Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 04.10.2021 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 1 Ws 114/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1004.1WS114.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 02. August 2021 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.
I.
Der Verurteilte wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den durch Beschluss der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 02. August 2021 angeordneten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 16. Dezember 2014, rechtskräftig seit dem 28. Juli 2015 (Az.: 13 KLs 27/13).
Folgender Verfahrensgang liegt zugrunde:
Die 3. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin verurteilte den vielfach, auch einschlägig vorbelasteten Beschwerdeführer am 16. Dezember 2014 unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, wegen Körperverletzung in sechs Fällen, wegen Bedrohung in zwei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Sachbeschädigung, wegen Sachbeschädigung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und ordnete seine Unterbringung in einen psychiatrischen Krankenhaus an. Sowohl die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe als auch die Unterbringung wurden zur Bewährung ausgesetzt. Sachverständig beraten, stellte die Kammer ein Abhängigkeitssyndrom bei multiplem Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotroper Substanzen (ICD-10 F 19.2) und eine schwere Persönlichkeitsstörung in der Ausprägung einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10 F 60.30), verbunden mit Elementen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit deutlich reduziertem Selbstwertgefühl und einer erhöhten Kränkbarkeit (ICD-10 F 60.8) fest.
Mit dem Urteil verkündete die Kammer einen Beschluss, nach dem von einer Verkürzung der Höchstfrist der mit Aussetzung der Unterbringung eintretenden Führungsaufsicht abgesehen, der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihm Therapieauflagen erteilt wurden.
Den zunächst nicht gefassten Bewährungsbeschluss holte die Kammer unter dem 18. Dezember 2015 nach und legte die Bewährungszeit auf drei Jahre ab Rechtskraft des Urteils fest.
Am 14. September 2018, bei dem Landgericht eingegangen am 18. September 2018, beantragte die Staatsanwaltschaft Neuruppin, die Bewährung zu widerrufen. Zur Begründung bezog sie sich unter anderem auf eine Vielzahl von Straftaten, die der Verurteilte während der Bewährungszeit begangen habe und die Gegenstand des Verfahrens 11 KLs 20/18 des Landgerichts Neuruppin seien.
Die Vorsitzende der 3. großen Strafkammer informierte den Verurteilten am 19. September 2018 über den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft und bot ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Am 08. Januar 2019 hörte die Kammer den Verurteilten persönlich an.
Mit Beschluss vom 24. Januar 2019 ordnete die Strafkammer zur Vorbereitung der Entscheidung über den Widerrufsantrag hinsichtlich der Unterbringung gemäß § 67 g Abs. 2 StGB die forensisch-psychiatrische Begutachtung des Verurteilten zu der Frage an, ob von diesem aufgrund seines psychischen Zustands aufgrund ernsthaft zu befürchtender rechtswidriger Taten derzeit eine ernste überdauernde Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe und dementsprechend zur Verhinderung neuer erheblicher Straftaten seine stationäre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlich sei.
In der Zeit vom 25. Januar 2019 bis zum 16. Juli 2019 befand sich der Verurteilte in anderer Sache (3411 Js 2453/19 Staatsanwaltschaft Neuruppin) aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Neuruppin vom 25. Januar 2019 (89 Gs 112/19) in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt … . Mit Beschluss vom 16. Juli 2019 hatte der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Neuruppin den Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Unter dem 03. August 2019 erstattete der Sachverständige sein schriftliches Gutachten. Er bestätigte die bereits gestellten Diagnosen und attestierte dem Verurteilten zusätzlich eine Alkoholabhängigkeit (ICD-10 F 10.2). Der Verurteilte sei unter nicht gesicherten Lebensverhältnissen hoch gefährlich, mit kurzfristigen Körperverletzungsdelikten sei zu rechnen. Die Eingangsvoraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB seien nach wie vor erfüllt.
In der Folgezeit kam es aufgrund der Befassung mit anderen Verfahren und Krankheitsausfällen in der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zunächst nicht zu einem Fortgang des dort gegen den Verurteilten anhängigen Verfahrens 11 KLs 20/18.
Am 16. Juli 2020 wiederholte die Staatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf das forensisch-psychiatrische Gutachten ihren Widerrufsantrag.
Mit Urteil vom 12. November 2020, rechtskräftig seit dem 14. Juli 2021, erkannte die 1. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in neun Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen Nötigung, wegen Sachbeschädigung, wegen tätlicher Beleidigung und wegen Beleidigung auf eine unbedingte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gegen den Verurteilten und ordnete dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Mit Schreiben vom 04. Mai 2021 hörte die 3. Kammer den Verurteilten erneut zu einem möglichen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung an.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02. August 2021 widerrief die Kammer die Aussetzung der Vollstreckung der mit Urteil vom 16. Dezember 2014 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung. Zur Begründung verwies sie auf die Gegenstand des Urteils vom 12. November 2020 bildende Taten vom 04. Januar 2016 (Tat zu II.1, vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des A… P…), vom 24. August 2016 (Tat zu II.2, Sachbeschädigung), vom 24. August 2016 (Tat zu II.3, Beleidigung des P… S…), vom 28. August 2016 (Tat zu II.4, vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil der N… Sch…), vom 05. November 2016 (Tat zu II.5, Beleidigung der Zeugin J… H…), vom 13. Januar 2017 (Tat zu II.6, vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des M… M…), vom 22. Juli 2017 (Tat zu II.7, vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des K… L…), vom 06. Oktober 2017 (Tat zu II.8, vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des J… B…), vom 16. Oktober 2017 (Tat zu II.9, vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil der R… E…), vom 26. Januar 2018 (Tat zu II.10, vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des D… T…) und vom 04. Juni 2018 (Tat zu II.11, vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zum Nachteil der R… E…). Jedenfalls die Taten bis einschließlich 22. Juli 2017 habe der Verurteilte in laufender Bewährungszeit begangen. Die Höhe der von der 1. großen Strafkammer verhängten Einzelstrafen (sechs Monate für die Tat zu II.1, 90 Tagessätze zu je 5,00 € für die Tat zu II.4, jeweils acht Monate Freiheitsstrafe für die Taten zu II.6 und II.7) lasse erkennen, dass es sich nicht um Bagatelltaten handele. Mildere Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 S. 1 StGB kämen nicht in Betracht. Dem Widerruf stehe nicht entgegen, dass die Bewährungszeit bereits am 27. Juli 2018 oder gar 27. Juli 2017 abgelaufen sei. Der Verurteilte sei zeitnah nach Ablauf der Bewährungszeit darauf hingewiesen worden, dass ein Widerruf noch erfolgen könne. Ein erheblicher Zeitablauf seit dem Ende der Bewährungszeit und der Rechtskraft der neuen Verurteilung sei noch nicht eingetreten. Der Verurteilte habe damit rechnen müssen, dass die justizförmige Aufarbeitung der Vielzahl der gegen ihn erhobenen Vorwürfe wegen neuer Taten in der Bewährungszeit eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmen würde, weswegen er nicht darauf habe vertrauen können, dass kein Widerruf mehr wegen der neuen Taten erfolgen werde.
Gegen diesen seinem Verteidiger am 09. August 2021 zugestellten Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner am 12. August 2021 bei dem Landgericht angebrachten, nicht näher ausgeführten sofortigen Beschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt in ihrer dem Verurteilten zur Kenntnis gebrachten Stellungnahme vom 10. September 2021, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.
1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 StPO statthaft und entsprechend §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden. Sie ist damit zulässig.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
a) Zwar lief die Bewährungszeit entgegen der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Auffassung bereits am 27. Juli 2017 ab. Die durch Beschluss der Strafkammer vom 18. Dezember 2015 angeordnete dreijährige Bewährungszeit ab Rechtskraft des Urteils – sonach bis zum 27. Juli 2018 – blieb ohne Wirkung.
Ob ein Bewährungsbeschluss, der – wie hier – bei der Urteilsverkündung versehentlich unterblieben ist, in entsprechender Anwendung des § 453 StPO nachgeholt werden kann, ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Juli 2007, 4 Ws 401/07, Rz. 4 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 02. Dezember 1999, 3 Ws 710/99, Rz. 6 f.; sämtlich zitiert nach Juris). Nach Auffassung des Senats ist dies jedenfalls vorliegend nicht möglich.
Gemäß § 268 a StPO hat das erkennende Gericht auf der Grundlage der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse in der für die Verhandlung vorgesehenen Besetzung – sonach unter Beteiligung der Schöffen – die Entscheidungen nach §§ 56 a bis 56 d StGB zu treffen und den entsprechenden Beschluss mit dem Urteil zu verkünden. Die Festsetzung der Bewährungszeit und die erteilten Auflagen und Weisungen bilden mit dem Urteil eine notwendige innere Einheit. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Beschluss gegenstandslos wird, wenn das Urteil entfällt. Zudem folgt es daraus, dass die Frage, ob die Vollstreckung der erkannten Strafe wegen einer günstigen Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, oftmals nur mit Blick auf eine bestimmte Bewährungszeit, in welcher der Verurteilte unter justizieller Beobachtung steht, und mit Blick auf bestimmte Auflagen und Weisungen, die ihn in seiner Lebensführung unterstützen und zu einem zukünftig straffreien Leben anhalten sollen, beantwortet werden kann (OLG Hamm a. a. O.). Der innere Zusammenhang zwischen Urteil und Bewährungsbeschluss ist nicht gegeben, wenn letzterer – wie hier – erst ein Jahr nach Urteilsverkündung ohne Beteiligung der Schöffen erlassen wird, ihm fehlt es an der durch die Hauptverhandlung gewonnenen Entscheidungsgrundlage. Enthält das Urteil – wie hier, vgl. zu VI.B der Urteilsgründe, S. 61 f. der Urteilsausfertigung – keine näher begründeten Ausführungen zu den Modalitäten der Strafaussetzung, insbesondere zur Dauer der Bewährungszeit und zu Art und Umfang von Auflagen und Weisungen, scheidet der nachträgliche Erlass eines Bewährungsbeschlusses deshalb aus.
Stattdessen greift in Ermangelung einer gerichtlichen Festsetzung die gesetzliche Mindestdauer der Bewährungsfrist aus § 56 a Abs. 1 S. 2 StGB (vgl. OLG Hamm a. a. O., Rz. 9). Unterbleibt bei der Urteilsverkündung versehentlich der nach § 268 a Abs. 1 StPO erforderliche Bewährungsbeschluss, ist die Aussetzung der Vollstreckung nicht ohne Wirkung. Stattdessen ist die Bedingung straffreier Führung auch ohne Bewährungsbeschluss selbstverständlich und folgt eine Mindestbewährungszeit von zwei Jahren aus dem Gesetz; diese beiden Rechtswirkungen haben keine Beschlussfassung im Sinne des § 268 a StPO zur Voraussetzung (OLG Düsseldorf a. a. O., Rz. 9; OLG Hamm a. a. O., Rz 9).
Hiernach währte die Bewährungszeit mit Blick auf die am 28. Juli 2015 eingetretene Urteilsrechtskraft bis zum 27. Juli 2017.
b) Der Widerrufsgrund des § 56 f Abs. 1 Ziff. 1 StGB liegt vor. Der Verurteilte hat während der Bewährungszeit Straftaten begangen und dadurch gezeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Die zu den Ziffern II.1, II.2, II.3, II.4, II.5, II.6 und II.7 des Urteils vom 12. November 2020 festgestellten – erheblichen – Taten hat er im Zeitraum zwischen dem 04. Januar 2016 und dem 22. Juli 2017, sonach während der Bewährungszeit begangen. Dabei entsprechen die Taten nach Art und Schwere denjenigen der Anlassverurteilung (gefährliche Körperverletzung, Körperverletzung, Beleidigung).
c) Dem Widerruf steht kein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten darauf entgegen, nach Ablauf der Bewährungszeit werde es nicht mehr zu einer solchen Entscheidung kommen.
Nach allgemeiner Auffassung ist ein Widerruf auch noch nach Ablauf der Bewährungszeit möglich, maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (BGH NStZ 1998, 586; OLG Düsseldorf MDR 1985, 516; OLG Köln, Beschluss vom 03. April 2014, 2 Ws 149/14, Rz. 10, Juris; Fischer, StGB, 68. Auflage, zu § 56 f, Rz. 19 a). Eine gesetzliche Höchstfrist, binnen derer ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit noch möglich ist, existiert nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01. Februar 2018, 4 Ws 3/18, Rz. 2; KB, Beschluss vom 13. März 2003, 5 Ws 90/03, Rz. 11; sämtlich zitiert nach Juris).
Gründe des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 2 S. 2, 20 Abs. 3 GG) stehen dem Widerruf nicht entgegen. Zwar endete die zweijährige Bewährungszeit am 27. Juli 2017 und der Bewährungswiderruf datiert vom 02. August 2021 – er erfolgte damit fast vier Jahre nach dem Ende der Bewährungszeit. Der Beschwerdeführer wurde erstmals durch das Schreiben der Vorsitzenden der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 19. September 2018 auf die Möglichkeit eines Widerrufs nach Ablauf der Bewährungszeit hingewiesen und hierzu angehört. Ein schutzwürdiges Vertrauen hatte der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt nicht entwickelt und konnte es auch in der Folgezeit nicht entwickeln.
Bei einem bewährungsbrüchigen Verhalten muss der Verurteilte grundsätzlich mit einem Widerruf der Vollstreckungsaussetzung einer noch nicht erlassenen Strafe rechnen. Erfolgt der Widerruf – wie hier – nach Ablauf der Bewährungsfrist, muss er innerhalb angemessener Frist erklärt werden. Welche Frist als noch angemessen anzusehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Neben dem Zeitablauf als solchem ist maßgebend, ob das Verfahren ungebührlich verschleppt worden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 01. Februar 2018, 4 Ws 3/18, Rz. 4, Juris).
Hieran gemessen, war der Widerruf ohne Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch möglich. Noch während des Laufs der Bewährungszeit, im Juni und im Juli 2017, hatte die Staatsanwaltschaft Neuruppin diverse Anklagen gegen den Verurteilten gerichtet, die später im Verfahren vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zusammengefasst verhandelt wurden. Seine Bewährungshelferin hatte die Anklagen im Gesprächstermin vom 29. August 2017 mit ihm erörtert (siehe den Bericht der Bewährungshelferin vom 05. September 2017, Bl. 171 f. des FA-Heftes). Angesichts der Vielzahl weiterer Anklagen gegen den Verurteilten beantragte die Staatsanwaltschaft Neuruppin am 14. September 2018 den Widerruf der Strafaussetzung. Hierzu wurde dem Verurteilten am 19. September 2018 die Möglichkeit schriftlicher Stellungnahme eingeräumt. Sowohl die 1. (im dortigen Erkenntnisverfahren) als auch die 3. große Strafkammer des Landgerichts beauftragten im Folgenden die Einholung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens, das der Sachverständige am 03. August 2019 erstellte und das mit dem Ergebnis fortdauernder Gefährlichkeit des Verurteilten schloss. Die zuvor aufgrund Befassung mit anderen Sachen und Krankheitsausfällen verhinderte 1. große Strafkammer verhandelte in der Zeit vom 29. Oktober 2020 bis zum 12. November 2020 gegen den Beschwerdeführer. Erst am 14. Juli 2021 wurde ihr Urteil rechtskräftig.
Angesichts dieser Umstände, insbesondere, weil auch nach dem Ablauf der Bewährungsfrist fortwährend gegen den Verurteilten ermittelt wurde, ihm Anklageschriften, Eröffnungs-, Verbindungs- und Verweisungsbeschlüsse zugestellt wurden und er einer forensisch-psychiatrischen Begutachtung unterzogen wurde, konnte der Verurteilte kein schutzwürdiges Vertrauen darauf aufbauen, eine Widerrufsentscheidung hinsichtlich der ihm gewährten Strafaussetzung zur Bewährung werde nicht mehr ergehen. Dies gilt umso mehr mit Blick auf seine massive und häufige Rückfälligkeit, die erhöhten Zeitaufwand der Justizbehörden verursachte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.