Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat | Entscheidungsdatum | 12.05.2021 | |
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Aktenzeichen | L 16 R 231/19 | ECLI | ECLI:DE:LSGBEBB:2021:0512.L16R231.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 103 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO, § 43 SGB 6, § 50 Abs 1 SGB 6, § 51 Abs 1 SGB 6 |
Liegen bereits mehrere einschlägige Fachgutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten i.S.v. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (Anschluss an Bundessozialgericht, Beschluss vom 27. Januar 2021 – B 13 R 123/20 B –).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (EM) von der Beklagten.
Der 1962 in Istanbul geborene, verheiratete Kläger deutscher Staatsangehörigkeit lebt seit 1967 in Deutschland. Er war zuletzt seit 1989 bei den B Verkehrsbetrieben () als Busfahrer, später U-Bahnfahrer und – nach einem Unfall mit Personenschaden im Oktober 2009 mit nachfolgender Fahrdienstuntauglichkeit – in der Aktenverwaltung der B bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 22. April 2014 beschäftigt. Seit dem 21. Oktober 2015 ist er arbeitslos.
Im September 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten wegen seit Jahren anhaltender Rückenschmerzen und der Folgen des Unfalls als U-Bahn-Fahrer mit Personenschaden die Gewährung einer Rente wegen EM. Dies lehnte die Beklagte nach Einholung eines Befundberichtes der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L vom 9. Oktober 2015 sowie medizinischer Begutachtung (Gutachten des Facharztes für Orthopädie / Unfallchirurgie Dr. R vom 13. November 2015 <aufgehobenes Leistungsvermögen in Bezug auf den zuletzt ausgeübten Beruf als Verwaltungsangestellter; mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen>) ab (Bescheid vom 15. Dezember 2015). Es bestehe weder eine volle noch eine teilweise EM. Mit dem ärztlicherseits festgestellten Leistungsvermögen könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte einen weiteren Befundbericht des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. W vom 14. Juni 2016 ein und wies im Anschluss den Widerspruch unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. R mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2016 zurück.
Im nachfolgenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin (SG) nach medizini-schen Ermittlungen (Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. L vom 27. Januar 2017, Dr. H - Facharzt für Neurochirurgie - vom 1. Februar 2017, Dr. W vom 2. Februar 2017und des Heilpraktikers für Psychotherapie O vom 3. Februar 2017) sowie Erstattung eines Sachverständigengutachtens vom 12. Januar 2018 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 5. Januar 2018 durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M (Diagnosen: derzeit keine Diagnose auf psychiatrischem Gebiet; V.a. posttraumatische Belastungsstörung, deren Symptome abgeklungen sind; fachfremd: Postdiskotomiesyndrom, Zervikobrachialsyndrom bei degenerativ veränderter Halswirbelsäule und Bandscheibenprotrusion C5/6, Adipositas, Hypercholesterinämie; Leistungsvermögen: vollschichtig körperlich leichte und geistig mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen bei erhaltener Wegefähigkeit) und eines weiteren Sachverständigengutachtens vom 12. Dezember 2018 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 12. Dezember 2018 durch den Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin sowie für Orthopädie und Unfallchirurgie und Dr. E(Zusatzbezeichnung: Spezielle Schmerztherapie) nebst ergänzender Stellungnahme (Diagnosen: Chronisch-rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom bei Verschleißerscheinungen, 2014 operativ versorgtem Bandscheibenschaden mit Restsymptomatik mit Schmerzhaftigkeit und Funktionsbeeinträchtigung; chronisch-rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenschäden ohne größere funktionelle Beeinträchtigung; Knieschiebensyndrom mit geringer Beeinträchtigung der Kniegelenksbelastbarkeit bds.; Initialer Verschleiß der Hüftgelenke; Sprunggelenksbeschwerden bei leichter Instabilität bds.; Knick-/Senk-/Spreizfüße mit Hallux valgus ohne größere Funktionsbeeinträchtigung; Schmerzchronifizierung II/8 bei LWS-Syndrom; fachfremd: Adipositas; Tinnitus; V.a. Hypertonus; diätetisch behandelter Diabetes mellitus; V.a. mittelgradig depressives Syndrom; anamnest. Posttraumatische Belastungsstörung; Leistungsvermögen: vollschichtig körperlich leichte bis allenfalls gelegentlich mittelschwere und geistig mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen bei erhaltener Wegefähigkeit) die Klage mit Urteil vom 28. Februar 2019 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser EM. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen sei er noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen noch mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Gericht folge den schlüssigen und überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. M und Dr. E.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verweist auf seine zahlreichen orthopädischen Leiden und das damit zusammenhängende, therapieresistente Schmerzsyndrom, derentwegen er im August / September 2019 eine dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum-T durchlaufen habe. Zudem liege eine Demenz vor. Auch leide er ausweislich des vom SG eingeholten Befundberichts des Heilpraktikers O unter Depressionen und Angstzuständen. Die vom SG eingeholten Gutachten und das im Berufungsverfahren auf seinen Antrag eingeholte Gutachten seien nicht schlüssig und gäben seinen gesundheitlichen Zustand nicht in vollem Umfang und nicht leidensgerecht wieder. Auf die Schriftsätze vom 8. Juli 2019, 17. Februar 2020 und 10. März 2021 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2016 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. September 2015 zu gewähren.
Er stellt ferner den Beweisantrag,
ihn nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Beweis des Vorliegens einer hinreichenden Erwerbsminderung, vor allem durch eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, die ihn wegen der Schmerzwahrnehmung nachhaltig selbst an der Durchführung leichter Tätigkeiten unter erwerbstypischen Arbeitsbedingungen hindert, durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie mit dem Schwerpunkt Schmerzwahrnehmung gutachterlich untersuchen zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und sieht sich in Übereinstimmung mit dem im Reha-Entlassungsbericht der Reha-Zentrum-T GmbH vom 12. September 2019 festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen.
Im Berufungsverfahren hat das Gericht auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG die Fachärztin für Nervenheilkunde, Psychotherapie, Sozialmedizin und Suchtmedizin Dr. H mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Diese hat ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnden Arbeitshaltungen festgestellt. Eine geistige oder seelische Erkrankung liege nicht vor. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 15. Dezember 2020 (nach Untersuchung am 26. November 2020) nebst psychologisch-testdiagnostischer Begutachtung durch die Diplom-Psychologin S wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Gerichtsakte (3 Bände) und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Absatz 4 Satz 1 SGG die zulässige Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung auch im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 24. März 2021 wegen des als geklärt angesehenen medizinischen Sachverhalts nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (vgl. § 153 Absatz 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Absatz 4 SGG auf Gewährung von Rente wegen voller EM, hilfsweise wegen teilweiser EM nach § 43 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) für die Zeit ab dem 1. September 2015 zulässig weiterverfolgt, ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser EM gemäß § 43 SGB VI. Zwar dürften die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Erfüllung der allgemeinen Wartezeit gemäß den §§ 50 Absatz 1, 51 Absatz 1 SGB VI; Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor vermeintlichem Eintritt der EM gemäß § 43 Absatz 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Absatz 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI) für die Zeit ab dem 1. September 2015 erfüllt sein. Die weiteren – medizinischen – Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser EM (vgl. § 43 Absatz 2 Satz 2, Absatz 1 Satz 2 SGB VI) liegen bei dem Kläger jedoch nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum seit dem 1. September 2015 nicht vor.
Voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei bzw. mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Eine einen Anspruch auf EM-Rente begründende quantitative Leistungsminderung auf unter sechs Stunden täglich ist auch zur Überzeugung des Berufungs-gerichts nicht feststellbar.
Der Kläger war und ist in dem vorliegend streitigen Zeitraum ab 1. September 2015 nicht voll bzw. teilweise erwerbsgemindert i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn er verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein Restleistungsvermögen für jedenfalls leichte körperliche und mittelschwere geistige Arbeiten, mit dem er regelmäßig einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dass der Kläger über ein derartiges Leistungsvermögen seit Antragstellung bei der Beklagten verfügt hat und auch derzeit noch verfügt, folgt aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen, und zwar insbesondere aus den im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin sowie für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E und der Fachärztin für Nervenheilkunde, Psychotherapie, Sozialmedizin und Suchtmedizin Dr. H. Diese Sachverständigen haben alle vom Kläger bezeichneten, aus den Akten und medizinischen Unterlagen ersichtlichen sowie sich nach Untersuchung und Befragung des Klägers ergebenden Gesundheitsstörungen für ihre Einschätzung dessen qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens berücksichtigt. Sie sind sodann auf der Grundlage ihres jeweiligen ärztlichen Fachgebietes trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen zu der übereinstimmenden Feststellung gelangt, dass der Kläger noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit den im Einzelnen bezeichneten qualitativen Einschränkungen tätig sein könne, ohne dass eine Arbeitsaufnahme auf Kosten seiner Gesundheit ginge. Weder aus orthopädischer noch aus psychiatrischer bzw. neurologischer Sicht noch aus Sicht der physikalischen und rehabilitativen Medizin wurde eine quantitative Leistungseinschränkung bei dem Kläger manifest, dem zusammenfassend in positiver Hinsicht im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum geistig mittelschwere Arbeiten und jedenfalls leichte körperliche Arbeiten unter Ausschluss von Gerüst- und Leiterarbeiten, Akkordarbeit, Tätigkeiten mit einseitigen körperlichen Belastungen, mit häufigem Heben, Tragen, Bewegen von Lasten, in Zwangshaltungen, in gebückter Haltung, mit Vertikalbelastung der Wirbelsäule, mit Überkopfarbeiten sowie unter Ausschluss von Gerüst- und Leiterarbeiten bei erhaltener Wegefähigkeit zugemutet werden konnten und können.
Weitere Amtsermittlungen (vgl. § 103 SGG), insbesondere die Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie mit dem Schwerpunkt Schmerzwahrnehmung, waren nicht veranlasst. Der auf Einholung eines weiteren gerichtlichen Sachverständigengutachtens abzielende Beweisantrag war daher abzulehnen. Liegen – wie hier - bereits mehrere einschlägige Fachgutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten i.S.v. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 27. Januar 2021 – B 13 R 123/20 B – juris – Rn. 7 m.w.N. aus der Rspr.). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall.
Die Schmerzsymptomatik des Klägers ist eingehend untersucht, gutachterlich gewürdigt und in den Auswirkungen auf das verbliebene Leistungsvermögen beanstandungsfrei dargestellt worden. Insoweit ist zu sehen, dass der Sachverständige Dr. E über die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" und damit über nachgewiesene besondere Kenntnisse im Bereich der speziellen Schmerztherapie verfügt. Er ist mit der Diagnose und Therapie chronisch schmerzkranker Patienten vertraut, bei denen der Schmerz einen selbstständigen Krankheitswert besitzt. Dementsprechend hat sich der Sachverständige im Rahmen einer ausführlichen Anamnese (75 Minuten) und der klinischen Untersuchung des Klägers im Stehen (30 Minuten) und im Liegen (30 Minuten) sowie der Erhebung einer Schmerzanalyse auf der visuellen Analogskala ausführlich und umfassend mit der vom Kläger geklagten Schmerzsymptomatik unter Auswertung der bis dahin erhobenen – auch bildgebenden – Befunde beschäftigt. Bei der klinischen Untersuchung hat der Sachverständige festgestellt, dass sich der meiste Schmerz – Druckschmerz, Klopfschmerz, Stauchungsschmerz, aber auch enggradiger Bewegungsschmerz – an der Lendenwirbelsäule des Klägers gefunden habe, deren Beugung nach vorne deutlich eingeschränkt sei. Die subjektive Schmerzsymptomatik sei zwar nachvollziehbar, lasse sich im vom Kläger geschilderten Ausprägungsmaß bildgebend nicht ganz belegen. In der Zusammenschau der von ihm erhobenen Befunde hat der Sachverständige schlüssig u.a. die Diagnose eines chronisch-rezidivierenden Lendenwirbelsäulensyndroms bei Verschleißerscheinungen mit einer Schmerzchronifizierung II/8 bei 2014 operativ versorgtem Bandscheibenschaden mit Restsymptomatik (Schmerzhaftigkeit und Funktionsbeeinträchtigung) gestellt und daraus nachvollziehbar im einzelnen bezeichnete qualitative Leistungseinschränkungen abgeleitet. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung angeführt hat, es sei „verkannt“ worden, dass bei ihm ein chronisches Schmerzsyndrom bestehe, lässt sich dies angesichts der geschilderten Feststellungen des Sachverständigen nicht nachvollziehen.
Auch die vom Kläger selbst benannte Sachverständige Dr. H hat sich ausführlich mit der vom Kläger geklagten Schmerzsymptomatik unter Darlegung der Leitlinien zur Schmerzbegutachtung (vgl. Seite 20 des Gutachtens vom 15. Dezember 2020) und entsprechender Einordnung des Beschwerdebildes des Klägers befasst. Sie hat – ausgehend von Anamnese und Untersuchung des Klägers sowie ihren Beobachtungen in der Begutachtungssituation – überzeugend dargelegt, dass sie das Vorliegen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beim Kläger nicht feststellen könne: So seien verbale oder nonverbale Schmerzsensationen des Klägers nicht zu beobachten gewesen; Fokussierungen ausschließlich auf die Schmerzsymptomatik seien nicht vorhanden; der Tagesablauf des Klägers ordne sich nicht vollständig dem Vermeiden von Schmerzen unter. Bis auf die Einnahme eines einzigen Schmerzpräparats – noch dazu in sehr niedriger Dosierung – werde darüber hinaus keine konsistente Behandlung in Form von Krankengymnastik, Eigenbeübung, Rehasport etc. deutlich. Auch die psychologisch-testdiagnostische Begutachtung des Klägers ergab keine Hinweise auf das Bild einer klinisch relevanten, psychischen Störung im Sinne der ICD-10.
Dass das Ergebnis der Gutachten nicht den Erwartungen des Klägers entspricht und dieser seine gesundheitlichen Einschränkungen aus Laiensicht gravierender einschätzt, entkräftet nicht die plausible Beurteilung der Sachverständigen.
Das danach mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen des Klägers jedenfalls für körperlich leichte und mittelschwere geistige Arbeiten entsprechend seinem Ausbildungsniveau bzw. seiner Leistungsfähigkeit ist in qualitativer Hinsicht hiernach auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstände oder entgegengestanden hätte (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).
Bei dieser Sachlage liegen auch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die eine Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zur Folge gehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – juris). Dabei begründet in Bezug auf letztere lediglich die „Summierung“ – notwendig also eine Mehrheit von wenigstens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen als tauglichen Summanden (vgl BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R = SozR 4-2600 § 43 Nr. 18) – die Benennungspflicht, nicht aber bereits das Zusammentreffen mehrerer „gewöhnlicher“ Leistungseinschränkungen. Da es für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, keinen konkreten oder gar wissenschaftlichen Beurteilungsmaßstab gibt, werden auch höchstrichterlich für die tatrichterliche Begründung und die dazu nötigen Tatsachenfeststellungen keine allgemein gültigen Anforderungen aufgestellt. Der jeweilige Begründungsaufwand richtet sich stattdessen nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss das Tatsachengericht seine Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen. Erforderlich ist in diesem Fall eine genaue Untersuchung, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (vgl BSG, Urteil vom 30. Oktober 1997 – 13 RJ 49/97 – juris). Anhaltspunkte dafür, dass ausgehend von den dargelegten qualitativen Einschränkungen dem Kläger etwa das für Zureichen, Ablesen oder Kontrollieren (Qualität) sowie Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, Reinigen und Kleben erforderliche Leistungsvermögen derart eingeschränkt wäre, dass die ihm noch möglichen Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen in ihrer Summe das noch mögliche und zumutbare Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen würden (vgl BSG, Urteile vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris und vom 20. August 1997 – 13 RJ 39/96 – juris), bestehen indes nicht. Gegenteiliges hat der Kläger selbst weder plausibel vorgetragen noch folgt es aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen. Zusammenfassend dürften die bei dem Kläger festgestellten, qualitativen Leistungseinschränkungen lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes betreffen, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Senats unberührt. So konnte und kann der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen und unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten etwa noch leichte Sortier- und Montagetätigkeiten und auch Bürohilfsarbeiten vollwertig verrichten (vgl. BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 S. 25).
Der Kläger war und ist auch in der Lage, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in mindestens 20 Minuten zurückzulegen (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 5 RJ 51/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr. 8 m.w.N.); er kann ferner öffentliche Verkehrsmittel zweimal täglich ohne Begleitperson oder sonstige Einschränkungen, d.h.. auch zu Stoßzeiten, nutzen.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bei BU (vgl. § 240 SGB VI) hat der Kläger, der solche Leistungen der Beklagten nicht ausdrücklich begehrt, schon aufgrund seines Geburtsdatums (1962) nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.