Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 03.08.2021 | |
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Aktenzeichen | 7 Sa 352/21 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0803.7SA352.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 15 AGG, § 612a BGB |
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin
vom 27. Januar 2021 - 55 Ca 2554/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung.
Die Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage eines auf zwei Jahre sachgrundlos bis zum 31.12.2019 befristeten Arbeitsvertrages in dem Projekt „Mobile Bildungsberatung für geflüchtete Frauen“ in Teilzeit zu einem Bruttomonatsverdienst von 2.305,12 Euro in Anlehnung an den TV-L tätig. Während ihrer Beschäftigungszeit engagierte sich die Klägerin in einer Tarifkampagne von ver.di „Für die gute Sache! Aber zu welchem Preis?“.
Das Projekt „Mobile Bildungsberatung für geflüchtete Frauen“ war mit Mittel des Landes Berlin finanziert und auf den 31.12.2019 befristet. Die Beklagte beantragte keine Verlängerung der Finanzierung und ließ das Projekt mit dem 31.12.2019 auslaufen. Nachdem die Klägerin in einem Gespräch vom 30.09.2019 darauf hingewiesen wurde, dass ihr Arbeitsverhältnis mit Fristablauf enden werde, machte sie mit einem Schreiben ihrer Gewerkschaft vom 28.11.2019 Entschädigungsansprüche in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern mit der Begründung geltend, die Nichtverlängerung erfolge aufgrund der gewerkschaftlichen Betätigung bei der Beklagten. Auf andere freie Stellen bei der Beklagten bewarb sich die Klägerin nicht.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 28.02.2020 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin diesen Entschädigungsanspruch mit der Begründung gerichtlich weiter, die Nichtverlängerung des Arbeitsvertrages verstoße gegen das Maßregelungsverbot, weil die Beklagte das Projekt allein deshalb nicht fortgeführt habe, weil sie und zwei weitere Mitarbeiterinnen sich in der Tarifkampagne von ver.di engagiert hätten. Die Beklagte habe ursprünglich vorgehabt, das Projekt in 2020 fortzuführen. Sie habe dies dann allein aus sachwidrigen und willkürlichen Gründen nicht getan, um die Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigen zu müssen, die sich gewerkschaftlich engagiert hätten.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.01.2021, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Entschädigungsanspruch analog § 15 AGG sei nicht gegeben. Die Beklagte habe nicht gegen das Maßregelungsverbot in § 612 a BGB verstoßen. Unstreitig sei das Projekt bis zum 31.12.2019 befristet gewesen und nicht verlängert worden. Damit sei zugleich die Möglichkeit der weiteren Beschäftigung aller sechs für dieses Projekt und dessen Dauer befristet eingestellten Mitarbeiter, einschließlich der Klägerin, entfallen. Soweit die Klägerin Behauptungen aufstelle, die indizieren sollten, dass die gewerkschaftliche Tätigkeit von ihr und zwei anderen Mitgliedern der Gruppe Grund und Anlass der von der Beklagten unterlassenen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei, erschöpfe sich ihr Vorbringen in pauschalen und unsubstantiierten Behauptungen, die einer Beweisaufnahme nicht zugänglich seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägerin am 05.02.2021 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 03.03.2021 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 05.05.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin und Berufungsklägerin behauptet unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens auch in der Berufungsinstanz, die Beklagte habe mit der Nichtverlängerung ihres Arbeitsvertrages gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoßen, weil sie den Arbeitsvertrag wegen der gewerkschaftlichen Tätigkeit der Klägerin nicht verlängert habe. Aus Äußerungen der Projektleiterin bzw. der Bereichsleiterin ergebe sich, dass sich die Beklagte nur aus dem Grund geweigert habe, auch für das Jahr 2020 einen Antrag auf die Fortführung des Projekts „MoBiBe“ zu stellen, weil sich drei Mitarbeiterinnen des Projekts für die ver.di-Tarifkampagne engagiert hätten und diese Kampagne auch in den Betrieb der Beklagten hineingetragen hätten. So habe u.a. die Projektleiterin in einem Gespräch am 15.08.2019 gesagt, die Geschäftsführerin hätte sich in ihrem Beisein dahingehend geäußert, „Wenn drei Personen nicht mit der Kampagne aufhören, verlängern wir ihre Verträge nicht“. Dabei habe sie auf Nachfrage auch den Namen der Klägerin genannt. Auch habe die Projektleiterin ihr gegenüber erklärt, sie komme für eine Projektleitungsstelle nicht in Betracht, weil ihr „die Loyalität gegenüber der Geschäftsleitung fehlt“. Noch am 11.09.2019 habe die Projektleiterin abgestritten, dass ihre Verträge zum Ende des Jahres auslaufen sollten, es sei dann auch noch über eine Verlängerung des Projekts gesprochen worden. In dem Einzelgespräch am 30.09.2019 sei es dann darum gegangen, dass es ein neues Anforderungsprofil für die Beratenden geben solle, das die Klägerin aber nicht erfüllen könne, so dass ihr Vertrag auslaufen werden. Zwei Beraterinnen sei eine Vertragsverlängerung angeboten worden. Am 04.11.2019 sei dann den Mitarbeitern eröffnet worden, dass die Beklagte das Projekt nicht weiterführen werde. Diese Entscheidung sei damit begründet worden, es gebe zu hohe Krankheitszeiten und das Team sei kein „kraftvolles“ Team sei.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.01.2021 - 55 Ca 2554/20 - teilweise abzuändern:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 6.915,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte hält den Anspruch der Klägerin für nicht gegeben. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liege nicht vor. Die Geschäftsführerin der Beklagten habe zu keinem Zeitpunkt die von der Klägerin wiedergegebene Äußerung getätigt. Auch die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Äußerungen seien nicht zutreffend. Die Beklagte habe nicht die Absicht gehabt, sich über das Projektende hinaus an einer Neuausschreibung zu beteiligen. Aufgrund geänderter Ausschreibungsbedingungen und des geänderten Anforderungsprofils habe sie die unternehmerische Entscheidung getroffen, sich nicht an der Projektausschreibung in diesem Bereich zu beteiligen. Dementsprechend seien die Arbeitsverträge mit Beendigung des Projekts ausgelaufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 05.05.2021 (Bl. 83 - 102 d. A.) sowie vom 28.07.2021 (Bl. 136 - 161 d. A.) sowie auf denjenigen der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 18.06.2021 (Bl. 116 - 121 d. A.) Bezug genommen.
1. Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Klägerin ist daher zulässig.
2. Die Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung.
2.1 Zunächst ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus § 15 Abs. 2 AGG ableiten lässt. Diese Vorschrift greift bereits deshalb nicht ein, weil die Klägerin nicht „wegen“ ihrer Weltanschauung benachteiligt worden ist.
2.1.1 Gem. 3 § Abs. 1 Satz1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss Eine Benachteiligung durch Unterlassen kommt in Betracht, wenn ein Arbeitgeber ein befristetes Arbeitsverhältnis wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nicht verlängert. Dabei reicht es nach § 3 Abs. 1 S. 1 letzte Alternative AGG aus, dass der Benachteiligte eine schlechtere Behandlung erfährt, als sie eine andere Person in einer vergleichbaren Lage erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung kann also auch in Betracht kommen, wenn es an konkreten Personen in einer vergleichbaren Lage mangelt (vgl. BAG vom 20.06.2013 - 8 AZR 482/12 - NZA 2014 S. 21 Rz. 34).
Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG voraus. Ein solcher Verstoß liegt nicht schon dann vor, wenn der Betroffene eine ungünstigere Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, vielmehr ist zudem erforderlich, dass die ungünstige Behandlung wegen eines Grundes im Sinne von § 1 AGG erfolgt (vgl. z. B. BAG vom 18.05.2017 - 8 AZR 74/16 - BAGE 159, 159 - 191 Rz. 78).
2.1.2 Die Klägerin hat keine Indizien für eine Vermutung vorgetragen, sie sei wegen eines der in § 1 AGG genannten verpönten Merkmale von der Beklagten benachteiligt worden.
Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte - wie von der Klägerin behauptet - eine Verlängerung des Projektes nicht beantragt hat, weil sich die Klägerin ebenso wie zwei weitere Mitarbeiterinnen gewerkschaftlich engagiert haben. Auch kann schon in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob in einem solchen Fall überhaupt eine Benachteiligung vorliegen kann. Denn im Ergebnis steht die Klägerin nicht schlechter als jemand, der sich nicht gewerkschaftlich betätigt hätte. Dessen Arbeitsvertrag hätte mit Ablauf der Befristung ebenfalls mit dem 31.12.2019 geendet, weil das Projekt geendet hatte.
Jedenfalls ist der Vortrag der Klägerin schon nicht geeignet, eine Benachteiligung wegen ihrer Weltanschauung zu begründen. Die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di und die Betätigung für den Abschluss von Tarifverträgen ist keine „Weltanschauung“ im Sinne von § 1 AGG.
2.2 Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Entschädigung ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 612 a BGB i. V. m. §§ 249 ff. BGB.
2.2.1 Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dabei kann eine Rechtsausübung in diesem Sinn nicht nur in der Geltendmachung von Ansprüchen bestehen, sondern auch in der Wahrnehmung sonstiger Rechtspositionen. Von § 612 a BGB wird auch die Ausübung von Grundrechten erfasst, soweit sie im Verhältnis zum Arbeitgeber rechtserheblich sind. Dazu gehören insbesondere auch das von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GG gewährleistete Betätigungsfreiheit (vgl. BAG, 21.09.2011 - 7 AZR 150/10 - Rz. 33).
Das Maßregelungsverbot ist nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG, 21.09.2011 - 7 AZR 150/10 - Rz. 35).
2.2.2 Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin eine Benachteiligung im obigen Sinne wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung nicht dargetan. Denn zwischen der behaupteten Benachteiligung und der Rechtsausübung bestand kein unmittelbarer Zusammenhang. Die Klägerin trägt selbst vor, die Beklagte habe es wegen der gewerkschaftlichen Betätigung unterlassen, für das Projekt, in dem sie beschäftigt war, über den Fristablauf hinaus weitere Fördermittel zu beantragen. Die Nichtbeantragung solcher Fördermittel, die dann dazu führt, dass bei der Beklagten das Projekt nicht mehr durchgeführt wird, stellt indes nicht die oben beschriebene Maßregelung dar. Es steht der Beklagten im Rahmen ihrer nach Art. 12, 14 GG geschützten unternehmerischen Freiheit fei, zu entscheiden, ob sie Projekte nach Ablauf der Finanzierung weiterführen will bzw. ob sie sich auf die Weiterführung entsprechender Projekte bewirbt. Die Nichtverlängerung des Vertrages der Klägerin erfolgte dann aber nicht wegen der gewerkschaftlichen Betätigung der Klägerin, sondern wegen der Beendigung des Projekts. Die Beklagte hätte diesen Vertrag - wegen Beendigung des Projekts -auch dann nicht verlängert, wenn die Klägerin sich gewerkschaftlich nicht betätigt hätte. Damit hat die Klägerin nicht wegen ihrer Gewerkschaftsbetätigung keine Vertragsverlängerung erhalten, sondern weil das Projekt bei der Beklagten ausgelaufen ist. Auf andere Stellen bei der Beklagten, die zum damaligen Zeitpunkt ausgeschrieben waren, hat sich die Klägerin nicht beworben.
2.2.3 Aber auch wenn - der Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt - von einer Maßregelung im Sinne von § 612 a BGB auszugehen wäre, fehlt es für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch an einer Anspruchsgrundlage. Rechtsfolge einer Maßregelung im Zusammenhang mit der Nichtverlängerung eines Arbeitsvertrages ist ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 249 ff. BGB. Damit scheiden Entschädigungsansprüche der Klägerin aus. Denn nach § 253 Abs. 1 BGB kann eine Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung ist in § 612 a BGB nicht bestimmt. Die Fallkonstellation in § 253 Abs. 2 BGB, wonach wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist und dann auch für Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden kann, sind hier unzweifelhaft nicht gegeben.
Soweit die Klägerin § 15 Abs. 2 AGG analog heranziehen will, ist für eine Analogie im Hinblick auf die eindeutige Regelung in § 253 Abs. 1 BGB kein Raum.
3. Aus diesen Gründen sind Ansprüche der Klägerin nicht gegeben. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen, mit der Folge, dass sie gem. § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.
Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.