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Entscheidung S 27 BA 10/18


Metadaten

Gericht SG Frankfurt (Oder) 27. Kammer Entscheidungsdatum 11.08.2021
Aktenzeichen S 27 BA 10/18 ECLI ECLI:DE:SGFRANK:2021:0811.S27BA10.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 7 SGB 4, § 28p SGB 4, § 84 HGB, § 54 Abs 1 SGG

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2018 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1.) in seiner Tätigkeit für das von der Klägerin betriebene Kaminstudio.

Die Klägerin betreibt in M ein Kaminstudio. In diesem Kaminstudio vertreibt die Klägerin ausschließlich Kamine, Öfen und Zubehör der Firma H und bietet auch deren Montage beim Endkunden an. Der Beigeladene zu 1.) war seit dem Jahr 2005 im Vertrieb der von ihr angebotenen Produkte tätig und hatte ein selbständiges Gewerbe als Handelsvertreter angemeldet. Für vermittelte Verkaufsabschlüsse erhielt er eine Provision.

Nachdem das Hauptzollamt im Januar 2016 eine Betriebsprüfung im Betrieb der Klägerin begonnen und die Beklagte um die Erstellung einer gutachterlichen Stellungnahme zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1.) gebeten hatte, befragte diese den Beigeladenen zu 1.) nochmals zu Gegenstand, Art und Umfang der für die Klägerin geleisteten Tätigkeiten.

Nach erfolgter Anhörung zum Bestehen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1.) bei der Klägerin ließ sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dahingehend ein, dass der Beigeladenen zu 1) selbständig über die Preise verhandeln konnte, wofür ihm Rahmen vorgegeben waren. Es sei seine Aufgabe gewesen, ständig Kunden für die Klägerin zu werben. Es sei seine Entscheidung gewesen, wie und wo er dieses tat. Weisungen unterlag er nicht. Soweit er Reklamationen angenommen habe, habe er diese lediglich an die Klägerin weitergegeben, welche die Sachen bearbeitet habe. Bis in das Jahr 2011 habe der Beigeladenen zu 1.) weitere Auftraggeber gehabt. Es sei ferner nicht unüblich, dass Handelsvertreter nur für einen Auftraggeber tätig seien. Der Klägerin sei jedenfalls nicht bekannt gewesen, dass der Beigeladenen zu 1.) ausschließlich für sie tätig gewesen sei. Ferner sei es nicht unüblich, dass sich der Vertretene vertraglich dahingehend absichere, dass der Handelsvertreter nicht gleichzeitig für ein Konkurrenzunternehmen tätig werde. Der Beigeladene zu 1.) habe seine Tätigkeit an jedem Ort verrichten können, wobei sich das Kaminstudio für Vorführungszwecke besonders angeboten habe. Der Beigeladene zu 1.) sei weisungsfrei und nicht in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen, habe frei über seine Arbeitszeit verfügt und einen Vertreter in seiner Abwesenheit gestellt, eigenes Kapital und eigene Betriebsmittel im Sinne eines eigenen Arbeitszimmers, eines Pkws, Büromaterialien, eines Fotoapparat eines Computers und eines Druckers eingesetzt und damit ein Unternehmerrisiko getragen. Später habe er sogar eine Arbeitnehmerin beschäftigt. Auch die Höhe der Vergütung des Beigeladenen zu 1.) sowie dessen persönliche Haftung spreche für eine selbstständige Tätigkeit. Das Finanzamt K sei bezüglich Handelsvertretern der Firma H GmbH & Co. KG aufgrund der Vertragsgestaltung und der Ausgestaltung der Verhältnisse zu dem Schluss gekommen, dass diese als selbstständige Handelsvertreter anzusehen seien.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 22. September 2017 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 76.510,48 Euro für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.) bei der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2014 nach. In diesem Betrag waren Säumniszuschläge in Höhe von 27.041,00 Euro enthalten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1) anders als andere selbstständige Handelsvertreter nicht nur Verträge zwischen der Klägerin und dem Kunden vermittele, sondern neben der Kundenbetreuung und Kundenakquise auch Bauberatung und die Abmessung von Baustellenaufmaße vor Ort beim Kunden durchführe. Ebenso sei er für die Inbetriebnahme der Öfen und Kamine verantwortlich gewesen. Für die Preiskalkulation seien von ihm technische Zeichnungen gefertigt worden. Reklamationen habe er nicht nur an die Klägerin weitergeleitet, sondern diese auch bearbeitet. Es sei daher festzustellen, dass der Beigeladene zu 1.) nicht als Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs.1 Handelsgesetzbuch (HGB) sondern als Verkäufer für die Klägerin tätig gewesen sei. Für eine abhängige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.) spreche weiterhin, dass dieser keine eigenen Verträge mit der Firma H GmbH & Co. KG abgeschlossen habe. Er habe vielmehr Leistungen im Namen und auf Rechnung der Klägerin erbracht, wobei er durch die Vorgabe von Preisen oder eines engen Preisrahmens in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt gewesen sei. Die Tätigkeit sei, sofern kein Außeneinsatz erforderlich gewesen sei, in den Räumlichkeiten der Klägerin durchgeführt worden. Ein Auftreten nach außen als Selbstständiger sei nicht erkennbar. Weiterhin sei der Beigeladenen zu 1.) seit dem Jahr 2011 ausschließlich für die Klägerin tätig geworden. Die vorgelegten Provisionsabrechnungen belegten, dass eine weitere Tätigkeit für andere Auftraggeber bereits zeitlich kaum möglich gewesen sei. Nach § 4 des Vertrages vom 27. Januar 2005 sei dem Beigeladenen zu 1.) eine direkte oder indirekte Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen untersagt gewesen. Ein wesentliches unternehmerisches Risiko mit eigenem Kapitaleinsatz sei trotz Anschaffung eines Fotoapparats, eines Laptops, eines Druckers und der Anschaffung eines Pkw auf Kredit nicht zu erkennen, da eine private Nutzung nicht ausgeschlossen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass ein finanzielles Risiko bestanden habe, dass über ein vergleichbares Risiko eines Arbeitnehmers hinausgegangen sei. Die Nutzung der Räumlichkeiten und Arbeitsmittel des Kaminstudios seien unentgeltlich erfolgt. Der Beigeladenen zu 1.) habe daher ähnlich wie ein angestellter Arbeitnehmer nur das Einkommensrisiko bei fehlenden Aufträgen zu tragen gehabt. Eine erfolgsabhängige Vergütung durch Provisionen spreche nicht zwingend gegen eine abhängige Beschäftigung. Bei plötzlicher Verhinderung sei der Beigeladenen zu 1.) verpflichtet gewesen, die Klägerin zu informieren. Unerledigte Aufträge hätten in diesem Fall zurückgegeben werden müssen. Die Vertretung sei in der Regel durch den Ehemann der Klägerin erfolgt. Einen eigenen Vertreter habe der Beigeladenen zu 1.) nicht gestellt. Nachweislich habe dieser erst zum 1. Juli 2014 eine Arbeitnehmerin eingestellt, und sei erst ab diesem Zeitpunkt zur Stellung einer Vertretung befähigt gewesen. Der Beigeladenen zu 1) habe zwar angegeben, eigene Hilfskräfte einsetzen zu können und dabei nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängig zu sein. Nach den vorliegenden Verträgen sei er jedoch unter anderem dazu verpflichtet gewesen, sich nach dem Kaufvertrag persönlich über die vorhandenen Gegebenheiten beim Kunden zu informieren. Weiterhin seien für die vom Beigeladenen zu 1.) ausgeübte Tätigkeit keine speziellen Kenntnisse notwendig gewesen. Die zu erledigenden Aufgaben hätten auch von einem dafür qualifizierten abhängigen Arbeitnehmer verrichtet werden können. Hinsichtlich der vom Beigeladenen zu 1.) durchgeführten Kalkulation und den technischen Zeichnungen habe eine Kontrolle durch die Klägerin und bei Bedarf auch eine Korrektur durch diese stattgefunden. Der Beigeladenen zu 1.) habe angegeben, einen eigenen Kundenstamm zu besitzen. Aus den vorliegenden Unterlagen sei jedoch erkennbar, dass die Kunden der Klägerin betreut wurden.

Für eine Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1) spreche, dass bei der Ausübung der Tätigkeit in Bezug auf Art und Weise keine Weisungen erteilt wurden. Die Arbeitszeiten wurden selbst gestaltet. Die Terminierung der Außentermine wurde durch den Beigeladenen zu 1.) koordiniert. Jedoch habe bei der Tätigkeit im Kaminstudio eine gewisse arbeitszeitliche Bindung bestanden, wenn die Öffnungszeiten des Studios zu beachten waren. Zudem könne das Weisungsrecht vornehmlich bei Diensten höherer Art in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung eingeschränkt und zu einer dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Höhere Dienste würden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben und in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. Für eine Selbstständigkeit spreche ferner, dass der Beigeladenen zu 1.) für Schäden hafte und hierfür eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe. Er habe keinen Berichtspflichten und keiner Zeiterfassung unterlegen. Er habe für die ausgeübte Tätigkeit Werbung betrieben und ein Arbeitszimmer gehabt. Ferner sei eine Gewerbeanmeldung als Indiz für eine selbständige Tätigkeit erfolgt. Dass kein Entgeltanspruch auf bezahlten Urlaub beziehungsweise bei Krankheit bestanden habe, falle nicht besonders ins Gewicht.

Im Rahmen einer Gesamtabwägung würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Arbeitsortes seien nicht vorhanden gewesen. Die Tätigkeit wurde im Kaminstudio oder bei den Kunden der Klägerin vor Ort durchgeführt. Durch die Erbringung der Leistungen im Namen und auf Rechnung der Klägerin habe eine starke persönliche Abhängigkeit von dieser bestanden. Auch die Kontrolle der durchgeführten Arbeiten in Bezug auf Kalkulation, technische Zeichnungen und Rechnungslegung, das geringe unternehmerische Risiko, die fehlende Möglichkeit zur eigenen Preisgestaltung, das Verbot für Konkurrenzunternehmen tätig zu werden sowie das nicht erkennbare Auftreten nach außen hin als Selbstständiger seien Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Erst ab dem 1. Juli 2014 habe der Beigeladene zu 1.) eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin beschäftigt und damit ein wesentliches unternehmerisches Risiko getragen.

Säumniszuschläge seien zu zahlen, da die Klägerin mindestens grob fahrlässig verkannt habe, dass für den Beigeladenen zu 1.) Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Da sie in ihrem Betrieb vor der Zusammenarbeit mit den Beigeladenen zu 1.) auch bereits angestellte Arbeitnehmer beschäftigt habe, habe ihr bewusst sein müssen, dass eventuell Beitragspflicht bestehen könne. Der Arbeitgeber habe sich sorgfältig über die Rechtslage zu informieren. Spätestens ab der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 30. Januar 2017 habe die Klägerin Kenntnis von der Beitragsforderung und dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt. Insofern sei die Beitragsforderung auch noch nicht verjährt.

Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2017 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen die vorgenannte Entscheidung Widerspruch ein. Darüber hinaus erhob die Einrede der Verjährung. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. Februar 2018 hat die Klägerin gegen die vorgenannte Entscheidung der Beklagten Klage erhoben. Mit Beschluss vom 23. März 2018 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) in dem unter dem Aktenzeichen S 27 KR 323/17 ER geführten Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Mit dem Beschluss vom 16. November 2018 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Beiladung der Beigeladenen vorgenommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat zur weiteren Sachverhaltsermittlung die Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen beigezogen. Aus diesen ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) das gegen die Klägerin geführte Strafverfahren am 11. Oktober 2017 nach § 170 Abs.2 Strafprozessordnung wegen zumindest fehlenden vorsätzlichen Handelns eingestellt hat. Das Gericht hat ferner die Angaben des Beigeladenen zu 1.) für die Ermittlung seines Gewinns aus der selbständigen Tätigkeit für die Jahre 2011 bis 2014 über das Finanzamt Frankfurt (Oder) beigezogen.

Der Beigeladenen zu 1) hat sich gegenüber dem Gericht nochmals schriftlich dahingehend eingelassen, dass er aus seiner Sicht keine Gelder und Sachmittel mit der Gefahr auf Verlust investiert habe. Von der Klägerin sei ihm ein Großteil der Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden, welche für seine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter benötigt gewesen sein. Er habe Beratungsplätze, einen Schreibtisch, einen Verkaufstresen, eine Kaminausstellung mit Ausstellungsmodellen, für den Verkauf notwendige Vertragsvordrucke, Beratungs- und Verkaufsordner, Strom, Wasser und Wärme gestellt bekommen. Er selbst habe in der Zeit von 2005 bis 2016 in Arbeitsrechner, Drucker, Büromaterial, Dienstwagen und eine Werbeanzeige in der Zeitung investiert. Diese Kosten habe er nicht zurückerstattet bekommen.

Im Verhandlungstermin hat die Kammer den Beigeladenen zu 1.) nochmals ausführlich zu seiner Tätigkeit für die Klägerin befragt. Hierbei gab er unter anderem an, etwa vier mal in der Woche nach den Öffnungszeiten abends Kunden besucht zu haben. Diese seien in einem Umkreis von etwa 100 km ansässig gewesen. Die hierfür entstandenen Fahrtkosten seien ihm von der Klägerin nicht erstattet worden. Bezüglich seiner Tätigkeit im Kaminstudio erklärte der Beigeladene zu 1.) dass er so viel Zeit wie möglich dort verbracht habe um Erstkontakte herzustellen, da er nur für von ihm vermittelte Verkaufsabschlüsse Provision erhielt. Sein Anwesenheit im Kaminstudio sei aber außerhalb der Urlaubszeiten der Klägerin und ihres Ehemannes für den Betrieb des Kaminstudios nicht notwendig gewesen, da auch der Ehemann der Klägerin in der gleichen Liegenschaft mit seinem Unternehmen ansässig sei und die Öffnungszeiten so abgedeckt gewesen seien.

Zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des Verfahrens S 27 KR 313/17 ER und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, welche der Kammer zur Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist gemäß § 154 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in zulässiger Weise als Anfechtungsklage erhoben worden.

II.

1.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der vorgenannte Bescheid ist daher aufzuheben.

a.

Die Klägerin ist entgegen dem Verfügungssatz des im Streit stehenden Betriebsprüfungsbescheides nicht verpflichtet, für die von dem Beigeladenen zu 1.) im streitgegenständlichen Zeitraum verrichtete Tätigkeit Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen.

Die einzige in Betracht kommende Rechtsgrundlage für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den vorgenannten Bescheid ist § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung besteht für gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III), wobei die Pflicht des Arbeitgebers zur anteiligen Tragung der Beiträge aus § 249 Abs. 1 SGB V, § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und § 346 Abs. 1 Satz 1 SGB III folgt. Der Arbeitgeber muss die Beiträge als Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlen (§ 28d Satz 1 i. V. m. 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV und § 253 SGB V, § 174 Abs. 1 SGB VI, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, § 348 Abs. 2 SGB III). Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der U-1- und U-2-Umlagen ergibt sich aus § 7 Aufwendungsausgleichsgesetz und § 358 Abs. 3 SGB III.

Grundvoraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen ist in den vorgenannten Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dafür ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2015, Aktenzeichen B 12 KR 16/13 R, Rn 16 m.w.N., zu recherchieren unter www.juris.de). Das Unternehmerrisiko besteht regelmäßig in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder mit ihm Verluste zu erwirtschaften; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen. Das für eine selbstständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung hingegen nicht wesentlich bestimmen (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 16. August 2010, Aktenzeichen B 12 KR 100/09 B, Rn 10, zu recherchieren unter www.juris.de). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. April .2012, Aktenzeichen B 12 KR 24/10 R, Rn 29, zu recherchieren unter www.juris.de).

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11. März 2009, Aktenzeichen B 12 KR 21/07 R, Rn 15f. zu recherchieren unter www.juris.de). Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2007, Aktenzeichen B 12 KR 31/06 R, 16f. m.w.N., zu recherchieren unter www.juris.de).

Bei Handelsvertretern ist auf Grund der gesetzlichen Vorgaben des § 84 HGB bei der Ermittlung des vorgenannten Gesamtbildes ergänzend Folgendes zu beachten:

Handelsvertreter ist gemäß der gesetzlichen Definition des § 84 Abs.1 S.1 HGB, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.Selbständig ist gemäß § 84 Abs.1 S.2 HGB, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Wer ohne selbständig zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt gemäß § 84 Abs.2 HGB als Angestellter.

Aus dieser gesetzlichen Definition ergibt sich, dass es auch für den Beruf des selbständigen Handelsvertreters prägend ist, dass dieser laufend Geschäfte im Namen des Unternehmens abschließt, für das er tätig wird. Dabei spielt eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Handelsvertreters gegenüber dem diesbezüglich oftmals überlegenen Unternehmen für die Abgrenzung von abhängigen und selbständiger Tätigkeit eines Handelsvertreters regelmäßig keine ausschlaggebende Rolle (vgl. Hopt in Baumbach / Hopt, Kommentar zum HGB, 40. Auflage 2021, zu § 84 HGB, Rn 35). Ein ganz wesentliches Merkmal für die Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Tätigkeit ist hingegen gemäß dem in § 84 Abs.1 S.2 HGB klar zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen die persönliche Freiheit des Handelsvertreters, dass heißt dessen Möglichkeit im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen zu können, also in der Regel keinem fremdbestimmten Tagesplan, keiner Mindestarbeitszeit und keinem bestimmten Arbeitspensum zu unterliegen (vgl. hierzu bereits Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Januar 1981, Aktenzeichen 12 RK 63/79, Rn 18f und 1.; Hopt, a.a.O.). Dieser handelsrechtliche Maßstab ist zur Wahrung der Einheit der Rechtsordnung auch bei der Wertung, ob eine abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV vorliegt, zu beachten.

Ausgehend hiervon hat die Beklagte die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.) bei der Klägerin unzutreffend als abhängige Beschäftigung angesehen. Der Beigeladene zu 1.) war nicht als angestellter Verkäufer sondern als selbständiger Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs.1 HGB für die Klägerin tätig.

Ausgangspunkt für diese Bewertung ist zunächst der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1.) geschlossene Vertrag vom 27. Januar 2005. Bereits unter § 1 Abs.1 des Vertrages wird bestimmt, dass der Beigeladene zu 1.) selbständiger Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs.1 HGB und kein Angestellter im Sinne des § 84 Abs.2 HGB ist. In den folgenden Regelungen des vorgenannten Vertrages enthält dieser konsequent Abreden, die für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.) als Handelsvertreter sprechen. Der Beigeladene zu 1.) erhielt keinen festen Arbeitsplatz und hatte keine festen Arbeitszeiten. Eine Weisungsbefugnis der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1.) sieht der Vertrag nicht vor. Der Beigeladene zu 1.) erhielt nur für vermittelte Geschäfte eine Provision. Ein Festgehalt war nicht vorgesehen. Der Beigeladene zu 1.) war vertraglich verpflichtet, für seine Handelsvertretertätigkeit ein Gewerbe anzumelden und die für die Tätigkeit anfallenden Kosten und Auslagen selbst zu tragen. Bei Verstößen gegen seine vertraglichen Pflichten lief der Beigeladene zu 1.) Gefahr, seinen Provisionsanspruch ganz oder teilweise zu verlieren.

Insoweit der Vertrag unter § 1 Abs.3 ausführt, dass wenn sich der Beigeladene zu 1.) dem studiobezogenen Verkauf anschließt seine Tätigkeit nach den offiziellen Verkaufszeiten richtet, denen er sich in Absprache mit seinen Kollegen freiwillig anschließt, so ist darauf zu verweisen, dass der Beigeladene zu 1.) bereits nach dem oben Genannten nicht an die Verkaufszeiten des Studios der Klägerin in dem Sinne gebunden war, dass er diese von Beginn bis Ende bedienen musste. Tatsächlich war es entsprechend der Einlassungen des Beigeladenen zu 1.) und der Klägerin so, dass der Beigeladene zu 1.) im Rahmen der Öffnungszeiten kommen und gehen konnte, wie er wollte. Seine Anwesenheit war in der Regel nicht notwendig dafür, die Öffnungszeiten des Kaminstudios zu gewährleisten, da diese vom Ehemann der Klägerin und der Klägerin selbst abgedeckt wurden, die selbst vor Ort waren. Der Beigeladene zu 1.) hatte vielmehr ein hohes Eigeninteresse daran, möglichst viel Zeit während der Öffnungszeiten im Kaminstudion auf Kundschaft zu verbringen, da dort die meisten Kundenkontakte stattfanden und Vorführmöglichkeiten bestanden. Im Übrigen hat der Beigeladene zu 1.) nach Abschluss des Handelsvertretervertrages Eigeninitiative dahingehend entwickelt, dass er Kunden auch außerhalb der eigentlichen Öffnungszeiten des Kaminstudios der Klägerin an Samstagnachmittagen und Sonntagen einladen durfte und eingeladen hat, ebenfalls um seine Chancen auf Vertragsabschlüsse und damit auf Provisionen zu erhöhen. Das ist ein handelsvertretertypisches Verhalten und zeigt exemplarisch, dass der Beigeladene zu 1.) große persönliche Freiheiten in der Ausübung seiner Tätigkeit genoss.

Der Umstand, dass der Vertrag mit der Klägerin die Pflicht des Beigeladenen zu 1.) vorsah, nach dem Kaufvertragsabschluss persönlich den jeweiligen Kunden aufzusuchen, um sich zu den vorhandenen Örtlichkeiten bezogen auf den Kaufvertrag zu informieren, ist eine vertragliche Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch im Verhältnis zur jeweiligen Hauptleistung des Vermittelns von Vertragsabschlüssen. Dasselbe gilt für das erste Anfeuern des Kamins sowie bezüglich der Entgegennahme von Reklamationen oder Einwänden des Schornsteinfegers. Diese Nebenpflichten stehen einer Einschätzung des Beigeladenen zu 1.) als selbständiger Handelsvertreter im Rahmen der Gesamtabwägung nicht unbedingt entgegen. Tatsächlich war es sogar so, dass der Beigeladene zu 1.) oft bereits vor Vertragsschluss zu den Kunden fuhr, um die Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen, die Kunden zu möglichen Kaminprojekten zu beraten und technische Zeichnungen anzufertigen, die an die Klägerin weitergereicht und von dieser gegebenenfalls auch korrigiert wurden. Hiermit leistete der Beigeladene zu 1.) einerseits eine für die Klägerin wertvolle Zuarbeit, wenn es im Anschluss hieran zum Vertragsschluss und der Umsetzung des Vertrages durch die Montage der erworbenen Öfen und Kamine kam. Andererseits tat der Beigeladene zu 1.) dieses aber auch aus einem erheblichem Eigeninteresse heraus. Es ging ihm vor dem Vertragsabschluss darum, den von ihm umworbenen Kunden durch seine Serviceleistung zum Vertragsabschluss zu bewegen. Es ging dem Beigeladenen zu 1.) auch um Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, was seine Chance erhöhte, dass nicht nur das Kaminstudio der Klägerin sondern auch er selbst als Kontaktperson weiterempfohlen wurde. Das wiederum erhöhte seine Chancen, weitere Kamine und Öfen zu verkaufen und mehr Provisionen zu verdienen. Dieses gilt insbesondere für das erste Anfeuern eines neu montierten Kamins oder Ofens, zu dem oftmals nicht nur der Kunde selbst, sondern auch weitere Familienangehörige, Nachbarn und Freunde zugegen waren. Diese Personen konnte der Beigeladene zu 1.) kennenlernen und konnte gleichzeitig den neu eingebauten Kamin vorführen, was für das Werben von Neukunden ideal war. Die Argumentation der Beklagten, dass der Beigeladene zu 1.) nur Kunden der Beklagten betreut hat, greift vor diesem Hintergrund zu kurz.

Der Umstand, dass der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1.) ein Konkurrenzverbot bezüglich der Vermittlung von Kaufvertragsabschlüssen für Konkurrenzunternehmen der Klägerin vorsah, ist insbesondere bei dem Vertrieb einer bestimmten Produktpalette bezüglich derer mehrere Hersteller in Konkurrenz zueinander stehen auch für selbständige Handelsvertreter typisch und spricht im Rahmen der Gesamtabwägung weder für noch gegen eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1.). Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Beigeladene zu 1.) auch ohne das ausdrücklich vereinbarte Konkurrenzverbot gemäß § 86 Abs. 1 HGB als selbständiger Handelsvertreter die Interessen des von ihm vertretenen Unternehmers wahrzunehmen hatte, so dass er ohnehin nicht in einer Weise tätig werden durfte, die sich zum Schaden der Klägerin hätte auswirken können, wie zum Beispiel durch eine Vermittlung von Kunden für einen Konkurrenten, die dann logischerweise nicht mehr bei der Klägerin kaufen würden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 26. Februar 2009, Aktenzeichen 12 W 307/09, Rn 41, zu recherchieren unter www.juris.de; Hopt, a.a.O., Rn 36).

Weiterhin ist festzustellen, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1.) den Inhalt des zwischen ihnen geschlossenen Handelsvertretervertrages im ganz Wesentlichen gelebt haben. Der Beigeladene zu 1.) hat ein eigenes Gewerbe als Handelsvertreter angemeldet. Er wurde nur für tatsächliche Verkaufsabschlüsse mit einer Provision entlohnt. Diese konnte er bei Rücktritt eines Kunden auch ganz oder zumindest teilweise wieder verlieren, was auch vorkam und was dessen geschäftliches Risiko im Sinne einer rein erfolgsabhängigen Vergütung zeigt. Der Beigeladene zu 1.) hat für seine Tätigkeit Mehrwertsteuer vereinnahmt, sowie die vereinnahmte Mehrwertsteuer und Gewerbesteuer an das Finanzamt abgeführt. Die Umsätze des Klägers in den Jahren 2011 bis 2014 von jährlich rund 50.000 bis 70.000 Euro bei Betriebsausgaben von jährlich 20.000 bis 25.000 Euro sowie die Art der dem zu Grunde liegenden Buchführung (vereinnahmte Umsatzsteuer, AfA, Vorsteuerabzüge, Schuldzinsfinanzierungen, etc.) sprechen für ein professionelles kaufmännisches Handeln des Beigeladenen zu 1.) in eigener Sache.

Im Rahmen der durchzuführenden Gesamtabwägung wichtiger ist noch, dass der Beigeladene zu 1.) nicht nur vertraglich sondern auch tatsächlich große persönliche Freiheiten hatte, wie er seine Tätigkeit als Handelsvertreter verrichten wollte und er diese auch genutzt hat. Einzelweisungen der Klägerin unterlag er nicht; ihm wurden auch keine erteilt. Der Beigeladenen zu 1.) hat vielmehr selbständig seine Termine mit den Kunden vereinbart, entschieden, ob und wie er auf eigene Kosten für die Kamine der Klägerin werben will und wieviel Zeit er für seine Tätigkeit, oft auch in den Abendstunden, investiert. Er war der Klägerin nicht zur Rechenschaft verpflichtet.

Hinzu kommt als weiterer ganz wesentlicher Faktor in der durchzuführenden Gesamtabwägung, dass der Beigeladene zu 1.) sowohl entsprechend der vertragliche Abrede als auch in Übereinstimmung mit der gelebten Realität ein wesentliches unternehmerisches Risiko trug. Bereits die allein auf Provisionen basierende Entlohnung des Beigeladenen zu 1.) ist hierfür aus Sicht der Kammer wie auch der einschlägigen Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein ganz deutliches Indiz für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.), da dieser seine Arbeitszeit mit ungewissen Erwerbsaussichten einsetzte (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., Rn 43). Zum Zeitpunkt des Erstkontaktes war unter Berücksichtigung der insoweit glaubhaften Schilderung des Beigeladenen zu 1.) noch nicht klar, wie viele Arbeitsstunden er voraussichtlich für den Versuch einsetzen musste, eine Provision zu verdienen. Anders als ein angestellter Verkäufer, der sein Grundgehalt zwar mit Provisionen deutlich aufbessern kann, der aber bezüglich der von ihm für seinen Arbeitgeber aufgewandte Arbeitszeit zumindest einen regelmäßig seinen Lebensunterhalt sichernden Grund- oder Basislohnanspruch hat (seit 2015 zumindest in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes), hatte der Beigeladene zu 1.) bei jeder Verkaufsbemühung das Risiko, völlig leer auszugehen. Dieses Risiko wird sich in einer Vielzahl von Fällen, in denen sich die potentiellen Kunden gegen einen Kauf entschieden haben, auch realisiert haben.

Hinzu kommt, dass der Beigeladene zu 1.) für seine Tätigkeit erhebliche Unkosten im Sinne von Betriebskosten hatte, die er zunächst erst einmal durch Provisionen wieder hereinholen musste, um nicht sogar mit einem erheblichen finanziellen Verlust abzuschließen. So hatte der Beigeladene zu 1.) entsprechend seinen für das Finanzamt erstellten Einnahmeüberschussrechnungen für die von ihm verrichtete selbständige Tätigkeit in den Jahren 2011 bis 2014 Betriebsausgaben in Höhe von jährlich 20.000,00 bis 25.000,00 Euro, die nur in Höhe von jährlich abgeführten knapp 10.000,00 Euro auf die „Durchlaufposten“ Vorsteuer und Umsatzsteuer zurückzuführen sind. Die weiteren Betriebsausgaben sind hingegen echte Investitionen des Beigeladenen zu 1.) in seine Tätigkeit als Handelsvertreter, die ihm von der Klägerin nicht erstattet wurden. Diese schlugen insbesondere in Form von Schuldzinsen für das von ihm für die Tätigkeit als Handelsvertreter angeschaffte KfZ und Benzinkosten für die gefahrenen Kilometer zu Buche. Zwar konnte der Beigeladene zu 1.) für letztere keine konkreten Angaben mehr machen und auch keine genaue Kilometerzahl pro Jahr für die von ihm dienstlich gefahrenen Kilometer mehr angeben. Jedoch ergibt sich aus Sicht der Kammer aus der Aussage des Beigeladenen zu 1.), dass er wöchentlich an zumindest vier Abenden nach Schließung des Kaminstudios Kunden besuchte, die in einem Umkreis von bis zum 100 Kilometern um das Kaminstudio beheimatet waren, dass der Beigeladene zu 1.) für die betrieblich veranlassten Fahrten zu den Kunden jährlich sicherlich deutlich mehr als 10.000 Fahrkilometer zurückgelegt und dabei jährlich mehrere tausend Euro allein für Benzinkosten in seine Tätigkeit investiert hat. Weiterhin steht für die Kammer – in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Finanzamtes – vor diesem Hintergrund fest, dass der Beigeladene zu 1.) das KfZ mehrheitlich dienstlich genutzt hat, so dass er auch zur Angabe entsprechender Abschreibungen und Schuldzinszahlungen als Betriebsausgaben berechtigt war. Hinzu kommen als kleine Posten sicherlich noch die Ausgaben für sein heimisches Arbeitszimmer, den Druck von Visitenkarten, Annoncen, sowie abziehbare Geschenke und Bewirtungsposten.

Der weitere Umstand, dass der Beigeladene zu 1.) nach seiner Einlassung im Kaminstudio der Klägerin nicht nur kostenfrei über eine Vorführmöglichkeit sondern auch kostenfrei über eine Art geheiztes Büro verfügte, muss als Indiz für eine abhängige Beschäftigung in die Gesamtabwägung eingestellt werden. Dieses belegt eine gewisse Integration des Beigeladenen zu 1.) in den Betrieb der Klägerin wie auch eine gewisse Abfederung des wirtschaftlichen Risikos des Beigeladenen zu 1.), da er sich durch einen Verkauf ausschließlich im Kaminstudio auf eine Tätigkeit ohne wesentliches eigenes finanzielles Risiko hätte beschränken können. Ein besonderes gewichtiges Argument ist dieses zur Überzeugung der Kammer jedoch nicht, zumal der Beigeladene zu 1.) seine Tätigkeit entsprechend der ihm eingeräumten Freiheit nicht auf eine reine Verkaufstätigkeit im Kaminstudio der Klägerin beschränkt und daher auch erhebliche eigene Kosten getragen hat.

Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1.) aus Sicht der Kunden der Klägerin wie ein im Kaminstudio angestellter Verkäufer wirken konnte, spielt bei der Gesamtabwägung, ob der Beigeladene zu 1.) als selbständiger Handelsvertreter zu werten ist, nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine entscheidende Rolle. Denn dieser Umstand betrifft nicht das Vertragsverhältnis zwischen dem Beigeladenen zu 1.) und der Klägerin. Es ist weiterhin für die Selbständigkeit eines Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs.1 HGB nicht notwendig, dass sich dieser gegenüber den Kunden als Selbständiger zu erkennen gibt. Die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen im Namen des Unternehmens ist nach der gesetzlichen Wertung des § 84 Abs.1 S.1 HGB auch für den selbständigen Handelsvertreter prägend. Entscheidend ist vielmehr, dass dieser Geschäftsabschlüsse des Unternehmens, für das er tätig ist, fördert und hierbei diesem gegenüber persönlich nach § 84 Abs1 S.2 HGB nicht gebunden ist. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit im Wesentlichen in den Räumlichkeiten des Auftraggebers auszuführen ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. März 1982, Aktenzeichen I ZR 27/80, Rn 14ff zur Tätigkeit eines „Propagandisten“ in einem Kaufhaus). Im Fall des Beigeladenen zu 1.) kommt hinzu, dass er auf seinen Visitenkarten und in seinen Annoncen mit seinem eigenen Namen als Handelsvertreter firmierte, für den aufmerksamen Kunden daher auch erkennbar war, dass der Beigeladene zu 1.) selbständiger Handelsvertreter war.

Ohne wesentliches Gewicht verbleibt weiterhin, dass der Beigeladene zu 1.) die für die Klägerin verrichtete Tätigkeit höchstpersönlich verrichtet hat und insbesondere im streitgegenständlichen Zeitraum noch über keine angestellten Arbeitnehmer verfügte, die ihn hätten vertreten können. Eine persönliche Ausübung der Vermittlungstätigkeit ist auch für einen selbständigen Handelsvertreter nicht unüblich. Vertraglich traf den Beigeladenen zu 1.) nur die Pflicht, sich persönlich nach Vertragsschluss ein Bild über die Baubedingungen des Kunden vor Ort zu machen, was entsprechend der bereits erfolgten Ausführungen im Verhältnis zur eigentlichen Vermittlungstätigkeit nur eine Nebenpflicht darstellt, auch im eigenen Interesse des Beigeladenen zu 1.) stand und so nicht stringent praktiziert wurde, da der Beigeladene zu 1.) Kundenbesuche und Aufmaßerstellungen eigeninitiativ zur Kundenwerbung oft bereits vor dem Vertragsschluss vorgenommen hatte.

Schließlich spricht die vom Beigeladenen zu 1.) praktizierte Annahme von Reklamationen und Weiterleitung derselben entweder an die Klägerin oder bei Materialschäden an die Firma H als Indiz in einem gewissen Grade für eine abhängige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.). Insbesondere die Kontaktaufnahme mit der Firma H zur Abwicklung von Reklamationen war in Ermangelung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Beigeladenen zu 1.) und der Firma H eine Aufgabe der Klägerin, welche das Vorgehen des Beigeladenen zu 1.) insoweit zumindest zu ihren Gunsten tolerierte. Daher liegt insofern durchaus eine gewisse Integration des Beigeladenen zu 1.) in die Betriebsabläufe der Klägerin vor. Es darf aber auch hier nicht auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beigeladene zu 1.) bei der Entgegennahme von Reklamationen immer auch aus Eigeninteresse die Kundenzufriedenheit im Blick hatte. Die Entgegennahme von Reklamationen und die vom Beigeladenen zu 1.) anschließend gegebenenfalls noch erbrachten koordinierenden beziehungsweise moderierenden Leistungen bei deren Abwicklung dienten letztendlich immer auch dem Erhalt und der Verbesserung seiner Möglichkeiten, an Bekannte, Freunde und Verwandte weitere Kamine und Öfen zu verkaufen und damit auch weitere Provisionsansprüche zu erwerben. Anders herum hätte ein unzufriedener Kunde auch den Interessen des Beigeladenen zu 1.) durch entsprechende Weitergabe von negativen Erfahrungen erheblich schaden können.

Zusammenfassend spricht vorliegend zwar eine gewisse betriebliche Integration des Beigeladenen zu 1.) im Sinne einer kostenfreien Nutzung des Kaminstudios samt Büroeinrichtung, der Aufmaßerstellung beim Kunden und der Durchleitung von Reklamationen an die Klägerin und den Hersteller für eine abhängige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.). Demgegenüber steht aus Sicht der Kammer aber das deutliche Überwiegen der persönlichen Freiheit des Beigeladenen zu 1.), der weder bezüglich Arbeitszeit noch der Art und Weise, wie er seine vermittelnde Tätigkeit verrichten wollte, Weisungen der Klägerin unterlag und dieser auch keine Rechenschaft schuldig war. Dieses ist bereits nach der gesetzlichen Wertung des § 84 Abs.1 S.2 HGB ein ganz wesentliches Kriterium. Hinzu kommt das erhebliche unternehmerische Risiko des Beigeladenen zu 1.), der seine gesamte Arbeitszeit und im erheblichen Umfang auch eigenes Sachmittel und eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlust und des vollkommen Verdienstausfalls einsetzte, in dem Bestreben, Provisionen zu verdienen. Hierbei konnte er durch geschickte Verkaufsstrategien und den gut überlegten Einsatz seiner Mittel natürlich auch seine Gewinnchancen beträchtlich steigern, da er gemäß der Vereinbarung mit der Klägerin zu einer festen Quote an den von ihm vermittelten Verkäufen beteiligt war. Damit überwiegen die Anhaltspunkte für eine selbständige Tätigkeit.

b.

Vor dem Hintergrund, dass keine Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen sind, hat die Klägerin auch keine Säumniszuschläge im Sinne des § 24 Abs.1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zu entrichten. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass selbst wenn entgegen der festen Überzeugung der Kammer von einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1.) auszugehen wäre, zumindest anzunehmen wäre, dass die Klägerin unverschuldet keine Kenntnis im Sinne des § 24 Abs.2 SGB IV hatte, so dass Säumniszuschläge nicht zu erheben wären. Unverschuldet im Sinne des § 24 Abs.2 SGB IV bedeutet nicht wenigstens bedingt vorsätzlich (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2018, Rn 15, zu recherchieren unter www.juris.de). Säumniszuschläge sind erst ab dem Zeitpunkt zu erheben, ab dem mindestens bedingter Vorsatz eingetreten ist. Dieses wäre vorliegend erst mit der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin im Januar 2017 und damit außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums geschehen, da die Klägerin bis dahin keinen Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass für den Beigeladenen zu 1.) keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen waren. Beim Abschluss des Handelsvertretervertrages hatte sich die Klägerin eines Vertragsvordrucks der Firma H für vergleichbare Tätigkeiten bedient, der professionell ausgestaltet war und den sie nicht hinterfragen musste. Ferner beweist die weitgehend konsequente Durchführung dieser Vereinbarung, dass die Klägerin wie auch der Beigeladene zu 1.) fest davon ausgingen, dass dessen Tätigkeit sozialversicherungsfrei war. Konsequent und völlig richtig war daher die Einstellung des gegen die Klägerin auf Grund des streitgegenständlichen Sachverhalts geführten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) nach § 170 Abs.2 StPO.

Im Anschluss an diese Feststellung weist die Kammer weiter ergänzend darauf hin, dass die Beitragsnachforderung für die Jahre 2011 und 2012 bei fehlender damaliger Kenntnis der Klägerin von der Pflicht zur Abführung der Beiträge und erstmaliger Kenntniserlangung hiervor im Januar 2017 und somit fehlendem Vorsatzvorwurf unabhängig von den unter a.) getätigten Ausführungen nach § 25 Abs.1 SGB IV verjährt wären (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 4. September 2018, Aktenzeichen B 12 R 4/17 R, Rn 27 m.w.N., zu recherchieren unter www.juris.de) und die Verjährungseinrede bereits im Widerspruchsverfahren erhoben wurde.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Hauptsacheverfahrens. Da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben, waren diesen weder Kosten aufzuerlegen noch Kosten zu erstatten.