Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 7 U 91/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 22.09.2021
Aktenzeichen 7 U 91/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0922.7U91.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Das angefochtene und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger kaufte am 4. Mai 2016 von einem Autohändler für 42.459,75 Euro einen Pkw …, der von einem der Beklagten konzernverbundenen Unternehmen hergestellt wurde. Der Wagen war mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor mit der Bezeichnung EA 288 ausgestattet, der die Abgasnorm Euro 6 einhalten sollte. Der Kläger zahlte für ein zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenes Darlehen Zinsen von 1.022,05 Euro.

Der Kläger hat behauptet, die Motorsteuerung des gekauften Fahrzeugs sei mit unerlaubter Prüfstanderkennung und unerlaubtem Thermofenster ausgestattet. Er hat gemeint, der Schaden, zu dem die von der Beklagten begangene arglistige Täuschung geführt habe, sei nicht im ungünstigen Vertrag zu sehen, sondern in dessen Erfüllung. Er hat behauptet, er hätte in Kenntnis der Abschaltautomatik und des Thermofensters auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs bestanden. Die Täuschung habe ihn von der Zurückweisung des gelieferten Fahrzeugs abgehalten.

Die auf Neulieferung eines Pkw, hilfsweise auf Kaufpreisrückzahlung Zug um Zug gegen Rückgabe des gelieferten Fahrzeugs gerichtete Klage hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Es hat gemeint, der auf Neulieferung gerichtete Antrag sei zu unbestimmt und daher unzulässig. Eine Ersatzlieferung sei zudem unmöglich, weil alle Fahrzeuge des fraglichen Typs mit dem beanstandeten Thermofenster ausgestattet seien. Ein Rückzahlungsanspruch bestehe nicht, weil der Vertragsschluß nach der Behauptung des Klägers nicht auf etwaiger sittenwidriger Täuschung über Abschaltautomatik und Thermofenster beruhe.

Mit seiner Berufung bekräftigt der Kläger, er hätte den Kaufvertrag nicht geschlossen, wenn er die unerlaubte Motorsteuerung gekannt hätte. Die sittenwidrige Täuschung durch die Vertreter der Beklagten habe zu einem Schaden aber erst durch die Annahme des mangelhaften Fahrzeugs als Erfüllung geführt.

Der Kläger wiederholt seine Behauptung, die Motorsteuerung des ihm gelieferten Fahrzeugs sei mit einer Prüfstanderkennung und einem Thermofenster ausgestattet, und beides sei verboten. Er meint, weitere Darlegungen über die Einzelheiten der Programmierung der Motorsteuerung seien ihm nicht abzuverlangen, weil er sie nicht leisten könne. Es obliege der Beklagten, die technischen Einzelheiten näher zu beschreiben. Für eine Beweiserhebung reichten seine Behauptungen und das einfache Bestreiten der Beklagten aus.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Potsdam (6 O 13/19)

die Beklagte zu verurteilen, ihm Besitz und Eigentum an einem neuen Fahrzeug Skoda Superb Combi Style 2,0 l TDI mit mindestens 110 kW und mindestens 6-Gang-Schaltgetriebe aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit folgender - näher beschriebener (Bl. 855R) -, dem Fahrzeug Skoda Superb Combi Style 2,0 l TDI, 110 kW mit der Fahrgestellnummer … gleichen oder dieser mindestens wertmäßig und technisch entsprechenden Ausstattung Zug um Zug gegen Besitz- und Eigentumsverschaffung an dem Fahrzeug Skoda Superb Combi Style 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer …,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn 42.459,75 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20. Dezember 2018 Zug um Zug gegen Besitz- und Eigentumsverschaffung an dem Fahrzeug Skoda Superb Combi Style 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn 42.459,75 Euro abzüglich eines angemessenen Wertersatzes für gezogene Nutzungen (auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km) zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20. Dezember 2018 Zug um Zug gegen Besitz- und Eigentumsverschaffung an dem Fahrzeug Skoda Superb Combi Style 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen

sowie ihn von Finanzierungskosten in Höhe von bis zu 1.022,05 Euro einschließlich etwaiger Vorfälligkeitsentschädigungen aus dem am 16. Dezember 2016 zwischen ihm und der … Bank abgeschlossenen Finanzierungsvertrag für das Fahrzeug Skoda Superb Combi Style 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer … freizustellen,

die Beklagte zu verurteilen, ihn von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.706,94 Euro freizustellen,

festzustellen, dass sich die Beklagten seit dem 20. Dezember 2018 im Verzug mit der Annahme des Fahrzeugs Skoda Superb Combi Style 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer … befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht weder aus dem geschlossenen Kaufvertrag ein Anspruch auf Lieferung eines weiteren, anderen Pkw zu noch ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Der Bundesgerichtshof hat jüngst einen auf eine Nachlieferung gerichteten Anspruch für möglich gehalten (Urt. v. 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20 –, BeckRS 2021, 20912). Bei der Beurteilung der ausreichenden Bestimmtheit des Antrages ist er großzügiger (ebd., Rdnr. 18 ff.) als das Landgericht. Es könne zudem auch die Pflicht zur Ersatzlieferung eines Nachfolgemodells bestehen, nicht aber, wenn der Anspruch weit nach Ablauf der kaufrechtlichen Verjährungsfristen geltendgemacht werde (ebd., Rdnr. 38 ff.).

Der Kläger hat sich ungefähr zwei Jahre und sieben Monate nach dem Kauf an die Beklagte gewandt und die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Auf das Verlangen nach einer Ersatzlieferung hat er sein Vorgehen erst später umgestellt. Er hat damit die zeitlichen Grenze überschritten, innerhalb derer ein fortentwickeltes Fahrzeugmodell, insbesondere eines mit einer anderen Motorsteuerung, noch als Ersatzsache der vermeintlich mangelhaften beurteilt werden könnte.

Unabhängig von der unbestimmten zeitlichen Grenzziehung beim Verfolgen seiner etwaigen Ansprüche ist für die Erfolglosigkeit des Klageantrages die mangelhafte Darlegung des Schadens entscheidend. Der Kläger will einen auf Ersatzlieferung gerichteten Schadensersatzanspruch begründen. Aber er scheitert dabei an der Schilderung eines Zustandes, der ohne schädigendes Ereignis bestünde und den herzustellen die Beklagte verpflichtet sein könnte.

Unterstellt man alle weiteren Voraussetzungen für das Entstehen eines Schadensersatzanspruches, so schuldet der Schädiger (die Beklagte) die Herstellung eines hypothetischen Jetztzustandes. Er hat zu leisten, was nötig ist, um die Abweichung des Zustandes, der tatsächlich durch das schädigende Ereignis eingetreten ist, von dem Zustand, der gegeben wäre, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre, zu bereinigen. Er muss die Korrektur des Schadenszustandes zum schadenfreien Zustand bewirken.

Die darauf gerichtete Klage hat der Geschädigte (der Kläger) zu begründen, indem er das schädigende Ereignis benennt und vorträgt, welcher Zustand bestünde, wenn dieses schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Er muss beschreiben, welchen Verlauf die Entwicklung ab dem Moment des schädigenden Ereignisses genommen hätte und welcher Zustand bestünde, wenn dieses tatsächlich eingetretene schädigende Ereignis nicht geschehen wäre. Der Schädiger schuldet, den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne schädigendes Ereignis stünde. Der Schadensersatz soll den Geschädigten in eine Lage versetzen, die ohne das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen gerade des hier zu beurteilenden Falles wahrscheinlich eingetreten wäre. § 252 BGB formuliert mit dieser Beschreibung des hypothetischen Verlaufs nicht eine Besonderheit des Ersatzes für entgangenen Gewinn, sondern eine allgemeine Anforderung an jeden Schadensersatzanspruch.

Der Kläger sieht – wie der Bundesgerichtshof – die unerlaubte, ihn schädigende Handlung der Beklagten nicht in der unerlaubten Programmierung der Motorsteuerung, sondern in der Täuschung (§ 826 BGB) über dieses Verhalten. Schädigendes Ereignis ist das Verschweigen der unerlaubten Programmierung.

Es ist - auch auf Nachfrage in der mündlichen Berufungsverhandlung - unklar geblieben, welchen Verlauf des Geschehens bei Hinwegdenken des Verschweigens der unerlaubten Programmierung der Kläger behaupten möchte. Keine der Varianten, die seinem Vortrag zu entnehmen sind, ist ein gewöhnlicher Lauf der Dinge zu entnehmen, der zu einem noch bestehenden Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs des im Kaufvertrag bezeichneten Typs geführt hätte.

Der Kläger beharrt mit seiner Berufung darauf, das Landgericht habe ihn falsch verstanden; er habe stets vorgetragen, er hätte den Kaufvertrag nicht geschlossen, wenn er die unerlaubte Motorsteuerung gekannt hätte (Bl. 870). Sollte der Kläger als den gewöhnlichen Lauf der Dinge ohne schädigendes Ereignis vortragen wollen, die Beklagte hätte die Motorsteuerung unerlaubt programmiert, ihn - den Kläger - darüber aber nicht getäuscht, die verbotswidrige Ausstattung der Fahrzeuge nämlich nicht verschwiegen, so dass er diese verbotswidrige Ausstattung gekannt hätte, und er hätte deshalb den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht geschlossen, dann hätte er - da ein Vertrag ja nicht geschlossen wäre - keinen Lieferanspruch gegen den Autohändler. Um diesen hypothetischen Jetztzustand herzustellen, bedarf es der mit der Klage eingeforderten Lieferung eines Fahrzeugs nicht.

Der Kläger meint, den hypothetischen Zustand, den die Beklagte herzustellen habe, so beschreiben zu können, dass er das ihm zur Erfüllung der Verkäuferpflicht angebotene Fahrzeug zurückgewiesen hätte, weil es mit der unerlaubten Motorsteuerung ausgestattet gewesen wäre und deshalb als gebrauchstaugliches Fahrzeug (vgl. § 434 I 2 Nr. 2 BGB) und damit als erfüllungsgeeigneter Gegenstand nicht in Frage gekommen wäre. So hätte er noch immer einen unerfüllten Anspruch gegen den Autohändler, den nun die Beklagte zum Ausgleich des von ihr angerichteten Schadens zu erfüllen habe. Damit beschreibt der Kläger indes nicht einen gewöhnlichen Lauf der Dinge, sondern ein ganz und gar unplausibles Verhalten aller Beteiligten. Das ihm angebotene Fahrzeug hätte der Kläger nur zurückweisen können, wenn er dessen Mangel gekannt hätte. Für diesen Fall - Kenntnis von der unerlaubten Programmierung - beharrt er aber darauf, er hätte den Kaufvertrag nicht geschlossen. Wie es dazu hätte kommen können, dass er täuschungsbedingt unwissend den Kaufvertrag geschlossen hätte, dann aber in Kenntnis der unerlaubten Ausstattung das Erfüllungsangebot zurückgewiesen hätte, erläutert der Kläger nicht. Ein Verlauf ohne schädigendes Zutun der Beklagten hätte dazu führen müssen, dass er zwischen Kauf und Erfüllungsversuch von der unerlaubten Programmierung erfahren hätte. Welches erlaubte, nicht schädigende Verhalten der Beklagten dazu hätte führen können, bleibt ganz und gar unklar.

Unplausibel ist schließlich eine etwa von dem Kläger gemeinte Variante, in der nicht die Programmierung, sondern allein das Verschweigen hinweggedacht werden könnte. Hätte die Beklagte die Motorsteuerung unerlaubt programmiert und darüber nicht sittenwidrig geschwiegen, sondern darauf hingewiesen, dann hätten auch der Autohändler und der Kläger gewusst, dass die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge, die der Autohändler zum Kauf anbietet, im Straßenverkehr nicht betrieben werden dürfen oder dass ihr Betrieb demnächst untersagt würde. Nur solche Fahrzeuge standen zum Kauf zur Verfügung. Eventuell hätte die Beklagte mangelfreie Motorsteuerungen herstellen können; tatsächlich tat sie es aber nicht. Mangelfreie Fahrzeuge gab es deshalb nicht. Die Bezeichnung des gekauften Fahrzeugs nach Typ und Ausstattung, die den Gegenstand des Gattungskaufs festlegte, hätte sich auf ein zum erlaubten Betrieb im Straßenverkehr nicht gebrauchstaugliches Fahrzeug richten müssen. Die gewöhnliche Verwendung (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) eines so beschaffenen Fahrzeugs liegt jedenfalls nicht in der Verwendung im Straßenverkehr, denn diese Verwendung ist – wie beide Kaufvertragsparteien wissen – nicht erlaubt. Der Kaufvertrag, den Autohändler und Kläger mit der Bezeichnung des von der Beklagten oder ihrem Konzernunternehmen hergestellten oder noch herzustellenden Fahrzeugs geschlossen hätten, hätte sich nicht auf ein gebrauchstaugliches Fahrzeug gerichtet, weil solche Fahrzeuge nicht hergestellt wurden und der Autohändler sie deshalb nicht beschaffen konnte. Gebrauchstaugliche Fahrzeuge des Herstellers, die wie im geschlossenen Vertrag mit Marke, Typ und Ausstattung hätten beschrieben werden können, gab es nicht. Erlaubt programmierte Dieselmotoren – den darauf gerichteten bestrittenen Vortrag als zutreffend unterstellt – stellte die Beklagte nicht her und konnte der Autohändler folglich nicht verkaufen.

Der gewöhnliche Lauf der Dinge (vgl. § 252 BGB) bei allseitiger Kenntnis von der unerlaubten Motorsteuerung wäre also nicht der Abschluss eines Kaufvertrages gewesen. Hätte die Beklagte den Kläger nicht getäuscht, sondern hätte sie ihm ihr Vorgehen bei der Programmierung der Motorsteuerung offenbart, dann hätte der Kläger, der doch ein gebrauchstaugliches Fahrzeug erwerben wollte, den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, und er hätte keinen Anspruch auf Lieferung gegen den Händler erworben. Zu einer Zurückweisung des ihm tatsächlich gelieferten Fahrzeugs als erfüllungsungeeignet wäre es nicht gekommen.

Wickelt man den Fall nach hergebrachten Grundsätzen ab, indem man annimmt, der Kläger sei beim Vertragsschluss getäuscht worden, so kommt es darauf an, ob den Behauptungen des Klägers zum Motor EA 288 nachzugehen ist. Schaden wäre dann der dem Kläger ungünstige Vertrag über ein unerkannt gebrauchsuntaugliches Fahrzeug, das ihm geliefert wurde, und die Beklagte müsste ihn so stellen, als sei der Vertrag nicht abgeschlossen worden. Sie müsste also den Wagen zurücknehmen und den Preis abzüglich gezogener Nutzungen erstatten. So ist sie wegen der Motorsteuerung im Motor EA 189 inzwischen vielfach verurteilt worden.

Auch dieser Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages durch Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs und unter Anrechnung inzwischen gezogener Nutzungsvorteile wird durch den Vortrag des Klägers nicht gestützt. Dem Vortrag des Klägers ist schon eine arglistige Täuschung (§ 826 BGB) in bezug auf den Motor EA 288 nicht zu entnehmen. Öffentlich zugegeben hat die Beklagte die Täuschung allein für das Vorgängermodell EA 189.

Eine sittenwidrige Schädigung durch arglistige Täuschung (§ 826 BGB) setzt eine klare und eindeutige Sach- und Rechtslage voraus, gegen die der Schädiger bewusst verstößt, um auf Kosten des Getäuschten zu einem Vorteil zu gelangen. Nachdem die Täuschungen in bezug auf den Motor EA 189 aufgeflogen waren, schien die Beklagte um Mitwirkung bei der Aufklärung ihres Vorgehens und um Bereinigung der Folgen bemüht. Indem sie die Motorsteuerung des Nachfolgemotors EA 288 den zuständigen Behörden und den eingesetzten Untersuchungskommissionen offenbarte, daraufhin aber eine Betriebsuntersagung oder ein Nachweis erneuter unerlaubter Programmierung ausblieb, fehlt einem etwaigen Fehler auch in dieser Programmierung die Eindeutigkeit. Die Beklagte lehnte sich nicht erneut dreist und eindeutig gegen die geltenden Bestimmungen auf. Eine dem Kläger günstigere Sichtweise könnte im Vorgehen der Beklagte besonders sittenwidriges Geschick erkennen: Sie beteiligt sich an der Aufklärung des Skandals und programmiert gleichzeitig auch den Nachfolgemotor unerlaubt in der Erwartung, jetzt so geschickt vorzugehen, dass selbst die aufmerksam gewordenen Prüfer nichts erkennen werden. Für diese Variante hätte der Kläger irgendwelche konkreten Anhaltspunkte vortragen müssen, die seinen Darlegungen aber nicht zu entnehmen sind.

Zur Begründetheit der Klage fehlt schon der Nachweis, auch der Motor EA 288 sei unerlaubt programmiert. Weicht die Motorsteuerung nicht von den öffentlich-rechtlichen Vorgaben ab, so hat die Beklagte nicht getäuscht, und das vom Kläger gekaufte Fahrzeug erwiese sich als uneingeschränkt gebrauchstauglich.

Für seine Behauptung, auch im Motor EA 288 sei – ebenso wie gemäß dem Zugeständnis der Beklagten im Motor EA 189 – eine Abschaltautomatik programmiert, die einen Prüfstandbetrieb erkenne und daraufhin zu unzutreffend geringen, im Straßenfahrbetrieb nicht erreichbaren Stickoxidwerten führe, verweist der Kläger auf zahlreiche Urteile von Landgerichten und auf Beweisbeschlüsse (Bl. 862). Es fehlen aber tatsächliche Behauptungen, die über die Vermutung einer Entsprechung zu der unzulässigen Programmierung beim Motor EA 189 hinausgingen. Dass auch der Motor EA 288 von Zulassungsbehörden beanstandet worden wäre oder dass eine andere behördliche oder private Ermittlung zu Erkenntnissen illegaler Programmierung auch des Motors EA 288 geführt hätten, trägt der Kläger nicht vor. Seine Behauptung hält daher dem Bestreiten der Beklagten nicht stand, die auf Untersuchungen und fehlende Beanstandungen durch das Kraftfahrtbundesamt verweist (Bl. 916 f.), und kann mangels ausreichender Anhaltspunkte nicht Gegenstand einer sachverständigen Aufklärung werden (vgl. BbgOLG, 5. ZS, BeckRS 2020, 41726; 1. ZS, BeckRS 2020, 10519; OLG Koblenz, BeckRS 2020, 6348; OLG Schleswig, BeckRS 2020, 26260; OLG Zweibrücken, BeckRS 2020, 47304).

Dem Einholen von Auskünften beim Kraftfahrtbundesamt (OLG Celle, BeckRS 2020, 19389) muss entgegengehalten werden, dass damit eine Amtsaufklärung begonnen wird, die durch bloße Vermutungen einer Partei angestoßen worden ist. Auch das Oberlandesgericht Köln (BeckRS 2019, 47682) hat Ermittlungen übernommen, die der Partei oblegen hätten: der Kläger, nicht das Gericht, hätten den Verdachtsanzeichen nachgehen müssen, die sich aus von der Beklagten vorgelegten Anlagen ergeben haben.

Das Oberlandesgericht Naumburg (BeckRS 2021, 8880) hat gemeint, eine verbotene Abschaltautomatik habe die Beklagte selbst vorgetragen. Nach ihrem eigenen Vortrag werde anknüpfend an eine Prüfstandserkennung in Gestalt einer Fahrkurvenerkennung (Zykluserkennung) die Funktion eines zentralen Bestandteils des Emissionskontrollsystems, nämlich des Katalysators (NKS) beeinflusst, indem dieser stets am Ende der Vorkonditionierung regeneriert werde, wohingegen die Regeneration im Normalbetrieb abhängig von anderen Parametern vorgenommen werde. Die Beklagte hat hier, anders als offenbar in Naumburg, die Zykluserkennung erläutert (Bl. 922 f.) und dargelegt, sie diene anderen Zwecken, als die Abgasmessungen unzulässig zu beeinflussen. Einen Einfluss auf den Katalysator erwähnt die Beklagte nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

Die Revision des Klägers wird zugelassen, damit das Revisionsgericht weiter zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung in den Fällen des sogenannten Dieselskandals beitragen kann (§ 542 II 1 Nr. 2 ZPO).

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 42.459,75 Euro festgesetzt (§§ 63 II, 47 I 1 GKG).