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Nutzungsuntersagung; Auslegung eines Verwaltungsakts; Betreutes Wohnen; freiheitsentziehender Maßregelvollzug; Vollzugslockerung; Beurlaubung; Probewohnen; bauplanungsrechtlicher Wohnbegriff; Freiwilligkeit des Aufenthalts; Abgrenzung zu Unterbringung; keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit; Anlage für soziale Zwecke; keine Verwirkung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 07.12.2021
Aktenzeichen OVG 10 B 20.19 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:1207.OVG10B20.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 63 StGB, § 64 StGB, § 67b Abs 1 StGB, § 67d Abs 2 S 1 StGB, § 67e Abs 1 S 1 StGB, § 451 Abs 1 StPO, § 455 Abs 3 StPO, § 462a Abs 1 StPO, § 463 Abs 1 StPO, § 109 Abs 1 StVollzG, § 138 Abs 3 StVollzG, § 78a Abs 1 S 2 GVG, § 3 Abs 4 BauNVO, § 5 Abs 2 Nr 7 BauNVO, § 73 Abs 3 S 1 BauO BB 2016, § 80 Abs 1 S 2 BauO BB 2016, § 36 Abs 3 S 1 PsychKG BB, § 36 Abs 5 PsychKG BB, § 39 Abs 1 PsychKG BB, § 39 Abs 4 PsychKG BB, § 39 Abs 5 S 1 PsychKG BB, § 50 Abs 1 PsychKG BB, Art 70 Abs 1 GG, Art 72 Abs 1 GG, Art 74 Abs 1 Nr 1 GG, § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 114 S 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO

Leitsatz

1. Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens umfasst nicht den Aufenthalt von Personen, die der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel (§§ 63 ff. StGB) unterliegen. Die „Unterbringung“ (hier nach § 63, § 64 StGB) schließt die Freiwilligkeit des Aufenthalts aus.

2. Dies gilt auch während einer auf landesrechtlicher Grundlage zum Zwecke des sog. Probewohnens gewährten Beurlaubung vom Maßregelvollzug (hier nach § 39 BbgPsychKG).

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Oktober 2019 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine bauordnungsrechtliche Untersagungsverfügung.

Der Kläger betreibt eine soziale Einrichtung für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Hierfür erteilte der Beklagte dem Kläger unter dem 21. Februar 2005 eine bestandskräftig gewordene Baugenehmigung zum Umbau einer ehemaligen Gaststätte zu einer sozialen Einrichtung („Betreutes Wohnen"). Laut der dem Bauantrag beigefügten Betriebsbeschreibung werden dort Menschen mit psychischer Behinderung aufgenommen, die akut keiner stationären Behandlung bedürfen, aber noch nicht in der Lage sind, ohne betreuende Umgebung und Hilfe zu leben.

Mit einem an das Grundsicherungsamt des Beklagten gerichteten Schreiben vom 15. Januar 2010 teilte der Vorsitzende des Klägers mit, dass nunmehr auch ein „Beschäftigungs- und Wohntraining für zeitweilig beurlaubte Patienten aus Kliniken für Forensische Psychiatrie“ angeboten werde, wobei die Anleitung und Kontrolle der rehabilitationspädagogischen Aktivitäten sowie Kostenübernahmen den jeweiligen Fachkliniken oblägen.

Mit Anhörungsschreiben vom 18. März 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er Kenntnis über eine Umnutzung von der sozialen Einrichtung „Betreutes Wohnen“ zu „Probewohnen für Menschen aus Kliniken der Forensischen Psychiatrie“ erlangt habe. Das Schreiben führt dazu aus, dass das sog. Probewohnen nach Ansicht des Beklagten keine Wohnnutzung sei und als Einrichtung des Maßregelvollzugs im allgemeinen Wohngebiet oder Dorfgebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig sei, auch nicht als Anlage für soziale oder gesundheitliche Zwecke. Insbesondere seien die Bewohner während des Probewohnens weiterhin im Maßregelvollzug untergebracht und könnten ihren Aufenthaltsort nicht frei wählen. Dies entspreche einer Anstalt des offenen Vollzugs, bei der es auch an der Freiwilligkeit des Aufenthaltes fehle.

Mit Ordnungsverfügung vom 6. Juli 2015 untersagte der Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung sodann die Nutzung des Gebäudes als Einrichtung für Menschen aus Kliniken der forensischen Psychiatrie und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an. Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2015 die Sachentscheidung des Ausgangsbescheides dahingehend klarstellend ab, dass die Nutzung des Gebäudes insoweit untersagt werde, „wie es zur Unterbringung von Personen, die dem freiheitsentziehenden Maßregelvollzug nach §§ 63 ff StGB unterliegen - insbesondere dem ‚Probewohnen für Menschen aus Kliniken der Forensischen Psychiatrie‘ - genutzt“ werde. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Die Begründung entspricht seinem wesentlichen Inhalt nach dem des Anhörungsschreibens.

Hiergegen hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) am 26. September 2015 Klage erhoben (VG 7 K 1406/15).

In dem parallel geführten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 12. November 2015 (VG 7 L 538/15) abgelehnt. Das sich hieran anschließende Beschwerdeverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf Antrag der Beteiligten im Hinblick auf seit Mitte 2016 andauernde außergerichtliche Vergleichsgespräche zwischenzeitlich ruhend gestellt und nach der Wiederaufnahme die Beschwerde mit Beschluss vom 6. Februar 2019 (OVG 10 S 62.18 [OVG 10 S 36.15]) zurückgewiesen.

Während des Ruhens des Eilverfahrens hat der Kläger bei dem Beklagten hinsichtlich der untersagten Nutzung eine Umnutzung der Einrichtung für betreutes Wohnen zu einer sonstigen sozialen Einrichtung beantragt. Dies hat der Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 2018 abgelehnt. Hierbei hat er ausweislich der Begründung des Bescheides auch die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB (i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 BauGB) geprüft, aber im Ergebnis als nicht erfüllt angesehen. Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens hat der Kläger auch hiergegen Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erhoben (VG 7 K 1329/19). Das Klageverfahren ist auf Antrag der Beteiligten ruhend gestellt worden.

Mit Urteil vom 29. Oktober 2019 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die im hiesigen Verfahren angefochtenen Bescheide aufgehoben. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bestünden zum einen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Nutzung der Gebäude zur Unterbringung von Personen, die dem freiheitsentziehenden Maßregelvollzug - ohne Beurlaubung - unterlägen. Zum anderen sei die Aufnahme von - beurlaubten - Personen des Maßregelvollzugs von der ursprünglich erteilten Baugenehmigung gedeckt. Bezüglich des streitigen Merkmals der Freiwilligkeit des Aufenthalts sei nicht allein eine formelle Betrachtungsweise dergestalt entscheidend, dass die Freiwilligkeit so lange nicht bestehe, wie die Unterbringungsanordnung nicht gerichtlich ausgesetzt oder aufgehoben sei. Vielmehr stelle die Beurlaubung nach § 39 des Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetzes (BbgPsychKG) die aus der Sicht der geschlossenen Unterbringung weitestgehende Lockerungsmaßnahme dar, welche die unmittelbare Kontrolle der „Untergebrachten" durch die Einrichtung vorübergehend vollständig aufhebe. Anders als im offenen Vollzug dürfe sich eine aus dem Maßregelvollzug beurlaubte Person frei bewegen, insbesondere hier den Hof nach Belieben verlassen.

Gegen das ihm am 18. November 2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16. Dezember 2019 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassene Berufung eingelegt.

Den im Anschluss an das erstinstanzliche Urteil gestellten Antrag des Klägers auf Abänderung der im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschlüsse hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Februar 2020 (OVG 10 S 2/20) auch unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung abgelehnt.

Der Beklagte macht zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen geltend:

Die angefochtene Entscheidung gehe zu Unrecht davon aus, dass Personen, die für die Dauer ihres Aufenthalts auf dem Hof vom Maßregelvollzug beurlaubt seien, dort im planungsrechtlichen Sinne „wohnen". In Bezug auf den entscheidungserheblichen Begriff der Freiwilligkeit des Wohnens könne hiervon solange keine Rede sein, wie die Unterbringungsanordnung der Bewohner nicht durch das Gericht ausgesetzt oder aufgehoben worden sei. Die angefochtene Entscheidung erkenne zutreffend an, dass die Unterbringungsanordnung trotz Urlaubs weiterbestehe. Es überzeuge aber nicht, wenn die erstinstanzliche Entscheidung an die Stelle dieser formalen Betrachtung eine inhaltliche Bewertung setze und meine, die Entscheidungsbefugnis des Untergebrachten in Bezug auf das Ob, Wo und Wie des teilweise mehrmonatigen Urlaubs spreche für einen selbstbestimmten freiwilligen Aufenthalt. Es überzeuge auch nicht, den bauplanungsrechtlichen Begriff der Freiwilligkeit mit dem Argument zu begründen, das Probewohnen sei ein wichtiger Aspekt der Wiedereingliederung und ein Prognoseinstrument. Die Beurlaubung stelle vielmehr eine Behandlungsmaßnahme dar, bei der die im Rechtssinne zu verstehende Freiwilligkeit in der Lebensführung Ziel, nicht Inhalt des Aufenthaltes auf Hof sei. Auf die Frage, ob und inwieweit die untergebrachte Person darin frei sei, einen Mietvertrag abzuschließen, komme es demnach nicht an. Der Sichtweise des Verwaltungsgerichts sei zudem entgegenzuhalten, dass die Beurlaubung keine frei verfügbare Erholungszeit darstelle.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Oktober 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und erwidert auf die Berufung des Beklagten wie folgt:

Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung sei rechtswidrig, da auch die vom Maßregelvollzug beurlaubten Betreuten im bauplanungsrechtlichen Sinne auf dem Hof wohnten. Weder die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung als Urlaub vom Maßregelvollzug noch die vom Kläger angebotenen Betreuungsleistungen stünden der Annahme eines freiwilligen Aufenthalts im planungsrechtlichen Sinne entgegen. Bei der Beurteilung des Merkmals der Freiwilligkeit sei nicht eine formelle Betrachtungsweise maßgeblich, vielmehr komme es auf den materiellen Gehalt der Beurlaubung vom Maßregelvollzug an. Entscheidend sei also nicht die formelle, rechtssystematische Einordnung des Urlaubsinstituts, sondern vielmehr die Einpassung seines materiellen Kerns in den Kontext des Bauplanungsrechts. Während des Urlaubs seien die Lockerungen so weitgehend, dass der Maßregelvollzug nicht mehr freiheitsentziehend sei. Der vom Maßregelvollzug Beurlaubte könne seinen Aufenthaltsort frei wählen, wobei offenbleiben könne, ob diese Freiheit am materiellen Gehalt des Grundrechts auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) zu messen sei. Hierin sei auch der wesentliche Unterschied zu Einrichtungen des offenen Vollzugs (sog. Freigängerhäuser) zu sehen, bei denen der Betroffene seinen Aufenthaltsort aufgrund fester Rückkehr- und Schließzeiten nicht frei wählen könne. Die tägliche Lebensführung werde vorliegend nur noch mittelbar mit den in § 39 BbgPsychKG vorgesehenen Auflagen und der Möglichkeit des Widerrufs der Beurlaubung durch den Maßregelvollzug gestaltet und kontrolliert, hier unter anderem durch den in der Regel vierzehntägigen Kontakt zur psychiatrischen Klinik und die Einbindung des Sozialpsychiatrischen Dienstes nach § 53 BbgPsychKG. Übersetzt in die Kategorien des Bauplanungsrechts bedeute dies, dass die Betroffenen freiwillig wohnen würden und nicht mehr unfreiwillig untergebracht seien.

Hinzu komme, dass in § 39 BbgPsychKG eine eigenständige Regelung zur Beurlaubung vom Maßregelvollzug getroffen sei, die selbständig neben die bundesrechtlichen Regelungen der §§ 63 ff. StGB trete. Aus dem Wortlaut und der Systematik von § 39 BbgPsychKG ergebe sich, dass der Urlaub mehr als eine bloße Vollzugslockerung sei und daher formell als eine Form der Vollstreckungsunterbrechung zu behandeln sei. Dies entspreche auch der Praxis des Landesamtes für Soziales und Versorgung (LASV) in Brandenburg. Mit § 39 BbgPsychKG habe das Land Brandenburg in zulässiger Weise von seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des Maßregelvollzugs Gebrauch gemacht und hierbei am Rande eine vorrangige Regelung geschaffen, die der konkurrierenden Kompetenz zur Regelung des Rechts der Vollstreckung (als Teil des Strafrechts nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 GG) unterfalle. Diese Regelung sei vorrangig, weil die im Vergleich zu §§ 63 ff. StGB deutlich differenziertere Regelung des § 39 BbgPsychKG das in der bundesgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommende Sicherheitsbedürfnis befriedige. Im Übrigen sei auch ein für verfassungswidrig gehaltenes Gesetz weiterhin anzuwenden, bis das Bundesverfassungsgericht es auf Vorlage für verfassungswidrig erklärt habe.

Unabhängig davon ergebe sich die zulässige Nutzungsform des Hofes auch aus seinem Nutzungsschwerpunkt. Denn dieser sei nach dem aktuellen Nutzungskonzept in der weit überwiegenden Mehrzahl (12 von maximal 16 Plätzen) von Personen bewohnt, die im Rahmen der Eingliederungshilfe betreut würden und keinerlei Bezug zum Maßregelvollzug hätten. Die vier für Beurlaubte des Maßregelvollzugs reservierten Plätze seien in der Vergangenheit auch selten voll ausgeschöpft worden.

Darüber hinaus sei die als soziale Einrichtung „Betreutes Wohnen“ genehmigte Einrichtung - ungeachtet der Nutzung als Wohnstätte - zumindest als Anlage für soziale Zwecke gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig. Insbesondere handele es sich nicht um eine Einrichtung des offenen Maßregelvollzugs (sog. Freigängerhaus).

Schließlich habe der Beklagte sein Recht auf Einschreiten auch verwirkt, weil ihm die Nutzung des Hofes seit über 15 Jahren bekannt gewesen sei und er dies hingenommen, geduldet und unterstützt habe. Darüber hinaus habe er positiv das Vertrauen des Klägers bestärkt, eine Nutzungsuntersagung werde nicht ergehen. So habe es zum Beispiel mehrfach Brandverhütungsschauen und Hygieneüberwachungen gegeben, auch habe er bestätigt, dass zur Abrechnung der Leistungen der Mietpreis für die Nutzung als Wohnung nach der Brandenburgischen Bauordnung angesetzt werden könne. Ergänzend seien weitere Treffen hinzugekommen, bei denen jeweils die Notwendigkeit der Einrichtung bekräftigt und deutlich der Wunsch geäußert worden sei, dass die Einrichtung erhalten und in ihrer Nutzung unterstützt werden solle (beispielsweise am 1. Juli 2016 und am 14. Februar 2018). Vor diesem Hintergrund dürfe der Kläger zurecht darauf vertrauen, dass die erlassene Nutzungsuntersagung nicht (mehr) vollzogen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die allesamt vorgelegen haben und deren Inhalt – soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat der als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO) zulässigen, aber unbegründeten Klage zu Unrecht stattgegeben, so dass das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen ist. Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 6. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Die formell rechtmäßige Ordnungsverfügung regelt in Gestalt des Widerspruchsbescheides eine Nutzungsuntersagung hinsichtlich der Aufnahme von Personen in die Einrichtung des Klägers, die einer freiheitsentziehenden Maßregel (§§ 63 ff. StGB) unterliegen, von deren Vollzug sie aber nach Landesrecht beurlaubt sind (sog. Probewohnen, zu diesem Begriff vgl. Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Auflage 2018, Rn. F 45, F 52).

Nicht von der Regelungswirkung der Nutzungsuntersagung umfasst ist hingegen die Durchführung des Maßregelvollzugs ohne Beurlaubung. Dies könnte man bei wortgetreuer Auslegung der im Widerspruchsbescheid enthaltenen Fassung der Sachentscheidung zwar annehmen. Danach wird „die Nutzung des Gebäudes … insoweit untersagt, wie es zur Unterbringung von Personen, die dem freiheitsentziehenden Maßregelvollzug nach §§ 63 ff. StGB unterliegen - insbesondere dem ‚Probewohnen für Menschen aus Kliniken der forensischen Psychiatrie‘ - genutzt wird“ (Hervorh. d. d. Senat). Um den Regelungsinhalt und -umfang eines Verwaltungsakts zu erkennen, ist indes vom Wortlaut des verfügenden Teils unter Zuhilfenahme der Begründung auszugehen. Dabei ist nicht an den Buchstaben zu haften, sondern auf den Willen der Behörde abzustellen, soweit dieser im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 76). Auslegungserheblich können auch die Umstände vor und beim Ergehen der behördlichen Maßnahme sein (Stelkens, a.a.O., Rn. 77). Hier war zwischen den Beteiligten stets klar, dass in der Einrichtung des Klägers allein die Aufnahme von beurlaubten Personen des Maßregelvollzugs praktiziert werden sollte. Dieses Vorhaben ergibt sich bereits aus dem Schreiben des Klägers vom 15. Januar 2010. Auch das der angefochtenen Ordnungsverfügung vorausgegangene Anhörungsschreiben vom 18. März 2015 geht allein von der Nutzung zum Zwecke des Probewohnens von Menschen aus Kliniken der forensischen Psychiatrie aus. Die entsprechenden Formulierungen finden sich in den angefochtenen Bescheiden wieder. So ist der Sachverhaltsdarstellung des Widerspruchsbescheides die Feststellung zu entnehmen, dass die Unterbringung im Rahmen des sog. Probewohnens von Menschen aus Kliniken der forensischen Psychiatrie erfolge.

II. Rechtsgrundlage für die so zu verstehende Nutzungsuntersagung war zunächst die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch geltende Regelung des § 73 Abs. 3 Satz 1 der Brandenburgischen Bauordnung vom 16. Juli 2003 (GVBl.I, S. 210) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 17. September 2008 (GVBl.I, S. 226), nachfolgend BbgBO 2003. An deren Stelle ist zum 1. Juli 2016 die Regelung des § 80 Abs. 1 Satz 2 der Brandenburgischen Bauordnung vom 19. Mai 2016 (GVBl.I, Nr. 14) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. November 2018 (GVBl.I, Nr. 39), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Februar 2021 (GVBl.I, Nr. 5), nachfolgend BbgBO 2016, getreten.

Die Anordnung einer Nutzungsuntersagung ist ein Dauerverwaltungsakt, welcher über das Gebot, die beanstandete Nutzung einmalig zu unterlassen, hinausgehend das dauerhafte Verbot enthält, diese Nutzung wiederaufzunehmen. Für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung kommt es nicht nur auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an, vielmehr ist deren Rechtmäßigkeit fortwährend zu kontrollieren, weshalb insoweit auch der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senats vom 2. Oktober 2018 - OVG 10 S 75.17 -, juris Rn. 4 m.w.N.; Urteil vom 8. November 2018 – OVG 2 B 4.17 –, juris Rn. 20).

Gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 BbgBO 2003 bzw. § 80 Abs. 1 Satz 2 BbgBO 2016 kann, wenn (bauliche) Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, diese Nutzung untersagt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats rechtfertigt bereits grundsätzlich die formelle Illegalität einer baulichen Anlage oder deren Nutzung eine Nutzungsuntersagung, also bereits der Umstand, dass eine Nutzung ohne eine erforderliche Genehmigung ausgeübt wird (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2020 - OVG 10 S 47/20 -, juris Rn. 12 m.w.N.). Ausgehend hiervon erweist sich die vorliegende Nutzungsuntersagung als materiell rechtmäßig.

1. Die hier allein in Rede stehende Nutzung der Einrichtung des Klägers zur Aufnahme von Personen, die dem Maßregelvollzug nach § 63 ff. StGB unterliegen, aber hiervon gemäß § 39 Abs. 1 BbgPsychKG beurlaubt sind, erfolgt im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Diese Nutzung ist formell illegal, denn sie stellt eine gemäß § 59 Abs. 1 BbgBO 2016 (§ 54 BbgBO 2003) genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar.

Eine Nutzungsänderung baulicher Anlagen im bauordnungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen), durch die Baugenehmigung dokumentierten Nutzung dergestalt unterscheidet, dass sie anderen oder weitergehenden bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterworfen ist oder unterworfen sein kann, also die der bisherigen Nutzung eigene, gewisse Variationsbreite verlassen wird und durch die Veränderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (stRsp., vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Mai 2016 – OVG 10 S 34.15 -, juris Rn. 4 m.w.N.; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, BauGB, Stand: 142. EL Mai 2021, § 29 Rn. 49 m.w.N. zur Rechtsprechung). Dies ist hier der Fall, weil das Probewohnen - entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts - nicht von der erteilten Baugenehmigung vom 21. Februar 2005 gedeckt ist.

a. Die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 21. Februar 2005 erlaubt die Nutzung als soziale Einrichtung „Betreutes Wohnen“.

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des erkennenden Senats gekennzeichnet durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts; diese Kriterien müssen diejenigen erfüllen, denen die Unterkunft als Heimstätte dient (BVerwG, Beschlüsse vom 25. März 1996 - BVerwG 4 B 302.95 -, juris Ls. 2 und Rn. 12, vom 20. Dezember 2016 - BVerwG 4 B 49.16 - juris Rn. 7, sowie Urteil vom 18. Oktober 2017 - BVerwG 4 C 5/16 -, juris Rn. 17; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senats vom 30. Mai 2016, a.a.O., m.w.N.). Diese Definition dient insbesondere auch der Abgrenzung von anderen Nutzungsformen, etwa der Unterbringung, des Verwahrens unter gleichzeitiger Betreuung, der bloßen Schlafstätte oder anderer Einrichtungen, die dann nicht als Wohngebäude, sondern als soziale Einrichtungen einzustufen sind (BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 25. März 2004 - BVerwG 4 B 15.04 -, juris Rn. 4). Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen; gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens "in den eigenen vier Wänden", die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist (BVerwG, Beschluss vom 25. März 2004, a.a.O.). Dabei erweitert § 3 Abs. 4 BauNVO den städtebaulichen Begriff des Wohnens auf Verhältnisse, in denen in einem Wohngebäude - wie wohl vorliegend - der Betreuungs- und Pflegezweck vorherrscht. Maßgeblich für das Erfüllen des Wohnbegriffs sind das Nutzungskonzept und seine grundsätzliche Verwirklichung (BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a.a.O.).

b. Die Aufnahme von aus dem Maßregelvollzug beurlaubten Personen in die Einrichtung des Klägers fällt nicht unter den Begriff des Wohnens in dem vorstehend wiedergegebenem Sinne. Der Senat hat hierzu im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits das Folgende festgestellt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Februar 2020 - OVG 10 S 2/20 -, juris Rn. 4 - 10):

„… Denn bei der untersagten Nutzung handelt es sich nicht um die mit der Baugenehmigung allein zugelassene Wohnnutzung. Vielmehr sprengt die Aufnahme von Personen aus dem Maßregelvollzug vor deren Entlassung in jedem Fall diese Nutzung. Das genehmigte „Wohnen“ im bauplanungsrechtlichen Sinne setzt u.a. die Freiwilligkeit des Aufenthalts voraus (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Februar 2019, a.a.O., BA S. 3). Bei einem Menschen, für den gerichtlich eine „Unterbringung“ nach § 63 StGB angeordnet ist, ist aufgrund dieser Rechtsstellung und solange dieser freiheitsentziehende Rechtsstatus andauert jede Freiwilligkeit seines Aufenthalts denklogisch ausgeschlossen. Rechtlich ist eine „Unterbringung“ das genaue Gegenteil von einem „freiwilligen“ Aufenthalt.

Im Beschluss vom 6. Februar 2019 hat der Senat bereits darauf hingewiesen (a.a.O., BA S. 8):

„Das Vollstreckungsrecht der Maßregeln ist in §§ 67 ff. StGB und §§ 449 ff. StPO bundesrechtlich geregelt, während Landesgesetze sich auf das Vollzugsrecht der Maßregeln beschränken (vgl. Trenckmann, in: Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Auflage 2018, Rn. L 1). Dementsprechend stellt eine Beurlaubung auf landesrechtlicher Grundlage nur die - aus Sicht der geschlossenen Unterbringung - weitestgehende Lockerung des Vollzugs der freiheitsentziehenden Maßregel dar. Dabei wird zwar die unmittelbare Kontrolle der untergebrachten Personen durch die Einrichtung für einen bestimmten Zeitraum, der sich über Wochen oder Monate erstrecken kann, vollständig aufgehoben. Das ändert jedoch nichts daran, dass eine solche Beurlaubung keine Vollstreckungsunterbrechung darstellt und es sich nicht um eine für die untergebrachten Personen frei verfügbare Erholungszeit handelt, während der sie tun und lassen können, was sie wollen (Pollähne, in: Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Auflage 2018, Rn. F 29 f. und F 43).

Es erscheint nicht fernliegend, auch in solchen Fällen der Frage, ob sich eine solche Nutzung der Einrichtung des Antragstellers ihrer Art nach mit der vorhandenen Wohnnutzung verträgt, durch genauere Prüfung in einem Baugenehmigungsverfahren nachzugehen, in dem u.a. die näheren Umstände dieser Nutzung und die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ihrer Gebietsverträglichkeit zu klären sind und möglicherweise auch zu berücksichtigen ist, dass die Maßregelvollstreckung nicht ausgesetzt oder für erledigt erklärt worden ist, was § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB ‚jederzeit‘ grundsätzlich ermöglicht. Indessen sind diese Fragen hier wegen des Überschreitens der Beschwerdebegründungsfrist (s.o.) nicht zu entscheiden.“

An der mit diesen Hinweisen verdeutlichten rechtlichen Bewertung ist - nunmehr entscheidungstragend - festzuhalten. Entscheidend ist die sowohl formell als auch materiell den Rechtsstatus der in Rede stehenden Personen allein bestimmende „Unterbringung“ nach § 63 StGB. Danach sind sie untergebracht, also unfrei, und damit in der Bestimmung ihres Aufenthalts gerade nicht frei. Personen, für die gerichtlich eine Maßregel nach § 63 StGB - und damit eine freiheitsentziehende Maßnahme - angeordnet ist, unterliegen auch dann, wenn sie der Leiter einer Vollzugseinrichtung auf landesrechtlicher Grundlage - hier: gemäß § 39 BbgPsychKG - beurlaubt hat, weiterhin und bundesrechtlich unverändert der freiheitsentziehenden Maßregelvollstreckung, sind also bauplanungsrechtlich als gerichtlich Untergebrachte und nicht als - in freier Selbstbestimmung - Wohnende anzusehen. Dies gilt solange, wie die gerichtlich angeordnete Unterbringung nicht zur Bewährung ausgesetzt (§ 67b Abs. 1 Satz 1, § 67d Abs. 2 StGB) oder unterbrochen (§ 455 Abs. 3 StPO) oder für erledigt erklärt (§ 67d Abs. 3, 5 und 6 StGB) oder die betreffende Person entlassen worden ist (§ 67d Abs. 4 StGB). Dabei kann das Vollstreckungsgericht „jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist“ (§ 67e Abs. 1 Satz 1 StGB, Herv. d. Senats). Der Landesgesetzgeber ist nur für den Vollzug zuständig, nicht aber für das Aussetzen, Unterbrechen oder Beenden der allein bundesrechtlich geregelten und gemäß Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG jedem Zugriff des Landesgesetzgebers entzogenen Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregel. Das Recht des Vollzugs regelt, wo und wie die Maßregel vollzogen wird, nicht aber dass sie vollzogen wird. Dem Landesgesetzgeber fehlt schon die Gesetzgebungszuständigkeit, um für eine nach Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehung anstelle der Regelung ihres Vollzugs ihre Beendigung oder Aussetzung bzw. Unterbrechung - und damit das genaue Gegenteil - vorzusehen.

Die Anordnung der Maßregel nach Bundesrecht ist nicht an einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Einrichtung gebunden, sondern eine personengebundene statusbegründende Entziehung der Freiheit, die nur durch die bundesrechtlich dafür vorgesehenen Organe und nur nach dem bundesrechtlich dafür vorgesehenen Verfahren „jederzeit“ (§ 67e Abs. 1 Satz 1 StGB) ausgesetzt oder beendet werden kann. Es würde diesen grundlegenden Unterschied von bundesrechtlicher Vollstreckung und bloßem landesrechtlichen Vollzug - und damit auch den vom Bundesgesetzgeber formell- und materiell-rechtlich festgelegten Unterschied zwischen der Freiheit und ihrer Entziehung - verwischen, wollte man den bundesrechtlich begründeten Status eines unfreien Menschen auf landesrechtlicher Grundlage ausgerechnet für bauplanungsrechtliche Zwecke als Status eines freien Menschen ansehen, d.h. die durch die Vollstreckung entzogene Freiheit bauplanungsrechtlich als durch die Vollzugslockerung der Beurlaubung wiederhergestellt betrachten.

Danach sieht der Senat auch unter Berücksichtigung des Abänderungsvorbringens und des von ihm in Bezug genommenen Urteils (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 29. Oktober 2019 - VG 7 K 1406/15 -) keinen rechtlich tragfähigen Ansatzpunkt für eine Aufweichung des Begriffs der Freiwilligkeit des Aufenthalts als eines der konstitutiven Elemente des „Wohnens“ im bauplanungsrechtlichen Sinne. Dieser Begriff kann nicht auf Menschen erstreckt werden, die weiterhin einem auf Bundesrecht beruhenden gerichtlichen Unterbringungsbefehl unterliegen und denen lediglich - auf Landesrecht beruhende - weitestgehende Erleichterungen des Vollzugs dieser fortdauernden - und damit auch weiterhin vollzogenen - „Unterbringung“ (§ 63 StGB) freiheitsentziehenden Charakters gewährt worden sind.“

An dieser Auffassung hält der Senat auch im Hinblick auf die im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente des Klägers fest. Der Kläger vermag nicht durchzudringen, soweit er im Rahmen der Berufungserwiderung unter anderem geltend macht, entsprechend den Wertungen der von ihm zitierten Rechtsprechung sei auch im Bauplanungsrecht für das Kriterium der Freiwilligkeit des Aufenthalts als Merkmal des bauplanungsrechtlichen Wohnbegriffs nicht die formelle, rechtssystematische Einordnung des Urlaubsinstituts entscheidend, sondern vielmehr die „Einpassung seines materiellen Kerns in den Kontext des Bauplanungsrechts.“

aa. Es überzeugt nicht, soweit der Kläger unter anderem mit Verweis auf die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschluss vom 3. März 2016 - 4 B 403/16 -, juris Rn. 19) meint, für die planungsrechtliche und städtebauliche Bewertung der Freiwilligkeit des Aufenthalts käme es nicht auf die öffentlich-rechtliche Grundlage oder Ausgestaltung des jeweiligen Aufenthaltes an. Gegenstand der zitierten Entscheidung ist zwar ebenfalls die Frage des Wohnens im bauplanungsrechtlichen Sinne unter dem Aspekt der Freiwilligkeit des Aufenthalts, dies aber in Bezug auf Asylbegehrende und Flüchtlinge, die einer Wohnverpflichtung nach dem Asylgesetz unterliegen.

Ungeachtet der Frage, ob der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes in der Sache zu folgen ist, sind die dort angestellten Erwägungen zur bauplanungsrechtlichen Bewertung der Beherbergung von Asylbewerbern auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Denn während der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel gelten rechtliche Rahmenbedingungen, die mit einer bloßen Wohnsitzauflage nicht vergleichbar sind und dazu führen, dass kein Raum für die durch den Kläger nahegelegte Wertung bleibt, nach welcher der Maßregelvollzug während der Beurlaubung nicht mehr freiheitsentziehend sei. Im Einzelnen stellt sich das Vollstreckungs- und Vollzugsregime wie folgt dar:

(1) An die durch das sachlich zuständige Landgericht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2, § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG) ausgesprochene Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel (§ 63, § 64 StGB) schließt sich das Vollstreckungsverfahren an. Die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung - d.h. das Ob und Wann ihrer Umsetzung - ist bundesrechtlich geregelt. Über die Generalverweisung in § 463 Abs. 1 StPO finden grundsätzlich die Vorschriften über die Strafvollstreckung sinngemäße Anwendung. Entsprechend § 451 Abs. 1 i.V.m. § 463 Abs. 1 StPO fallen alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der tatsächlichen Umsetzung der Freiheitsentziehung, also wann, wo und ggfls. in welcher Reihenfolge Maßregeln und Strafen zu vollziehen sind, primär in die sachliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Auflage 2018, Rn. L 55, L 59; vgl. auch Nestler, in: MüKo StPO, 1. Aufl. 2019, § 463, Rn. 4). Die Staatsanwaltschaft entscheidet insbesondere auch über eine Unterbrechung der laufenden Vollstreckung (§ 455 Abs. 3 i.V.m. § 463 Abs. 1 StPO). Die Aussetzung einer Unterbringung zur Bewährung (§ 67d Abs. 2 Satz 1 StGB) oder ihre Erklärung für erledigt (§ 67d Abs. 3 bis 6 StGB) bleibt hingegen der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten. Sachlich zuständig hierfür ist entsprechend § 462a Abs. 1, § 463 Abs. 1 StPO i.V.m. § 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GVG die Strafvollstreckungskammer. Diese entscheidet auch über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen (der Strafvollstreckungsbehörde) zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 109 Abs. 1, § 138 Abs. 3 StVollzG i.V.m. § 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG).

(2) Der Vollzug einer Unterbringung nach § 63, § 64 StGB - d.h. das Wie ihrer Umsetzung - ist bundesrechtlich in §§ 136 - 138 StVollzG geregelt, fällt aber seit 2006 nach Art. 70 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. Gerhold, in: BeckOK Strafvollzug Bund, Stand 1. August 2021, StVollzG Einleitung zum Vollzugsrecht Rn. 16 sowie Rn. 18 zur Fortgeltung gemäß Art. 125a Abs. 1 GG). Hiervon hat das Land Brandenburg mit den Regelungen im Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetz - BbgPsychKG) vom 5. Mai 2009 (GVBl.I, Nr. 6, S.134) Gebrauch gemacht (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b. BbgPsychKG).

Nach Brandenburgischem Landesrecht ist der Maßregelvollzug in den §§ 36 ff. BbgPsychKG geregelt und erfolgt in den im Vollstreckungsplan (§ 36 Abs. 2 BbgPsychKG) aufgenommenen psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten (§ 36 Abs. 3 Satz 1 BbgPsychKG). Die Verantwortung für die Maßregelvollzugseinrichtung trägt gemäß § 36 Abs. 5 Satz 1 BbgPsychKG die ärztliche Leitung, der auch die endgültige Entscheidung über die Gewährung sowie ggfls. den Widerruf von Vollzugslockerungen und Urlaub obliegt (§ 39 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 BbgPsychKG). Die Fachaufsicht über die Maßregelvollzugseinrichtungen übt das Landesamt für Soziales und Versorgung aus, das in dieser Eigenschaft unter anderem eine Begutachtung zur Überprüfung der Richtigkeit einer gewährten Vollzugslockerung anordnen kann (§ 43 Satz 1 Hs. 1 und 3 BbgPsychKG).

Innerhalb des sich hieraus ergebenden Vollzugsregimes bleibt die Stellung der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde unberührt. Dies wird nicht nur daran deutlich, dass die Maßregelvollzugseinrichtung nach § 39 Abs. 5 Satz 1 BbgPsychKG die Gewährung von Urlaub, Urlaubsauflagen und den Widerruf von Urlaub sowie die Verlegung in die offene Unterbringung der Vollstreckungsbehörde schriftlich anzeigen muss. Vor allem aber zeigt § 50 Abs. 1 BbgPsychKG, dass nach der Systematik des BbgPsychKG die Befugnisse der ärztlichen Leitung nicht auf die Vollstreckungsebene durchschlagen. Nach dieser Vorschrift trifft die Maßregelvollzugseinrichtung eine Pflicht, die Aussetzung einer Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung, die Erledigung der Maßregel oder die Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge gegenüber der Vollstreckungsbehörde anzuregen. Danach ist es der Staatsanwaltschaft vorbehalten, ein gerichtliches Überprüfungsverfahren gemäß § 67e StGB vor dem sachlich zuständigen Vollstreckungsgericht einzuleiten. Der Maßregelvollzugseinrichtung kommt dagegen kein eigenes Antragsrecht zu (vgl. Pollähne, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 67e Rn. 10). Entsprechendes gilt hier für das Landesamt für Soziales und Versorgung als Aufsichtsbehörde.

Dieses Regelungsgefüge, dem die untergebrachte Person auch während der Beurlaubung im Maßregelvollzug unterliegt, macht deutlich, dass für die Annahme des Klägers, der Maßregelvollzug stelle sich insoweit nicht mehr als Freiheitsentziehung dar, kein Raum gegeben ist.

bb. Soweit der Kläger zur Unterstützung seiner Argumentation ferner die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 15 B 11.1938 - juris) bemüht, spricht die in der Berufungserwiderung auszugsweise zitierte Aussage des Verwaltungsgerichtshofes, während des Urlaubs sei der Maßregelvollzug nicht „freiheitsentziehend“, bei näherer Betrachtung nicht für die Rechtsauffassung des Klägers. Die betreffende Passage lautet nämlich vollständig wiedergegeben wie folgt (BayVGH, a.a.O., juris Rn. 27):

„… Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich vom Maßregelvollzug Betroffene in der Einrichtung möglicherweise nur im Rahmen eines sogenannten „Probewohnens“ aufhalten. Insoweit ist zunächst grundsätzlich darauf zu verweisen, dass der angefochtene Bescheid nur die Nutzung im Rahmen des freiheitsentziehenden Maßregelvollzugs untersagt. Offene Vollzugsformen sind nicht betroffen. Der Beklagte vertritt hierzu die Auffassung, das „Probewohnen“ in der ... Einrichtung sei durch Art. 28 Abs. 2, Art. 22 UnterbrG als Beurlaubung gesetzlich geregelt. Das ist offensichtlich unzutreffend. Während des Urlaubs ist der Maßregelvollzug nicht „freiheitsentziehend“ und deshalb durch den angefochtenen Bescheid auch nicht untersagt. Auch die gerichtliche Praxis der Strafvollstreckungskammern sieht „Probewohnen“ nicht als Urlaub, sondern als freiheitsentziehenden Maßregelvollzug unter besonderen Bedingungen (vgl. etwa Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 3.8.2009 Az. StVK 158/2004: „geschlossene Einrichtung“).“

Die vom Kläger zitierte Passage findet sich in der dortigen Entscheidung im Kontext einer Abgrenzung des Probewohnens im Rahmen des Maßregelvollzugs zu einer Beurlaubung nach dem Bayerischen Unterbringungsgesetz, das (im Gegensatz zum BbgPsychKG) in der dort maßgeblichen Fassung nicht den Maßregelvollzug regelte (vgl. hierzu Art. 18 des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes in der aktuellen Fassung vom 17. Juli 2015 [GVBl S. 222] BayRS 312-3-A). Von daher ist der in dieser Entscheidung verwendete Begriff des „Urlaubs“ aufgrund landesrechtlicher Besonderheiten nicht synonym mit dem in § 39 BbgPsychKG geregelten Urlaub zu verstehen, der nach der Systematik des Gesetzes einen Fall der Lockerung des Vollzugs der Maßnahme i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 1 BbgPsychKG darstellt. Zudem stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes das Probewohnen nach dem dort maßgeblichen Landesrecht sehr wohl einen „freiheitsentziehenden Maßregelvollzug unter besonderen Bedingungen“ dar (BayVGH, a.a.O.).

cc. Nicht anderes lässt sich aus den vom Kläger zitierten sozialgerichtlichen Entscheidungen zu der Frage ableiten, ob Personen des Maßregelvollzugs Leistungen nach SGB II beanspruchen können, wenn sie sich im Rahmen einer Beurlaubung zum unbefristeten Probewohnen in der eigenen Wohnung aufhalten. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der in der Berufungserwiderung auszugsweise wiedergegebenen Auffassung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, „[d]as Probewohnen stell[e] nach Landesrecht keine Unterbringung im maßregelvollzugsrechtlichen Sinne und somit auch keine Vollzugslockerung im Sinne der BSG-Rechtsprechung dar“ (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. März 2015 - L 7 AS 1504/13 -, juris Rn. 26).

Für das hier allein maßgebliche Brandenburgische Landesrecht ist, wie dargestellt, nicht anzunehmen, dass eine Beurlaubung vom Maßregelvollzug auf die weiter andauernde Vollstreckung durchschlägt. Dies entspricht nicht nur der Trennung von bundesrechtlich geregelter Vollstreckung und landesrechtlich geregeltem Vollzug (vgl. Kammeier/Pollähne, a.a.O., Rn. F 30), sondern auch dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Das BbgPsychKG verwendet nämlich fortwährend den Begriff der „untergebrachten Person“, insbesondere im Regelungszusammenhang mit Vollzugslockerungen (§ 39 BbgPsychKG) und speziell hinsichtlich des Urlaubs vom Maßregelvollzug. So kann nach § 39 Abs. 4 BbgPsychKG die ärztliche Leitung die Gewährung einer Lockerung oder eines Urlaubs widerrufen, wenn die untergebrachte Person eine Auflage nicht erfüllt hat oder Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung der Lockerung oder des Urlaubs gerechtfertigt hätten. Das Gesetz betrachtet also den Betroffenen auch während der Lockerung bzw. hier des Urlaubs weiterhin als „untergebrachte Person“. Danach kommt es insofern nicht auf die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Klägers an, nach der § 39 BbgPsychKG gegenüber §§ 63 ff StGB vorrangiges Recht darstellen soll.

Des Weiteren gibt die in der Berufungserwiderung angeführte sozialgerichtliche Rechtsprechung für den vorliegenden Fall deshalb nichts her, weil es nach den dort maßgeblichen Vorgaben des materiellen (Sozial-)Rechts nicht um die hier relevante Freiwilligkeit des Aufenthalts geht. Der dort maßgebliche Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II knüpft vielmehr nur an den Aufenthalt selbst an, also einen tatsächlichen Umstand (BSG, Urteil vom 5. August 2021 - B 4 AS 26/20 R -, juris Rn. 22, die Berufungserwiderung zitiert noch die vorgehende Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen). Hierauf beschränkt sich auch die entscheidungserhebliche Aussage der angeführten Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, soweit es - wie vom Kläger auch zitiert - ausführt, „dass ein genehmigtes Probewohnen den zwingenden Aufenthalt in einer Vollzugseinrichtung aufgrund richterlichen Freiheitsentziehung aufhebt und den Untergebrachten aus der Obhut der Einrichtung im Hinblick auf die Sicherstellung der Unterkunft und des Lebensunterhalts entlässt“ (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O., juris Rn. 23). Bezugspunkt bei dieser Betrachtung ist die Maßregelvollzugseinrichtung, also auf den vorliegenden Fall übertragen die jeweilige Fachklinik, aus der die dort untergebrachten Personen in die Einrichtung des Klägers vermittelt werden. Vorliegend steht indes infrage, ob die Freiwilligkeit des Aufenthalts auf das Betreute Wohnen des Klägers bezieht. Insofern stellt sich hier eine über die sozialgerichtlichen Fälle hinausgehende, weiterführende Frage.

Aus sozialrechtlicher Perspektive erhellend und mit der Ansicht des Klägers kaum in Einklang zu bringen ist im Übrigen auch die in diesem Zusammenhang durch das Bundessozialgericht vorgenommene rechtliche Einordnung des Probewohnens. Danach „…ist das Probewohnen als Maßnahme der Lockerung Teil des Maßregelvollzugs und Bestandteil eines umfassenden Behandlungs- und Vollzugsplans; auch befand sich der Kläger weiterhin in einem sogenannten ‚besonderen Gewaltverhältnis‘ …“ (BSG, a.a.O.; zu dem - freilich überwundenen - Konzept des besonderen Gewaltverhältnisses im Strafvollzug vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1972 - 2 BvR 41/71 - juris Rn. 20 ff.).

dd. Schließlich dringt der Kläger auch nicht durch, soweit er zur Unterstützung seiner Auffassung auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 21. Juli 2016 - III-1 Vollz (Ws) 213/16 u.a. -) Bezug nimmt. Diese Entscheidung ist zu der Frage ergangen, ob die Kosten des Probewohnens in einer angemieteten Wohnung als notwendige Kosten des Maßregelvollzugs im Sinne von § 30 des Nordrhein-Westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes anzusehen sind. Hieraus lässt sich nicht der vom Kläger nahegelegte Schluss ziehen, dass eine Beurlaubung vom Maßregelvollzug materiell nicht mehr als Unterbringung zu bewerten sei und dies auch für das Bauplanungsrecht gelte. Für das Oberlandesgericht kam es - wie auch in den vorgenannten sozialrechtlichen Verfahren - entscheidend allein auf den tatsächlichen Umstand an, dass die Vollzugseinrichtung während des Probewohnens nicht mehr die Verantwortung für die Lebensführung des Untergebrachten übernommen habe (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 22). Der Annahme des Oberlandesgerichts, das Probewohnen sei deshalb als "eine zeitlich umschriebene und kontrollierte Freistellung aus dieser Unterbringung" anzusehen (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 23), kommt insofern keine Aussagekraft für die sich vorliegend stellende Rechtsfrage der Freiwilligkeit des Aufenthalts als Merkmal des bauplanungsrechtlichen Wohnbegriffs zu.

Gleichsam sei angemerkt, dass das Oberlandesgericht bei seiner Bewertung des dort anwendbaren Landesrechts die Fortdauer der Maßregelvollstreckung während des Probewohnens keinesfalls in Zweifel zieht. So führt das Oberlandesgericht unter anderem aus (a.a.O., juris Rn. 21):

„Das vorliegend gewährte Probewohnen in einer eigenen Wohnung stellt einen Unterfall der (nach dem Gesetz nicht befristeten) Möglichkeit der Beurlaubung dar, welche schon infolge der gesetzlichen Bezeichnung als Lockerung des Vollzuges für sich genommen gerade noch nicht etwa zu einer Aufhebung des Maßregelvollzugsverhältnisses führt. Die Vollstreckung der Maßregel wird mithin durch die Gewährung der Möglichkeit des Probewohnens weder aufgehoben noch unterbrochen.“

An anderer Stelle fährt das Oberlandesgericht - und zwar zum Zweck des Probewohnens - wie folgt fort (a.a.O., juris Rn. 26):

„Der vorgenannten Einordnung einer Dauerbeurlaubung [als "eine zeitlich umschriebene und kontrollierte Freistellung aus dieser Unterbringung"] steht in Übereinstimmung mit den Ausführungen im angefochtenen Beschluss auch nicht entgegen, dass die Dauerbeurlaubung in Form des Probewohnens therapeutischen Charakter haben sollte und dementsprechend auch therapeutisch begleitet wurde. Die Strafvollstreckungskammer hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Maßnahme des Probewohnens insoweit im Rahmen der Vorbereitung einer Bewährungsentscheidung eine Beurteilungsgrundlage zu der Frage schaffen soll, ob der Patient unter größtmöglicher Annäherung an allgemeine Lebens- und Arbeitsverhältnisse (schon) befähigt ist, ein in die Gesellschaft eingegliedertes Leben zu führen. Bezweckt ist mithin eine Überprüfung, ob die bisher erfolgte Behandlung bereits hinreichend erfolgreich war, das Ziel des Maßregelvollzuges im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 MRVG NRW zu erreichen. Dies stützt vielmehr die vorgenommene Einordnung des Probewohnens als vorübergehende Freistellung aus der Unterbringung.“

Diese Ausführungen zu Sinn und Zweck der Dauerbeurlaubung zum Probewohnen entsprechen der zutreffenden Einschätzung des Beklagten in der Berufungsschrift, nach welcher die im Rechtssinne zu verstehende Freiwilligkeit in der Lebensführung Ziel, nicht Inhalt des Aufenthaltes auf dem Hof sei. Für eine im Maßregelvollzug untergebrachte Person stellt es sich danach gleichsam als Obliegenheit dar, im Rahmen einer Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens - nach Einholung einer Genehmigung der ärztlichen Leitung der Vollzugseinrichtung (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 4 BbgPsychKG) - Tatsachen für eine günstige Sozialprognose zu schaffen, um eine Aussetzung zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB durch die Strafvollstreckungskammer zu erreichen. Solange kann - wie vom Bundesverwaltungsgericht für das Wohnen als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung als kennzeichnend erachtet - von einem selbstbestimmt geführten privaten Leben „in den eigenen vier Wänden“ (noch) keine Rede sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2004 - BVerfG 4 B 15.04 -, juris Rn. 4).

ee. An diesem Ergebnis nichts zu ändern vermag schließlich der Einwand des Klägers, dass angesichts der zahlenmäßigen Verteilung der Bewohner der Schwerpunkt der Nutzung zweifellos im Wohnen liege, weil mindestens drei Viertel der Bewohner (12 von maximal 16 Plätzen) im Rahmen der Eingliederungshilfe betreut würden und die vier für Beurlaubte des Maßregelvollzugs reservierten Plätze in der Vergangenheit selten voll ausgeschöpft gewesen seien. Diesbezüglich hat der Senat bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darauf hingewiesen, dass auch der geringe Umfang der wohnfremden Nutzung diese nicht zu einer von der Baugenehmigung erfassten Wohnnutzung macht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Februar 2020, a.a.O., juris Rn. 19).

2. Die angefochtene Ordnungsverfügung erweist sich auch als ermessensfehlerfrei.

Weil der Erlass einer Nutzungsuntersagung nach § 80 Abs. 1 Satz 2 BbgBO 2016 (bzw. § 73 Abs. 3 Satz 1 BbgBO 2003) der Regel entspricht (sog. intendiertes Ermessen), sind Ermessensfehler nur in atypischen Fällen denkbar, insbesondere wenn die Nutzung offensichtlich materiell legal ist, sich also derart aufdrängt, dass jegliche Prüfung von vornherein entbehrlich erscheint.

a. Gegen die angefochtene Nutzungsuntersagung kann der Kläger nicht eine bauplanungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Aufnahme von beurlaubten Personen des Maßregelvollzugs in seine Einrichtung einwenden, weil sich diese nicht aufdrängt.

An der nötigen Evidenz fehlt es bereits im Hinblick auf den parallel zum hiesigen Verfahren durch den Kläger geführten gerichtlichen Rechtsstreit um die vom Beklagten mit Bescheid vom 9. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2019 abgelehnte Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung seiner Einrichtung für betreutes Wohnen zu einer sonstigen sozialen Einrichtung.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzung für das Probewohnen insbesondere nicht offensichtlich aus § 5 Abs. 2 Nr. 7 Var. 4 BauNVO, wobei die Klärung des Gebietscharakters hier dahinstehen kann. Nach dieser Vorschrift sind in Dorfgebieten u.a. Anlagen für soziale Zwecke zulässig. Solche dienen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt. Es handele sich um Nutzungen, die auf Hilfe, Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen ausgerichtet seien. Als typische Beispiele würden Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, alte Menschen sowie andere Personengruppen angesehen, die (bzw. deren Eltern) ein besonderes soziales Angebot wahrnehmen wollen. Sie dienten - in der Formulierung des § 3 Abs. 3 BauNVO - den Bedürfnissen der die Einrichtung in Anspruch nehmenden Personen (BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2005 - BVerwG 4 B 33.05 -, juris Rn. 5).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für eine Anstalt des offenen Strafvollzugs (sog. Freigängerhaus) ist auch für die vorliegende Konstellation des Probewohnens anzunehmen, dass die vom Maßregelvollzug beurlaubten Personen sich nicht in die Einrichtung des Klägers begeben, um dort von einer sozialen Einrichtung zu profitieren (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 6). Wie der offene Strafvollzug stellt sich auch das Probewohnen unter Beurlaubung vom Maßregelvollzug nach § 39 Abs. 1 Satz 2 BbgPsychKG als eine Rehabilitationsmaßnahme dar, bei der - wie oben ausführlich dargestellt - der Vollzugscharakter nicht in Frage steht. Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht in der angeführten Entscheidung darauf abstellt, beim offenen Strafvollzug werde gerade während des Aufenthalts im „Freigängerhaus“ der weiter geltende Vollzugscharakter besonders deutlich, weil die Anstalt nicht frei verlassen werden dürfe. Dieser Aussage ist nicht zu entnehmen, dass der Straf- bzw. hier Maßregelvollzug stets ein (zeitweiliges) „Eingesperrtsein“ erfordert. Vielmehr weist das Bundesverwaltungsgericht nur auf einen Aspekt des offenen Strafvollzugs hin, bei dem die rechtlich uneingeschränkte Fortgeltung des Strafvollzugs tatsachlich sichtbar wird. Dass die Einrichtung des Beklagten jederzeit verlassen werden kann, stellt - wie bereits ausgeführt - den Maßregelvollzugscharakter des Probewohnens nicht in Frage (vgl. auch van Gemmeren, MüKo StGB, 4. Aufl. 2020, § 63 Rn. 80). Insofern führt auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang unter anderem zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften zitierte Rechtsprechung nicht weiter.

b. Die angefochtene Nutzungsuntersagung unterliegt schließlich auch nicht, wie der Kläger meint, der Verwirkung.

aa. Verwirkung ist ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung und bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juli 2018 - OVG 10 S 67.17 -, juris Rn. 11 m.w.N.).

bb. Nach diesem Maßstab liegt hier schon keine Vertrauensgrundlage vor.

(1) Dies gilt zum einen, soweit der Kläger einwendet, die Nutzungsuntersagung sei erst zehn Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung aus 2005 und fünf Jahre nach erneuter Anzeige des hier in Rede stehenden Nutzerkreises durch den Kläger ergangen. Ein vorangegangenes schlichtes Unterlassen oder selbst eine längere stillschweigende Duldung der baulichen Anlage durch die Bauaufsichtsbehörde bedeutet - auch bei einem jahrzehntelang andauernden baurechtswidrigen Zustand - keinen Verzicht auf ein bauaufsichtliches Einschreiten. Vielmehr muss ein Verhalten der Behörde hinzutreten, das bei dem Verpflichteten das berechtigte Vertrauen entstehen lässt, die Behörde werde aus überlegten Gründen von ihrer Befugnis keinen Gebrauch machen (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris Rn. 12 m.w.N.). Ein solches Verhalten ist insbesondere nicht aus der beanstandungslosen Durchführung von Brandverhütungsschauen sowie Hygieneüberwachungen zu entnehmen. Denn Prüfungsgegenstand dieser Untersuchungen waren nur sicherheits- bzw. bauordnungsrechtliche Aspekte, nicht aber die hier allein in Rede stehende bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Umnutzung. Dies betrifft auch das vom Kläger in diesem Zusammenhang erwähnte Schreiben vom 5. September 2011 über die Mitteilung eines Mietpreises für die Wohnnutzung.

(2) Nichts anderes ergibt sich zum anderen, soweit der Kläger geltend macht, er dürfe darauf vertrauen, dass die Nutzungsuntersagung nicht (mehr) vollzogen werde, weil der Beklagte nach deren Erlass die Nutzung der Einrichtung in der bestehenden Form weiterhin geduldet und außergerichtliche Einigungsversuche unternommen habe sowie weitere Treffen zwischen den Beteiligten in den letzten Jahren hinzugekommen seien, bei denen jeweils die Notwendigkeit der Einrichtung bekräftigt und deutlich der Wunsch geäußert worden sei, dass die Einrichtung erhalten und in ihrer Nutzung unterstützt werden sollte. Während dieses Zeitraums waren die Beteiligten durchgehend im (gerichtlichen) Streit über die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung. Aus den bloßen Bemühungen um eine gütliche Einigung lässt sich eine Vertrauensgrundlage nicht herleiten. Dass der Beklagte die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen wollte, sondern im Hinblick auf die Zulässigkeit der untersagten Nutzung weitere Schritte für notwendig erachtete, ergibt sich zudem aus dem eigenen Vortrag des Klägers, wonach Mitarbeiter des Beklagten während vor-Ort-Gesprächen geäußert hätten, die Arbeit des Klägers solle auf eine „verlässliche rechtliche Grundlage gestellt“ bzw. „dauerhaft gesichert“ werden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.