Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 15.10.2021 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 S 89/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2021:1015.OVG3S89.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 18 Abs 3 SchulG BE, § 56 SchulG BE, § 5a Abs 6 BesPädSchulAufnV BE, § 5a Abs 9 BesPädSchulAufnV BE |
An einer Hochmobilität als Voraussetzung für die Aufnahme in eine Staatliche Internationale Schule fehlt es, wenn der Wohnsitz einer Familie immer nur zwischen Berlin und demselben ausländischen Ort verlagert wird. Hochmobilität im Sinne von § 5a Aufnahme VO-SbP setzt voraus, dass eine Schülerin oder ein Schüler ausländische Schulen in unterschiedlichen Staaten besucht.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Aufhebung oder Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Antragsteller haben keine Hochmobilität glaubhaft gemacht, bei deren Vorliegen die Antragstellerin zu 1) gemäß § 5a Abs. 9 Satz 1, Abs. 6 der Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung (Aufnahme VO-SbP) in die Jahrgangsstufe 7 der Staatlichen Internationalen Schule (Nelson-Mandela-Schule) nach Maßgabe eines freien Platzes aufgenommen werden müsste.
Familien gelten nach § 5a Abs. 6 Satz 1 Aufnahme VO-SbP als hochmobil, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt aus beruflichen Gründen eines oder beider Erziehungsberechtigten mehrfach in Abständen von in der Regel höchstens vier Jahren nicht nur kurzzeitig in das Ausland verlagern; einmalige Auslandsaufenthalte sowie Ein- oder Auswanderungsabsichten begründen keine Hochmobilität. Durch die besondere Berücksichtigung dieser Personengruppe bei der Platzvergabe an den Staatlichen Internationalen Schulen verfolgt der Verordnungsgeber das Ziel, den Schwierigkeiten hochmobiler Familien bei der Suche nach einer geeigneten Schule in Berlin zu begegnen (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – OVG 3 S 85/20 - juris Rn. 4). Nach der Begründung zum Verordnungsentwurf ist es für hochmobile Schülerinnen und Schüler in besonderer Weise wichtig, drohende Nachteile ihrer schulischen Laufbahn durch stetige Schulwechsel in verschiedenen Staaten durch die Möglichkeit des Besuchs einer Schule auszugleichen, die konzeptionell anderen internationalen Schulen im Ausland vergleichbar ist. Deshalb sollen auch bei freien Kapazitäten, die nach der Einrichtung der Klassen entstehen und um die es hier geht, nur noch Schülerinnen und Schüler aus hochmobilen Familien aufgenommen werden (AbgH-Drs. 18/0969, Verordnung Nr. 18/096, Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung vom 9. März 2018, Vorlage an das Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnisnahme gemäß Art. 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin, Seite 10).
Gemessen daran fehlt den Antragstellern die für eine Aufnahme in die Jahrgangsstufe 7 erforderliche Hochmobilität. Dies gilt bereits deshalb, weil der Verordnungsgeber bei der Normierung von § 5a Aufnahme VO-SbP – wie ausgeführt – ausschließlich Schülerinnen und Schüler mit einer spezifischen, von Schulwechseln in unterschiedlichen Ländern geprägten Schullaufbahn im Blick hatte. Hierzu zählt die Antragstellerin zu 1) selbst dann nicht, wenn man unterstellt, dass die Antragsteller ihren Lebensmittelpunkt zunächst 2023/24 und danach 2026/27 in die USA (und zurück nach Berlin) verlagern, weil die Antragstellerin zu 2) im Rahmen einer internationalen Kooperation an der P. Hochschule in New York eine Gastprofessur oder einen Lehrauftrag wahrnehmen und dies über einen längeren Zeitraum hinweg fortführen wird. Ein derartiges „Pendeln“ zwischen Berlin und einem stets identischen ausländischen Ort ist von § 5a Aufnahme VO-SbP nicht erfasst, weil Hochmobilität in diesem Sinne den Einsatz an jeweils wechselnden Orten im Ausland voraussetzt. Die für einen Auslandsaufenthalt erforderlichen englischen Sprachkenntnisse lassen sich – soweit es um jüngere Schülerinnen und Schüler geht - auch an anderen Schulen des Landes Berlin erwerben, so z.B. an der Staatlichen Europa-Schule Berlin gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 Aufnahme VO-SbP.
Unabhängig davon ist Hochmobilität auch sonst nicht glaubhaft gemacht. Zunächst ist festzuhalten, dass die Antragsteller trotz ihrer internationalen beruflichen Verbindungen vor der begehrten Aufnahme an der Nelson-Mandela-Schule nicht als hochmobile Familie gelebt haben. Sie haben sich seit der Geburt der Antragstellerin zu 1) im Jahr 2009 nur einmal – vor rund sieben Jahren – während eines Zeitraumes von ca. 11 Monaten (3/2014 bis 1/2015) gemeinsam im Ausland aufgehalten. Seitdem liegt der Lebensmittelpunkt der Familie in Berlin, wo die Antragstellerin zu 1) im Jahr 2015 eingeschult worden ist und die sechs Jahrgangsstufen umfassende Berliner Grundschule (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 4 SchulG) ohne Unterbrechung besucht hat. Dies galt auch während des zweijährigen Zeitraumes von August 2017 bis September 2019, in dem ihre Mutter, die Antragstellerin zu 2), vor ihrer Berufung als Professorin an eine deutsche Hochschule eine Professur im europäischen Ausland innehatte. Seit 2019 bzw. 2017 stehen die Antragstellerin zu 2) bzw. der Antragsteller zu 3) in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis als Hochschullehrer im Bundesgebiet an Hochschulen in N. bzw. M.
Soweit die Antragstellerin zu 2) plant, 2023/2024 mit ihrer Familie ein akademisches Jahr in den USA als visiting scholar an der P. Hochschule in New York zu verbringen, nach Berlin zurückzukehren und die Tätigkeit in den USA im Jahr 2026/2027 zu wiederholen, ist zumindest der zweite beabsichtigte Aufenthalt noch zu ungewiss, auch wenn die internationale Kooperation erwünscht und von der Antragstellerin zu 2) beabsichtigt ist. Hierbei ist vor allem auch zu berücksichtigen, dass es die Antragstellerin zu 2) als Hochschullehrerin an der Hochschule in N. - anders als etwa die Beschäftigten des Auswärtigen Amtes oder eines international operierenden Unternehmens – grundsätzlich selbst in der Hand hat, ob und in welchem Umfang sie internationale Kooperationen eingeht und diese umsetzt. Vor diesem Hintergrund reicht die – wenn auch von einer Professorin der P. Hochschule und dem Präsidenten der Hochschule N. unterstützte und gebilligte – Absichtserklärung nicht aus, die Kooperation solle nach einem ersten Aufenthalt in New York in regelmäßigen Abständen fortgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn man der Beschwerde zugesteht, dass eine internationale Forschungskooperation insoweit nicht mit Gepflogenheiten verglichen werden kann, die in Wirtschaftsunternehmen üblich sind. Jedenfalls ist die behauptete verbindliche Verpflichtung für 2026/2027, die die Antragstellerin zu 2) eingegangen sei, nicht glaubhaft gemacht. Aus dem Schreiben der Professorin G. ergibt sie sich jedenfalls nicht, wobei im Übrigen auch nicht erkennbar ist, ob diese für die Hochschule verbindliche Zusagen abgeben könnte.
Die weitere Rüge, § 5a Aufnahme VO-SbP sei jedenfalls insoweit nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 18 Abs. 3 SchulG gedeckt, als es – wie hier - um eine Aufnahme in die Jahrgangsstufe 7 gehe und § 5a Aufnahme VO-SbP das in § 56 SchulG normierte gesetzliche Übergangsverfahren derogiere, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Schon der Wortlaut des § 18 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 SchulG ermächtigt den Verordnungsgeber, von dem Berliner Schulgesetz abweichende Vorschriften über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung entsprechend dem besonderen pädagogischen oder organisatorischen Konzept der Schule zu erlassen. Dies ist hier in nicht zu beanstandender Weise dadurch geschehen, dass die im Einzelnen geregelte Aufnahme in die Staatlichen Internationalen Schulen aufgrund ihres besonderen pädagogischen Konzepts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 Aufnahme VO-SbP bereits in der Jahrgangsstufe 1 erfolgt. Dadurch bedarf es zwangsläufig keines (weiteren) Aufnahme- oder Übergangsverfahrens für den Übergang in die Sekundarstufe I gemäß § 56 SchulG. Die Aufnahme in eine bereits eingerichtete Klasse, wozu auch die Jahrgangsstufe 7 zählt, ist nur unter den Voraussetzungen des § 5a Abs. 9 Aufnahme VO-SbP möglich. Für ein Übergangsverfahren nach § 56 SchulG ist hingegen kein Raum mehr. Anders als bei Integrierten Sekundarschulen und Gymnasien, die erst mit der Jahrgangsstufe 7 beginnen, wird die Jahrgangsstufe 7 an den Internationalen Staatlichen Schulen nicht als neu einzurichtend angesehen, weil die Plätze mit den Schülerinnen und Schülern, die aus der Jahrgangsstufe 6 aufrücken, zu besetzen sind. Dies folgt – wie dargelegt - aus § 5a Abs. 1 Satz 1 Aufnahme VO-SbP, der das Aufnahmeverfahren für die gesamte Schule in die Jahrgangsstufe 1 verlagert und begrenzt.
Soweit die Beschwerde die alleinige Vergabe freier Plätze in bereits eingerichteten Klassen an Bewerberinnen und Bewerber aus hochmobilen Familien im Sinne von § 5a Abs. 9, Abs. 6 Aufnahme VO-SbP „in materieller Sicht“ für nicht gerechtfertigt hält, weil entgegen dem Zweck der Staatlichen Internationalen Schulen eine Durchmischung sesshafter und hochmobiler Bewerber nicht mehr gewährleistet sei, kann offen bleiben, ob darin überhaupt – anders als etwa bei einem behaupteten Eingriff in Grundrechte – eine subjektive Rechtsverletzung liegen könnte. Jedenfalls durfte der Verordnungsgeber im Rahmen des ihm von dem Gesetzgeber übertragenen pädagogisch-organisatorischen Gestaltungsspielraumes davon ausgehen, dass Plätze in bereits eingerichteten Klassen deshalb frei werden, weil vorrangig Schülerinnen und Schüler aus dem Kontingent der hochmobilen Familien Berlin verlassen, während das Kontingent dauerhaft in Berlin wohnender Schülerinnen und Schüler (§ 5a Abs. 5 Satz 1 VO-SbP) nur in Ausnahmefällen betroffen sein dürfte. Schon vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, entstehende Lücken allein mit Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Kontingent hochmobiler Familien zu füllen (vgl. dazu im Übrigen bereits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – OVG 3 S 85/20 - juris Rn. 3). Hinzu kommt, dass – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – Schülerinnen und Schüler aus hochmobilen Familien, die nach Berlin zuziehen und im Ausland bereits eine Schule besucht haben, die schwierige Platzsuche in einer für sie adäquaten Schule erleichtert werden soll (vgl. AbgH-Drs. 18/0969, Verordnung Nr. 18/096, Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung vom 9. März 2018, Vorlage an das Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnisnahme gemäß Art. 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin, Seite 10). Gleiches gilt in Bezug auf freizuhaltende Plätze in eingerichteten Klassen.
Schließlich bedarf es hier keiner empirischen Absicherung des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren organisatorisch-pädagogischen Gestaltungsspielraumes durch eine statistische Auswertung (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – OVG 3 S 85/20 - juris Rn. 3; Beschluss vom 9. Oktober 2020 – OVG 3 S 69/20 – juris Rn. 3).
Der Einwand der Beschwerde, es bestehe kein wirksames Konzept, wird nicht weiter erläutert. Im Übrigen ist die Nelson-Mandela-Schule als Schule besonderer pädagogischer Prägung aus einem langjährigen, erfolgreich abgeschlossenen Schulversuch hervorgegangen, § 18 Abs. 2 Satz 5 SchulG (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – OVG 3 S 69/20 - juris Rn. 5)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).