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Entscheidung 10 W 2/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 10. Zivilsenat Entscheidungsdatum 13.01.2022
Aktenzeichen 10 W 2/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0113.10W2.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers und die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19.11.2020, Az. 12 O 244/20 in der Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 07.01.2021 werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben

Gründe

I.

Von der Niederschrift tatsächlicher Feststellungen wird – analog § 313a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 540 Abs. 2 und § 574 Abs. 1 ZPO – abgesehen.

II.

Die Beschwerden sind gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO iVm § 91 a Abs. 2 ZPO zulässig, aber unbegründet. Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die Verfahrenskosten gegeneinander aufzuheben, so dass die amtsgerichtliche Entscheidung in der Gestalt des Teilabhilfebeschlusses Bestand hat.

Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist regelmäßig diejenige Partei mit den Kosten zu belasten, die sie – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage – voraussichtlich auch ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung und ohne ein eventuell vorhandenes erledigendes Ereignis zu tragen gehabt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 08. November 1976 – NotZ 1/76 –, Rn. 8, juris). Danach bleibt es bei der amtsgerichtlichen Entscheidung, weil der Ausgang des Verfügungsverfahrens offen war.

Einstweilige Verfügungen sind nach § 940 ZPO auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung gleich welcher Art setzt demnach einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Befindet sich der zu sperrende Stromanschluss auf dem Grundstück des Antragstellers, kann dieser die Stromsperre grundsätzlich schon dadurch verhindern, dass er den Zutritt zu seinem Grundstück versagt. In einem derartigen Fall fehlt es regelmäßig am Verfügungsgrund und der Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt nicht in Betracht (LG Hamburg, Beschluss vom 28. März 2011 – 313 T 38/11 –, Rn. 5, juris; AG Bad Segeberg, Beschluss vom 18. September 2013 – 17a C 163/13 –, Rn. 11, juris; AG Ludwigslust, Beschluss vom 17. Oktober 2011 – 5 C 149/11 –, Rn. 8, juris).

Der für das Bestehen des Verfügungsgrundes darlegungs- und beweisbelastete Antragsteller hat zwar behauptet, dass die Stromsperre auch außerhalb seines umzäunten Grundstücks durchgeführt werden kann, mit der Folge, dass er nicht auf eine Zutrittsversagung zu seinem Grundstück verwiesen werden könne. Danach hätte ein Verfügungsgrund vorgelegen. Der Antragsteller hat auf das Bestreiten der Antragsgegnerin seinerseits aber lediglich „bestritten“, dass der Strom „nicht auch außerhalb des Grundstücks“ gesperrt werden kann und hierfür angeführt: „Es gibt unter anderem Stromverteilerkästen, die sich auf öffentlichen Straßenland befinden“ (Bl. 21 d.A.). Die Antragsgegnerin hat dazu wiederum vorgebracht, es könne sich bei Stromverteilerkästen ohnehin nur um Altanlagen handeln, die keine Bedeutung für die Sperrung im vorliegenden Sachverhalt hätten. Hierauf hat der Antragsteller seinerseits nicht weiter vorgetragen, es muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass der Antragsteller nur wenig Erkenntnismöglichkeiten über Sperrmöglichkeiten außerhalb seines Grundstücks hat.

Auf der Grundlage dieses Vortrags ist die Prognose nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu stellen, dass einer der Beschwerdeführer obsiegt oder verloren hätte. Die einstweilige Verfügung ist im Regelfall nach § 937 Abs. 2 ZPO auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung zu erlassen. Zwar darf im Rahmen des für die Entscheidung nach § 91 a ZPO hypothetischen Prozessausgangs prognostisch davon ausgegangen werden, dass auf Hinweise des Gerichts gemäß § 139 BGB weiter vorgetragen wird und – etwa angeregte - sachdienliche Anträge gestellt worden wären (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. Dezember 1998 – 5 W 33/98 –, Rn. 13, juris). Auch können naheliegende hypothetische Entwicklungen berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 18. März 2010 – I ZB 37/09 –, Rn. 13, juris). Die danach mögliche Prognose, ob und welche Glaubhaftmachung den Beschwerdeführern zur Frage, wo die Sperre durchzuführen ist, dabei gelungen wäre, ist jedoch schon wegen des bislang nachvollziehbaren Vortrags beider Seiten nicht mit der erforderlichen Sicherheit möglich. Nichts anderes gilt für den Fall, dass im Hinblick auf die alsbald angekündigte Stromsperre ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung entschieden worden wäre. Auch insoweit hätte es im Hinblick auf den nicht eindeutigen Vortrag zum Standort der Sperrmöglichkeit nahe gelegen, gemäß § 139 ZPO, der unter Berücksichtigung von § 938 Abs. 1 ZPO auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung findet (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 139 ZPO, Rn. 2; P. Enders in: Enders/Börstinghaus, Einstweiliger Rechtsschutz, 3. Aufl. 2016, § 2 Die einstweilige Verfügung, Rn. 129) einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Auch insoweit ist keine Prognose des Fortgangs des Rechtsstreits möglich. Entgegen der Auffassung beider Beschwerdeführer ist das Landgericht daher zutreffend von offenen Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags ausgegangen.

Soweit der Antragsteller ausführt, dass er einen aus Besitzstörung folgenden Anspruch geltend macht und daher ohnehin keine Darlegung eines Verfügungsgrundes erforderlich gewesen wäre, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wird der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund im Rahmen des possessorischen Besitzschutzes nach §§ 861, 858 BGB vermutet (KG Berlin, Urteil vom 02. März 2020 – 20 U 149/18 –, Rn. 33, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2017 – I-9 U 159/16 –, Rn. 15, juris). Die von Versorgungsbetrieben verhängte Liefersperre stellt aber keine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht dar (BGH, Urteil vom 06. Mai 2009 – XII ZR 137/07 –, BGHZ 180, 300-311, Rn. 34; LG Saarbrücken, Beschluss vom 11. Mai 2009 – 5 T 236/09 –, Rn. 20, juris; Staudinger/Martin Gutzeit (2012) BGB § 858, Rn. 53).

Der Ausgang des Rechtsstreits ist daher nach der gebotenen lediglich summarischen Prüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Oktober 2019 – II ZR 94/17 –, Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – KVR 10/16 –, Rn. 6, juris) als offen anzusehen, so dass eine Kostenaufhebung gemäß § 92 Abs. 1 ZPO billigem Ermessen entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – KVR 10/16 –, Rn. 6, juris; BGH, Beschluss vom 29. November 2007 – IX ZR 63/04 –, Rn. 6, juris).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde kann schon deshalb nicht zugelassen werden, weil dieses Rechtsmittel in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem Gesetz selbst explizit ausgeschlossen ist (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. August 2010 – 3 W 26/10 –, Rn. 13, juris). Zudem liegen im Streitfall die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO ohnehin nicht vor.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes konnte unterbleiben (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. August 2010 – 3 W 26/10 –, Rn. 14, juris).