 gewechselten eMails einen Maklervertrag geschlossen.
Die Beklagte zu 1 hat dem Kläger den Vertragsschluss mit ihrer eMail vom 17. April 2018 angeboten. Anders, als das Landgericht meint, enthielt die Erklärung der Beklagten zu 1 die für einen Maklervertrag wesentlichen Bestandteile, auch die vom Landgericht vermissten Vereinbarungen über eine Provisionspflicht der Beklagten zu 1 und über die Höhe der geschuldeten Provision.
Das Angebot (§ 145 BGB) ist eine Willenserklärung und folgt den dafür eingeführten Auslegungsregeln. Sein Inhalt muss bestimmt oder bestimmbar sein. Dabei kommt es darauf an, dass die Erklärung aus der Sicht des Empfängers einen Inhalt erkennen lässt, der auf den Abschluss eines bestimmten Vertrages gerichtet ist, den er zustandebringen kann, indem er bloß noch zustimmt, ohne weitere Konkretisierungen oder Ergänzungen erklären zu müssen.
Die Erklärung der Beklagten zu 1 vom 17. April 2018 (Anlage K 2 = Bl. 10) war in dieser Weise ausreichend bestimmt und eignete sich als Angebot. Der Inhalt des angebotenen Vertrages ist nicht allein dem Wortlaut der eMail zu entnehmen. Die Beklagte zu 1 bezog sich in ihrer Erklärung auf das mit „Online-ID“ und „Referenznummer“ bezeichnete Inserat, das der Kläger mit diesen, von der Beklagten zu 1 genannten Unterscheidungsmerkmalen im Internet veröffentlich hatte (Anlage B 1 = Bl. 54). Das Inserat enthielt die Angabe einer „Käuferprovision“ und bezeichnete auch deren Höhe mit einem Prozentsatz und dem „beurkundeten Kaufpreis“ als Grundwert. Der Kläger als Urheber dieses Inserats benötigte keine weiteren Angaben als die von der Beklagten zu 1 in ihre eMail aufgenommenen Unterscheidungsmerkmale, um sicher erkennen zu können, welche Einzelheiten über Provision und Provisionshöhe die Beklagte zu 1 auf diese Weise erklären wollte.
Die Erklärung der Beklagten zu 1 richtete sich auf den Abschluss eines Vertrages mit dem soeben bestimmten Inhalt. Sie bahnte einen Vertragsschluss nicht nur an, indem sie etwa um weitere Verhandlungen bat oder nur ankündigte, eventuell einen Vertrag schließen zu wollen. Auch für diese Abgrenzung ist eine Auslegung anhand des Empfängerhorizonts maßgeblich. Indem die Beklagte zu 1 nicht nur ihr Interesse an dem „Angebot“ des Klägers bekundete, sondern ihn auch bat, er solle ihr schreiben oder sie anrufen, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren, forderte sie die Leistung ab, die ein Makler nur gegen das Entgelt der Provision erbringen will, wenn der nachgewiesene Vertrag zustande kommt. Der Kläger durfte diese Bitten um Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung so verstehen, dass er mit der von der Beklagten zu 1 gewünschten Antwort seine entgeltliche Leistung beginnt, nämlich der Beklagten zu 1 ermöglicht, den Kaufgegenstand näher kennenzulernen. Der Kläger durfte sich zum Vertragsschluss und zum Beginn der von ihm dann geschuldeten Leistungen eingeladen fühlen, nicht nur zu weiteren Verhandlungen darüber, ob er seine Maklerdienste erbringen sollte.
Der Kläger nahm das Vertragsangebot der Beklagten zu 1 mit seiner eMail vom 18. April 2018 (Anlage K 3 = Bl. 10R) an. Der Kläger erklärte sich zur Leistung bereit und bezog sich wiederum – wie zuvor die Beklagte zu 1 – auf sein Internet-Inserat, indem er ebenfalls die dort angegebenen, von der Beklagten zu 1 genannten Unterscheidungs-merkmale verwendete. Er erläuterte zudem das Widerrufsrecht und die Möglichkeit, auf das Widerrufsrecht zu verzichten. Dieser Erläuterung ist zu entnehmen, der Kläger betrachte den Vertrag mit seiner Antwort als abgeschlossen. Er zeigte der Beklagten zu 1 nämlich einen Weg auf, sich von einem abgeschlossenen Vertrag wieder zu lösen. Die Erläuterungen dienten nicht dazu, der Beklagten zu 1 eine weitere Entschließung zu eröffnen, den Vertrag zustande kommen zu lassen oder den Vertragsschluss zu vermeiden.
Das Landgericht hat aus seiner Ansicht, der Vertrag sei nicht durch die eMails geschlossen worden, gefolgert, die Beklagte zu 1 habe am 19. April 2018 (Bl. 57), also vermeintlich vor Abschluss des Vertrages, nicht die Zustimmung zum sofortigen Leistungsbeginn erklären können, so dass durch diese Erklärung und die darauffolgende Leistung des Klägers das Widerrufsrecht nicht habe erlöschen können. Dieser Differenzierung nach den Rechtsverhältnissen beider Beklagter bedarf es nicht, weil der Kläger der Beklagten zu 1 allein die gleichen Belehrungen erteilt hat wie sodann beiden Beklagten gemeinsam. Die Belehrungen sind teilweise ausdrücklich als solche bezeichnet und sind andernteils in die „Verzichtserklärung“ aufgenommen; sie haben weitgehend den gleichen Inhalt (Bl. 10R, 11, 57 einerseits – Bl. 8, 9 andererseits).
2. Das Widerrufsrecht der Beklagten hat nicht erlöschen können und die Widerrufsfrist hat nicht beginnen können, weil der Kläger die Beklagten unrichtig belehrt hat. Die Belehrung leidet unter dem schwerwiegenden Fehler, den Anschein zu erwecken, die Beklagten könnten auf ihr Widerrufsrecht verzichten, so dass es durch eine von ihnen abgegebene Erklärung – den Verzicht – endgültig verlorengehe.
a) Es braucht nicht näher erörtert zu werden, ob ein Verzicht auf das Widerrufsrecht überhaupt möglich ist oder an den §§ 312 k I 1, 361 II BGB scheitern müsste (vgl. Erman-Koch, BGB, 16. Aufl. 2020, § 312 k Rdnr. 4 ff.).
b) Die Rechtsfolge, die § 356 IV 1 BGB anordnet, ist mit dem Hinweis auf einen Verzicht jedenfalls auf eine Weise falsch mitgeteilt, die die Ausübung des Widerrufsrechts beschränken kann.
§ 356 IV 1 BGB fordert für den Verlust des Widerrufsrechts eine Erklärung des Verbrauchers, dass er Kenntnis vom Verlust seines Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer habe. Diese Kenntnis vom Verlust setzt eine Kenntnis des Verbrauchers vom vorangegangenen Bestehen des Widerrufsrechts voraus. Für den Verlust des Widerrufsrechts reicht es nicht aus, dass dem Verbraucher die Existenz des Widerrufsrechts bekannt ist oder dass er lediglich die Möglichkeit hatte, sich über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Es ist vielmehr erforderlich, dass er hierüber vom Unternehmer in der gebotenen Weise so belehrt worden ist, dass er nicht an der Ausübung des Widerrufsrechts gehindert wird. Der Verbraucher muss mithin zutreffend darüber belehrt werden, unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht erlischt, dass er es auch nach der Zustimmung zum Leistungsbeginn noch ausüben kann und was aus der Erklärung des Widerrufs nach Zustimmung und Leistungsbeginn folgt. Die Regelungen zum Erlöschen des Widerrufsrechts, wenn der Unternehmer auf entsprechende Aufforderung des Kunden vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Erbringung der Dienstleistungen beginnt, können nicht getrennt von den Regelungen betrachtet werden, die gelten, wenn der Verbraucher den Widerruf erklärt, nachdem der Unternehmer bereits mit der Erbringung der Dienstleistungen begonnen hat. Dem Verbraucher steht, auch wenn er den Unternehmer aufgefordert hat, vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Erbringung der Dienstleistung zu beginnen, bis zu deren Abschluss weiterhin ein Widerrufsrecht zu. Den Interessen des Unternehmers in einem derartigen Fall wird dadurch Rechnung getragen, dass er für die von ihm erbrachte Leistung angemessen bezahlt wird, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt. Da das Widerrufsrecht mit den beiden Erklärungen des Verbrauchers, dem Beginn der Erbringung der Dienstleistung ausdrücklich zuzustimmen und von dem Erlöschen seines Widerrufsrechts nach vollständiger Leistungserbringung Kenntnis zu haben, nicht sofort, sondern erst nach vollständiger Erbringung der Dienstleistung erlischt, ist für ein Erlöschen des Widerrufsrechts zu fordern, dass der Unternehmer den Verbraucher ausreichend über sein Widerrufsrecht belehrt und ihm die erforderliche Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular ausgehändigt hat (BGH, NJW-RR 2021, 177, Rdnr. 63 f., 66 f.).
Der Kläger hat in seinen Belehrungen und Erklärungsformularen die Bezeichnung „Verzichtserklärung“ (Bl. 8R, 9R, 11R, 55R, 57) und die Wendungen „Wenn Sie auf Ihr Widerrufsrecht verzichten wollen …“ und „Hiermit verzichte ich auf meine Widerrufsrecht“ (Bl. 11R, 55R, 57) verwendet. Die Formulierung eines Verzichts ist weder im Wortlaut der §§ 356, 357 BGB noch in den Belehrungsmustern (Anlagen zum EGBGB) vorgesehen. Sie widerspricht den Rechtsfolgen, die für den Leistungsbeginn eines dienstleistenden Unternehmers vorgesehen sind. Unter Verzicht wird ein um Verständnis bemühter, aufmerksamer Leser verstehen müssen, mit dieser Erklärung verliere er auf Grund seines frei erklärten Willens das betreffende Recht, hier das Gestaltungsrecht, den geschlossenen Vertrag unwirksam werden zu lassen. Die Zustimmung zum Leistungsbeginn (§ 356 IV 1 BGB) lässt aber das Widerrufsrecht nicht entfallen. Es erlischt erst mit vollständiger Leistung. In der Zeitspanne zwischen Zustimmungserklärung und Leistungsschluss ist der Verbraucher berechtigt, den Vertrag zu widerrufen und damit unwirksam werden zu lassen. Er muss dann Wertersatz leisten, wenn er über diese Rechtsfolge belehrt wurde (§ 357 VIII BGB).
Dass auf die vom Kläger vorgegebene Erklärung der Beklagten „Hiermit verzichte ich auf meine Widerrufsrecht“ (Bl. 11R, 55R, 57) eine Erläuterung folgt, unter welchen weiteren Voraussetzungen der Erklärende das „Widerspruchsrecht verliere“, lässt die Darstellung der vermeintlichen Rechtslage nur noch unklarer werden. Nun ist noch undeutlicher, wie, weshalb und unter welchen Voraussetzungen auf einen Verzicht noch ein Verlust folgen könnte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 II ZPO), besteht nicht.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 24.990 Euro festgesetzt (§§ 63 II, 47 I 1 GKG).