Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 08.10.2021 | |
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Aktenzeichen | 8 L 338/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:1008.8L338.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 42 SGB 8, § 80 Abs 5 VwGO |
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin vom 4. Oktober 2021 gegen den Inobhutnahmebescheid des Antragsgegners vom 1. Oktober 2021 wird mit der Auflage wiederhergestellt, dass die Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung des Familiengerichtes weiterhin die ihr mit Bescheid vom 2. August 2021 bewilligte Hilfe zur Erziehung in Form von sozialpädagogischer Familienhilfe gemäß §§ 27, 31 SGB VIII in Anspruch nimmt und an der Maßnahme umfassend mitwirkt.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Kind K... unverzüglich der Antragstellerin wieder zu übergeben.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Antragsgegner.
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches vom 4. Oktober 2021 gegen den Inobhutnahmebescheid des Antragsgegners vom 1. Oktober 2021 wiederherzustellen und dem Antragsgegner aufzugeben, das Kind K... unverzüglich an sie herauszugeben,
hat nach Maßgabe des Tenors Erfolg.
Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
1. Der Antrag ist im Grundsatz auch begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, zweiter Halbsatz VwGO kann das Gericht in Fällen, in denen wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes von der Behörde besonders angeordnet wurde, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Dabei trifft es eine eigene Ermessensentscheidung, in deren Rahmen es abzuwägen hat, ob das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfes oder das von der Behörde geltend gemachte öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt. Maßgeblich ist hierfür auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes abzustellen; sind diese im Rahmen der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offen, bedarf es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen.
Hiervon ausgehend erweist sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegend als grundsätzlich begründet. Das auf eine Beendigung ihrer Trennung von ihrer am 27. September 2021 geborenen Tochter gerichtete Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt vorliegend das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der Inobhutnahme. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Inobhutnahme vorliegend rechtswidrig ist, so dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragsgegners ausfällt.
Rechtsgrundlage der hier erfolgten Inobhutnahme der Tochter der Antragstellerin ist § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII).
Eingriffe in das Elternrecht sind nach dem sowohl in § 1666 BGB als auch in der Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b) und Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers grundsätzlich dem Familiengericht vorbehalten; das Jugendamt ist hierzu nur ausnahmsweise zur vorläufigen Krisenintervention befugt. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ist das Jugendamt dementsprechend berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen (lit. a) oder eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (lit. b). Darüber hinaus muss die Inobhutnahme auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, d.h. es darf insbesondere keine das Elternrecht weniger stark tangierende, gleich geeignete Maßnahme zur Sicherung des Kindeswohles geben (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichthof, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 12 CS 16.2181 -, juris Rn. 8). Die Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b) SGB VIII verdeutlicht, dass die Inobhutnahme gegenüber familiengerichtlichen Entscheidungen nachrangig ist und deshalb grundsätzlich nur in besonders gelagerten akuten Gefährdungssituationen in Betracht kommt (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. März 2017 – OVG 6 S 8.17 -, juris Rn. 7; Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26. April 2018 – 1 LZ 238/17 -, juris Rn. 6; sowie bereits Beschluss der Kammer vom 31. August 2020 – VG 8 L 387/20 -, juris Rn. 13). Dass eine solche hier im Zeitpunkt der Inobhutnahme am 29. September 2021 gegeben war, ist nicht hinreichend ersichtlich.
Der Antragsgegner hat diesbezüglich im Wesentlichen darauf verwiesen, dass vorliegend ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes dessen Grundversorgung in wesentlichen Punkten – namentlich hinsichtlich der Ernährung, der Schlafmöglichkeiten, der Hygiene, des Gefahrenschutzes, der Betreuung und der Gesundheitsführsorge – als ungenügend bzw. gefährdend eingeschätzt worden seien. Gleiches gelte für die familiäre Situation und die Erziehungsleistungen der Kindeseltern, die zudem keine Kooperationsbereitschaft zur Abwendung der vorhandenen Gefährdung gezeigt hätten. Insbesondere habe die Tochter der Antragstellerin als hypertrophes Neugeborenes mit einem Geburtsgewicht von nur 2.600 Gramm einer engmaschigen medizinischen Versorgung und Betreuung bedurft, die die Kindeseltern nicht gewährleistet hätten.
Diese Ausführungen vermögen unter Berücksichtigung des beigezogenen Verwaltungsvorganges nicht zu überzeugen. Zwar dürften die Versorgungsverhältnisse, die sich der Tochter der Antragstellerin in deren Haushalt im Zeitpunkt der Inobhutnahme boten, erheblich verbesserungswürdig gewesen sein. Das Vorliegen einer akuten Gefährdungssituation ist jedoch nicht erkennbar.
So lässt sich zum einen nicht feststellen, dass die Gesundheit des Kindes im Zeitpunkt der Inobhutnahme akut gefährdet war. Zwar hat der Antragsgegner insoweit zu Recht darauf verwiesen, dass das – offensichtlich infolge der Schwangerschaftsdiabetes seiner Mutter – hypertrophe Neugeborene einer engmaschigen medizinischen Kontrolle und Versorgung bedurfte (vgl. hierzu die AWMF-Leitlinie „Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter“ (Stand 2017), abrufbar unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/II/024-006.html), weshalb die Entscheidung der Antragstellerin, die Klinik entgegen der ärztlichen Empfehlung noch am Tag der Geburt wieder zu verlassen, tatsächlich als risikovoll zu bewerten ist, zumal sie für die Nachsorge auch über keine Hebamme verfügte. Allerdings hat die Antragstellerin einerseits ausweislich des entsprechenden Vermerks des Jugendamtes des Antragsgegners vom 28. September 2021 im Rahmen des Hausbesuches am frühen Morgen dieses Tages erklärt, mit dem Klinikpersonal insoweit abgesprochen zu haben, ihre Tochter am Folgetag beim Kinderarzt vorzustellen, was sie auch umsetzen wollte. Die Ernsthaftigkeit dieser Absicht wird dadurch unterstrichen, dass die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes im Rahmen dieses Hausbesuches auch der Mutter der Antragstellerin – und Großmutter des Kindes – begegneten, mit der sich die Antragstellerin verabredet hatte, um gemeinsam den Kinderarzt aufzusuchen. Zum anderen hat sich die Antragstellerin nach entsprechender Intervention der Jugendamtsmitarbeiterinnen mit ihrer Tochter noch an diesem Tag zurück in die Klinik begeben, wo sie dann ausweislich der Stellungnahme des Antragsgegners vom 5. Oktober 2021 bis zu ihrer regulären Entlassung am 29. September 2021 geblieben ist. Dass das Kind Krankheitssymptome aufgewiesen oder sonst in einen gefährdeten Zustand geraten wäre, ist an keiner Stelle vermerkt und von dem Antragsgegner auch nicht geltend gemacht worden. Demgegenüber hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass durch die Klinik keine gesundheitlichen Auffälligkeiten festgestellt worden seien und ihre Tochter bei ihrer Entlassung gegenüber dem Geburtsgewicht sogar 30 Gramm zugenommen hatte.
Insofern ist nicht ersichtlich, dass das Neugeborene gesundheitlich nicht versorgt gewesen ist. Auch hat die Antragstellerin, die ersichtlich diesbezüglich hinreichend einsichtsfähig war, sich bereit und imstande gezeigt, die ihr angebotene Hilfe anzunehmen und umzusetzen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt der Inobhutnahme die gesundheitliche Situation des Babys ein sofortiges Eingreifen erforderlich machte, lassen sich hieraus nicht entnehmen. Gleiches gilt, soweit der Antragsgegner dargelegt hat, durch einen Anruf der die Antragstellerin betreuenden Frauenarztpraxis am 8. Juni 2021 auf diese aufmerksam geworden zu sein, nachdem diese einen wichtigen Vorsorgetermin unentschuldigt versäumt hatte und telephonisch nicht zu erreichen gewesen ist. Im Protokoll des ersten Hilfeplangespräches vom 10. August 2021 hinsichtlich der daraufhin eingeleiteten sozialpädagogischen Familienhilfe ist hierzu vermerkt, dass die Antragstellerin, die ersichtlich während der gesamten Schwangerschaft unter gesundheitlichen Problemen litt, die frauenärztlichen Untersuchungen regelmäßig wahrgenommen hat; das U-Heft bzw. der Mutterpass war vollständig gefüllt. Auch den versäumten Termin vom 8. Juni 2021 hat sie ausweislich der Stellungnahme zur Hilfeentscheidung und Fallberatung vom 26. Juli 2021 nachgeholt. Dass die Antragstellerin gesundheitliche Belange in einem gefährdenden Maße missachtet, lässt sich dem nicht entnehmen. Dass sie keinen Geburtsvorbereitungskurs besucht hat und keine Hebamme in Anspruch nehmen will, mag suboptimal erscheinen, rechtfertigt aber in der Gesamtschau keine Inobhutnahme.
Gleiches gilt, soweit der Antragsgegner die Wohnsituation der Antragstellerin bemängelt hat. Auch insoweit stellen sich die Verhältnisse, namentlich die hygienischen Bedingungen, sicher als ungenügend dar. Dass insoweit eine akute Krisensituation vorlag und das Neugeborene in einem die Inobhutnahme rechtfertigendem Maße gefährdet war, ist jedoch nicht ersichtlich.
Der Antragsgegner hat hierzu vorgetragen, dass die – von der Antragstellerin erst am 1. Juni 2021 bezogene – Wohnung noch nicht vollständig möbliert und eingerichtet ist, insbesondere die Küche habe sich beim Hausbesuch am 23. Juli 2021 noch „im Rohbau“ befunden und sei kaum nutzbar gewesen. Freie Flächen seien mit Möbeln, Tüten, Boxen und ähnlichen Gegenständen zugestellt, der Kindesvater mit dem Aufbau von Möbeln beschäftigt gewesen. Gleichzeitig ist in der Stellungnahme vom 26. Juli 2021 vermerkt, dass das Kinderzimmer als einziger Raum leergeräumt und abschließend gestrichen gewesen sei. Kleidung für das Baby sowie eine Babywippe, eine Babywanne, ein Babystuhl und ein aufgebautes Babybett mit Matratze seien vorhanden gewesen. Die Antragstellerin habe bereits einen Antrag auf Babyerstausstattung gestellt, wovon eine Wickelkommode und ein Kinderwagen gekauft werden sollten; einen Babykleiderschrank bekomme sie von einer Freundin. Im Entwicklungsbericht des die sozialpädagogische Familienhilfe durchführenden Trägers vom 1. Oktober 2021 heißt es hierzu, dass das häusliche Umfeld anfangs zwar noch sehr unstrukturiert gewesen sei, dass die Strukturen von der Antragstellerin aber mit Hilfe von Hinweisen und Umsetzungsmöglichkeiten verbessert worden seien. Namentlich das Kinderzimmer sei vollständig eingerichtet gewesen, auch die Babyausstattung sei vollständig gewesen. Das Schlafzimmer sei mit einer Schlafmöglichkeit für Kind und Eltern ausgestattet und die Küche bis auf den fehlenden Herd – der ausweislich eines Vermerks vom 30. September 2021 noch bei der Großmutter war – eingerichtet gewesen. Ähnliche Feststellungen hat der Antragsgegner im Rahmen der Hausbesuche des Jugendamtes am 4. August 2021 und am 28. September 2021 getroffen. Sie lassen in der Gesamtschau erkennen, dass die Kindeseltern sicher nicht in jeder Hinsicht optimal auf die Geburt ihrer Tochter vorbereitet waren, aber die wesentlichen Rahmenbedingungen durchaus und zumindest mit Hilfestellung geschaffen haben.
Soweit das Jugendamt des Antragsgegners bei dem zur Inobhutnahme führenden Hausbesuch am 30. September 2021 einen sehr unhygienischen Zustand der Wohnung festgestellt hat, heißt es in dem entsprechenden Vermerk, dass insbesondere die Küche mit ausschließlich dreckigem Geschirr und einem gefüllten Aschenbecher im Gesamtbild äußerst dreckig und keimig gewesen sei. Abgesehen davon, dass selbst besser organisierte Haushalte in den ersten Tagen nach der Geburt des ersten Kindes regelmäßig Einbußen in puncto Ordnung und Sauberkeit verzeichnen dürften, ist nicht ersichtlich, dass die sicher auch insoweit ganz und gar nicht optimalen Verhältnisse im Haushalt der Antragstellerin eine akute, sich krisenhaft zuspitzende Gefährdung für ihre Tochter darstellten. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Zustand der Küche ein Neugeborenes nicht sonderlich tangiert. Das einzig belastbare Moment in diesem Zusammenhang stellt vielmehr ein Milchfläschchen dar, das direkt neben dem Katzenfutter auf dem Fußboden gestanden habe. Abgesehen davon, dass es leer war und seitens des Jugendamtes keine näheren Feststellungen getroffen wurden, dass es etwa ungereinigt zur weiteren Versorgung des Kindes benutzt würde – die Antragstellerin hat hierzu erklärt, dass es sich um ein Wegwerffläschchen aus dem Krankenhaus gehandelt habe -, rechtfertigt auch dieser Umstand noch keine Inobhutnahme. Gleiches gilt für die vier Katzen der Antragstellerin, deren Futter diese auf dem Fußboden in verschiedenen Häufchen auf Küchenpapier austeilt. Dass die wenige Tage alte Tochter der Antragstellerin hiermit in Berührung kommt oder selbst etwa ungepflegt, schmutzig oder sonst in ihren leiblichen Bedürfnissen unversorgt gewesen sei, ist demgegenüber an keiner Stelle vermerkt.
Auch die weiteren von dem Antragsgegner benannten Aspekte rechtfertigen weder allein noch in der Gesamtschau mit den bereits dargelegten Verhältnissen die Annahme einer akuten Gefährdungssituation. So wirkt die Beanstandung, dass das Kind wiederholt auf der Schlafcouch zwischen seinen Eltern liege, eher übergriffig (vgl. etwa zum sog. Attachment Parenting: https://de.wikipedia.org/wiki/Attachment_Parenting#Schlafen_in_Nähe_des_Kindes). Die Behauptung, dass Hilfe aus dem familiären Umfeld nicht gegeben sei, erweist sich jedenfalls im Hinblick auf die offensichtlich präsente Mutter der Antragstellerin, die ihre Tochter und Enkelin zur Klinik begleitete und die werdenden Eltern ausweislich des Vermerks vom 4. August 2021 mit warmen Essen versorgte, solange der Herd noch nicht installiert war, als nicht überzeugend. Auch haben die Kindeseltern auf eine in der Nähe lebende Cousine der Antragstellerin und zahlreiche Freunde, die ebenfalls Kinder hätten, verwiesen.
Ebenso wenig vermag es schließlich zu überzeugen, wenn der Antragsgegner auf eine mangelnde Bereitschaft der Antragstellerin bzw. der Kindeseltern verweist, Hilfe in Anspruch zu nehmen und umzusetzen. Vielmehr haben die Kindeseltern ausweislich des Verwaltungsvorganges von Anfang an offen an die herangetragene Hilfestellung durch das Jugendamt reagiert und die sozialpädagogische Familienhilfe aus eigenem Antrieb und im offenkundigen Bewusstsein ihrer nicht optimalen Situation beantragt. Dass die – wie dargelegt – durch die Schwangerschaft gesundheitlich belastete Antragstellerin einzelne Termine nicht wahrgenommen hat, steht dem noch nicht entgegen. Im Rahmen der Hausbesuche haben sich die Kindeseltern weitgehend kooperativ und offen verhalten, wobei insoweit durchaus zu berücksichtigen ist, dass derartige Besuche kurz nach der Geburt auch belastend wirken können, was ein punktuell abwehrendes Verhalten erklären mag. Dies ist auch zu berücksichtigen, soweit der die sozialpädagogische Familienhilfe durchführende Träger in seinem Entwicklungsbericht vom 1. Oktober 2021 ausgeführt hat, dass sich die Mitwirkungsbereitschaft der Kindeseltern im Verlauf der Hilfe abschwächte. Die Antragstellerin hat eingeräumt, dass die Zusammenarbeit nicht zufriedenstellend gewesen sei. Offensichtlich hat es insbesondere Schwierigkeiten in den Terminabsprachen – der Kindesvater bezeichnete die Helfer ausweislich des Vermerks vom 30. September 2021 als zu jung, weshalb die Zusammenarbeit schwierig gewesen sei - gegeben; eine die Hilfe abwehrende Grundeinstellung der Kindeseltern oder Verleugnung der Bedarfslage wird jedoch nicht erkennbar. Dass es die Antragstellerin im unmittelbaren Vorfeld der Inobhutnahme abgelehnt hat, allein mit ihrer Tochter eine Mutter-Kind-Einrichtung aufzusuchen, ist insofern ohne Relevanz, als es angesichts der hier getroffenen Feststellungen auch insoweit an einer Gefährdungslage fehlte, die einen Wechsel in die Einrichtung hinreichend geboten erschienen lassen hätte.
Zusammenfassend erscheinen die Feststellungen des Antragsgegners im Rahmen der Gefährdungseinschätzung nach § 8a SGB VIII vom 30. September 2021, wonach die Kindeseltern keine Mitwirkungsbereitschaft in Zusammenarbeit mit der Familienhilfe gezeigt hätten, überhaupt keine Unterstützung beim Aufräumen annähmen, Vorsorgeuntersuchungen unzuverlässig durchgeführt hätten und über keine Ressourcen (Familie/Freunde) verfügten, nicht im Ansatz gerechtfertigt. Auch die Einschätzung, dass eine ambulante Hilfe in Form der Fortsetzung, ggf. Intensivierung der sozialpädagogischen Familienhilfe, ggf. mit passenderen Helferinnen und Helfern, nicht zielführend sei, vermag die Kammer nicht zu teilen. Eine aus den beschrieben Verhältnissen resultierende unmittelbare Gefährdungslage für das Kind im Zeitpunkt der Inobhutnahme, Anhaltspunkte für eine disfunktionale Eltern-Kind-Beziehung, (konkret drohende) Vernachlässigung oder Unterversorgung sind ebenfalls nicht erkennbar.
2. Angesichts der offenkundigen Bedarfslage der Antragstellerin erscheint es aus Sicht der Kammer geboten, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen die Inobhutnahme vorliegend gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO davon abhängig zu machen, dass diese jedenfalls zunächst bis zu einer Entscheidung des Familiengerichts vor allem im Interesse ihres Kindes weiterhin die sozialpädagogische Familienhilfe in Anspruch nimmt und hieran zusammen mit dem Kindesvater auch kooperativ und zuverlässig mitwirkt. Insoweit weist die Kammer nachdrücklich darauf hin, dass der vorliegende Beschluss über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Falle des Nichtbefolgens dieser Auflage jederzeit gemäß § 80 Abs. 7 VwGO geändert oder aufgehoben werden kann, wobei gleichzeitig zu berücksichtigen ist, dass das nötige Vertrauen für ein fruchtbares Zusammenwirken mit der nötigen Behutsamkeit und Geduld erst wieder neu herzustellen sein dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.