Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 16.12.2021 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 3 L 298/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:1216.3L298.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 20 OBG BB, § 80 BauO BB 2018 |
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (Az.: 3 ... ) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Februar 2021 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. Mai 2021 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 19. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. Mai 2021 mit Schreiben vom 12. Juli 2021 in formell ordnungsgemäßer Weise gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO angeordnet. Die darin enthaltene Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung zum Abriss des grenzständigen Wirtschaftsgebäudes genügt den sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen. Der Begründung lässt sich insoweit entnehmen, dass der Antragsgegner die Interessen der Antragstellerin mit dem für einen sofortigen Vollzug streitenden öffentlichen Interesse abgewogen hat. Insoweit führt der Antragsgegner an, ihm sei mit Urteil der Kammer vom 12. September 2019 (Az.: 3 K 1477/14) aufgegeben worden, gegen die Errichtung und Änderung am Wirtschaftsgebäude der hiesigen Antragstellerin einzuschreiten und den Abriss zu verfügen. Auch habe er im Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 ... eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben. Er sei daher verpflichtet, die erlassene Abrissverfügung notfalls auch zwangsweise und unter Anordnung der sofortigen Vollziehung durchzusetzen. Die Ausführungen stellen sich ohne Zweifel als einzelfallbezogen dar. Auf die Richtigkeit der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt es nicht an (OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 28. Juni 2018 – 10 S 37.18 – juris Rn. 6, und vom 19. Juli 2018 – 10 S 67.17 – juris Rn. 5).
Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage wiederherstellen, wenn diese gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aufgrund einer entsprechenden behördlichen Anordnung entfällt. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es die Interessen der Beteiligten – das von der Behörde verfolgte Interesse an der sofortigen Vollziehung ihrer Entscheidung einerseits und das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs andererseits – gegeneinander abzuwägen hat. Maßgeblich ist hierfür auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abzustellen.
Mit ihrer erhobenen Klage (Az.: 3 ... ) begehrt die Antragstellerin (nur) die Aufhebung der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Februar 2021 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. Mai 2021, soweit diese anordnet, die bestehende Doppelgarage vollständig zu entfernen.
Dies vorangestellt, fällt die Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus, da ihre Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergeben sich insoweit keine hinreichenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung.
Rechtsgrundlage für die erlassene Beseitigungsverfügung ist § 80 Abs. 1 Satz 1 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO). Danach können Bauaufsichtsbehörden die teilweise oder vollständige Beseitigung der baulichen Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Insoweit wird vollumfänglich auf die Ausführungen im Urteil der Kammer vom 12. September 2019 (– 3 K 1477/14 – juris Rn. 23) verwiesen, die im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids gleichermaßen gelten.
Die Beseitigungsanordnung erging auch hinsichtlich des verfügten Abrisses der Doppelgarage ermessensfehlerfrei, § 114 Satz 1 VwGO.
Zunächst ist das Entschließungsermessen des Antragsgegners insoweit gebunden, dass nur eine Entscheidung zu Gunsten des Beigeladenen zutreffend ist. Der Antragsgegner wurde mit Urteil der Kammer vom 12. September 2019 verpflichtet, eine Ordnungsverfügung mit dem ausgeurteilten Inhalt zu erlassen.
Er hat auch sein Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere ist die Beseitigungsanordnung auch insoweit verhältnismäßig, als die Antragstellerin verpflichtet wird, die Doppelgarage zu beseitigen.
Soweit sie wiederholt und beharrlich geltend macht, die Abrissverfügung sei insoweit unverhältnismäßig, weil die Doppelgarage nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit d. BbgBO baugenehmigungsfrei sei und nach § 6 Abs. 8 BbgBO keine Abstandsflächen einzuhalten habe, führt dies nicht zum Erfolg. Der Rückbau des grenzständigen Wirtschaftsgebäudes „auf ein zulässiges Maß“ oder die „Vorgabe, [ihr] eine Frist zu setzen, innerhalb derer dem Brandschutz entsprechende Zustände hergestellt werden“ (vgl. Klagebegründung mit Schriftsatz vom 7. September 2021 im Verfahren 3 ... , S. 3) stellen vorliegend keine milderen Mittel dar. Eine solche Wahl ist dem Antragsgegner aus Rechtsgründen verschlossen.
Wie ausgeführt, ist dieser im Verhältnis zum Beigeladenen verpflichtet, eine Ordnungsverfügung zu erlassen, die sich auf den vollständigen Abriss des Wirtschaftsgebäudes bezieht. Die Antragstellerin hat sie wegen ihrer eigenen Bindung an das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 12. September 2019 zunächst so hinzunehmen. Diese steht aber, wie jede Ordnungsverfügung, unter dem unausgesprochenen Vorbehalt, dass der Pflichtige ein ebenso wirksames Austauschmittel anbietet. Das Urteil bedeutet nicht, dass ausschließlich der vollständige Abriss des Wirtschaftsgebäudes geeignet ist, bauordnungsgemäße Zustände auf dem Grundstück der Antragstellerin zu schaffen. Es besagt nur, dass der Antragsgegner aus den dargelegten rechtlichen Gründen gehindert ist, hierfür von sich aus ein anderes Mittel zu wählen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Januar 1996 – 10 A 1464/92 – juris Rn. 38).
Unabhängig hiervon ist die Garage – für den Antragsgegner – nicht in einen rechtmäßigen Teil und einen rechtswidrigen, und deshalb allein zu beseitigenden Teil zerlegbar. Baurechtswidrig ist das gesamte grenzständige Wirtschaftsgebäude, nicht aber nur ein einzelner konkreter Bauteil, der abtrennbar wäre und rechtlich selbständig beurteilt werden könnte. Eine schlichte Reduzierung des Wirtschaftsgebäudes auf die Doppelgarage kommt nicht in Betracht, weil diese mit Blick auf die Dachneigung und die eingezogenen brennbaren Holzbalken baurechtswidrig bliebe. Auch bei Entfernung des Daches bliebe ein baurechtswidriger Torso. Die Prüfung, welche Möglichkeiten bestehen, die Garage in ein bauordnungsrechtlich beanstandungsfreies Vorhaben umzubauen, ist nicht Aufgabe der Bauaufsicht. Ohnehin kann und darf diese nicht den Dispositionen des Eigentümers darüber vorgreifen, auf welche Weise er rechtmäßige Zustände herstellen will (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – OVG 2 S 97.11 – juris Rn. 12; vgl. auch OVG Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Januar 2015 – 7 A 1070/14 – juris Rn. 4).
Zwar verblieb der Antragstellerin nach Erlass der Beseitigungsverfügung die Möglichkeit, als Austauschmittel gemäß § 20 Ordnungsbehördengesetz Brandenburg (OBG) den Umbau des Gebäudes in eine zulässige Grenzgarage anzubieten. Insoweit hinderten die Rechtskraft des Urteils der Kammer vom 12. September 2019 – 3 ... – und seine Bindungswirkung für die Beteiligten sowie die im Termin am 13. Januar 2021 im Verfahren 3 ... abgegebene Erklärung des Antragsgegners weder die hiesige Antragstellerin, die eine bauliche Änderung des Gebäudes zu einer Grenzgarage als geeignetes Austauschmittel anzubieten, noch den Antragsgegner, dieses Mittel anzunehmen. Allerdings ist hierzu ein konkreter Gegenvorschlag des Pflichtigen – gegebenenfalls unter Einreichung von Bauvorlagen - erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 1996 – 4 B 117.96 – juris Rn. 6), wobei die angebotene Alternativmaßnahme sowohl in qualitativer als auch in zeitlicher Hinsicht ebenso geeignet zur Gefahrenabwehr sein muss wie die behördlich angeordnete Maßnahme (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 1996 – 8 A 13546/95 – juris Rn. 34).
Dem Vorbringen der Antragstellerin und auch den Verwaltungsvorgängen ist nicht zu entnehmen, dass sie dem Antragsgegner bis zum Ablauf der in § 20 Satz 3 OBG genannten Frist ein Austauschmittel verbindlich angeboten hat, welches der Antragsgegner zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung hätte annehmen müssen. Nach § 20 Abs. 3 OBG kann der Antrag nur bis zum Ablauf einer dem Betroffenen genannten Frist, andernfalls bis zum Ablauf der Klagefrist, gestellt werden. Die Antragstellerin hat weder bis zum Ablauf der für den Abriss bestimmten Frist (31. Mai 2021) – unabhängig davon, ob diese rechtmäßig war – noch bis zum Ende der Klagefrist (18. Juni 2021) ein konkretes Austauschmittel angeboten. Soweit sie mit Widerspruchsschreiben vom 23. März 2021 (Bl. 1 d. 2. Teils d. BA im Verfahren 3 ... ) vorträgt, nach der Bauordnung sei ein Grenzbebauung von maximal 9 m ohne Baugenehmigung zulässig, kann darin kein verbindliches Angebot gesehen werden.
Ohnehin dürfte das Angebot eines geeigneten Austauschmittels nicht die Rechtmäßigkeit der zunächst angeordneten Abrissverfügung berühren. Sie dürfte allenfalls nur die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung betreffen (so OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 1996 – 8 A 13546/95 – juris Rn. 34 m.w.N. aus der Literatur) oder auch diese unberührt lassen, solange der Vollstreckungsschuldner nicht nach § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) eine Aufhebung des Vollstreckungstitels durchgesetzt hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2012 – OVG 2 S 4.12 – juris Rn. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in der im Tenor benannten Höhe festzusetzen. Angelehnt an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Ziff. 9.5) werden der Zeitwert der Doppelgarage plus die Kosten für den Abriss (vgl. die Angaben mit Schriftsatz vom 3. August 2021 im Verfahren 3 K 673/21) zugrunde gelegt. Aufgrund der Vorläufigkeit des lediglich auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens ist dieser Wert zu halbieren.