Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 17.11.2021 | |
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Aktenzeichen | 11 U 99/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1117.11U99.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.04.2021 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 14 O 2/20 - wird gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 185.000,00 € festgesetzt.
I.
Die Berufung ist durch einstimmig gefassten Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht im Wege des Teil- und Grundurteils zur teilweisen Zahlung von Schadensersatz verurteilt und die Haftung der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 19.09.2014, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind, für dem Grunde nach gerechtfertigt gehalten. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Senats im gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO ergangenen Hinweisbeschluss vom 11.10.2021 Bezug genommen.
Die gegen die Ausführungen im Hinweisbeschluss vorgebrachten Einwände der Beklagten aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 01.11.2021 führen zu keinem anderen Ergebnis.
1.1 Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte gegen die vom Senat verneinte Möglichkeit der Exkulpation gem. § 833 S. 2 BGB. Der von der Beklagten vorgebrachte Umstand, dass das Pferd „...“ den Weg vom Stall zum Außenreitplatz gekannt habe und auch Geräusche gewohnt gewesen sei, ändert nichts daran, dass die Vorgehensweise der Beklagten gegenüber der auf „...“ befindlichen Klägerin, die eine absolute Reitanfängerin war, jedenfalls als sorgfaltswidrig anzusehen ist. Auch geräuschgewohnte Pferde bleiben Fluchttiere und können ohne Weiteres so reagieren, wie das Pferd „...“, als es vom Nebengrundstück ein Laubrascheln wahrgenommen hat. Diese Annahme wird – entgegen der Ausführungen im nachgelassenen Schriftsatz – auch von den Aussagen des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen ... gestützt. Auf S. 6 seines Gutachtens vom 26.02.2020 (GA II 389) hat der Sachverständige die Bedeutung von Umwelteinflüssen auf das Pferdeverhalten in jeder Hinsicht plausibel beschrieben. Auch für den Senat ist es danach überzeugend, dass sich Pferde - und so auch das Pferd „...“, das hier selbst nach den Beschreibungen der Beklagten im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Landgericht am 15.03.2018 (GA II 181) auf die Laubgeräusche aufgeschreckt reagiert hat - in ruhiger Umgebung weniger flucht- und reaktionsanfällig sind, als in einer Umgebung, in der sie wie hier Laubgeräuschen ausgesetzt sind.
Dass der Sachverständige das Verhalten des Pferdes „...“ in der konkreten Situation unter Verwendung eines Führstricks oder eine Führkette retrospektiv nicht sicher prognostizieren kann, liegt auf der Hand. Darauf hatte der Senat bereits im Hinweisbeschluss abgestellt. Dementsprechend ist nicht nachvollziehbar, welche Konkretisierung die Beklagte hier vom Sachverständigen ... erwartet hätte oder vermisst. Maßgeblich ist auch für den Senat, dass der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat, dass durch die Verwendung von Führstrick, Führkette oder Longe ein Durchgehen – womit offensichtlich die hier erfolgte Reaktion des Pferdes gemeint ist – mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ hätte verhindert werden können (vgl. S. 6 des Gutachtens vom 26.02.2020; GA II 389). Insoweit kommt es entgegen der Annahme der Berufung nicht darauf an, dass die Beklagte, wenn sie einen Führstrick oder eine Führkette verwendet hätte, das Pferd „...“ im Sprungansatz hätte „festhalten“ können. Entscheidend ist gerade die Sicherheit und Führung durch den Menschen für das Pferd, die durch den Führstrick bzw. die Führkette vermittelt wird. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ist insoweit nicht geboten.
1.2 Der Senat hält auch hinsichtlich des vom Landgericht zugesprochenen Verdienstausfalls an der im Hinweisbeschluss geäußerten Rechtsauffassung fest.
1.2.1 Die von der Beklagten vorgetragenen Grundsätze zur Verteilung der zivilprozessualen Darlegungs- und Beweislast werden auch vom Senat geteilt. Zutreffend weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Substanziierungslast einzelfallabhängig vom jeweiligen Parteivortrag ist. Mit Blick darauf verbleibt der Senat dabei, dass es hier der Beklagten oblegen hat, den durch Vorlage von Unterlagen substanziierten Vortrag der Klägerin zu ihrem Verdienst gleichermaßen substanziiert zu bestreiten. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Klägerin aufgrund der Nebenabrede zur Änderungsvereinbarung vom 24.01.2014 (GA I 76) durch die Charité ein jährliches Bruttogehalt von mindestens 100.000 € zugesagt worden war. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die 1. Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag der Klägerin vom 12.02.2021 an, denn insoweit handelt es sich bei der von der Klägerin angenommenen Zusage der Charité gerade um eine Nebenabrede zu eben jener Änderungsvereinbarung. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich nach wie vor nicht entnehmen, was sie in diesem Zusammenhang bestreiten will. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss (S. 13 f.) kann daher verwiesen werden.
1.2.2 Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im nachgelassenen Schriftsatz am unfallkausalen Zeitraum zur Arbeitsunfähigkeit, für den das Landgericht einen materiellen Schadensersatzanspruch zu Recht zuerkannt hat, fest. Der Beklagten ist insoweit zuzugeben, dass weder das Landgericht noch der Senat dieses Gutachten gem. § 411a ZPO im zugrundeliegenden Zivilprozess „verwertet“ haben. Vielmehr hat der Senat den dahingehenden Vortrag aus dem vorgenannten Gutachten als substanziierten Parteivortrag der Klägerin gewertet und ausdrücklich im Hinweisbeschluss vom 11.10.2021 zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit durch das Gutachten und die ärztlichen Bescheinigungen substanziiert und die Beklagte erhebliche Einwände hiergegen auch im Schriftsatz vom 23.02.2021 (GA III 552) nicht vorgebracht hat.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Zeitraum vom 19.09.2014 bis zum 17.03.2016 infolge des Unfalls arbeitsunfähig war. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte die Richtigkeit der AU-Bescheinigungen und auch den Umstand, dass bei der Klägerin eine kausale psychische Erkrankung vorliege, bestritten hat. Dieses Bestreiten war indessen prozessual unbeachtlich, worauf auch das Landgericht im Ergebnis zutreffend abgestellt hat.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, hat die erklärungsbelastete Partei – soll ihr Vortrag beachtlich sein – auf die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich „substanziiert“, d.h. mit näheren positiven Angaben, zu erwidern. Ein substanziiertes Vorbringen kann grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden (BGH, Urt. v. 21.07.2020 – II ZR 175/19, NZG 2020, 1149 Rn. 15).
b) Die Klägerin hat ihre unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit im vom Landgericht zugrunde gelegten Zeitraum durch Vorlage von AU-Bescheinigungen der Ärztin Dr. ... v. 29.02.2016 (GA I 64), die den geltend gemachten Zeitraum belegen und durch das zur Akte gereichte und für das Sozialgericht Berlin erstellte psychiatrisch-neurologische Gutachten vom 29.03.2017 (GA III 465) des Facharztes ... ... substanziiert. Sie hat das Gutachten vorgelegt und sich hierauf in prozessual zulässiger Weise bezogen. Aus diesem Gutachten ergibt sich nach entsprechender Anamnese und Begründung durch den Sachverständigen ..., dass die Klägerin seit dem Unfall in ihrer sozialen Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit schwer beeinträchtigt ist (GA 478). Der Gutachter ... hat die Klägerin ausweislich der eigenen Angaben auf S. 1 des Gutachtens untersucht und sowohl die Akten des SG Berlin (S 125 SB 5327/15) als auch die Akten des LaGeSo (D 053782469) zum Gegenstand seiner Begutachtung gemacht. Sodann beschreibt der Gutachter ... detailliert, die anamnestische Situation der Klägerin, einschließlich der Vorgeschichte, die sich aus den Akten und dem Gespräch ergeben habe. Insbesondere hat der Gutachter hierbei auch die ambulanten nervenärztlichen Behandlungen berücksichtigt und maßgeblich auf den schweren Reitunfall der Klägerin im Jahr 2014 und die daraufhin erfolgten Operationen sowie die mehrjährigen Rehabilitationsmaßnahmen und den weiteren Behandlungsverlauf abgestellt (GA III 466, 467). Nach der insgesamt sehr ausführlichen und jeweils einzeln begründeten Anamnese hat der Gutachter sodann eingehend im Rahmen des psychischen Befundes (GA III 475), aus den von ihm gestellten Diagnosen (GA III 476) ebenso eingehend die Schlussfolgerungen gezogen (GA III 476 ff.), die der Klägerin im Ergebnis schwere psychische Störungen, verbunden mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten bescheinigen, bei denen festzustellen sei, die sich auf ihren Beruf auswirken, denen eine langjährige schwere Krankheitsentwicklung vorausgegangen sei (GA III 478). Auf die Ausführungen im psychiatrisch-neurologische Gutachten vom 29.03.2017 (GA III 465 ff.) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug.
Eine weitere Substanziierung ist erstinstanzlich dadurch erfolgt, dass die Klägerin Nachweise über die Bescheinigung von Krankentagegeld bis zum 17.03.2016 vorgelegt hat (Anlagen K 15 – K 17; GA I 77 ff.).
c) Die Berufung zeigt nicht in rechtlich erheblicher Weise auf, dass und weshalb die Angaben des Gutachters ... im sozialgerichtlichen Verfahren hierzu unzutreffend sein sollen oder die AU-Bescheinigungen der Dr. ... v. 29.02.2016 (GA I 64) falsch sein sollten. Auch legt die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht etwa dar, dass die Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitpunkt ihrer Arbeit tatsächlich nachgegangen ist und dementsprechend den mit ihrem Arbeitgeber vereinbarten Arbeitslohn anstatt des dargelegten Krankentagegeldes bezogen hat. Hierzu im Einzelnen:
Im Schriftsatz vom 09.02.2021 hat die Beklagte die gesamte berufliche, soziale und familiäre Anamnese der Klägerin pauschal und offensichtlich ins Blaue hinein bestritten. Auch aus dem Schriftsatz vom 23.02.2021, auf den die Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz erneut abstellt und in dem sich zumindest einige inhaltliche Punkte finden, folgt im Ergebnis nichts anderes.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt ist nämlich ein allein auf Vermutungen gestützter Sachvortrag einer Partei dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (vgl. BGH, Urt. v. 25.04.1995 - VI ZR 178/94, juris Rn. 13; v. 24.06.2014 - VI ZR 560/13, ZIP 2014, 1635 Rn. 36; v. 18.05.2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 20; VI ZR 128/20, juris, Rn. 22) unbeachtlich.
bb) Im Streitfall hat die Beklagte zunächst im Schriftsatz vom 09.02.2021 (GA III 487 ff.) ohne jegliche Anhaltspunkte zu benennen, alle Aussagen des vorangegangenen klägerischen Schriftsatzes pauschal in Abrede gestellt und zwar dadurch, dass sie hinter zu jeder Aussage aus dem Gutachten ... ein „es wird bestritten“ oder eine ähnliche Formulierung angebracht hat. Sie hat sich weder mit den von der Klägerin vorgetragenen Krankheitsbildern, ihren ärztlichen Behandlungen und auch nicht mit der vom Gutachter ... herausgearbeiteten einzelnen Verhaltensweise befasst.
cc) Auch im Schriftsatz vom 23.02.2021 findet sich ein Vortrag, der eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Senat rechtfertigen könnte, nicht.
aaa) Insbesondere der Hinweis, dass die psychische Ursache von Depressionen u.a. häufig verdrängt werde, führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Im Streitfall hat der SG-Sachverständige ... nämlich nicht ausgeführt, dass der hier streitgegenständliche Unfall depressionsursächlich sei. Er hat vielmehr ausgeführt, dass erhebliche Beeinträchtigungen infolge des Unfalls zu konstatieren (GA III 476), also rechtstechnisch gesprochen, mitursächlich seien. Im Hinweisbeschluss hat der Senat im Einzelnen ausgeführt, dass und weshalb eine Mitursächlichkeit nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Kausalitätsfrage im Rahmen der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im vom Landgericht zugrunde gelegten Zeitraum der AU ausreichend ist. Im Übrigen befinden sich die Ausführungen des Gutachters ... insoweit im Einklang mit den Ergebnissen des die Klägerin behandelnden
Psychologischen Psychotherapeuten … … aus dessen Stellungnahme vom 11.12.2016 (GA I 62 f.)
bbb) Auch soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 23.02.2021 vorgetragen hat, dass die therapeutischen Depressionsbehandlungen bei der Klägerin in den Jahren 2006 bis 2009 nicht „erfolgreich abgeschlossen“ sein könnten, steht dies den vorangegangenen Ausführungen nicht entgegen, denn auch insoweit würde eine Mitursächlichkeit für die berufsbedingte Erkrankung, die eine vorherige Depressionsneigung reaktiviert, im Kausalitätssinne ausreichen. Die Frage der Mitursächlichkeit betreffen auch die weiteren Ausführungen zum Korsett der Klägerin und zur angezweifelten unfallbedingten Beeinträchtigung der Klägerin beim Sitzen (S. 3 unter d. und e. im Schriftsatz vom 23.02.2021).
ccc) Das Gleiche gilt für die Schilderungen der Beklagten über das „Handyverhalten“ auf S. 2 des Schriftsatzes vom 23.02.2021. Insoweit ist eine Relevanz des dortigen Einwandes im Übrigen auch nicht zu erkennen.
ddd) Auch soweit die Beklagte auf S. 3 des genannten Schriftsatzes offensichtliche Schreibfehler im Gutachten zum Datum des Reitunfalls moniert, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das Gleiche gilt für die Zuschreibungen, die die Beklagte dem Verhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Tochter auf S. 3 (dort unter d.) macht. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gutachter die Situation der Klägerin hier falsch verstanden haben könnte, denn aus der Laienperspektive sieht eine im Krankenhaus liegende, alleinerziehende Mutter ihr Kind umgangssprachlich „nicht“, auch wenn dieses sonntags zum Besuch ins Krankenhaus kommen kann.
eee) Der Beklagten ist zuzugeben, dass die Schlussfolgerungen im Gutachten des SG-Gutachters ... überwiegend auf den Schilderungen der Klägerin (so die Kritik auf S. 4 unter 2. Im Schriftsatz v. 23.02.2021) beruhen. Dies liegt jedoch in der Natur der Sache, denn bei der Begutachtung psychiatrischer Befunde geht es in aller Regel um Umstände die dem Innenleben eines Menschen entstammen und demnach vom Gutachter auf Plausibilität und Kompatibilität im Rahmen seiner fachlichen Beurteilung zu überprüfen und anschließend zu begutachten sind. Dass die Klägerin, die aufgrund eigener Angaben bei den Sie behandelnden Ärzten deswegen arbeitsunfähig war, stellen diese Ausführungen indessen nicht in Zweifel. Die Beklagte hat insoweit eine andere Alleinursache für die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht aufgezeigt, die auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen wäre. Dass die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin, die der Gutachter beschrieben hat, nichts mit dem hier zugrundeliegenden Reitunfall zu tun haben sollte, wie die Beklagten wohl auf S. 4 (unten) des Schriftsatzes vom 23.02.2021 vortragen lässt, erscheint angesichts des zeitlichen Zusammenhangs und des Ausmaßes der unmittelbaren und von der Beklagten auch nicht bestrittenen Unfallfolgen für völlig fernliegend.
fff) Zudem ist es - entgegen der Annahme der Berufung - unerheblich, ob sich der Gutachter ... in einem Näheverhältnis zur Klägerin befindet, etwa dadurch, dass er sie ggf. zuvor behandelt hat, denn es kommt im Streitfall nicht maßgeblich auf die Person des Gutachters, sondern auf den qualifizierten Parteivortrag der Klägerin an, der sich durch die Bezugnahme auf das Gutachten ergibt. Erheblich wäre ein Vortrag der Beklagten dann gewesen, wenn sie sich inhaltlich mit dem Gutachten auseinandergesetzt und im Einzelnen dargetan hätte, welche gutachterlichen Feststellungen weshalb unzutreffend gewesen sein sollen und welche (ggf. weiteren) gutachterlichen Feststellungen zu welchem anderen Ergebnis geführt hätten. Dies hat sie indessen – wie bereits dargetan – nicht gemacht.
ggg) Inwieweit die unfallbedingten Folgen im Rahmen der Gesamtabwägung ein Schmerzensgeld auslösen, ist in diesem Zusammenhang nicht zu klären und wird vom Landgericht bei Fortsetzung des erstinstanzlich noch nicht entschiedenen Leistungsantrags ggf. unter weiterer Durchführung einer Beweisaufnahme zu prüfen sein.
1.2.3 Ohne Erfolg – und für den Senat inhaltlich kaum nachvollziehbar – wendet sich die Beklagte weiterhin gegen das vom Landgericht angenommene Feststellungsinteresse für den dem Grunde nach zugunsten der Klägerin positiv beschiedenen Feststellungsantrag.
a) Ein Interesse an der Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schadensfolgen aus einer bereits eingetretenen Verletzung eines absoluten Rechts oder eines vergleichbaren Rechtsguts ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit besteht, dass solche Schäden eintreten. Bei Rechtsgütern dieser Art legt die Rechtsprechung einen großzügigen Maßstab an. Sie verneint ein berechtigtes Interesse nur dann, wenn aus Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, NJW-RR 2007, 601 Rn. 5; BeckOK ZPO/Bacher, 42. Ed. 01.09.2021, § 256 Rn. 24). Selbst wenn ein Schaden nur minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt, ist ein schützenswertes rechtliches Interesse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung anzunehmen (BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 19/13, NJW-RR 2014, 840 Rn. 20).
Ein solche „Minimalwahrscheinlichkeit“ künftiger materieller und immaterieller Schäden ist im hier zu entscheidenden Fall bei der Klägerin angesichts der vom Landgericht getroffenen Primärschäden und der sich anschließenden psychotherapeutischen Entwicklung, die durch das SG-Gutachten ... hinreichend substanziiert worden ist, bei verständiger Würdigung offensichtlich nicht abzustreiten. Im Gegenteil, es gibt im Streitfall angesichts aller vorliegenden Behandlungsunterlagen über den Gesundheitszustand der Klägerin keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Unfallfolgen vollständig ausgeheilt sind und nicht mehr mit der Möglichkeit künftiger, unfallbedingter Folgen gerechnet werden kann. Entgegen der von der Berufung hierzu vertretenen Auffassung bedarf es für ein solches Feststellungsbedürfnis nach § 256 ZPO keiner zuvor durchgeführten Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen.
2. Auch die abschließenden Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz, mit denen sie sich erneut gegen die Zulässigkeit der angefochtenen Entscheidung durch Grund- und Teilurteil wendet, verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg. Es besteht keine Veranlassung für den Senat von der Argumentation im Hinweisbeschluss abzuweichen. Soweit die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz ihre „Verwunderung“ darüber geäußert hat, dass die Urschrift des angefochtenen Urteils – wie vom Senat im Hinweisbeschluss dargetan – die Bezeichnung „Grund- und Teilurteil“ – in der Urteilsüberschrift führt, konnte diese Irritation durch Übersendung einer beglaubigten Kopie der Urschrift (GA III 636) ausgeräumt werden (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 11.11.2021; GA III 638).
Weitere Einwände sind gegen die Argumentation des Senats aus dem Hinweisbeschluss von der Beklagten nicht vorgebracht worden, so dass es hierbei verbleiben kann.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision war durch den Senat - in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG - nicht zuzulassen. Die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Grundsätzlich klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen (BGH, Beschl. vom 22.09.2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nach Auffassung des Senats nicht vor und werden auch von der Klägerin weder in der Berufungsbegründung noch im Schriftsatz vom 01.11.2021 konkret aufgezeigt.