Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 13.10.2021 | |
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Aktenzeichen | 6 W 107/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1013.6W107.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam - Rechtspfleger - vom 05.05.2020, Az. 6 O 332/14, wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
I.
Für den Sachverhalt wird auf den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.05.2020 (Bl. 881 ff. d.A.), die dort näher bezeichneten (S. 3) Kostenfestsetzungsanträge der Parteien, die sofortige Beschwerde der Kläger vom 25.05.2020 (Bl. 289 ff. d.A.) sowie auf den Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 09.10.2020 verwiesen (Bl. 293 ff. d.A.).
II.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Kläger ist unbegründet.
1. Hinsichtlich der von den Klägern gerügten Nachvollziehbarkeit und rechnerischen Richtigkeit des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses wird auf die zutreffenden Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts verwiesen. Eine ausdrückliche - nicht fristgebundene - Erinnerung zur Klärung der Frage einer etwaigen Nichterhebung von Gerichtskosten nach §§ 21, 66 GKG und jedenfalls eine diesbezüglich beschwerdefähige Sachentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts sind bisher nicht erfolgt.
2. Hinsichtlich der mit der Beschwerde gerügten Anrechnung der Verfahrensgebühr auf Klägerseite aus dem vor dem hiesigen Rechtsstreit vor dem Landgericht Potsdam geführten selbstständigen Beweisverfahren ist die Festsetzungsentscheidung des Landgerichts, wonach von der Gebührenanrechnung auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits wegen eines nicht erkennbar notwendigen Anwaltswechsels zwischen Beweisverfahren und Hauptsacheverfahren gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht abgesehen worden ist, nicht zu beanstanden.
a) Selbstständiges Beweisverfahren und Hauptprozess sind verschiedene Angelegenheiten, so dass im Grundsatz die Gebühren in beiden Verfahren gesondert anfallen. Wenn derselbe Rechtsanwalt, der das selbstständige Beweisverfahren betrieben hat, auch die spätere Hauptsache betreibt, ist gemäß § 15a RVG i.V.m. VV Vorb. 3 Abs. 5 zu Teil 3 RVG die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr in der Hauptsache desselben Rechtszugs anzurechnen, soweit der Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand des Rechtsstreits ist oder wird. Das gilt grundsätzlich zwar nicht bei verschiedenen Rechtsanwälten in beiden Verfahren, so dass die Gebühr dann zweimal anfällt (BGH, Beschluss vom 27.08.2014 - VII ZB 8/14, juris Rn. 19). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hängt die Erstattungsfähigkeit der im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Gebühren dann aber davon ab, dass die Voraussetzungen eines notwendigen Anwaltswechsels nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorliegen, denn die Partei ist grundsätzlich gehalten, die Prozesskosten so niedrig wie möglich zu halten.
aa) Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Diese Regelung gilt auch bei einem Anwaltswechsel zwischen selbstständigem Beweisverfahren und nachfolgendem Hauptsacheverfahren, denn zu dem gerichtlichen Verfahren in diesem Sinne gehört auch ein selbstständiges Beweisverfahren (BGH, Beschluss vom 26.10.2017 - V ZB 188/16, juris Rn. 8). Zwar handelt es sich gebührenrechtlich um eine gegenüber dem Klageverfahren eigene Angelegenheit. Das Beweis- und das Erkenntnisverfahren sind aber sachlich, zeitlich und hinsichtlich der Beteiligten eng verflochten. Der engen Zusammengehörigkeit der beiden Verfahren hat der Gesetzgeber durch die Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit für das Beweisverfahren an jene des Hauptsacheprozesses (§ 486 Abs. 2 ZPO) sowie durch die erleichterte Verwertung der selbstständig erhobenen Beweise in dem nachfolgenden Hauptprozess (§ 493 Abs. 1 ZPO) Rechnung getragen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2002 - VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1323). Dieser Zusammenhang wird auch dadurch deutlich, dass eine Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren im Regelfall nicht vorgesehen ist. Vielmehr sind die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens Kosten des Hauptsacheverfahrens, über die grundsätzlich in diesem entschieden wird (BGH, Beschluss vom 28.06.2007 - VII ZB 118/06, juris Rn. 11).
bb) Diese Sichtweise steht nicht im Widerspruch dazu, dass nach allgemeiner Auffassung einer Partei, die vorprozessual von einem anderen Rechtsanwalt vertreten wird als im Rechtsstreit, die Erstattung der gerichtlichen Verfahrensgebühr (in Höhe der Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG) nicht mit der Begründung versagt werden kann, die anwaltlichen Gebühren wären entsprechend geringer gewesen, wenn die außergerichtlich tätigen Bevollmächtigten auch mit der Führung des Rechtsstreits beauftragt worden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 10.12.2009 - VII ZB 41/09, JurBüro 2010, 190, 191; OLG Koblenz, MDR 2009, 533; OLG München, NJW 2009, 1220). In diesen Fällen ist § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO deshalb nicht anzuwenden, weil es sich nicht um einen Anwaltswechsel innerhalb des gerichtlichen Verfahrens handelt (vgl. OLG Koblenz, MDR 2009, 533; OLG München, NJW 2009, 1220). Die vorprozessual zur Anspruchsabwehr oder zur Geltendmachung eines Anspruchs angefallene Geschäftsgebühr gehört nicht zu den Prozesskosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und kann demzufolge auch nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung nach den §§ 103 ff. ZPO sein (BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - VIII ZB 57/07, juris Rn. 5).
cc) Dass die Anrechnungsbestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes grundsätzlich nicht dem Schutz des Prozessgegners dienen, steht zu diesen Grundsätzen - wie der Bundesgerichtshof inzwischen klargestellt hat - entgegen der in der Beschwerdebegründung unter Berufung auf frühere obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG München, JurBüro 2016, 295, 296 f.) vertretenen Ansicht nicht in Widerspruch, denn vorliegend geht es nicht um primär auf das Mandatsverhältnis bezogene Vergütungsregelungen des RVG, sondern um die prozessuale Erstattungsfähigkeit von Kosten in dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2017 - V ZB 188/16, juris Rn. 15).
dd) Dass es der Partei freisteht, im Hauptsacheverfahren einen anderen Anwalt zu beauftragen, ändert an dieser Beurteilung ebenfalls nichts. Verfahrensrechtlich ist eine Kostenfestsetzung im selbstständigen Beweisverfahren überhaupt nicht vorgesehen; es besteht danach nur ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch. Die Partei muss daher die Gründe für den einen Anwaltswechsel grundsätzlich nicht offenlegen. Ohne entsprechenden Vortrag im Kostenfestsetzungsverfahren scheidet eine Erstattung der durch den Anwaltswechsel verursachten Mehrkosten aber von vornherein aus, denn es kann dann vom Rechtspfleger nicht geprüft werden, ob die Mandatierung eines anderen Rechtsanwalts im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO notwendig gewesen und eine Übernahme dieser Kosten durch den Prozessgegner deshalb gerechtfertigt ist (BGH, aaO Rn 16).
b) Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze stellt sich die Entscheidung des Landgerichts auch insoweit als richtig dar, weil die diesbezüglich die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast tragenden Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren keinen Vortrag zur Notwendigkeit ihres Anwaltswechsels gehalten haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Eine Wertfestsetzung ist für die Kosten gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht erforderlich. Ein Kostenwert ist grundsätzlich nur festzusetzen, wenn sich die Gerichtsgebühren nach einem Gegenstandswert berechnen (vgl. § 63 Abs. 1 GKG). Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dies wegen der zu erhebenden Festgebühr nicht der Fall (vgl. Nr. 1812 KV GKG).
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO mit Rücksicht auf die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen nicht vorliegen.