Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.09.2021 | |
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Aktenzeichen | 10 Ta 1117/21 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0917.10TA1117.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 148 ZPO |
Die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt nicht die Aussetzung eines Parallelverfahrens in der Tatsacheninstanz.
I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Berlin vom 26. Juli 2021 – 58 Ca 7051/21 – aufgehoben.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin, die als Justizbeschäftigte beim beklagten Land beim AG Tiergarten in einer Serviceeinheit Sachgebiet Allgemeine Strafsachen tätig ist, begehrt eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9 bzw. 9a statt nach Entgeltgruppe 6.
Sie macht hierfür geltend, die in der Beschreibung ihres Aufgabenkreises (BAK) aufgeführten Tätigkeiten seien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, etwa im Urteil 4 AZR 195/20, als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu sehen. In diesem fielen zu 25,77% (bzw. nach Rundungsfehlern in der BAK 25,95% - näher von ihr benannte – schwierige Tätigkeiten an. Dies reiche nach der genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, um ihre Gesamttätigkeit als „schwierig“ im Sinne der angestrebten Entgeltgruppe zu charakterisieren.
Gegen die von der Klägerin angezogene Entscheidung 4 AZR 195/20 ist zum Geschäftszeichen 1 BvR 382/21 vor dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde des beklagten Landes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder anhängig. Das beklagte Land ist im Hinblick darauf mit einer Aussetzung des hiesigen Verfahrens in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO einverstanden. Die Klägerin tritt einer Aussetzung entgegen. Sie argumentiert unter anderem, der Zweck der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen könne vom beklagten Land nicht angeführt werden, weil dieses in weiteren Parallelfällen, in denen es gegen Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg Nichtzulassungsbeschwerden erhoben habe, die als unzulässig verworfen worden seien, keine Verfassungsbeschwerden eingelegt habe.
Das Arbeitsgericht hat am 26. Juli 2021 eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung der Verfassungsbeschwerde des beklagten Landes und der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder zum Geschäftszeichen 1 BvR 382/21 betreffend die Parallelrechtsstreite – zuletzt anhängig vor dem Bundesarbeitsgericht zu den Geschäftszeichen 4 AZR 195/20 und 4 AZR 196/20 – beschlossen. Eine Befugnis zur Aussetzung ergebe sich zwar nicht direkt aus § 148 Abs. 1 ZPO, denn es fehlt an der dort vorausgesetzten Vorgreiflichkeit. Gegenstand des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens sei nämlich kein Rechtsverhältnis, von dessen Nicht-/Bestehen der hiesige Rechtsstreit abhinge. Der Umstand, dass in dem anderen Verfahren über eine Rechtsfrage zu entscheiden sei, von deren Beantwortung die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ganz oder teilweise abhänge, rechtfertigt die Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO nicht.
Eine Aussetzung könne aber in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO erfolgen. Die Vorschrift wolle eine doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Verfahren verhindern. Das diene der Prozesswirtschaftlichkeit und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen. Bei parallel gelagerten Fällen könne eine einzelne Verfassungsbeschwerde ausreichen, um eine umfassende Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Das sei der Fall, wenn weitere zu erwartende Verfassungsbeschwerden nicht zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage für das Bundesverfassungsgericht führen und das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht beschleunigen würden. Zahlreiche weitere Verfassungsbeschwerden in Parallelverfahren würden im Gegenteil nur zu einer unnötigen Belastung des Bundesverfassungsgerichts führen.
In diesem Spannungsfeld sei im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nur möglich, wenn in Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des § 9 Abs. 1 ArbGG eine Aussetzung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien angemessen erscheine. Dies sei bei der nach § 148 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Ermessensausübung anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen wie das BAG in einem Beschluss vom 10. September 2020 – 6 AZR 136/19 (A) entschieden habe.
Ausgehend von diesen Grundsätzen erscheine hier eine Aussetzung angemessen. Zur Vermeidung der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sei es angesichts der identischen Rechtsfragen für beide Parteien sinnvoll, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die anhängigen Verfassungsbeschwerden abzuwarten. Nach weiteren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu erwartende Verfassungsbeschwerden würden nicht zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage für das Bundesverfassungsgericht führen und das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht beschleunigen. Die Aussetzung sei auch mit dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz vereinbar, denn die im Tenor genannte Verfassungsbeschwerde sei bereits im Februar 2021 anhängig gemacht worden, es handele sich im vorliegenden Verfahren um keine Bestandsstreitigkeit, der eintretenden Verzögerung werde durch die Verzinsungspflicht etwa nachzuzahlender Beträge Rechnung getragen.
Gegen diesen den Klägerinvertretern am 29. Juli 2021 zugestellten Beschluss legten diese am 11. August 2021 sofortige Beschwerde ein. Die Rechtsprechung aus dem Beschluss des 6. Senates des BAG vom 10. September 2020 könne nicht auf ein Verfahren erster Instanz übertragen werden. Wegen der weiteren rechtlichen Ausführungen wird auf die Beschwerdeschrift vom 11. August 2021 verwiesen. Nachdem der sofortigen Beschwerde vom Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12. August 2021 nicht abgeholfen worden war, wurde den Parteien mit entsprechenden rechtlichen Hinweisen des Gerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
1.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das Arbeitsgericht konnte mit der angegebenen Begründung das Verfahren nicht nach § 148 ZPO oder analog § 148 ZPO aussetzen. Die Voraussetzungen einer Aussetzung liegen nicht vor. Der entsprechende Beschluss war daher aufzuheben.
1.1
Nach § 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus. Vorgreiflichkeit ist insbesondere gegeben, wenn in einem anderen Rechtsstreit eine Entscheidung ergeht, die für das auszusetzende Verfahren materielle Rechtskraft entfaltet oder Gestaltungs- bzw. Interventionswirkung erzeugt. Der Umstand, dass in dem anderen Verfahren über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, von deren Beantwortung die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ganz oder teilweise abhängt, rechtfertigt die Aussetzung der Verhandlung nicht. Anderenfalls würde das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozessparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigt. Eine Aussetzung allein aus Zweckmäßigkeitsgründen sieht das Gesetz nicht vor [BAG 10. September 2020 – 6 AZR 136/19 (A)].
1.2
Eine Vorgreiflichkeit in diesem Sinne besteht hier nicht. Bei den Verfahren, deren Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird, handelt es sich um unabhängige Rechtsstreitigkeiten. Es besteht lediglich eine Parallelität bzgl. der zu entscheidenden Rechtsfragen.
2.
Zwar bestehen grundsätzliche Zweifel ob die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO gegeben sind. Denn es muss wohl keine Anhaltspunkte für eine Sperre hinsichtlich der Analogie geben, sondern die Voraussetzung einer auszufüllenden Regelungslücke muss positiv festgestellt werden. Der 10. Senat des BAG hat dazu ausgeführt:
Zu den anerkannten Methoden der Auslegung gehört auch die wortsinnübersteigende Gesetzesanwendung durch Analogie. Hierzu bedarf es einer besonderen Legitimation. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke besteht und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Anderenfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Weg der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden. Analoge Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (BAG vom 27. Juni 2018 – 10 AZR 295/17).
§ 148 Abs. 1 ZPO ist aber nach Ansicht des 6. Senats über seinen Wortlaut hinaus auf vergleichbare Fallgestaltungen entsprechend anwendbar [BAG 10. September 2020 – 6 AZR 136/19 (A)]. Diese jüngste Rechtsprechung des 6. Senats, die der 4. Senat des BAG ebenfalls anwendet [4 AZR 324/20 (A) vom 28. Juni 2021] wird dieser Beschwerdeentscheidung zugrunde gelegt.
2.1
In der Entscheidung vom 10. September 2020 hat der 6. Senat unter Anfügung zahlreicher Zitatstellen ausgeführt:
Nach ständiger Rechtsprechung ist in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO eine Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorzunehmen. Die Möglichkeit der Aussetzung wird auch bejaht, wenn die Vorlage an den Gerichtshof in einem anderen Rechtsstreit erfolgt ist. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass eine Aussetzung auch möglich ist, wenn bezogen auf die streitentscheidende Norm ein Normenkontrollverfahren oder eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Die entsprechende Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO ist bei einer Vorlage an den Gerichtshof durch eine gleichartige Interessenlage gerechtfertigt. Die Vorschrift will nach einhelliger Auffassung eine doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Verfahren verhindern. Das dient der Prozesswirtschaftlichkeit und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen.
bb) An dieser Rechtsprechung ist auch nach der mit Wirkung zum 1. November 2018 erfolgten Einfügung des § 148 Abs. 2 ZPO festzuhalten. Diese Gesetzesänderung schließt entgegen der Ansicht des Klägers eine entsprechende Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nicht aus.
(1) § 148 Abs. 2 ZPO bezieht sich nur auf Musterfeststellungsverfahren und hat damit einen anderen Regelungsbereich als § 148 Abs. 1 ZPO. Mit § 148 Abs. 2 ZPO wurde lediglich eine zusätzliche Aussetzungsmöglichkeit geschaffen. Dies zeigt schon die Verwendung der Konjunktion „ferner“. Die damit zum Ausdruck gebrachte Eigenständigkeit entspricht der gesetzgeberischen Zielsetzung. § 148 Abs. 2 ZPO trägt dem Umstand Rechnung, dass Unternehmer ihre Ansprüche nicht in das Klageregister eines Musterfeststellungsverfahrens eintragen lassen können. Um ihnen zumindest die Möglichkeit zu eröffnen, von dem Ausgang eines Musterfeststellungsverfahrens zu profitieren, sollen sie durch § 148 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit erhalten, in einem Individualprozess einen Aussetzungsantrag zu stellen. Diese Zielsetzung weist keinen Bezug zu § 148 Abs. 1 ZPO auf.
(2) Die Frage, ob die bisherige Rechtsprechung zur Durchführung von „Pilotverfahren“ außerhalb des Anwendungsbereichs von § 148 ZPO nach Einfügung des § 148 Abs. 2 ZPO noch fortzuführen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
cc) Demnach kommt auch bei Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG in einem Parallelverfahren eine Aussetzung der Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO in Betracht.
(1) In dieser prozessualen Konstellation werden wie bei einer Vorlage an den Gerichtshof oder einem Normenkontrollverfahren streitentscheidende Rechtsfragen durch ein höherrangiges Gericht geklärt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Vorlagen an den Gerichtshof und Normenkontrollverfahren durch ein Fachgericht eingeleitet werden. Demgegenüber wird die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG als außerordentlicher Rechtsbehelf durch die unterlegene Partei eingelegt. Schon deshalb kommt eine gleichsam automatische Aussetzung der Verhandlung in Parallelverfahren nicht in Betracht. Anderenfalls könnte die unterlegene Partei durch die bloße Einlegung der Verfassungsbeschwerde in einem durch die Fachgerichtsbarkeit bereits letztinstanzlich entschiedenen Verfahren die Aussetzung in zahlreichen Parallelverfahren herbeiführen. Eine solche Wirkung kann der Verfassungsbeschwerde, die die Rechtskraft des angegriffenen Urteils nicht hemmt, nicht beigemessen werden.
(2) Andererseits kann bei parallel gelagerten Fällen eine einzelne Verfassungsbeschwerde ausreichen, um eine umfassende Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Das ist der Fall, wenn weitere zu erwartende Verfassungsbeschwerden nicht zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage für das Bundesverfassungsgericht führen und das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht beschleunigen würden. Zahlreiche weitere Verfassungsbeschwerden in Parallelverfahren würden im Gegenteil nur zu einer unnötigen Belastung des Bundesverfassungsgerichts führen und könnten im Extremfall die Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde, das auch dem Ziel dient, das objektive Verfassungsrecht zu wahren, auszulegen und fortzubilden, gefährden.
(3) In diesem Spannungsfeld ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nur möglich, wenn in Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des § 9 Abs. 1 ArbGG eine Aussetzung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien angemessen erscheint. Dies ist bei der nach § 148 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Ermessenausübung anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
2.2
Ausgehend von den unter 2.1 dargestellten Grundsätzen ist hier eine Aussetzung der Verhandlung schon in der ersten Instanz unangemessen.
Es ist zwar davon auszugehen, dass es sich bei den mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Entscheidungen um solche handelt, in denen es sich um vergleichbare Sachverhalte (Allgemeine Strafsachen) handelt. Die „Gefahr“ unterschiedlicher Entscheidungen (vom 4. und 6. Senat als „sich widersprechende Entscheidungen“ genannt) ist den Tatsacheninstanzen aber immanent. Unterschiedliche Entscheidungen können ohne weiteres aufgrund der vorgetragenen Tatsachen entstehen, ohne dass sie sich im Rechtssinne widersprechen. Wie der 6. Senat in der Entscheidung vom 10. September 2020 – 6 AZR 136/19 (A) ausgeführt hat, geht es nicht um „Pilotverfahren“, sondern darum, dass wie bei einem Normenkontrollverfahren streitentscheidende Rechtsfragen durch ein höherrangiges Gericht geklärt werden. Das ist aber etwas Anderes als nur die „Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen“, was das BAG in jener Entscheidung aber - aus Sicht des Beschwerdegerichts ohne nähere Begründung – wohl gleichgesetzt hat.
Auch das weitere Argument des 4. und des 6. Senates des BAG, dass die unterlassene Aussetzung des Verfahrens zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde führe, ist in der Tatsacheninstanz jedenfalls nicht gegeben. Denn die unterlassene Aussetzung eines Rechtsstreits in der Tatsacheninstanz mit der letztendlichen Folge einer Entscheidung durch Urteil in der Tatsacheninstanz eröffnet noch nicht den Weg zum Bundesverfassungsgericht. Das ist erst in der Revisionsinstanz der Fall.
Deshalb war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
3.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 78 Abs. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Frage, ob eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über ein rechtskräftiges letztinstanzliches Urteil auch in der Tatsacheninstanz (vor dem Arbeitsgericht) eine Aussetzung rechtfertigt, ist bisher – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden. Auch der Umgang mit der Diskrepanz der oben genannten Rechtsprechung des 10. Senates des BAG zur analogen Anwendung einer Norm im Vergleich zur genannten Rechtsprechung des 4. und des 6. Senates des BAG hat grundsätzliche Bedeutung.