Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 09.09.2021 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 9 AR 7/21 (SA F) | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0909.9AR7.21SA.F.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1.1. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
1.
Betroffen in der vorliegenden Kindschaftssache ist ein minderjähriges Kind, dessen ständiger Aufenthalt streng vertraulich ist. Insoweit hatte das Amtsgericht Bad Liebenwerda mit Beschluss vom 11. August 2020 der Kindesmutter die elterliche Sorge für das betroffene Kind entzogen und das Jugendamt des Landkreises … als Vormund bestellt.
Ausweislich des Vormundschaftsberichts vom 07. Juni 2021 hat das betroffene Kind seit Mitte Februar 2021 seinen ständigen Aufenthalt in .... . Mit Beschluss vom 29. Juli 2021 hat das Amtsgericht Bad Liebenwerda – die Rechtspflegerin – daraufhin das Verfahren an das Amtsgericht Luckenwalde abgeben und dies mit einem wichtigen Grund für die Abgabe gemäß § 4 FamFG (dauerhafter gewöhnlicher Aufenthalt des betroffenen Kindes nunmehr im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Luckenwalde) begründet. Innerhalb der Verfügung vom 29. Juli 2021 heißt es dazu noch (unter Ziff. 5.) ... Nach Eingang der Übernahmebestätigung - abtragen, weglegen.
Mit Beschluss vom 23. August 2021 hat das Amtsgericht Luckenwalde – der Rechtspfleger – beschlossen, das Verfahren nicht zu übernehmen und dies damit begründet, der gewöhnliche Aufenthalt des betroffenen Kindes liege tatsächlich im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Zossen. Zugleich hat das Amtsgericht Luckenwalde dem Senat die Akte zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.
2.
Der Senat ist für eine Zuständigkeitsbestimmung nicht berufen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nach § 5 Abs. 1 FamFG nicht gegeben sind.
a.
Soweit eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG in Betracht kommt, greift diese Vorschrift deshalb nicht ein, weil sich vorliegend die hier beiden beteiligten Amtsgerichte (Amtsgericht Bad Liebenwerda und Amtsgericht Luckenwalde) nicht (rechtskräftig) für unzuständig erklärt haben.
Es fehlt bereits an einer ausdrücklichen Unzuständigkeitserklärung des Amtsgerichts Bad Liebenwerda, welches vorliegend ausdrücklich ein Abgabeverfahren nach § 4 FamFG durchgeführt haben will. Damit liegt auch insbesondere kein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss dieses Amtsgerichts gemäß § 3 Abs. 1, 3 S. 2 FamFG vor.
Ob ferner auch der Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde keine Unzuständigkeitserklärung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG darstellt, weil damit primär die vom Amtsgericht Bad Liebenwerda angetragene Übernahme abgelehnt wird, kann deshalb offenbleiben.
b.
Ebenso scheidet eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG aus. Dies würde voraussetzen, dass eine Abgabe aus wichtigem Grund (§ 4 FamFG) erfolgen soll und die Gerichte sich darüber nicht einigen können.
aa.
Die Zuständigkeitsbestimmung setzt somit zwingend voraus, dass sich die Gerichte über die Abgabe nicht einigen können (OLG Köln FamRZ 2015, 75). Ob dies auf Seiten des Amtsgerichts Bad Liebenwerda hier der Fall ist, kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden. Denn das Amtsgericht Bad Liebenwerda hat bislang nicht zu erkennen gegeben, eine Einigung mit dem Amtsgericht Luckenwalde über die Abgabe überhaupt erzielen zu wollen. Eine vorherige Anfrage beim Amtsgericht Luckenwalde ist jedenfalls nicht aktenkundig erfolgt (der Inhalt der zitierten Verfügung vom 29. Juli 2021 spricht vielmehr dagegen). Gerade dies ist aber Voraussetzung des § 4 FamFG, d.h. dass sich das um Übernahme ersuchende Gericht (hier das Amtsgericht Bad Liebenwerda) an das andere Gericht (hier das Amtsgericht Luckenwalde) zunächst wendet, um dessen Übernahmebereitschaft abzufragen. Denn für eine auf § 4 FamFG beruhende Abgabe ist die Erklärung der Übernahmebereitschaft durch das andere Gericht zwingende Voraussetzung (Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 4 FamFG Rn. 4; Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 4 Rn. 22; Jacoby in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 4 FamFG Rn. 1).
Hält sich dann das aufnehmende Gericht für unzuständig, muss es seine Übernahmebereitschaft verweigern (Prütting a.a.O. Rn. 11). Erst in diesem Falle kann das abgabewillige Gericht eine Entscheidung des Obergerichts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 FamFG herbeiführen (vgl. auch Borth/Grandel in: Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 4 Rn. 9).
Das Amtsgericht Luckenwalde hätte deshalb das Verfahren zunächst an das Amtsgericht Bad Liebenwerda zurückgeben müssen, was dem üblichen Verlauf in solchen Streitfragen entspricht (vgl. z.B. Senat FamRZ 2019, 232 und OLG Köln FamRZ 2015, 75) und es dem abgebenden Amtsgericht z.B. ermöglicht, seine auf einer irrtümlichen Annahme der örtlichen Zuständigkeit beruhende Abgabe wieder aufzuheben (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Auflage 2020, § 4 Rn. 32).
All dies gilt unabhängig davon, dass der Aktenlage ebenso wenig entnommen werden kann, inwieweit eine Anhörung der Beteiligten – die vor der Abgabe angehört werden sollen, § 4 S. 2 FamFG – überhaupt erfolgt oder ausnahmsweise wegen Eilbedürftigkeit oder Unerreichbarkeit unterblieben ist.
bb.
Das Amtsgericht Bad Liebenwerda hat daher zunächst zu prüfen, ob es tatsächlich an das aufnahmeunwillige Amtsgericht Luckenwalde das Verfahren abgeben will. Vor einer Entscheidung darüber kommt eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung des Senates nicht in Betracht.
Dabei wird das Amtsgericht Bad Liebenwerda allerdings auch zu prüfen haben, ob nicht angesichts des ständigen Aufenthaltes des betroffenen Kindes die Abgabe in den Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Zossen – welches im Falle einer Abgabe wegen Aufenthaltswechsels derzeit tatsächlich zuständig wäre – erfolgen soll. Auch insoweit hätte allerdings das Amtsgericht Bad Liebenwerda zunächst bei dem Amtsgericht Zossen dessen Übernahmebereitschaft anzufragen und die Beteiligten dazu anzuhören. Der Senat wiederum ist derzeit nicht dazu berufen, das Amtsgericht Zossen als zuständiges Gericht zu bestimmen, weil ein bislang nicht einbezogenes drittes Gericht nicht zur Übernahme verpflichtet werden kann (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Auflage 2020, § 5 Rn. 47; Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 5 FamFG Rn. 5).