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Entscheidung 6 B 12/20


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 09.11.2021
Aktenzeichen 6 B 12/20 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:1109.6B12.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 31 Abs 3 BRAO, § 20 Abs 1 Nr 2 JAG BE, § 1 Abs 4 VwVfG, § 45 Abs 1 Nr 5 VwVfG, § 45 Abs 2 VwVfG, § 21 Abs 1 JAG BE, § 73 Abs 2 Nr 10 aF BRAO, § 73 Abs 4 BRAO, § 79 Abs 1 BRAO

Leitsatz

Das Prüfungsamt ist nicht verpflichtet, vor der Berufung von Rechtsanwälten zu nebenamtlichen Mitgliedern des Prüfungsamtes möglichen formellen und materiellen Mängeln bei der Ausübung des Vorschlagsrechts gem. § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO a.F. (§ 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO n.F.) und § 20 Abs. 1 Nr. 2 JAG Berlin innerhalb der Rechtsanwaltskammer, soweit sie nicht offensichtlich sind, von Amts wegen nachzugehen.
Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer ist nach § 79 Abs. 1 BRAO ermächtigt, die Ausübung des Vorschlagsrechts nach § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO a.F. (§ 73 Abs. 2 Nr. 9 n.F.) auf das Präsidium zu übertragen.
Die erneute Berufung von Rechtsanwälten zu nebenamtlichen Mitgliedern des Prüfungsamtes (§ 21 Abs. 1 Satz 2 JAG Berlin) stellt im Kern eine Verlängerung der Amtszeit dar und erfordert keinen erneuten Vorschlag der Rechtsanwaltskammer.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. November 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch in der Prüfungskampagne 2.2014/I. Da sie bei einer Durchschnittspunktzahl von 3,57 nur in zwei der sieben Aufsichtsarbeiten eine Bewertung von mindestens vier Punkten erreichte, teilte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2014 mit, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Prüfung nicht gegeben seien und sie die zweite juristische Staatsprüfung wiederholt nicht bestanden habe. Ihren gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten S1 und S2 A erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2015 zurück. Auf ihre hiergegen eingelegte Klage, mit der sie sich auch gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeit ÖR2 A wendete, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. November 2018 den Prüfungsbescheid des Beklagten vom 28. April 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2015 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei begründet, da die Bewertung der Aufsichtsarbeit S2 A einen Fehler aufweise, der eine die (sehr geringe) Chance für das Erreichen der Zulassungsgrenze beinhaltende Neubewertung durch den Erst- und Zweitkorrektor erforderlich mache. Hinsichtlich der Klausur S1 und der Klausur ÖR2 A habe die Klägerin keine Bewertungsfehler aufgezeigt.

Die von dem Senat zugelassene Berufung hat die Klägerin wie folgt begründet: Bei einer Akteneinsicht am 26. Februar 2019 habe sie festgestellt, dass die erneuten Berufungen der an der Korrektur ihrer Klausuren beteiligten Rechtsanwälte fehlerhaft erfolgt seien. Diese seien entgegen § 20 Abs. 1 JAG Berlin nicht auf Vorschlag der Rechtsanwaltskammer zu nebenamtlichen Mitgliedern des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes berufen worden. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 JAG sei die Amtsdauer auf fünf Jahre begrenzt. Die Vorschrift erkläre in Satz 2 erneute Berufungen für zulässig. Da das JAG insoweit keine Einschränkungen der Berufungsvoraussetzungen formuliere, würden für erneute Berufungen dieselben Berufungsvoraussetzungen wie für erstmalige Berufungen gelten, so dass ein Kammervorschlag auch für erneute Berufungen vorliegen müsse. Dafür spreche der Zweck des Vorschlagserfordernisses, für die Prüfertätigkeit geeignete Rechtsanwälte zu finden. Eine vormalige Eignung könne entfallen sein. Auch könnten zwischenzeitlich besser geeignete Kandidaten gefunden worden sein, so dass die Einbeziehung der Kammer eine kontinuierliche Optimierung ermögliche. Von der fehlerhaften erneuten Berufung betroffen seien die an der Korrektur der Aufsichtsarbeiten Z2, S2 A und ÖR2 A beteiligten anwaltlichen Prüfer. Bei deren erneuter Bestellung sei die Rechtsanwaltskammer weder um einen Vorschlag noch um Erteilung ihres Einvernehmens gebeten worden. Sie sei lediglich im Nachgang von der erfolgten Berufung in Kenntnis gesetzt worden. Der Vorschlag der Rechtsanwaltskammer hinsichtlich des Prüfers Rechtsanwalt J ... (Korrektor der Klausur Z2) sei entgegen § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO nicht vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer, sondern von deren Präsidium beschlossen worden. Die genannten Berufungsfehler führten zur unheilbaren Rechtswidrigkeit der Berufungen der Prüfer in dem hier relevanten Berufungszeitraum. Die Berufungsfehler könnten nicht mehr geheilt werden. Dies sei jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die infrage stehenden Berufungszeiträume inzwischen abgelaufen seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. November 2018 zu ändern und der Klage in den tragenden Aufhebungsgründen auch insoweit stattzugeben, als die Berufung der an der Korrektur der Klausuren der Klägerin beteiligten Rechtsanwälte fehlerhaft gewesen ist, weil die Berufung für eine weitere Amtszeit nicht auf einem Vorschlag der Rechtsanwaltskammer beruhte bzw. – im Fall des RA J ... – der Vorschlag nicht vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer, sondern von deren Präsidium beschlossen worden ist, und dies zu einem rechtlich relevanten Verfahrensfehler im Prüfungsverfahren der Klägerin führt, nämlich der Rechtswidrigkeit der von den rechtswidrig Berufenen vorgenommenen Bewertungen bei der bestehenden Möglichkeit, dass durch neue Korrektur der Klausuren der Klägerin die Bestehensgrenze für den schriftlichen Prüfungsteil erreicht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, das Vorschlagsrecht gelte nicht für erneute Berufungen. Sinn und Zweck des Vorschlagsrechtes der Rechtsanwaltskammer, aufgrund ihrer Sachnähe einen wertvollen Beitrag zur Sicherstellung einer hohen fachlichen Qualität und persönlichen Eignung der nebenamtlichen Prüfer zu leisten, sei zum Zeitpunkt der erneuten Berufung bereits erreicht bzw. könne nicht mehr im gleichen Maße erfüllt werden, da das nebenamtliche Mitglied bereits für die Dauer von fünf Jahren als Prüfer tätig gewesen sei und unter der Kontrolle des Beklagten gestanden habe. Eine mögliche Fehlerhaftigkeit der Berufungen der Prüfer sei jedenfalls geheilt bzw. als unbeachtlich anzusehen. Die Rechtsanwaltskammer sei mit Kenntnisnahmeschreiben nachträglich über die erneuten Bestellungen informiert worden. Damit sei der Zweck der Verfahrensbeteiligung der Rechtsanwaltskammer ebenso gut erreicht. Im Übrigen seien alle Rechtsanwälte im Nachgang ein weiteres Mal erneut auf ausdrücklichen Vorschlag der Rechtsanwaltskammer bestellt worden, auch wenn ein Vorschlag der Rechtsanwaltskammer hierfür nicht erforderlich gewesen sei. Der Geltungszeitraum für die nachzuholende Handlung sei nicht abgelaufen. Mit Beschluss vom 10. September 2003 habe der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die ihm obliegende Entscheidung über die Vorschläge nebenamtlicher Prüfer auf das Präsidium übertragen. Eine derartige Aufgabenübertragung sei zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Prüfungsbescheid des Beklagten vom 28. April 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2015 mit Ausnahme der Bewertung der Aufsichtsarbeit S2 A im Ergebnis zu Recht unbeanstandet gelassen. Ein zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führender erheblicher Verfahrensfehler, der zur Neubewertung der Aufsichtsarbeiten Z2, S2 A und ÖR2 durch andere Korrektoren führen würde, liegt nicht vor. Der Prüfungsbescheid ist nicht dadurch rechtswidrig und verletzt die Klägerin ihren Rechten, dass Rechtsanwalt J ... aufgrund eines Beschlusses des Präsidiums – und nicht des Vorstands – der Rechtsanwaltskammer Berlin erstmals zum nebenamtlichen Prüfer berufen worden ist (I.) und die weiteren anwaltlichen Prüfer, die an der Korrektur dieser Aufsichtsarbeiten mitgewirkt haben, nicht vor ihrer erneuten Berufung zu nebenamtlichen Mitgliedern des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes für den die Prüfungskampagne 2.2014/I umfassenden Berufungszeitraum erneut von der Rechtsanwaltskammer vorgeschlagen worden sind (II.).

I. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Berufung von Rechtsanwalt J ... (Korrektor der Aufsichtsarbeit Z2) sei fehlerhaft erfolgt, da der Vorschlag der Rechtsanwaltskammer entgegen § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO a.F. nicht vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer, sondern von deren Präsidium beschlossen worden sei. Im Folgenden wird zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Aufsichtsarbeit Z2 Gegenstand des Berufungsverfahrens sein kann, obwohl für diese weder ein Überdenkungsverfahren durchgeführt worden ist noch im erstinstanzlichen Klageverfahren Bewertungsrügen erhoben worden sind.

Nach § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO in der für die in Rede stehende zweite juristische Staatsprüfung maßgeblichen Fassung vom 30. Juli 2009 obliegt dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse vorzuschlagen (ebenso § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO in der ab dem 25. Juni 2021 geltenden Fassung). Dem entsprechend sieht das Berliner Juristenausbildungsgesetz in § 20 Abs. 1 Nr. 2 vor, dass Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare auf Vorschlag ihrer Kammer zu nebenamtlichen Mitgliedern des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes durch die Senatorin oder den Senator für Justiz berufen werden können. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 JAG werden die Mitglieder des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes für jeweils fünf Jahre berufen. Erneute Berufungen sind zulässig (Satz 2).

Hiervon ausgehend ist die erstmalige Berufung von Rechtsanwalt J ...als nebenamtliches Mitglied des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes nicht zu beanstanden. Die Rechtsanwaltskammer hat in der Präsidiumssitzung vom 11. Dezember 2013 beschlossen, Herrn Rechtsanwalt J ... dem Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt als nebenamtliches Mitglied vorzuschlagen (vgl. Auszug aus dem Protokoll der Präsidiumssitzung der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 11. Dezember 2013 zu TOP 5 sowie Mitteilungsschreiben der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 14. Januar 2014).

1. Mit ihrem Einwand, der Vorschlag der Rechtsanwaltskammer hätte nicht vom Präsidium der Rechtsanwaltskammer Berlin beschlossen werden dürfen, lässt die Klägerin unberücksichtigt, dass der Beklagte nicht verpflichtet war, das ordnungsgemäße Zustandekommen des Vorschlags innerhalb der Rechtsanwaltskammer von Amts wegen in Frage zu stellen. Der Vorschlag ist dem Beklagten von der Hauptgeschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer schriftlich mitgeteilt worden. Er durfte daher davon ausgehen, dass damit dem Vorschlagserfordernis Genüge getan ist. Selbst wenn der Vorschlag unter Verstoß gegen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung zustande gekommen wäre, was sich dem Beklagten vorliegend jedenfalls nicht aufdrängen musste, würde dies nicht zur Unwirksamkeit des Vorschlags führen. Es ist nicht Aufgabe des Beklagten, möglichen formellen oder materiellen Mängeln der internen Willensbildung der Kammer bei der Ausübung des Vorschlagsrechts, soweit sie nicht offensichtlich sind, von Amts wegen nachzugehen. Er kann grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Vorschläge der Rechtsanwaltskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts ordnungsgemäß zustande gekommen sind. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus dem Umstand, dass das Schreiben der Rechtsanwaltskammer den Hinweis enthält, dass der Vorschlag auf einem Beschluss des Präsidiums beruht, da nach § 79 Abs. 1 BRAO das Präsidium die ihm durch Beschluss des Vorstands übertragenen Geschäfte erledigt und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass ein solcher Übertragungsbeschluss nicht ergangen sein könnte.

2. Im Übrigen bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin in der Sache keines Beschlusses des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer, da der Vorstand die Ausübung des Vorschlagsrechts nach § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO a.F. wirksam auf das Präsidium, das der Vorstand aus seiner Mittel wählt (§ 78 Abs. 1 BRAO), übertragen hat.

Nach § 79 Abs. 1 BRAO erledigt das Präsidium die Geschäfte des Vorstandes, die ihm durch dieses Gesetz oder durch Beschluss des Vorstandes übertragen werden. Diese Norm ermächtigt den Vorstand, bestimmte Geschäfte dem Präsidium zur Erledigung zu übertragen und verpflichtet dieses dazu, diese Geschäfte in eigener Verantwortung zu erledigen. Dies soll zur schnelleren Erledigung der Geschäfte des Vorstandes beitragen (vgl. Weyland in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 79 Rn. 4). Von dieser Übertragungsmöglichkeit hat der Vorstand bezogen auf die ihm obliegende Aufgabe des § 73 Abs. 2 Nr. 10 a.F. BRAO mit Beschluss vom 10. September 2003 Gebrauch gemacht. Er hat beschlossen, dass die Entscheidung über die Vorschläge nebenamtlicher Prüfer zukünftig dem Präsidium obliegt (vgl. Auszug aus dem Protokoll der Vorstandssitzung der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 10. September 2003 zu TOP 13).

a) Soweit die Klägerin vorträgt, die Bundesrechtsanwaltsordnung habe die Eignungsprognose bewusst dem breiter aufgestellten und damit zu umfassenderer Abwägung potentiell besser befähigten Gremium überantwortet, steht dies einer Aufgabenübertragung von dem Vorstand auf das Präsidium nach § 79 Abs. 1 BRAO nicht entgegen, da die gesetzliche Regelung hinsichtlich der Ermächtigung zur Aufgabenübertragung keine Einschränkung auf bestimmte Geschäfte vorsieht. Ob der Vorstand den Übertragungsbeschluss auf ein einzelnes Geschäft beschränkt oder – wie hier – bestimmte Angelegenheiten allgemein zuweist, steht in seinem Ermessen (vgl. Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 79 Rn. 3; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 79 BRAO Rn. 4). Auch lässt die Klägerin unberücksichtigt, dass das Präsidium aus der Mitte des Vorstandes zu wählen ist, mithin teilweise Personenidentität besteht (§ 78 Abs. 2 BRAO), und der aus sieben Mitgliedern bestehende Vorstand (§ 63 Abs. 2 Satz 1 BRAO) die Zahl der Mitglieder des Präsidiums erhöhen kann (§ 78 Abs. 3 BRAO).

b) Die Klägerin kann auch nicht mit ihrer nicht näher begründeten Auffassung durchdringen, die Übertragung von Aufgaben des Vorstandes nach § 73 Abs. 2 BRAO sei in § 73 Abs. 4 BRAO abschließend geregelt. Nach § 73 Abs. 4 BRAO (sowohl in der aktuellen Fassung vom 25. Juni 2021 als auch in der hier maßgeblichen Fassung vom 30. Juli 2009) kann der Vorstand die in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen. Hintergrund der Übertragungsbefugnis nach § 73 Abs. 4 BRAO ist, dass die Erfüllung der Obliegenheiten nach Absatz 1 Satz 2 (Zulassung zur Rechtsanwaltschaft) und nach Absatz 2 Nr. 1 bis 3 (Beratung und Belehrung zu Berufspflichten, Vermittlung bei Streitigkeiten unter Mitgliedern und bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und Auftragsgebern) zu umfangreichen Verhandlungen und Erörterungen der Beteiligten führen kann, die den Gesamtvorstand zu stark belasten würden. Diese Aufgaben können daher auf einzelne Vorstandsmitglieder für den Einzelfall oder auch generell übertragen werden (vgl. BT-Drs. III/120 (1958) S. 87 zu § 86 Abs. 3 des Entwurfs der BRAO). Eine Ausdehnung dieser Übertragungsbefugnis auf andere Fälle, insbesondere auf die in § 73 Abs. 2 Nr. 4 bis 10 BRAO a.F. genannten Aufgaben, ist nicht zulässig (vgl. Hartung, a.a.O., § 73 Rn. 64; Isele, BRAO, 1976, § 73 IV A 3; Weyland, a.a.O., § 73 Rn. 62). Die Regelung des § 73 Abs. 4 BRAO ist als eine Erweiterung der Regelung des § 77 Abs. 3 BRAO über Abteilungen des Vorstandes zu verstehen, wonach der Vorstand vor Beginn des Kalenderjahres die Zahl der Abteilungen und ihrer Mitglieder festsetzt, den Abteilungen die Geschäfte überträgt und die Mitglieder der einzelnen Abteilungen bestimmt (Satz 1), wobei jedes Mitglied des Vorstandes mehreren Abteilungen angehören kann (Satz 2). Beide Regelungen dienen einer besseren Arbeitsverteilung innerhalb des Kammervorstandes. Dem Vorstand ist es daher unbenommen, die in § 73 Abs. 4 BRAO genannten Aufgaben einzelnen Abteilungen zu übertragen (vgl. Hartung, a.a.O., § 73 Rn. 65). Bei allen Aufgaben, bei deren Ausführung Freiheitsbeeinträchtigungen denkbar bzw. hoheitliche Maßnahmen erforderlich sind (§ 73 Abs. 2 Nr. 4 bis 10 BRAO a.F.), geht der Gesetzgeber vom Kollegialprinzip entweder des Gesamtvorstandes oder einer Abteilung von mindestens drei Mitgliedern gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 BRAO aus (vgl. Lauda, a.a.O., § 73 BRAO Rn. 57). Daraus folgt, dass die Beschränkung der Übertragungsbefugnis auf ein Vorstandsmitglied auf bestimmte Aufgaben gemäß § 73 Abs. 4 BRAO einer Übertragung des Vorschlagsrechts aus § 73 Abs. 2 Nr. 10 a.F. BRAO nach § 79 Abs. 1 BRAO auf das Präsidium, bei dem es sich um ein selbstständiges Kollegialorgan neben der Kammerversammlung und dem Vorstand handelt (dazu Hartung, a.a.O., § 79 Rn. 1), nicht entgegensteht. Zu beachten ist lediglich, dass durch die Aufgabentragung die Zuständigkeit der anderen Kollegialabteilungen gemäß der Geschäftsverteilung nach § 77 Abs. 3 BRAO nicht berührt wird (vgl. Lauda, a.a.O., § 79 BRAO Rn. 4). Dass dies vorliegend der Fall gewesen sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

c) Soweit die Klägerin geltend macht, unter Geschäften des Vorstandes im Sinne des § 79 Abs. 1 BRAO seien nur Vor- und Zuarbeiten zu den unübertragbaren Aufgaben zu verstehen, kann auch dem nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass in § 79 Abs. 1 BRAO nicht wie in § 73 BRAO der Begriff der Aufgaben verwendet wird, sondern von Geschäften des Vorstands die Rede ist. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass die berufsrechtlichen Inhalte durch den Gesamtvorstand und die Abteilungen abgedeckt werden und dass entsprechend den Funktionen der Amtsträger im Präsidium dort mehr die Verwaltung nach innen – durch den Schatzmeister und den Schriftführer als Mitglieder des Präsidiums – und die Repräsentation nach außen – durch den Präsidenten und den Vizepräsidenten als Mitglied des Präsidiums – angesiedelt sind (so Lauda, a.a.O., § 79 BRAO Rn. 3). Dem entspricht, dass nach der Gesetzesbegründung die Ermächtigung des Vorstands zur Aufgabenübertragung auf das Präsidium vornehmlich für den Vorstand einer Kammer Bedeutung erlangen wird, bei dem Abteilungen nicht gebildet worden sind (vgl. BT-Drs. III/120 (1958) S. 89 zu § 92 des Entwurfs der BRAO). Auch wird in dem Gesetzentwurf § 92 BRAO mit der Überschrift „Aufgaben des Präsidiums“ überschrieben. Der Gesetzgeber ist somit davon ausgegangen, dass dem Präsidium Aufgaben im Sinne des § 73 BRAO übertragen werden können (so im Ergebnis wohl auch Lauda, a.a.O., § 79 BRAO Rn. 1 und 4, soweit es nicht um inhaltliche Entscheidungen zum Berufsrecht geht; Weyland in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 79 Rn. 4, der Geschäfte des Vorstands § 73 BRAO zuordnet; vgl. auch Hartung, a.a.O., § 79 Rn. 3 ohne nähere Differenzierung zwischen Geschäften und Aufgaben des Vorstands).

II. Die erneute Berufung der an der Korrektur der Aufsichtsarbeiten Z2, S2 A und ÖR2 A beteiligten Rechtsanwälte zu nebenamtlichen Mitgliedern des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes für den hier in Rede stehenden Berufungszeitraum ist nicht zu beanstanden. Der zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitige Umstand, dass die genannten Rechtsanwälte vor ihrer erneuten Berufung nicht erneut von der Rechtsanwaltskammer vorgeschlagen worden sind, stand einer wirksamen Berufung für eine weitere Amtszeit nicht entgegen.

1. Dem Wortlaut der Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 2 JAG, wonach erneute Berufungen zulässig sind, lässt sich nicht entnehmen, dass die erneute Berufung eines Rechtsanwalts als nebenamtliches Mitglied die erneute Ausübung des Vorschlagsrechts der Rechtsanwaltskammer erfordert. Die Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 2 JAG verweist nicht auf das in § 20 Abs. 1 Nr. 2 JAG enthaltene Vorschlagsrecht der Rechtsanwaltskammer. Für eine erneute Berufung ist daher lediglich zu prüfen, ob die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Dazu zählt bei nebenamtlichen Prüfern nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 JAG die Prüfung, ob das 70. Lebensjahr vollendet ist.

2. Die systematische Stellung der – nachträglich angefügten (siehe dazu im Folgenden unter 4 b) – Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 2 JAG über die erneute Berufung im Zusammenhang mit der Regelung über die Amtsdauer spricht ebenfalls gegen die Annahme, es bedürfe für die erneute Berufung der wiederholten Ausübung des Vorschlagsrechts durch die Rechtsanwaltskammer. Die erneute Berufung stellt im Kern eine Verlängerung der Amtszeit dar.

3. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, es entspreche Sinn und Zweck des Vorschlagserfordernisses, dass dieses auch bei erneuten Berufungen anzuwenden sei. Es ginge darum, für die Prüfertätigkeit geeignete Rechtsanwälte zu finden. Eine vormalige Eignung könne entfallen sein. Auch könnten zwischenzeitlich besser geeignete Kandidaten gefunden worden sein, so dass die Einbeziehung der Kammer eine kontinuierliche Optimierung ermögliche. Diese Argumente vermögen weder in rechtlicher noch mit Blick auf die Verwaltungspraxis der Rechtsanwaltskammer in tatsächlicher Hinsicht zu überzeugen.

a) Mit ihrem Einwand, dass über das Vorschlagsrecht die Eignung der von der Rechtsanwaltskammer vorgeschlagenen Rechtsanwälte als nebenamtliche Prüfer sichergestellt bzw. im Sinne einer kontinuierlichen Optimierung gesteuert werden solle, lässt die Klägerin unberücksichtigt, dass der Beklagte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 JAG die Letztentscheidungskompetenz sowohl über die erstmalige als auch über die erneute Berufung eines Rechtsanwalts als nebenamtlichen Prüfer besitzt („können … berufen werden“). Die Senatorin oder der Senator für Justiz ist für die Berufungen zuständig (§ 20 Abs. 1 JAG). Der Rechtsanwaltskammer ist bundesgesetzlich in § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO lediglich ein Vorschlagsrecht, jedoch kein Ernennungsanspruch eingeräumt worden. Die Ausübung des Vorschlagsrechts ist auch nicht davon abhängig, dass das Justizprüfungsamt die Rechtsanwaltskammer um Vorschläge ersucht. Der Rechtsanwaltskammer ist es vielmehr unbenommen, unabhängig von einer Bedarfsabfrage jederzeit neue anwaltliche Mitglieder vorzuschlagen, zumal sie Kenntnis von der Amtsdauer der bereits berufenen nebenamtlichen Prüfer hat und es dem Justizprüfungsamt freisteht, die Anzahl von anwaltlichen Mitgliedern nach Bedarf zu erhöhen. Auf diese Weise kann die Rechtsanwaltskammer mit Blick darauf, dass die überwiegende Anzahl der Absolventen den Rechtsanwaltsberuf wählt, zu einer verstärkten Mitwirkung von Rechtsanwälten bei der Abnahme der juristischen Staatsprüfungen beitragen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Juristenausbildung vom 17. Oktober 2001, BT-Drs. 14/7116 S. 1, S. 15). Es liegt im Interesse der Anwaltschaft, die qualifizierten anwaltlichen Prüfer zu vermehren (Lauda, a.a.O., § 73 BRAO Rn. 56). Sollten bei der Rechtsanwaltskammer zwischenzeitlich besser geeignete Kandidaten ihr Interesse an einer Tätigkeit als Prüfer bekundet haben, kann sie diese jederzeit vorschlagen. Dadurch wird der Beklagte in die Lage versetzt, die aus seiner Sicht für die Prüfertätigkeit am besten geeigneten Rechtsanwälte für eine erste oder auch weitere Amtszeit auszuwählen.

Im Übrigen ist das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt aufgrund der mit einem nebenamtlichen Mitglied in der ersten Amtsperiode gesammelten Erfahrungen besser als die Rechtsanwaltskammer in der Lage, die persönliche und fachliche Eignung eines Rechtsanwalts für eine weitere Amtszeit zu beurteilen. Das betrifft auch die Frage der Verfügbarkeit des nebenamtlichen Prüfers, die aufgrund anderer Nebentätigkeiten eingeschränkt sein kann, was jedoch nicht zwingend der Fall sein muss.

Auch hat der Beklagte die Möglichkeit sich über das von der Rechtsanwaltskammer gemäß § 31 Abs. 3 BRAO zu führende elektronische Verzeichnis darüber zu unterrichten, ob hinsichtlich einzelner Rechtsanwälte ein Berufs-, Berufsausübungs- und Vertretungsverbot besteht oder die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft mit Anordnung der sofortigen Vollziehung zurückgenommen oder widerrufen worden ist, auch wenn die betreffenden Maßnahmen noch nicht rechtskräftig sind (vgl. Weyland, a.a.O., § 31 Rn. 62 f., Rn. 67 f.). Hinzu kommt, dass die Rechtsanwaltskammer Berlin in ständiger Verwaltungspraxis alle Gerichte und Behörden über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und dessen Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich unterrichtet.

b) Zudem entspricht die von der Klägerin behauptete Qualitätsoptimierung nicht der Verwaltungspraxis der Rechtsanwaltskammer Berlin in dem hier maßgeblichen Berufungszeitraum der Jahre 2012 und 2013. Diese hat auf Bitte des Senats zur Ausübung des Vorschlagsrechts vorgetragen, das Präsidium der Rechtsanwaltskammer schlage in der Regel in ständiger Verwaltungspraxis diejenigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als nebenamtliche Prüfer vor, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung seit mindestens drei Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassen seien und über ein mindestens befriedigendes zweites Staatsexamen verfügten. Bewerber, die eine Nebentätigkeit ausübten, würden in der Regel nur als Prüfer für das erste Staatsexamen vorgeschlagen. Diese Verwaltungspraxis habe den Beschlüssen des Präsidiums bereits in den Jahren 2012 und 2013 zugrunde gelegen (vgl. Stellungnahme vom 18. August 2020).

Entgegen der Annahme der Klägerin wurde nach der Verwaltungspraxis der Rechtsanwaltskammer Berlin in dem hier in Rede stehenden Zeitraum im Rahmen der Ausübung des Vorschlagsrechts mithin keine Bestenauswahl vorgenommen, sondern lediglich eine Mindesttätigkeitsdauer von drei Jahren und die Mindestnote „befriedigend“ im zweiten Staatsexamen vorausgesetzt. An diesen beiden Voraussetzungen ändert sich bei einer erneuten Berufung nichts. Änderungen können sich lediglich hinsichtlich der Ausübung einer weiteren Nebentätigkeit des Rechtsanwalts ergeben. Soweit die Rechtsanwaltskammer Berlin hierzu vorgetragen hat, sie prüfe bei der Beratung über die erneute Prüferbestellung insbesondere diesen Punkt, ist dies der aktuellen Verwaltungspraxis geschuldet, betrifft jedoch nicht die hier maßgeblichen Berufungszeiträume (ab 2012 bzw. 2013), in denen für erneute Berufungen keine Vorschläge eingeholt bzw. abgegeben worden sind.

4. Auch der Entstehungsgeschichte des Vorschlagsrechts lässt sich nicht entnehmen, dass die erneute Berufung eines wiederholten Vorschlags der Rechtsanwaltskammer bedarf.

Das Vorschlagsrecht war in der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 noch nicht enthalten. Es wurde erstmals in § 73 Abs. 2 Nr. 10 der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959 (BGBl I S. 565) bundesgesetzlich geregelt. Damit wurde der damals bereits bestehende Zustand wiedergegeben, wonach die nach den Justizausbildungsordnungen der Länder mögliche Bestellung von Rechtsanwälten zu Mitgliedern der Prüfungsämter regelmäßig auf Vorschlag der Anwaltskammern erfolgte. Die ausdrückliche Erwähnung des Vorschlagsrechts sollte für die Abgrenzung der Kompetenzen unter den Organen der Anwaltskammer bedeutsam sein (vgl. BT-Drs. III/120 (1958) S. 87 zu § 86 Abs. 2 Nr. 10 des Entwurfs der BRAO). Der zuletzt genannte Aspekt dürfte Anlass für die in § 86 Absatz 3 BRAO-E vorgesehene Ermächtigung des Vorstands zur Übertragung der in Absatz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Aufgaben auf einzelne Mitglieder des Vorstandes gewesen sein. Den Gesetzesmaterialien zur Bundesrechtsanwaltsordnung lässt sich somit nicht entnehmen, dass die aufgegriffene Verwaltungspraxis der Länder ein Vorschlagsrecht der Rechtsanwaltskammern auch für eine zweite Amtszeit vorgesehen hat.

Entsprechendes gilt für das Landesrecht. Eine dem § 21 Abs. 1 Satz 2 JAG entsprechende Regelung, wonach erneute Berufungen zulässig sind, findet sich noch nicht in dem Gesetz über die juristische Ausbildung in der Fassung vom 4. November 1993 (GVBl. S. 554), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 2002 (GVBl. S. 188), dessen § 18 Abs. 1 zur Amtsdauer vorsieht, dass die haupt- und nebenamtlichen Mitglieder einschließlich des Präsidenten jeweils für die Dauer von drei Jahren berufen werden und bei Ablauf der Frist sich ihr Auftrag bis zur Neubesetzung des Amtes, längstens jedoch um sechs Monate verlängert. Hinsichtlich der in das JAG 2003 aufgenommenen Regelung über die Zulässigkeit erneuter Berufungen enthält der Gesetzentwurf keine Begründung (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin Drs. 15/1557 S. 24).

5. Selbst wenn die erneute Berufung der unter 2. genannten anwaltlichen Prüfer verfahrensfehlerhaft gewesen wäre, würde dies nicht zum Erfolg der Berufung führen, da der Verfahrensfehler jedenfalls geheilt worden wäre.

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG i.V.m. § 1 Bln VwVfg ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Nach Absatz 2 dieser Regelung können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

a) Hält man mit der Klägerin die Ausübung des Vorschlagsrechts durch die Rechtsanwaltskammer auch bei erneuten Berufungen für erforderlich, so wäre davon auszugehen, dass es sich dabei um eine erforderliche Mitwirkung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG handelt, der aufgrund der Regelungen in § 73 Abs. 2 Nr. 10 BRAO a.F., §§ 20 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 1 Satz 2 JAG ein rechtlich relevanter Einfluss auf die Entscheidung zukommt, da die Rechtsanwaltskammer nur die aus ihrer Sicht für eine Prüfertätigkeit geeigneten Rechtsanwälte vorschlägt.

b) Bei der Rechtsanwaltskammer bzw. deren Vorstand handelt es sich um eine Behörde im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG. Der Behördenbegriff des § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG entspricht § 1 Abs. 4 VwVfG (Schneider, a.a.O., § 45 Rn. 101). Gemäß § 1 Abs. 4 VwVfG ist Behörde im Sinne dieses Gesetzes jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Rechtsanwaltskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die der Staatsaufsicht des Landes unterliegt (§ 62 Abs. 1 und 2 BRAO) und die ihr in §§ 73, 73b BRAO zugeschriebenen Aufgaben erfüllt (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, a.a.O., § 1 Rn. 44; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1963 – I C 169.53 – juris Rn. 19, wonach der Vorstand der Rechtsanwaltskammer eine Verwaltungsbehörde sei).

Im Übrigen wird bei der unterbliebenen Mitwirkung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen gleicher Interessenlage eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG angenommen (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 45 Rn. 98 für das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB; Schneider, a.a.O., § 45 Rn. 101).

c) Die Nachholung der erforderlichen Mitwirkung ist darin zu sehen, dass die Rechtsanwaltskammer Berlin in ständiger Verwaltungspraxis die Schreiben des Beklagten, mit denen ihr die Berufungsschreiben zur Kenntnisnahme übermittelt worden sind, entgegen genommen hat, ohne diesen zu widersprechen oder auf der vorherigen Ausübung ihres Vorschlagsrechts zu bestehen. Dies ist als konkludente Genehmigung der erneuten Berufungen zu verstehen. Damit ist auch die Funktion des Vorschlagsrechts für den Entscheidungsprozess der Behörde, dass möglichst viele und geeignete Rechtsanwälte zu nebenamtlichen Prüfern berufen werden, uneingeschränkt erreicht worden. Es kommt daher nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass die Rechtsanwaltskammer die hier in Rede stehenden Rechtsanwälte in den Jahren 2012 und 2013 weiterhin als nebenamtliche Prüfer für geeignet gehalten hat, da sie diese in den Jahren 2016 bis 2018 dem Beklagten ausdrücklich für eine weitere (dritte) Amtszeit vorgeschlagen hat.

d) Da nach § 45 Abs. 2 VwVfG eine Heilungsmöglichkeit bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des gerichtlichen Verfahrens besteht, ist die Nachholung der erforderlichen Mitwirkung rechtzeitig erfolgt. Die Rechtsanwaltskammer ist über die erneuten Berufungen jeweils zeitnah in Kenntnis gesetzt worden. Im Übrigen lässt die Klägerin mit ihrem Einwand, es fehle aufgrund des Ablaufs der Berufungszeiträume an einer Nachholbarkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 VwVfG, unberücksichtigt, dass die Regelung eine Heilungsmöglichkeit bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorsieht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Anregung des Beklagten aus der mündlichen Verhandlung, die erstinstanzliche Kostenentscheidung entsprechend der Rechtsprechung des Senats zur Kostenquotelung bei prüfungsrechtlichen Bescheidungsurteilen (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2017 – OVG 6 B 15.16 – juris Rn. 85) zu seinen Gunsten zu ändern, war nicht zu entsprechen, da der Beklagte es versäumt hat, insoweit fristgerecht Anschlussberufung einzulegen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Juli 2014 1 ME 71/14 – juris Rn. 22; OVG Hamburg, Beschluss vom 11. Juli 2017 – 2 Bs 114/17 – juris Rn. 20; Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 158 Rn. 3). Da die Berufung nicht durchdringt, hat der Senat keinen Zugriff von Amts wegen auf die erstinstanzliche Kostenentscheidung.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.