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Entscheidung 19 Verg 4/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg Vergabesenat Entscheidungsdatum 13.09.2021
Aktenzeichen 19 Verg 4/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0913.19VERG4.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 15.06.2021 - VK 10/21 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Auftraggebers zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten des Auftraggebers im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss der Vergabekammer Brandenburg, soweit in dem von ihr eingeleiteten Vergabenachprüfungsverfahren die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig erklärt worden ist.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach § 171 Abs. 1 GWB statthaft. Zu den danach mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen der Vergabekammer gehören auch Entscheidungen, mit denen die Vergabekammer über die Notwendigkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts nach § 182 Abs. 4 GWB entschieden hat (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Vergabesenat, Beschluss vom 30.09.2019 - 54 Verg 9/16). Diese können losgelöst von dem Schicksal der Hauptsache Gegenstand einer selbständigen sofortigen Beschwerde sein.
Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 172 GWB.
Der Senat kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, weil sich die Beschwerde nur noch gegen eine Nebenentscheidung der Vergabekammer richtet (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 03.01.2019 - 5 Verg 5/18; vom 11.04.2017 - 6 Verg 6/16 jew. m.w.N.).

2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung der Vergabekammer, die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner im Vergabe-
nachprüfungsverfahren für notwendig zu erklären, ist nicht zu beanstanden.

Nach § 182 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 und 2 Satz 2 VwVfG hat der unterlegene Beteiligte die Rechtsanwaltskosten des Gegners zu tragen, wenn die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war. Wegen der Schwierigkeit des Vergaberechts, der kontradiktorischen Ausgestaltung des Nachprüfungsverfahrens und der Eilbedürftigkeit des Vortrags in Vergabesachen ist die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht nur ausnahmsweise bei ungewöhnlichen Konstellationen als notwendig zu erachten. Vielmehr erfordert die Entscheidung über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen eine differenzierende Betrachtung des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - X ZB 14/06 Rn 61 zit. nach juris). Dies gilt auch für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Auftraggeber. Bei der Prüfung ist darauf abzustellen, ob der Beteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O., OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 14.10.2020 - VII-Verg 36/19 Rn 102; zit. nach juris). Hierfür können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch persönliche Umstände, wie die sachliche und personelle Ausstattung der Beteiligten maßgeblich sein, zudem fließt der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung ein (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 17.06.2020 -
VII-Verg 43/18 Rn 13 m.w.N.; zit. nach juris). Für den öffentlichen Auftraggeber gilt, dass dann, wenn das Nachprüfungsverfahren schwerpunktmäßig auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen zum Gegenstand hat, für ihn im Regelfall keine Notwendigkeit besteht, anwaltlichen Beistand hinzuzuziehen. Denn in seinem originären Aufgabenbereich muss der Auftraggeber sich die notwendige Sach- und Rechtskenntnis grundsätzlich selbst verschaffen (OLG München, Beschluss vom 11.06.2008 - Verg 6/08 Rn 13; zit. nach juris).

In dem vorliegenden Vergabenachprüfungsverfahren haben die Parteien neben der Frage, wer Auftraggeber für die zu vergebenden Rohbauarbeiten sein sollte, über die Anforderungen an die Versendung der Mitteilung nach § 134 GWB in Textform und über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Antragstellerin aus dem Vergabeverfahren gestritten, nachdem diese erst nach Angebotsabgabe für verschiedene Leistungen Nachunternehmer benannt hatte. Diese Streitpunkte gehen insgesamt über einfach gelagerte, auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen hinaus. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner als akademisches Forschungsinstitut nur über eine sehr schlanke Administration ohne eigene Rechtsabteilung und ohne Mitarbeiter mit für ein Nachprüfungsverfahren zureichenden vergaberechtlichen oder prozessualen Kenntnissen verfügt und der für die Durchführung des Vergabeverfahrens an den in Vergabesachen erfahrenen … (…) erteilte Dienstleistungsauftrag auf das eigentliche Vergabeverfahren beschränkt war. Die Feststellung der Vergabekammer, die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Vergabenachprüfungsverfahren durch den Auftraggeber für notwendig zu erklären, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 175 Abs. 2, 78 GWB. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, nachdem sie mit ihrer sofortigen Beschwerde unterliegt. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Auftraggeber war aus den vorgenannten Gründen auch im Beschwerdeverfahren notwendig.

Der nach der Höhe der dem Antragsgegner zustehenden Anwaltskosten zu bestimmende Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 5.000 €.