Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 28.09.2021 | |
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Aktenzeichen | 6 L 373/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0928.6L373.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 Abs 5 VwGO |
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 2. August 2020 gegen die Anschlussverfügung des Antragsgegners vom 29. Juni 2020 wird bezüglich der Verpflichtung zur Herstellung eines Trinkwasserhausanschlusses wiederhergestellt und bezüglich der zugleich ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.250,00 € festgesetzt.
Die Entscheidung konnte durch den Berichterstatter getroffen werden, weil die Beteiligten mit Schriftsätzen jeweils vom 14. Juni 2021 (Antragstellerin) sowie 29. Juni 2021 (Antragsgegner) sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, § 87a Abs. 2, 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin vom 3. August 2020,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 2. August 2020 gegen die Anschlussverfügung des Antragsgegners vom 29. Juni 2020 bezüglich der Verpflichtung zur Herstellung eines Trinkwasserhausanschlusses wiederherzustellen und bezüglich der zugleich ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung anzuordnen,
hat Erfolg.
Der nach § 80 Abs. 5 S. 1 2. Alt. i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO statthafte Eilantrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hinsichtlich der gegenüber ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgesprochenen Verpflichtung zur Herstellung eines Trinkwasserhausanschlusses sowie der nach § 80 Abs. 5 S. 1 1. Alt. i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die zugleich erfolgte Zwangsgeldandrohung, sind insgesamt jeweils zulässig und begründet.
Nach § 80 Abs. 5 S. 1 2. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage bzw. eines Widerspruchs wiederherstellen, wenn diese gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO aufgrund einer entsprechenden behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung – hier Ziffer 3. der Anschlussverfügung vom 29. Juni 2020 – des angegriffenen Verwaltungsaktes entfällt; nach § 80 Abs. 5 S. 1 1. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage bzw. eines Widerspruchs anordnen, wenn diese gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) – hier die mit Ziffer 4. der Anschlussverfügung vom 29. Juni 2020 gegenüber der Antragstellerin zugleich erfolgte Zwangsgeldandrohung – gesetzlich ausgeschlossen ist.
Die so verstandenen Anträge sind nach § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO insbesondere bereits schon vor Erhebung der Anfechtungsklage – die Antragstellerin hat zunächst mit Schreiben vom 2. August 2020 Widerspruch gegen die Anschlussverfügung vom 20. Juni 2020 erhoben, über den durch den Antragsgegner bislang nicht entschieden wurde – zulässig.
Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 S. 1 2. Alt. i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO hat in der Sache Erfolg, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Antragsgegners trotz formeller Rechtmäßigkeit in der Gesamtschau einer materiell-rechtlichen Überprüfung nicht standhält.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Antragsgegners hinsichtlich der Verpflichtung zur Herstellung eines Trinkwasseranschlusses erweist sich zunächst als formell rechtmäßig, da insbesondere die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Anschlussverfügung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO entspricht.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung besonders schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht ist Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgesehene aufschiebende Wirkung ist eine adäquate Ausprägung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte "Warnfunktion" beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage, § 80 Rn. 84 m.w.N.).
Die Bestimmung des § 80 Abs. 3 VwGO ist dabei nicht nur dann verletzt, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung überhaupt keine Begründung enthält, sondern auch, wenn sie nur unzureichend erfolgt ist. Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist insoweit nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen nicht nur formelhaften, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat. Das Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO dient nämlich dem Zweck, der Behörde vor Augen zu führen, dass eine Vollziehungsanordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Hinblick auf den sonst gemäß § 80 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsbehelf eintretenden Suspensiveffekt regelmäßig die Ausnahme und eine dahingehende Entscheidung daher sorgfältig zu prüfen ist. Zugleich soll der Betroffene über die für die Behörde maßgebliche Gründe des von ihr angenommenen überwiegenden Sofortvollzugsinteresses informiert werden. Schließlich wird in einem möglichen Rechtsschutzverfahren dem Gericht die Erwägung der Behörde zur Kenntnis gebracht und zur Überprüfung gestellt (vgl. insgesamt hierzu BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1974 – 1 BvR 75/74 – Juris, Rn. 22 ff; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 9. September 2005 - OVG 11 S 13.05; OVG Berlin-Brandenburg, vom 10. Juni 2009 – OVG 1 S 97.09 –, Rn. 3; vom 15. April 2009 – 1 S 172.08 –, Rn. 4; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 15. Februar 2021 – 12 B 96/20 –, Rn. 6 - 7, juris, alle juris; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juli 1994 - 18 B 1171/94 -, NWVBl. 1994, 424, 425 m. w. N.; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28. September 2007 – 5 L 271/07 –, Rn. 7, juris). Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung darf sich grundsätzlich auch nicht mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes als solchen decken und darf letztlich nur ausnahmsweise auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes Bezug nehmen, wenn aus dieser bereits die besondere Dringlichkeit auch der Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO hervorgeht (so z.B. bei unmittelbaren Gefahren für wichtige Rechtsgüter) und die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar ist (vgl. VG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 10. Juni 2009 – OVG 1 S 97.09 –, Rn. 3; vom 15. April 2009 – 1 S 172.08 –, Rn. 4, beide juris; VG Cottbus, Beschluss vom 26. Februar 2021 – 6 L 462/19 –, Rn. 13, juris; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage, § 80 Rn. 85 m.w.N.).
Diesen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Antragsgegners vom 29. Juni 2020.
Der Antragsgegner begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehung vorliegend zunächst mit der Gefahr einer erheblichen Breiten- und Nachahmungswirkung und geht damit über die bloße Begründung seiner Anschlussverfügung hinaus, die er vorrangig damit untersetzt, dass entsprechend seiner technischen Satzung jedes eigenständige Grundstück einen eigenen Trinkwasseranschluss haben soll und im Falle des Grundstücks der Antragstellerin für die Leitungsführung über das fremde benachbarte Grundstück keine Eintragung einer Leitungssicherung im betreffenden Grundbuch existiere. Zur besonderen Dringlichkeit führt der Antragsgegner in diesem Zusammenhang aus, dass falls ein gegen die Anschlussverfügung eingelegter Widerspruch aufschiebende Wirkung haben sollte, unbeteiligten Dritten der Anschein vermittelt wäre, dass das Verhalten des Antragstellers legal sei. Dies könne eine Demonstration dafür sein, dass man sich zumindest vorübergehend mit Erfolg über Gesetze hinwegsetzen könne. Um diese Vorbildwirkung zu verhindern und vor allen Dingen die Gleichbehandlung aller Bürger im Verbandsgebiet zu gewährleisten, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderlich. Eine umgehende Umsetzung des Anschlusszwanges sei darüber hinaus erforderlich, um eine gleichmäßige und überwachte Versorgung mit Trinkwasser einwandfreier Qualität zu gewährleisten.
Ob wegen Gefahr im Verzug eine besondere Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO entbehrlich wäre, mag an dieser Stelle dahinstehen und bedarf hier keiner Entscheidung, da die Begründung – wie dargestellt – bereits den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO genügt und formelle Bedenken insoweit nicht bestehen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anschlussverfügung vom 29. Juni 2020 stellt sich jedoch mit Blick auf den Erkenntnisstand des Eilverfahrens als nicht interessengerecht dar.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 S. 1, 2. Alt. VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage respektive eines Widerspruchs trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung vor dem Hintergrund einer Interessensabwägung, bei der es die Interessen der Beteiligten – das von der Behörde verfolgte Interesse an der sofortigen Vollziehung ihrer Entscheidung einerseits und das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs andererseits – gegeneinander abzuwägen hat. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber zunächst dahin vorgenommen, dass Widerspruch und Anfechtungsklage im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber entfällt, wenn die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet hat. Das Gericht prüft mithin im Falle einer solchen Anordnung, ob die Behörde – hier der Zweckverband – zu Recht das Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das Interesse des Adressaten, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung; allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als bei Gewichtung des Sofortvollzugsinteresses in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - OVG 11 S 56.08; Beschluss vom 15. September 2006 - OVG 11 S 75.06; VG Cottbus, Beschluss vom 13. Oktober 2020 – 4 L 419/20 –, Rn. 4, alle juris; vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. März 2005 – 13 ME 523/04 –, Rn. 20, juris).
Ungeachtet dessen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die Ausnahme von der gesetzlichen Regel begründet, wonach Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 1 VwGO), und dabei das behördliche Vollziehungsinteresse mit dem Aussetzungsinteresse des betroffenen Adressaten abzuwägen ist, ist zu beachten, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung dann herabsetzt sind, wenn bereits im summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO von einer offensichtlichen oder überwiegend wahrscheinlichen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts auszugehen ist und deshalb die Klage des jeweiligen Antragstellers in der Hauptsache erfolglos bleiben wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 2 - 3, juris).
Aus dem Blickwinkel der Rechtsschutzgarantie und des durch sie verbürgten effektiven vorläufigen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist es nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte bei offensichtlicher oder ganz überwiegend wahrscheinlicher Aussichtslosigkeit der in der Hauptsache erhobenen Klage davon ausgehen, dass das Interesse des Betroffenen an der Aussetzung der Vollziehung zurückstehen muss (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 1988 – 2 BvR 1147/88 – VBlBW 1989, 130; Beschluss [Vorprüfungsausschuss] vom 11. Februar 1982 – 2 BvR 77/82 – NVwZ 1982, 241, jeweils Kurztext in juris). Das gilt selbst dann, wenn die Vollziehung zu irreparablen Folgen führt, soweit jedenfalls ansatzweise etwas erkennbar ist, was für die sofortige Vollziehung spricht (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2010 – OVG 9 S 63.10 – juris Rn. 8 a.E.).
Solche Gründe dürften für den Normalfall des Anschlusses eines bislang nicht angeschlossenen Grundstücks an die öffentliche zentrale Schmutzwasserent- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage nach deren Fertigstellung regelmäßig gegeben sein, weil die Gründe, die die Errichtung einer zentralen Trinkwasserversorgung rechtfertigen, auch den Anschluss jedes davon erschlossenen Grundstücks rechtfertigen (vgl. zum Anschluss an eine Schmutzwasserbeseitigungsanlage OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 2 - 3, juris). Hintergrund hiervon ist, dass ein Grundstücksanschluss im Übrigen, falls sich die Anschlussverfügung wider Erwarten im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen oder eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang ausgesprochen werden sollte, auch wieder getrennt und eine Verbindung mit der Brunnenanlage wiederhergestellt werden kann. Von „vollendeten Tatsachen“ kann mithin durch die sofortige Vollziehung in solchen Fällen nur die Rede sein, soweit es um die Herstellung des Anschlusses und den dafür anfallenden Kostenaufwand geht; irreversibel ist der Vorgang grundsätzlich nicht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 6, juris).
Dennoch bedarf es auch in solchen Fällen, in denen eine Anschlussverfügung – wie vorliegend – nicht bereits gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Satz 2 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, sondern der Antragsgegner ihre sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vielmehr erst angeordnet hat – regelmäßig nicht nur einer behördlichen Begründung für die Vollziehungsanordnung (§ 80 Abs. 3 VwGO), sondern es muss auch aus Sicht des Gerichts eine sachliche Rechtfertigung für die sofortige Vollziehung gegeben sein, die dem Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung Rechnung trägt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2011 – OVG 9 S 63.10 –, Rn. 6, juris).
Ist indes der Ausgang des Hauptverfahrens offen, sind die sonstigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen, und dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist stattzugeben, wenn das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs nicht überwiegt (vgl. VG Münster, Beschluss vom 7. September 2020 – 8 L 746/20 –, Rn. 4, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. März 2005 – 13 ME 523/04 –, Rn. 20, juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 09. Dezember 1998 – 6 TG 2688/98 –, Rn. 13, juris).
Dies zugrunde gelegt, ergibt eine am Maßstab des § 80 Abs. 5 S. 1, 2. Alt. VwGO orientierte Prüfung, dass das Interesse der Antragstellerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben – obwohl einiges dafür spricht, dass sich die Anschlussverfügung des Antragsgegners vom 29. Juni 2020 bei der hier gebotenen summarischen Prüfung zwar als rechtmäßig erweisen dürfte – gegenüber dem Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung überwiegt und insoweit die zu treffende Ermessensentscheidung zu Lasten des Antragsgegners ausfällt.
Es spricht nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens zunächst einiges dafür, dass die Anschlussverfügung vom 29. Juni 2020 rechtmäßig sein dürfte, da der bisherige Anschluss des Wohnhauses der Antragstellerin über das Nachbargrundstück nicht den satzungsmäßigen Vorgaben entsprechen und das Grundstück der Antragstellerin somit dem Anschlusszwang an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage des Verbandes unterliegen dürfte. Das über das Nachbargrundstück an die Trinkwasserversorgungsleitung angeschlossene Grundstück der Antragstellerin wäre insoweit gesondert an die zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Antragsgegners anzuschließen. Von einer offensichtlichen oder überwiegend wahrscheinlichen Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Anschlussverfügung kann indes mit Blick auf die Schwierigkeit der hier zu entscheidenden materiellen Rechtsfrage, deren abschließende Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss, nicht ausgegangen werden.
Als Rechtsgrundlage der Anschlussverfügung vom 29. Juni 2020 kommt § 4 der Wasserversorgungssatzung des M... (M... ) vom 2. Dezember 2010, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis D... Nr. 39/2010 vom 14. Dezember 2010 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 3. Mai 2012, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis D... Nr. 13/2012 vom 16. Mai 2012 (Wasserversorgungssatzung) in Betracht.
Nach § 4 Sätze 1 und 2 Wasserversorgungssatzung ist der Anschlussnehmer eines Grundstückes, auf dem Wasser verbraucht wird, verpflichtet, dieses innerhalb von drei Monaten nach Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen (Anschlusszwang). Eine Anschlussmöglichkeit besteht nach § 4 Satz 3 Wasserversorgungssatzung, wenn das Grundstück an eine öffentliche Straße mit einer betriebsfertigen Versorgungsleitung grenzt oder seinen unmittelbaren Zugang zu einer solchen Straße durch einen Privatweg hat.
Diese Regelungen der Wasserversorgungssatzung unterliegen zunächst keinen formalrechtlichen Bedenken, insbesondere ist die Satzung im Amtsblatt für den Landkreis D... formell wirksam bekannt gegeben worden. Auch in materieller Hinsicht begegnet die Satzung des Antragsgegners als solche insgesamt keinen rechtlichen Bedenken und hielt in der Vergangenheit den Überprüfungen durch die Kammer stand (vgl. etwa VG Cottbus, Urteil vom 30. Oktober 2018 – 6 K 692/13 –, Rn. 39 - 41, juris).
So fußen die Regelungen der Wasserversorgungssatzung des Antragsgegners über den Anschlusszwang hinsichtlich der öffentlichen Wasserversorgung in § 4 Wasserversorgungssatzung auf § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf). Danach kann die Gemeinde aus Gründen des öffentlichen Wohls den Anschluss für die Grundstücke ihres Gebiets an öffentliche Einrichtungen und die Benutzung dieser Einrichtung vorschreiben. Maßgeblich ist insoweit allein die Entscheidung des Verbandes darüber, in welcher Weise er seiner Wasserversorgungspflicht (§ 59 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG)) genügen will, ob in Gestalt einer zentralen oder in Gestalt einer dezentralen Versorgungslösung (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 7. Oktober 2009 – 7 K 869/08 –, S. 7 des E.A.).
Auch ist gegen die Vereinbarkeit der Anordnung des Anschlusszwangs mit höherrangigem Recht nichts zu erinnern. Der mit der satzungsmäßigen Anordnung auf dieser gesetzlichen Grundlage einhergehende Eingriff in das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG stellt eine vor den genannten Schutzzwecken, die mit staatlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2, 20 a GG (Art. 8, 39 der Verfassung des Landes Brandenburg) korrespondieren, in Ansehung des Rangs dieser Schutzgüter auch verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG vom Einzelnen hinzunehmen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1988 - 7 B 55.87 -, NVwZ-RR 1990, 96; OVG Brandenburg, Urteil vom 31. Juli 2003 – 2 A 316/02 –, Rn. 37, juris; vgl. VG Cottbus, Urteil vom 30. Oktober 2018 – 6 K 692/13 –, Rn. 32 - 36, juris).
Es spricht nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens einiges dafür, dass sich die in Rede stehende Anschlussverfügung vom 29. Juli 2020 mit Blick auf die Satzung des Antragsgegners als rechtmäßig erweisen dürfte.
Da auf dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück der Antragstellerin Wasser verbraucht wird – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist –, unterfällt es gemäß § 4 Wasserversorgungssatzung zunächst grundsätzlich dem Anschlusszwang.
Angesichts der betriebsbereit unmittelbar vor dem Grundstück der Antragstellerin fertiggestellten öffentlichen Wasserversorgungsleitung liegen auch die übrigen Voraussetzungen des Anschlusszwangs vor, sodass die Antragstellerin grundsätzlich verpflichtet wäre, einen Trinkwasserhausanschluss im Sinne von § 13 Abs. 1 Wasserversorgungssatzung gemäß § 13 Abs. 2 bis 5 Wasserversorgungssatzung herstellen zu lassen sowie eine Hausinstallation gemäß § 15 Abs. 1 Wasserversorgungssatzung herzustellen. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 Wasserversorgungssatzung besteht der Hausanschluss nämlich aus der Verbindung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage mit der Anlage des Anschlussnehmers. Er beginnt gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 Wasserversorgungssatzung mit der Anbohrschelle am öffentlichen Leitungsnetz und endet mit der Wasserzählanlage (Wasserzählereinbaugarnitur), die Bestandteil des Hausanschlusses ist. Der Wasserzähler gehört zur öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung und ist nicht Bestandteil des Hausanschlusses (vgl. § 13 Abs. 1 S. 3 Wasserversorgungssatzung). Zum Hausanschluss gehört jedoch die Wasserzählanlage (§ 13 Abs. 1 S. 4 Wasserversorgungssatzung). Die Wasserzählanlage besteht aus den Absperrventilen und den längenveränderlichen Ein- und Ausbaustücken (§ 13 Abs. 1 S. 5 Wasserversorgungssatzung). Nach Abs. 2 der zitierten Vorschrift werden Art, Zahl und Lage der Hausanschlüsse sowie deren Änderung nach Anhörung des Anschlussnehmers und unter Wahrung seiner berechtigten Interessen vom M... bestimmt.
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin dürfte hier nicht gegen die Anschlussverfügung vom 29. Juni 2020, wonach die Antragstellerin verpflichtet wird, ihr Grundstück mit einem eigenen Hausanschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen, sprechen, dass das von der Antragstellerin bewohnte Einfamilienhaus auf dem Grundstück P... bereits über das Nachbargrundstück P... an die zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Verbandes angeschlossen ist.
Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr Grundstück entgegen den Vorgaben des § 13 Abs. 3 Wasserversorgungssatzung keines eigenen Hausanschlusses bedürfe.
Gemäß § 13 Abs. 3 Wasserversorgungssatzung soll nämlich jedes Grundstück zur Sicherung der Wasserlieferung eine eigene Hausanschlussleitung haben. Dies ist bislang – da die Antragstellerin ihr Trinkwasser über den Trinkwasserhausanschluss des Nachbargrundstücks P... bezieht – nicht der Fall.
Bei der hier maßgeblichen Vorschrift des § 13 Abs. 3 Wasserversorgungssatzung handelt es sich – und insoweit ist der Antragstellerin zunächst zuzustimmen – um eine sogenannte „Soll-Vorschrift“. Sofern die Antragstellerin jedoch sinngemäß vorbringt, dass eine solche „Soll-Vorschrift“ ohnehin keine zwingende Bedingung darstelle und deswegen ihr Grundstück nicht gesondert angeschlossen werden müsse, überzeugt dies nicht.
Eine solche „Soll-Vorschrift“ ist nämlich rechtsdogmatisch grundsätzlich als eine „Muss-Bestimmung“ mit Ausnahmevorbehalt für atypische Fälle zu verstehen. Dies bedeutet, dass eine solche „Soll-Vorschrift“ im Grundsatz imperativisch ist (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 04. Mai 2017 – 6 K 531/11 –, Rn. 51, juris; zum dortigen Landesrecht OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2016 – 2 M 156/15 -, zit. nach juris, Rn. 38) und nur im Falle einer tatsächlich gegebenen Atypik der jeweiligen Behörde bzw. dem Zweckverband ein Ermessen einräumt.
"Soll"-Vorschriften sind letztlich im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betrauten Behörden rechtlich zwingend und verpflichten sie, so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall dann nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - 9 B 79.09 -, juris; VG Kassel, Urteil vom 7. März 2012 – 3 K 1533/10.KS –, Rn. 28, juris).
Da im Regelfall – wie dargelegt – das "Soll" ein "Muss " bedeutet, beschränkt sich das durch eine solche Soll-Vorschrift eingeräumte Ermessen grundsätzlich nur auf die Frage, was im Ausnahmefalle zu geschehen hat; ob jedoch ein atypischer Fall vorliegt, der eine solche Ermessensentscheidung überhaupt erst ermöglicht und gebietet, ist dagegen als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 02. Juli 1992 – 5 C 39/90 –, BVerwGE 90, 275-287, Rn. 19, juris).
Mit Blick hierauf, spricht vieles dafür, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Fall, nicht um einen im Sinne des § 13 Abs. 5 Wasserversorgungssatzung atypischen und insoweit dem Antragsgegner Ermessen einräumenden Fall handeln dürfte.
Gegen einen atypischen Fall spricht vorliegend bereits, dass im Verbandsgebiet des Antragsgegners eine vergleichbare Situation, bei der zwei Wohnhäuser bzw. zwei Grundstücke über nur einen Trinkwasseranschluss versorgt werden, im Falle von unzähligen im Verbandsgebiet befindlichen Doppelhaushälften gegeben ist und insoweit nicht von einem atypischen, vom Satzungsgeber nicht gesehenen Fall ausgegangen werden kann. In diesem Zusammenhang trägt der Antragsgegner auch unwidersprochen vor, dass Doppelhausanschlüsse ehemals geduldet worden und nunmehr grundsätzlich nicht mehr zuzulassen seien, sodass die alten Anschlüsse getrennt werden müssten.
Vor diesem Hintergrund ist auch § 13 Abs. 8 Wasserversorgungssatzung zu verstehen, wonach der M... grundsätzlich, sofern sich Rohrleitungen und Wasserzähler auf einem Grundstück befinden, das nicht im Eigentum des Anschlussnehmers steht, die Eintragung einer Grunddienstbarkeit fordern kann. Insoweit spricht der Umstand, dass die technische Satzung des Antragsgegners ähnliche Fälle bereits vorgesehen hat, gegen eine Atypik.
Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Antragstellerin mit Blick auf das streitgegenständliche Grundstück ein eigenes Anschluss- und Benutzungsrecht gemäß § 3 Abs. 1 Wasserversorgungssatzung zustehen dürfte. Ein solches Anschlussrecht korrespondiert aber wiederum mit einer entsprechenden Anschlusspflicht (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 27. November 2019 – 6 K 2069/16 –, Rn. 41, juris). Sofern in der jeweiligen technischen Satzung – wie vorliegend im Falle der Wasserversorgungssatzung des Antragsgegners (hierzu sogleich unten) – dem Grundstückseigentümer ein solches Anschlussrecht eingeräumt wird, kann nämlich der jeweilige Zweckverband dem Anschlussbegehren des jeweiligen Antragstellers nicht entgegenhalten, dass er seine Verpflichtung bereits durch den Anschluss des benachbarten Grundstücks erfüllt habe und es bei dem neuen Hausanschluss lediglich um einen sogenannten Zweitanschluss gehe, zu dem er nicht verpflichtet sei. Eine Argumentation, wonach die einmal erfolgte Herstellung eines Wasseranschlusses eine dauerhafte Rechtswirkung demgegenüber auch zugleich angeschlossenen Nachbargrundstücken oder später durch Grundstücksteilung entstandene (Nachbar-) Grundstücken haben soll, wäre mit dem Wortlaut einer Satzung, die von einem wirtschaftlichen Grundstücksbegriff ausgeht, nicht in Einklang zu bringen (vgl. zu Grundstücksteilung Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 4 CE 16.2245 –, Rn. 8 - 9, juris). Dies ist hier der Fall, da die technische Satzung des Antragsgegners ein Grundstück – unabhängig von der Eintragung im Grundbuch – definiert als den demselben Eigentümer gehörenden Teil der Grundfläche, der selbstständig baulich oder gewerblich genutzt werden kann (vgl. § 2 Abs. 2 Wasserversorgungssatzung) und insoweit vom wirtschaftlichen Grundstücksbegriff ausgeht.
Mit Blick hierauf wäre es unbillig, der Antragstellerin einerseits ein satzungsmäßiges gegenüber dem Antragsgegner eingeräumtes Anschlussrecht für das bislang über das Nachbargrundstück angeschlossene Grundstück einzuräumen, andererseits eine (mit dem Anschlussrecht korrespondierende) Anschlusspflicht aber zugleich in Abrede zu stellen.
Auch kann ein bloß satzungswidriger Zustand – wie vorliegend im Falle eines Grundstücks ohne eigene Hausanschlussleitung – bereits begriffslogisch keine Atypik im Sinne von § 13 Absatz 3 Wasserversorgungssatzung darstellen. Vielmehr dürfte eine Atypik im Sinne von § 13 Abs. 3 Wasserversorgungssatzung dann einschlägig sein, wenn etwa aufgrund besonderer Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles der Anschluss eines Grundstücks über eine eigene Hausanschlussleitung technisch unmöglich oder aber unzumutbar ist. Dass für die Antragstellerin eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit besteht, eine Verbindung ihrer Hausinstallation mit der öffentlichen Wasserversorgungsanlage herstellen zu lassen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Nach allem spricht vieles dafür, dass vorliegend kein atypischer Fall dahingehend gegeben ist, dass das Grundstück der Antragstellerin entgegen der Vorschrift § 13 Abs. 3 Wasserversorgungssatzung nicht über einen eigenen Hausanschluss eine eigene Hausanschlussleitung verfügen müsse.
Vor dem Hintergrund der Schwierigkeit der hier zu entscheidenden Rechtsfrage bleibt – wie ausgeführt – die abschließende Klärung dieser Frage der Hauptsacheentscheidung vorbehalten und kann an dieser Stelle wegen des Prüfungsmaßstabes des Eilverfahrens nicht geleistet werden.
Der Antragstellerin ist in der Anschlussverfügung zur Erfüllung der auferlegten Verpflichtungen zu 1. und 2. auch eine angemessene Frist bestimmt worden. Innerhalb von mehr als sechs Wochen lassen sich die Maßnahmen und ihre Planung ordnungsgemäß durchführen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2010 – 15 B 1766/09 –, Rn. 8, juris; VG Cottbus, Urteil vom 30. Oktober 2018 – 6 K 692/13 –, Rn. 39 - 41, juris).
Etwaigen unzumutbaren Folgen des Anschluss- und Benutzungszwangs wird regelmäßig in einem gesonderten, antragsabhängigen Befreiungsverfahren (vgl. insoweit § 5 Wasserversorgungssatzung) begegnet, sodass die Frage etwaiger Befreiungsgründe die Rechtmäßigkeit einer Anschlussverfügung grundsätzlich nicht berührt; Befreiungsgründe sind vornehmlich im Befreiungsverfahren von Belang und führen nur ausnahmsweise zur Rechtswidrigkeit der Anschlussverfügung, nämlich nur dann, wenn eine Befreiung entweder bereits erteilt worden ist oder ein Befreiungsanspruch offensichtlich besteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – OVG 9 N 114.13 –, Rn. 11, juris; VG Cottbus, Urteil vom 8. Mai 2020 – 6 K 902/15 –, Rn. 38 - 39, juris). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor, sodass die streitige Frage, ob ein Anspruch auf Befreiung im Verfahren auf Anfechtung einer Anschlussverfügung und eines insoweit korrespondierenden Eilverfahren überhaupt zu prüfen ist (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 8. Mai 2020 – 6 K 902/15 –, Rn. 38 - 39, juris) hier nicht entschieden werden muss.
Eine Befreiung vom Anschlusszwang wurde durch den Antragsgegner nicht erteilt; die Antragstellerin hat auch insoweit beim Antragsgegner keinen Antrag gestellt. Es spricht aber auch nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nichts dafür, dass die Voraussetzung für eine Befreiung offensichtlich vorliegen. Nach § 5 Abs. 1 Wasserversorgungssatzung wird der Verpflichtung zum Anschlusszwang der Anschlussnehmer auf Antrag befreit, wenn der Anschluss ihm aus besonderen Gründen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zugemutet werden kann. Eine die Befreiung rechtfertigende atypische Fallgestaltung (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2013 – OVG 9 N 174.13 –, Rn. 8, juris; OVG Brandenburg, Urteil vom 31. Juli 2003 - 2 A 316/02 -, Rn. 43, juris; OVG NW, Beschluss vom 4. September 2013 - 15 A 1171/13 -, Rn. 27 f., juris), die im Einzelfall zur Unzumutbarkeit der Befolgung des Anschlusszwangs führen müsste, liegt angesichts des Vorbringens der Beteiligten und in Auswertung aller sonst erkennbaren Umstände vor dem Hintergrund einer eingeschränkten Prüfungstiefe des Eilverfahrens nicht vor.
Zusammenfassend spricht somit zwar vieles dafür, dass das Grundstück der Antragstellerin anschlusspflichtig im Sinne der Wasserversorgungssatzung des Antragsgegners ist.
Vorliegend fehlt es aber an einer besonderen sachlichen Rechtfertigung für die sofortige Vollziehung der Anschlussverfügung. Es ist insbesondere nicht erkennbar, aus welchem Grund das tatsächlich – aber satzungswidrig – bereits für das Nachbargrundstück an die öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Antragsgegners angeschlossene Grundstück der Antragstellerin noch während des Hauptsacheverfahrens über eine eigene separate Hausanschlussleitung mit Trinkwasser versorgt werden soll.
Nach der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg spricht zwar grundsätzlich für den Sofortvollzug einer Anschlussverfügung der Umstand, dass die zentrale Kanalisationsanlage vor dem Grundstück des anschlusspflichtigen fertiggestellt ist, so dass der zuständige Wasserverband den Anschluss- und Benutzungszwang durchsetzen muss, um seiner gesetzlichen Aufgabe im Interesse des allgemeinen Wohls nachkommen zu können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 5, juris vorgehend VG Cottbus, 30. Mai 2018 – 6 L 488/17, juris).
Unbeachtlich bleibt in diesem Zusammenhang, dass der jetzige Zustand durch den Antragsgegner nach dem Vorbingen der Antragstellerin bislang geduldet worden sei, da auch ein Zeitablauf grundsätzlich nicht gegen eine sofortige Vollziehung einer Anschlussverfügung spricht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 5, juris vorgehend VG Cottbus, 30. Mai 2018 – 6 L 488/17, juris). Mit der Fertigstellung der Kanalisation vor einem Grundstück deutet regelmäßig alles auf eine möglichst umgehende Übernahme der Wasserversorgung durch den zuständigen öffentlichen Aufgabenträger hin, weil dies für die dauerhafte Funktionstüchtigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht zuletzt im Interesse der bereits angeschlossenen Nutzer, die ebenfalls in den Blick zu nehmen sind, erforderlich ist. Dies gilt selbst, obwohl davon auszugehen ist, dass der Nichtanschluss eines einzelnen Grundstücks weder den Wasserzweckverband in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt, noch zu einer messbaren Mehrbelastung der übrigen Nutzer mit Gebühren führt oder den Betrieb der Wasserkanalisation technisch gefährdet (vgl. zum Anschlusszwang an einer Schmutzwasserbeseitigungsanlage OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 5, juris vorgehend VG Cottbus, 30. Mai 2018 – 6 L 488/17, juris).
Ausgangspunkt für den vom OVG Berlin-Brandenburg entwickelten Ansatz ist jedoch stets der tatsächliche Nichtanschluss eines Grundstücks – der hier gerade nicht gegeben ist – an die fertiggestellte zentrale Trinkwasserversorgungsanlage. Hintergrund hierfür ist, dass der Nichtanschluss von Grundstücken jedenfalls für die Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit einer kanalgebundenen zentralen Trinkwasserversorgungsanlage grundsätzlich und unbestritten nachteilig ist und dem mit einer zentralen Trinkwasserkanalisation verfolgten Ziel der Erhaltung der Volksgesundheit und dem Schutz der Umwelt zuwiderläuft. Denn es dürfte in diesem Zusammenhang ohne weiteres einleuchten, dass auch die gesundheitlichen Anforderungen an die Wasserqualität an den Entnahmestellen der Nutzer im Verbandsgebiet nur gewährleistet werden können, wenn entsprechender Trinkwasserabsatz gewährleistet ist, so dass die Situation, die der Antragsgegner für Teile des Leitungsnetzes, die Wochenend- und Sommerhaussiedlungen versorgen in der es zur Aufkeimung dadurch kommen kann, dass das Wasser in den Leitungen steht, vermieden wird (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 31. Juli 2003 – 2 A 316/02 –, Rn. 56, juris). Dann – im Falle eines tatsächlichen Nichtanschlusses – muss im öffentlichen Interesse nicht erst dann nicht mehr hingenommen werden, wenn der einwandfreie Betrieb der Anlage dadurch in konkrete Gefahr gerät, sondern ist ein hinreichender Grund für die sofortige Vollziehung eine offensichtlich rechtmäßige – was vorliegend in dieser Eindeutigkeit, wie gezeigt, nicht der Fall ist – Anschlussverfügung (vgl. zum Anschlusszwang an einer Schmutzwasserbeseitigungsanlage OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 5, juris vorgehend VG Cottbus, 30. Mai 2018 – 6 L 488/17, juris).
Mit Blick auf die vorliegende Situation, bei der das Grundstück der Antragstellerin aber bereits tatsächlich über das Nachbargrundstück angeschlossen ist, ist der oben dargelegte Maßstab, der von einem Nichtanschluss ausgeht, gerade nicht auf einen „bloß“ satzungswidrigen Zustand der fehlenden eigenen Hausanschlussleitung übertragbar. Es leuchtet insbesondere nicht ein, weshalb für die dauerhafte Funktionstüchtigkeit und Wirtschaftlichkeit der zentralen Trinkwasserversorgungsanlage der (vorübergehende) satzungswidrige Zustand abträglich wäre.
Das Vorbringen und insoweit maßgebliche Argument des Antragsgegners, wonach aufgrund der Trinkwasserversorgung über das Nachbargrundstück die eine sofortige Vollziehung der Anschlussverfügung begründende Gefahr einer Versorgungsunsicherheit bestehe, da für die auf dem fremden Grundstück befindlichen Leitungen kein Leitungsrecht mittels Grunddienstbarkeit gesichert sei, sodass nicht von einer gesicherten Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser ausgegangen werden könne, dringt nicht durch.
Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens ist vielmehr eine rechtlich gesicherte Anschlussmöglichkeit für das Grundstück der Antragstellerin vor dem Hintergrund am 21. Juli 2020 zu Lasten des Nachbargrundstücks P... eingetragenen Grunddienstbarkeit (Trinkwasserleitungen) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Antragstellerin gegeben, sodass von einer gesicherten Erschließung ausgegangen werden muss. Erschlossen ist ein Grundstück durch eine Einrichtung in der Regel dann, wenn die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung gegeben ist. Das ist anzunehmen, wenn der zur öffentlichen Einrichtung gehörende Wasserversorgungsstrang in einer angrenzenden Verkehrsfläche verlegt ist oder eine solche Versorgungsleitung unmittelbar an die Grundstücksgrenze herangeführt ist und, sofern sie ein fremdes Grundstück durchquert, ihr Verbleib auf Dauer gesichert ist. Diese Sicherung kann namentlich in der Einräumung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit bestehen (vgl. Thüringer OVG, Urteil vom 3. September 2008 – 1 KO 559/07 –, Rn. 102, juris; BayVGH Urteil vom 10. Februar 1993 – 23 B 90.503 –, juris zur gemeindlichen Entwässerungseinrichtung). Das ist hier der Fall.
Mit Blick hierauf ist auch das Argument eines möglichen Nachahmereffektes seitens des Antragsgegners nicht fruchtbar zu machen. Der sogenannte Nachahmereffekt gründet in der Tatsache, dass durch die Erweiterungen der jeweiligen Kanalisation regelmäßig dörfliche Lagen erschlossen werden und lebensnah davon auszugehen ist, dass die Betroffenen in aller Regel wahrnehmen werden, ob es einzelnen Grundstückseigentümern gelingt, sich dem Anschluss- und Benutzungszwang zu entziehen (vgl. zum Anschlusszwang an einer Schmutzwasserbeseitigungsanlage OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 – OVG 12 S 38.18 –, Rn. 5, juris vorgehend VG Cottbus, 30. Mai 2018 – 6 L 488/17, juris). Vorliegend dürfte zwar ein satzungswidriger Zustand mangels eigener Hausanschlussleitung gegeben sein, das Grundstück der Antragstellerin ist dennoch bereits über das Nachbargrundstück an die Kanalisation des Antragsgegners angeschlossen. Dass dieser seltene (aber nicht atypische im Sinne von § 13 Abs. 3 Wasserversorgungssatzung) Fall, zu einer Nachahmung technischer oder gebührenmäßiger Art führen könne, erschließt sich insbesondere mit Blick darauf, dass die Antragstellerin über einen eigenen Trinkwasserzähler verfügt, nicht.
Ist nach Vorstehendem die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Anschlussverfügung des Antragsgegners vom 29. Juni 2020 wiederherzustellen, so muss auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die mit der Anschlussverfügung verbundene Androhung eines Zwangsgeldes angeordnet werden, da die Androhung mit der Frist bis zum 17. August 2020 verbunden ist und diese Frist nicht an den Eintritt der Bestandskraft des Bescheides anknüpft (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 30. Mai 2018 – 6 L 488/17 –, Rn. 15, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und lehnt sich an die ständige Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4.7. 2006 - OVG 12 N 16.06, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.3.2008, OVG 9 N 117.08 u.a.); sie berücksichtigt den durch den Anschluss gegebenen Anschlussvor-/-nachteil sowie die erforderlichen Herstellungskosten. Fehlen - wie hier - nähere Anhaltspunkte für die ersparten Anschlusskosten, ist vom halben Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG für die ersparten Hausanschlusskosten auszugehen (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 6. April 2004 - 2 E 22/04 -, S. 2 des Entscheidungsabdrucks). Das insoweit angedrohte Zwangsgeld bleibt vorliegend außer Betracht, da die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes nicht höher ist als der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert (vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 21. März 2006 – 5 L 427/05 –, juris Rn. 11). Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind die Werte zu halbieren (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 30. Mai 2018 – 6 L 488/17 –, Rn. 16 - 17, juris).