Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 12.10.2021 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 7/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1012.13UF7.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners werden der 2. Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 24.11.2021 und das Verfahren auf dem er beruht, aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Strausberg zurückverwiesen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Familiengericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 3.864 €.
Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt … aus … beigeordnet.
I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen einen zweiten Versäumnisbeschluss mit dem sein Einspruch gegen einen Versäumnisbeschluss, welcher ihn zur Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts für seinen Sohn, den Antragsteller, verpflichtete, als unzulässig verworfen worden ist.
Der Antragsgegner hat gegen den ihn antragsgemäß zum Unterhalt verpflichtenden Versäumnisbeschluss vom 05.05.2020 (Bl. 54), der seiner Verfahrensbevollmächtigten am 14.05.2020 zugestellt worden ist, am 25.05.2020 Einspruch eingelegt und diesen begründet, woraufhin das Amtsgericht mit am 10.06.2020 der Verfahrensbevollmächtigten zugestellter Ladung Termin zur Verhandlung über den Einspruch und zur Hauptsache auf den 04.08.2020 11.00 Uhr anberaumt hat. Den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten vom 22.06.2020, den Termin zur verlegen, weil sie mit Verfügung vom 15.06.2020 in einer Sorgerechtssache vor dem Amtsgericht Pankow/Weißensee am gleichen Tag um 10.00 Uhr geladen sei, hat das Amtsgericht mit Hinweis auf seine zeitlich zuerst zugestellte Ladung abgelehnt. Einen neuerlichen Terminsverlegungsantrag vom 09.07.2020 hat das Amtsgericht sodann am 27.07.2020 u.a. mit der Begründung abgelehnt, das Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen sei nicht an das Amtsgericht Strausberg, sondern an das Amtsgericht Pankow/Weißensee gerichtet, woraufhin am 03.08.2020 ein Ablehnungsgesuch beim Amtsgericht eingegangen ist. Im Termin vom 04.08.2020 ist für den Antragsgegner niemand erschienen.
Der Antragsteller hat beantragt,
den Einspruch des Antragsgegners gegen den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 05.05.2020 zu verwerfen.
Das Amtsgericht hat im daraufhin anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung am 24.11.2020 nach Rechtskraft der Entscheidung des Senats über das erfolglose Ablehnungsgesuch des Antragsgegners, den Einspruch gegen den Versäumnisbeschluss antragsgemäß verworfen (Bl. 108).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners mit der er geltend macht, die Säumnis im Termin am 04.08.2020 sei unverschuldet gewesen, weil seine Verfahrensbevollmächtigte wegen des kollidierenden Termins in der Kindschaftssache vor dem Amtsgericht Pankow/Weißensee nicht habe erscheinen können. Das Amtsgericht habe zu Unrecht den Termin in vorliegender Sache nicht verlegt.
Der Antragsgegner beantragt (Bl.152),
den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 24.11.2020 aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Strausberg zurückzuverweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.
II.
Die gemäß §§ 117 Abs. 2 FamFG, 514 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat - zumindest vorläufigen - Erfolg und führt gemäß § 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Die Beschwerde gegen einen zweiten Versäumnisbeschluss kann gem. §§ 117 Abs. 2 FamFG, § 514 Abs. 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen hat oder diese unverschuldet war.
Hier liegt ein Fall unverschuldeter Säumnis vor, wobei in vorliegender Familienstreitsache gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend gelten.
Ob eine Säumnis unverschuldet war, richtet sich nach den gleichen Maßstäben wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insoweit gilt der gleiche objektive Beurteilungsmaßstab wie in § 337 S. 1, 2. Fall ZPO, der mit seinem Verschuldensbegriff auf § 233 ZPO letztlich verweist (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 514 ZPO, Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Januar 2016 – II-4 UF 141/15 –, Rn. 46, juris), wobei ein Beteiligter sich das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten gem. §§ 113 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Die Säumnis des Antragsgegners im Anhörungstermin vom 04.08.2020 war, ungeachtet der in Ansehung des dem Amtsgericht bekannten Ablehnungsantrags bereits gemäß § 47 Abs. 1 ZPO grundsätzlich verfahrensfehlerhaften Abhaltung des Anhörungstermins unverschuldet, weil das Amtsgericht den Terminsverlegungsanträgen seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 22.06.2020 und 09.07.2020 zu Unrecht nicht entsprochen hat.
Voraussetzung einer Terminverlegung ist, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung vertagt wird (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen (BGH MDR 2009, 355; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. Mai 2012 – 5 U 88/11 –, Rn. 17 - 18, juris).
Gemessen daran war die Ablehnung der Terminverlegung ermessensfehlerhaft.
Den Verlegungsanträgen hätte das Amtsgericht wegen des Vorrangs der Kindschaftssache in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Pankow/Weißensee stattzugeben gehabt (vgl.OLG Hamm, Beschluss vom 07. März 2019 – II-4 WF 22/19 –, Rn. 13, juris; Keidel/Engelhardt, FamFG, 19. Aufl., § 155 Rn. 10; Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 155 FamFG, Rn. 36; BT-Drucks. 16/6308, 236; m.w.N.).
In einer Kindschaftssache der in § 155 Abs. 1 FamFG bezeichneten Art, um die es sich bei der Sache wegen der Terminsverlegung beantragt wurde handelt, ist das in der fraglichen Vorschrift geregelte Vorrang- und Beschleunigungsgebot zu beachten, welches in § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG seine Ausprägung darin findet, dass eine Terminsverlegung gem. S. 4 der Vorschrift - insoweit über § 32 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO, wonach ein erheblicher Grund erforderlich ist, hinausgehend - nur aus zwingenden Gründen zulässig ist, die nach S. 5 der Vorschrift mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen sind. Kein zwingender Grund ist das Vorliegen einer Terminskollision für den Verfahrensbevollmächtigten, sofern es sich nicht ebenfalls um eine der in § 155 Abs. 1 FamFG aufgeführten Angelegenheiten handelt; vielmehr hat der Verfahrensbevollmächtigte dann in der anderen Sache einen Verlegungsantrag zu stellen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07. März 2019 – II-4 WF 22/19 –, Rn. 13, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. August 2018 – 9 UF 148/18 –, Rn. 4, juris)
Vorliegend war vor dem Amtsgericht Strausberg ein Verfahren betr. Kindesunterhalt, also eine Familienstreitsache und keine Kindschaftssache anhängig, so dass die Verfahrensbevollmächtigte im vorliegenden Verfahren einen Verlegungsantrag stellen musste, dem das Amtsgericht Strausberg stattzugeben gehabt hätte.
III.
Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Die übrige Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren ist dem Amtsgericht vorzubehalten (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG, 6. Aufl., § 69, Rn. 29 m.w.N.).
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 55 Abs.2, 51 FamGKG.
Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§70 Abs. 2 FamFG).
IV.
Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels Nachweises der Bedürftigkeit des Antragsgegners zurückzuweisen (§§ 113 FamFG, 114 ZPO). Der Antragsgegner hat auf Aufforderung des Senats die gemäß §§ 113 FamFG, 117 Abs. 2 ZPO erforderliche und angekündigte Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zu den Akten gereicht.
Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO).