Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 28.09.2021 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 72/19 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0928.13UF72.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 6. März 2019 in seiner durch Beschluss vom 27. März 2019 berichtigten Fassung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert wird für beide Instanzen auf bis 7.000 € festgesetzt.
I.
Der Antragsteller, Vater des am … 1997 geborenen Antragsgegners, erstrebt die Abänderung einer notariell vereinbarten Unterhaltsverpflichtung auf Null. Er ist von der Mutter des Antragsgegners rechtskräftig geschieden. Mit notarieller Vereinbarung vom 9. September 2015 haben der Antragsteller und seine seinerzeit von ihm getrennt lebenden Ehefrau und Mutter des Antragsgegners eine "Auseinandersetzung über Grundbesitz sowie eines Ehevertrags" (Bl. 8 ff.) beurkunden lassen, die unter anderem folgende Vereinbarung zu Gunsten des Antragsgegners enthält (Bl. 13R):
"B)
Vereinbarung zur Regelung der Scheidungsfolgen
...
§3
Unterhalt
1. Der Erschienene zu 2) verpflichtet sich, an seinen Sohn J..., geboren am … 1997 zu Händen der Kindesmutter eine Unterhaltsrente in Höhe von monatlich EUR 420,00 zu zahlen. Die Unterhaltsrente ist jeweils monatlich im Voraus zum 01. eines jeden Monats zu zahlen. Ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit soll der Berechtigte hieraus selbst anspruchsberechtigt sein.
2. Ab dem Monat, der der Rechtskraft des Scheidungsurteils der Erschienen folgt, verpflichtet sich der Erschienene zu 2), an seinen Sohn J... eine Unterhaltsrente in Höhe von monatlich EUR 450,00 zahlbar monatlich im voraus zum 01. eines jeden Monats zu zahlen. Die Unterhaltsverpflichtung endet bei Abschluss der ersten Berufsausbildung durch den Sohn und Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit, spätestens bei Vollendung des 27. Lebensjahres des Kindes.
...
§ 4
Zwangsvollstreckungsunterwerfung
...
§ 5
Die Erschienenen zu 1) und 2) vereinbaren, dass für die vorstehenden Unterhaltszahlungen Abänderungen aufgrund wechselseitiger Einkommensschwankungen nicht zulässig sein sollen, sie verzichten insoweit auf ihre Abänderungsrechte aus §§ 323, 323a BGB. Die Erschienenen zu 1) und 2) verzichten darüber hinaus gegenseitig auf weitergehende Unterhaltsansprüche ab Rechtskraft der Ehescheidung und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an."
Mit Schreiben vom 17. Februar 2017 (Bl. 16) hat der Antragsteller den Antragsgegner um Mitteilung der Ausbildungssituation, gegebenenfalls um Übersendung der vollstreckbaren Ausfertigung des Notars gebeten. Mit Schreiben vom 3. März 2017 (Bl. 17) hat der Antragsgegner den Antragsteller darüber informiert, infolge einer Erkrankung die Schule nicht besuchen zu können, gleichwohl weiterhin Schüler am Oberstufenzentrum … zu sein, wo er seine Schulausbildung ab dem 4. September 2017 fortführen werde. Mit Schreiben vom 3. September 2018 (Bl. 39) hat der Antragsteller dem Antragsgegner unter Hinweis auf dessen Erwerbsfähigkeit und -pflicht angekündigt, ihn zum 1. Oktober 2018 mit einer Zahlung von 250 Euro und letztmalig zum 1. November 2018 mit einer Zahlung von 200 Euro zu unterstützen und danach keine weiteren Unterhaltszahlungen zu leisten. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller daraufhin seinen Ausbildungsvertrag vom 18. September 2018 (Bl. 40) übersandt, aus dem sich, nach Lehrjahren gestaffelt, Vergütungsansprüche in Höhe von 640 €, 720 €, 770 € und 820 € ergaben. Der Aufforderung des Antragstellers zur Erklärung, aus der notariellen Vereinbarung keine Ansprüche mehr herzuleiten, weil der Bedarf durch Ausbildungsvergütung und Kindergeld gedeckt sei (Bl. 41), ist der Antragsgegner mit dem Hinweis auf die Unabänderbarkeit der notariellen Vereinbarung begegnet (Bl. 42 f.).
Dem Antragsgegner ist eine vollstreckbare Ausfertigung der Vereinbarung (auszugsweise) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt worden (Bl. 206). Im Zeitraum 2016/2017 hat er an einer seelischen Erkrankung (Bl. 20) gelitten, die phasenweise mit Schul- und Arbeitsunfähigkeit einher gegangen ist.
Das Ausbildungsverhältnis des Antragsgegners ist durch Kündigung des Ausbildungsbetriebes zum 18. Januar 2019 beendet worden (Bl. 117). Der Antragsgegner hat einen zweiten Berufsausbildungsvertrag im Ausbildungsberuf Technischer Systemplaner bei der … Ingenieurplanung GmbH mit Ausbildungsbeginn am 5. August 2019 abgeschlossen. Bei ihm ist eine Stoffwechselerkrankung diagnostiziert worden, die Störungen der Gehirnleistungen verursacht und unter anderem dazu geführt hat, dass er jedenfalls im Jahr 2019 nur noch über eine verbliebene Sehkraft von 6 Prozent auf beiden Augen verfügt hat.
Der Antragsteller hat vorgetragen, bei Abschluss der Unterhaltsvereinbarung sei ausdrücklich auf den Unterhaltstatbestand "Ausbildung" abgestellt worden, so wie es den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Es sei kein eigener Schuldgrund geschaffen worden, insbesondere kein Leibrentenversprechen, sondern schlichtweg ein Unterhaltsanspruch, begrenzt auf die 1. nachschulische Ausbildung. Aufgrund der schwierigen Schulbiografie des Antragsgegners hätten die Parteien die Unterhaltspflicht längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres des Antragsgegners begrenzt, auch wenn die erste Ausbildung über diesen Zeitpunkt hinausginge.
Die Abänderbarkeit dieser Vereinbarung sei nicht ausgeschlossen worden. In § 5 werde ausschließlich auf nachehelichen Unterhalt abgestellt. Der Beistand des Antragsgegners habe die Auffassung geteilt, dass die gesetzlichen Unterhaltstatbestände durch die Vereinbarung nicht geändert worden seien. Damit sei der volljährige Antragsgegner in der Pflicht, die Voraussetzungen seines Unterhaltsanspruches darzulegen und zu beweisen.
Nachdem der Antragsgegner seine Ausbildungsstelle aus zu vertretenden Gründen verloren habe, schulde er keinen Unterhalt mehr.
Der Antragsteller hat beantragt,
1. die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner aus der Urkunde des Notars M... K... vom 09.09.2015 zur UR-Nr. .../15 mit Wirkung zum 01.10.2018 dahingehend abzuändern, dass ab diesem Zeitpunkt der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner nicht mehr zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet ist,
2. den Antragsgegner zu verpflichten, die vollstreckbare Teilausfertigung der Urkunde des Notars M... K... vom 09.09.2015 zur UR-Nr. .../15 hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt an den Antragsgegner B (Vereinbarung zur Regelung der Scheidungsfolgen, dort § 3 Nr. 1 und 2 und § 4) im Original entwertet an den Antragsteller herauszugeben.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, nachdem zunächst der Kindesunterhalt - den allgemeinen Gepflogenheiten entsprechend am Mindestunterhalt orientiert - im Notarvertrag habe vereinbart werden sollen (Bl. 106, 107), hätten sich die jeweils anwaltlich vertretenen Eltern sodann auf eine Leibrente zugunsten des Sohnes verständigt, die im Kontext mit der weiteren Vereinbarung zum relativ geringen Gegenleistungsbetrag zur Grundstücksübertragung gestanden habe. Diesbezüglich sei der Antragsteller zu einer höheren Zahlung als Ausgleichsbetrag nicht in der Lage gewesen. Die Leibrentenzahlung habe selbstständig und - zugleich die Freistellung der Ehefrau von etwaigen Unterhaltsansprüchen des Kindes beinhaltend - weitere Gegenleistung für die Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten sein sollen. Vorrangiges Interesse der Ehefrau sei es gewesen, den gemeinsamen Sohn unabhängig von etwaigem Bezug von Ausbildungsentgelt durch eine monatliche Zahlung direkt zu begünstigen, auch wenn gleichwohl das Ende der Zahlungsverpflichtung mit der wirtschaftlichen Selbstständigkeit als Anknüpfungspunkt verbunden worden sei. Der Mutter seien Bestrebungen des Antragstellers, seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind einzuschränken, bekannt gewesen. Zur Absicherung ihres gesundheitlich beeinträchtigten Sohnes habe sie mit der Vereinbarung dessen wirtschaftliche Absicherung bis zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit oder bis zum 27. Lebensjahr erstrebt. Hätten die Eheleute seinerzeit Kindes- und Ausbildungsunterhalt gewollt, so wie sie es mit dem ersten Entwurf geplant gehabt hätten, hätten sie dies auch so titulieren können. Stattdessen hätten sie sich ausdrücklich auf eine nicht abänderbare, an den Antragsgegner zu leistende Unterhaltsrente geeinigt. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller nur soweit hätte verpflichten wollen, wie er gesetzlich ohnehin verpflichtet gewesen ist, bestünden nicht.
Das Amtsgericht hat die Anträge des Antragstellers durch den angefochtenen Beschluss, auf den der Senat zur Ergänzung des erstinstanzlichen Sachstandes Bezug nimmt, abgewiesen (Bl. 129 ff.). Die im Notarvertrag enthaltene Regelung zum Verzicht auf die Abänderung beziehe sich ausweislich der gewählten Formulierung auf alle dort getroffenen Unterhaltsregelungen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Ziel weiter. Er ist der Meinung, das Amtsgericht verkenne die erhöhten Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Annahme eines Verzichts auf Abänderungsmöglichkeiten stelle und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner aus der Urkunde des Notars M... K... vom 09.09.2015 zu UR-Nr. .../2015 mit Wirkung zum 01.10.2018 dahingehend abzuändern, dass von diesem Zeitpunkt an der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner nicht mehr zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet ist;
2. den Antragsgegner zu verpflichten, die vollstreckbare Teilausfertigung der Urkunde des Notars M... K... vom 09.09.2015 zur UR-Nr. .../15 hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt an den Antragsgegner B (Vereinbarung zur Regelung der Scheidungsfolgen, dort § 3 Nr. 1 und 2 und § 4) im Original entwertet an den Antragsteller herauszugeben.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Den Antrag des Antragstellers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat der Senat durch Beschluss vom 29. April 2019 (Bl. 215 ff.) abgewiesen.
Der Antragsgegner verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Beteiligtenvorbringens wird auf die in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat entscheidet, seinen Ankündigungen vom 28. Juni (Bl. 279R) und 9. Juli 2019 (Bl. 282) folgend, ohne erneute mündliche Verhandlung. Die Beteiligten haben sich zur Sach- und Rechtslage umfassend schriftsätzlich geäußert. Es ist nicht erkennbar, dass die Durchführung eines mündlichen Erörterungstermins demgegenüber weitere oder bessere Erkenntnismöglichkeiten verschaffen könnte.
II.
Die gem. §§ 58 ff., 117 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag des Antragstellers ist zulässig, § 239 Abs. 1 S. 2 FamFG. Die Zulässigkeitsbedenken des Senats hat der Antragsteller ausgeräumt.
Zulässigkeitsvoraussetzung ist, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die – ihre Richtigkeit unterstellt – die Abänderung des Titels tragen. Vorzutragen sind die Vereinbarungsgrundlagen, also alle Faktoren, welche für die Bemessung des Unterhalts maßgeblich waren sowie die geänderten Verhältnisse, aus denen die Abänderung hergeleitet werden soll (BeckOK/FamFG/Schlünder, 39. Ed., § 239 FamFG, Rn. 6).
Diesen Maßstäben genügen die Ausführungen des Antragstellers zu einem aus seiner Sicht übereinstimmenden Parteiverständnis der getroffenen Vereinbarung und einer Veränderung der Umstände. Er hat vorgetragen, die Vertragsparteien hätten mit der Vereinbarung seinerzeit keinen unabhängig von der gesetzlich ohnehin bestehenden Unterhaltspflicht bestehenden Schuldgrund schaffen wollen, sondern lediglich eine Verpflichtung des Antragstellers zur Leistung von Unterhalt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen (Bl. 233) sowie eine zeitliche Höchstgrenze des Anspruchs. Die Vertragsschließenden hätten sich gar keine Gedanken darüber gemacht, ob der titulierte Unterhalt überhaupt künftig geschuldet werde, da der Antragsgegner noch die Schule besucht habe und der Schulabschluss völlig offen gewesen sei. Insbesondere hätten sie sich keine Gedanken über die Ausgestaltung des Unterhalts dem Grunde und der Höhe nach gemacht, wenn der Antragsgegner eine Ausbildungsvergütung erhielte. Von dieser (fehlenden) Vorstellung abweichend habe der Antragsgegner eine Ausbildung begonnen und vorzeitig wieder beendet und Ausbildungsvergütung bezogen.
2. Der Abänderungsantrag des Antragstellers ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Abänderung liegen nicht vor.
a) Die Abänderung scheitert nicht an dem vereinbarten Abänderungsausschluss. Unabhängig von der Frage, ob sich der Verzicht auf Abänderungsrechte überhaupt auch auf den vereinbarten Kindesunterhalt beziehen sollte, geht aus dem Wortlaut der Formulierung "Die Erschienenen zu 1) und 2) vereinbaren, dass für die vorstehenden Unterhaltszahlungen Abänderungen aufgrund wechselseitiger Einkommensschwankungen nicht zulässig sein sollen, sie verzichten insoweit auf ihre Abänderungsrechte aus §§ 323, 323a BGB." hervor, dass lediglich wechselseitige, also das Einkommen der Vertragsschließenden betreffende Einkommensschwankungen als Abänderungsgrund ausgeschlossen sein sollen. Auf eine Veränderung seines Einkommens oder des Einkommens der Mutter des Antragsgegners stützt sich der Antrag jedoch nicht. Abänderungsgründe jenseits von Einkommensschwankungen des Antragstellers und der Mutter des Antragsgegners bleiben von dem Abänderungsverzicht unberührt.
b) Der Antragsteller hat das Vorliegen von Abänderungsvoraussetzungen aber nicht dargelegt und bewiesen.
Die Voraussetzungen der Abänderung richten sich ausschließlich nach materiellem bürgerlichem Recht, § 239 Abs. 2 FamFG, und damit zunächst danach, welche Voraussetzungen die Beteiligten für eine Abänderung vereinbart haben. Maßgeblich ist daher zunächst der durch Auslegung zu ermittelnde Vertragsinhalt, wie er sich aus der vollstreckbaren Urkunde ergibt (BeckOK FamFG/Schlünder, 39. Ed. 1.7.2021, FamFG § 239 Rn. 7).
Danach kommt eine Abänderung des Titels nicht in Betracht. Gemäß §§ 157, 133 BGB ist für die Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung maßgeblich darauf abzustellen, wie sie ein objektiver Dritter bei vernünftiger Beurteilung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände hätte verstehen können und müssen. Entsprechendes gilt für die Auslegung eines aus zwei (übereinstimmenden) empfangsbedürftigen Willenserklärungen bestehenden Vertrags. Auch hier ist – aus Gründen des Vertrauensschutzes – auf die objektive Bedeutung des sich aus dem von den Vertragsteilen abgegebenen Erklärungen ergebenden Sinnganzen abzustellen. Zu diesem Zweck stellt die Vorschrift klar, dass die Ermittlung jener objektiven Bedeutung auch anhand objektiver (und nicht etwa auf den subjektiven Empfängerhorizont des jeweils anderen Vertragsteils abstellender) Maßstäbe, nämlich nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erfolgen hat (BeckOK BGB/Wendtland, 59. Ed. 1.8.2021, § 157 BGB Rn. 8).
Der Verweis auf Treu und Glauben, § 242 BGB, bedeutet, dass die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vereinbarung mit Rücksicht auf die im konkreten Einzelfall aus der Sicht eines objektiven Dritten bestehenden schutzwürdigen Interessen der Beteiligten zu erfolgen hat. Verträge sind hiernach so auszulegen, dass ihr Inhalt dem von beiden Parteien vernünftigerweise (objektiv) gemeinsam gewollten Sinn und Zweck unter Berücksichtigung ihrer Interessenlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht (vgl. BGH NZG 2011, 1420; NJW-RR 2007, 1470). Im Zweifel ist dabei auf den unter den konkreten Umständen üblichen Sinn des Erklärten abzustellen, weil sich jeder Vertragsteil aus Gründen des Vertrauensschutzes auf den üblichen Sinn verlassen können soll, solange kein hiervon abweichender gemeinsamer Wille erkennbar ist. Zu werten sind hierbei neben dem Wortlaut und Zweck des Vertrages insbesondere auch seine (wirtschaftliche) Bedeutung sowie das gesamte Verhalten der Parteien unter Abwägung der beiderseitigen Belange (BeckOK BGB/Wendtland, 59. Ed. 1.8.2021, BGB § 157 Rn. 11, 12).
Nach diesen Maßstäben ergibt die Auslegung eine unmittelbare Begünstigung des Antragsgegners durch die zu seinen Gunsten geregelte Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers in Höhe von 450 € ab Rechtskraft der Scheidung. Es handelt sich hierbei um einen Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB (vgl. zum Unterhaltsvertrag zugunsten Dritter MüKo/BGB/Gottwald, 8. A., § 328 BGB, Rn. 84). Mit der Formulierung "Ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit soll der Berechtigte selbst hieraus anspruchsberechtigt sein." haben die Vertragschließenden übereinstimmend kund gegeben, dass ein Anspruch des Antragsgegners selbst begründet werden soll. Auch die Begrenzung der Pflicht haben sie ausdrücklich geregelt: Die Vereinbarung enthält eine ausdrückliche, von den gesetzlichen Voraussetzungen abweichende Regelung über das Ende der Unterhaltspflicht: sie soll entweder bei Eintritt zweier kumulativer Bedingungen enden, wenn nämlich der Antragsgegner seine erste Ausbildung abgeschlossen und eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit aufgenommen hat, oder bei Ablauf der auf die Vollendung des 27. Lebensjahrs lautenden Befristung. Für eine Beschränkung der Höhe nach haben die Parteien keine Regelung getroffen. Nach Auslegung lässt sich der Regelung ein Hinweis auf eine Abänderungsmöglichkeit infolge der Anrechenbarkeit eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten oder des Eintritts anderer, nicht ausdrücklich erwähnter Umstände gerade nicht entnehmen.
Für die Annahme, dass diese durch die Vereinbarung übernommene Unterhaltspflicht von den Voraussetzungen einer Unterhaltspflicht nach bürgerlichem Recht abhängig sein sollte, bietet der Wortlaut der Vereinbarung keine Anhaltspunkte. Nach der gewählten Formulierung haben die Vertragschließenden die gesetzliche Unterhaltspflicht des Antragstellers – zugunsten des Antragsgegners zulässig – ausgestaltet, indem sie deren Höhe festgeschrieben und deren Ende ausdrücklich an den Eintritt der genannten Bedingungen bzw. die Befristung geknüpft haben. Dies lag - für die Vertragschließenden erkennbar - im Interesse des Antragsgegners, ihres gemeinsamen Kindes, und ergab gerade in der Abweichung von den Voraussetzungen des gesetzlichen Ausbildungsunterhalts Sinn. Denn der so verstandene Inhalt der Regelung sicherte den Antragsgegner auch für mögliche, (jedenfalls vorübergehende) Wechselfälle auf seinem Ausbildungsweg, die mit Blick auf seine unstreitig schwierige Schulbiografie nicht auszuschließen waren, bis zur Erreichung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit oder bis zum 27. Geburtstag finanziell ab. Dass der Antragsgegner am Vertragsschluss nicht selbst mitgewirkt hat, ändert daran nichts. Auch beim Vertrag zugunsten Dritter kommt es auf die Interessenlage der Vertragschließenden an. Wirtschaftlich gesicherte Verhältnisse eines gemeinsamen Kindes liegen regelmäßig auch im Interesse seiner Eltern; dafür spricht vorliegend zusätzlich, dass die Vertragschließenden hierüber gerade eine weitreichende Regelung getroffen haben. Zudem hat der Antragsgegner vorgetragen, seine Mutter habe ihre Vertragserklärung mit Blick auf seine Interessen abgegeben. Der Antragsgegner hat dem nichts Substantielles entgegengesetzt.
Andere Unterhaltsbegrenzungstatbestände haben die Vertragschließenden nicht vereinbart. Für den Eintritt der vereinbarten Bedingungen hat der Antragsteller nichts vorgetragen, so dass eine Abänderung insoweit ausscheidet.
c) Für eine ergänzende Vertragsauslegung in dem Sinne, dass der Vertrag bei Bezug einer Ausbildungsvergütung oder bei vorzeitigem Ende einer Ausbildung den Verpflichteten zu einer Abänderung berechtigen soll, lässt der Sachverhalt keinen Raum. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke in dem Vertrag, mit dem die Beteiligten in privatautonomer Verantwortung ihre Interessen in Bezug auf einen Lebenssachverhalt geordnet haben. Eine rechtsgeschäftliche Regelung erweist sich als lückenhaft, wenn sich eine regelungsbedürftige Situation einstellt, die vom objektiven Regelungsinhalt des Rechtsgeschäftes nicht mehr umfasst wird (MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, § 157 BGB Rn. 40).
Daran fehlt es. Denn die Vertragschließenden haben den Fall, dass der Antragsgegner eine Ausbildung aufnimmt, und auch den Fall, dass er bis zu seinem 27. Geburtstag seine erste Ausbildung noch nicht abgeschlossen bzw. einen entsprechenden Beruf noch nicht ergriffen hat, gerade zum Regelungsgegenstand gemacht. Davon ist sowohl der Fall des Bezugs von Ausbildungsvergütung als auch der Fall des vorzeitigen Endes einer Ausbildung erfasst. Diesen Umständen haben sie erkennbar dadurch Rechnung getragen, dass die Unterhaltsrente für diesen Fall - unabhängig von der Aufnahme oder dem Abschluss einer Ausbildung - zeitlich bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres befristet worden ist.
d) Haben die Parteien zwar eine Vereinbarung über den Grund und die Höhe des zu zahlenden Unterhalts getroffen, die Voraussetzungen und die Reichweite einer Abänderung aber ungeregelt gelassen, sind die Grundsätze der Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage heranzuziehen (BGH FamRZ 2015, 734 Rn. 11; BeckOK FamFG/Schlünder, 39. Ed. 1.7.2021, FamFG § 239 Rn. 7).
Der zwischenzeitliche Bezug von Ausbildungsvergütung rechtfertigt eine Abänderung unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, nicht. Nach dieser Vorschrift kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, soweit sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.
Für eine Abänderung nach diesem Rechtsinstitut lassen sich die Voraussetzungen nicht feststellen.
Für eine Anwendung des § 313 BGB bedarf es einer unvorhergesehenen Änderung der Verhältnisse.Voraussehbare Änderungen begründen grundsätzlich keine Rechte aus § 313 BGB, weil im Falle der Erkennbarkeit die Partei, zu deren Lasten diese Umstände eingetreten sind, das Risiko hierfür übernommen hat, indem sie für den Fall des Eintritts veränderter Umstände keine vertragliche Regelung vereinbart hat (RGZ 106, 7; BGH WM 1965, 843 (845); BB 1973, 1139; Palandt/Grüneberg Rn. 18; BeckOK BGB/Lorenz, 59. Ed. 1.8.2021 Rn. 29, BGB § 313 Rn. 29).
So liegt der Fall hier hinsichtlich der Ausbildungsvergütung. Es fehlt insoweit an einer unvorhergesehenen Änderung der Verhältnisse. Der Bezug einer Ausbildungsvergütung war objektiv vorhersehbar.
Der Antragsteller hat vorgetragen, die Vertragschließenden hätten sich bei Beurkundung keine Gedanken gemacht, ob der Unterhalt überhaupt zukünftig geschuldet werde, da der Antragsgegner noch Schüler gewesen sei. Insbesondere hätten sie sich keine Gedanken gemacht, wie der Unterhalt dem Grunde und der Höhe nach gestaltet werde, wenn der Antragsgegner eine Ausbildungsvergütung erhielte. Ihm sei es vornehmlich um die Beurkundung des Grundstücksübertragungsvertrages gegangen, er habe die Unterhaltsregelung nicht nochmals anwaltlich prüfen lassen und der Notar habe überdies erklärt, dass Regelungen zum Kindesunterhalt nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vereinbart werden könnten, weil der Sohn danach ein eigenes Recht habe, Unterhalt geltend zu machen.
Die aus diesen Darlegungen gezogenen Schlussfolgerungen des Antragstellers sind mit dem Wortlaut der Vereinbarung unvereinbar. Denn sie bestimmt und gestaltet die Unterhaltspflicht gerade dem Grunde und der Höhe nach, indem sie sie statisch beziffert und durch die Bezugnahme auf den Abschluss einer ersten Ausbildung unzweifelhaft impliziert, dass die Unterhaltszahlungen in voller Höhe auch in der Zeit ab Volljährigkeit und während der ersten zum Abschluss führenden Berufsausbildung geleistet werden sollen. Insbesondere beruhte der Bezug von Ausbildungsvergütung während einer Ausbildung aber unabhängig von subjektiv fehlenden Vorstellungen des Antragstellers objektiv nicht auf dem Eintritt einer unvorhersehbaren Entwicklung der Ereignisse. Denn die Zahlung von Ausbildungsvergütungen war bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses üblich und für zahlreiche Ausbildungsberufe gesetzlich vorgeschrieben (vgl. etwa § 17 BBiG). Dass der Bezug einer Ausbildungsvergütung objektiv oder subjektiv nicht vorhersehbar gewesen wäre, liegt vor diesem Hintergrund fern.
Soweit sich der Antragsteller zur Begründung seiner Vorstellungen auf den Hinweis des Notars zu Änderungen bei Eintritt der Volljährigkeit des Antragsgegners beruft, führt dies ebenfalls nicht zur Annahme des Eintritts unvorhersehbarer Veränderungen der Verhältnisse, sondern allenfalls zu - hier unbeachtlichen - Fehlvorstellungen über die künftige Rechtslage, die aber nicht die Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB bilden.
Die zulässigerweise zugunsten des Antragsgegners getroffene Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und seiner damaligen Ehefrau wirken bereits ihrem Wortlaut nach über den Eintritt seiner Volljährigkeit hinaus (vgl. B. § 3 1. der notariellen Vereinbarung: „Ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit soll der Berechtigte hieraus selbst anspruchsberechtigt sein.“). Wenn der Antragsteller hiervon abweichend der Auffassung gewesen sein mag, er sei nicht über den Eintritt der Volljährigkeit seines Kindes hinaus an die Vereinbarung gebunden, so hat er dies objektiv nicht zu erkennen gegeben, und hat sich an dem stattdessen objektiv Erklärten festhalten zu lassen.
e) Auch der Umstand, dass der Antragsgegner seine erste Ausbildung vorzeitig beendet hat, rechtfertigt eine Abänderung des Titels nicht.
Für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB genügt nicht jede unvorhergesehene Änderung der Verhältnisse, erforderlich ist eine schwerwiegende (wesentliche) Änderung (BGH NJW 1989, 289; BeckOK BGB/Lorenz, 59. Ed. 1.8.2021, § 313 BGB Rn. 23). Denn grundsätzlich sind Verträge bindend. Durch einen Vertrag können die Parteien etwa durch Aufnahme von vertraglichen Bedingungen oder Befristungen (§§ 158 ff.) in den Vertrag ihre Zukunft verlässlich gestalten und für mögliche Risiken und Situationen frei nach ihrem Willen ihnen angemessen erscheinende Lösungen vereinbaren. Nach Vertragsschluss können sich die Vertragschließenden darauf verlassen, dass die geregelten Rechte und Pflichten den im Vertrag bestimmten Inhalt haben. Nicht in den Vertrag aufgenommene Motive und Erwartungen der Parteien dürfen sich deshalb prinzipiell nicht auf den Bestand oder Umfang der vertraglichen Rechte und Pflichten auswirken (BeckOGK/Martens, 1.7.2021, BGB § 313 Rn. 2).
Dieser Grundsatz erfährt eine Grenze dort, wo künftige Risiken von den Vertragsparteien nicht erkannt oder gänzlich falsch eingeschätzt werden. Unterliegen die Parteien gemeinsam fundamentalen Fehlvorstellungen über gegenwärtige oder zukünftige Verhältnisse, fehlt ihren vertraglichen Regelungen die Geschäftsgrundlage. Eine Störung ist in diesem Sinne nur dann schwerwiegend, wenn nicht ernstlich zweifelhaft ist, dass zumindest einer der Vertragschließenden bei Kenntnis der Änderung den Vertrag nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätte und die andere Partei sich redlicherweise hierauf hätte einlassen müssen (vgl. Palandt/Grüneberg, 80. A., § 313 BGB Rn. 18; BeckOK BGB/Lorenz, 59. Ed. 1.8.2021, BGB § 313 Rn. 23).
Anhaltspunkte für derart fundamentale Fehlvorstellungen über den Inhalt der Vereinbarung oder gegenwärtige oder zukünftige Verhältnisse sind auf der Grundlage des Beteiligtenvortrags nicht erkennbar.
Der Antragsgegner hat seine erste Ausbildung im Januar 2019 vorzeitig beendet. Im Juni 2019 hatte er einen neuen Berufsausbildungsvertrag, beginnend zum 5. August 2019 abgeschlossen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass seinerzeit bei ihm eine Stoffwechselerkrankung diagnostiziert worden sei, die Störungen der Gehirnleistung verursacht habe und für die auf beiden Augen eingetretene Verminderung seines Sehvermögens auf 6 Prozent ursächlich gewesen sei.
Damit steht fest, dass der Antragsgegner sich ungeachtet gesundheitlicher Beeinträchtigungen erneut um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Hinweise darauf, dass er keiner Ausbildung mehr nachgeht, liegen nicht vor. In dem vorzeitigen Ende der ersten Ausbildung liegt aber keine so schwerwiegende Abweichung von den Vorstellungen der Parteien, dass ernstlich zweifelhaft wäre, dass zumindest eine der Parteien - der Antragsteller - bei Kenntnis der Änderung den Vertrag nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätte. Denn der Abbruch einer Erstausbildung durch unterhaltsberechtigte Kinder ist in der Praxis, wenn auch nicht sicher vorhersehbar, so doch keine Seltenheit, ohne dass er jeweils ohne weiteres das Ende der elterlichen Unterhaltspflicht zur Folge hätte. Auch der allein auf gesetzlicher Grundlage beruhende Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes entfällt nicht ohne weiteres, solange es seine Ausbildungsobliegenheit nicht nachhaltig verletzt (vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer, UnterhaltsR, 10. A., § 2 Rn. 88 ff. m. w. N.). Für eine nachhaltige Verletzung der Ausbildungsobliegenheit, die dem Antragsteller das Festhaltenlassen an der Unterhaltsregelung unzumutbar machen könnte, liegen hier aber keine Anhaltspunkte vor. Denn der Antragsgegner hat zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres eine neue Ausbildung begonnen.
Die Kostenentscheidung für die Beschwerde folgt aus § 243 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes ergibt sich aus §§ 55 Abs. 2 und 3 S. 2, 51 Abs. 1 FamGKG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) sind nicht gegeben.