Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 08.09.2021 | |
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Aktenzeichen | 1 U 19/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0908.1U19.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 9. April 2021 – 3 O 183/19 – durch Beschluss zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
I.
Der Senat hält die Berufung der Klägerin einstimmig für ohne Aussicht auf Erfolg. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet. Da der Rechtssache als Einzelfall keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, eine Entscheidung des Berufungsgerichts weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts erforderlich erscheint und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, ist beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
II.
Die Klägerin war als Erzieherin in der Kita … in … tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeiten betreute sie – auch – die Kinder der Beklagten.
Die Beklagten und die Eltern anderer Kinder hielten am 18.1.2017 eine Elternversammlung in Anwesenheit des Bürgermeisters der Stadt … ab. Ebenfalls unter dem 18.1.2017 wurde ein von einschließlich der Beklagten 67 Elternteilen unterzeichneter Elternbrief an die Stadt … übermittelt, der unter namentlicher Nennung der Klägerin die Verhältnisse in der Kita zum Gegenstand hatte. Der Elternbrief wurde im Weiteren auch dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg zugänglich gemacht, das ihn unter dem 9.2.2017 beantwortete. Im Februar 2017 erhoben die Beklagten Strafanzeigen gegen die Klägerin.
Die Klägerin hat vorgetragen, das Verhalten der Beklagten stelle ein gegen sie gerichtetes Mobbing dar und führe zu einem Bestehen gegen die Beklagten gerichteter Ansprüche auf die Zahlung von Schmerzensgeld sowie die Leistung von Schadensersatz. Durch das Verhalten der Beklagten sei sie an einer Depression erkrankt, die zum Verlust ihrer Arbeitsstelle und zu ihrer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit geführt habe.
Die Klägerin hat – zuletzt – beantragt,
1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 9.963 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
3.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Concordia Rechtsschutz-Leistung-GmbH (Schadennummer: …) 1.174,89 € und an sie 300 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit, zu zahlen;
4.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr alle weiteren materiellen und immateriellen, bisher noch nicht bekannten, Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund der streitgegenständlichen Vorfälle im Jahre 2017 noch entstehen werden, solange sie nicht auf Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden, insbesondere auf Sozialversicherungsträger gemäß § 116 SGB X.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 9.4.2021 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der Klägerin vorgetragenen Handlungen der Beklagten nicht als ein haftungsrelevantes Mobbing angesehen werden könnten.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageziele weiterverfolgt.
III.
Die zulässige Berufung wird keinen Erfolg haben können. Das Landgericht hat zu Recht ein Bestehen von Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagten aus § 823 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Mobbings der Klägerin verneint und die Klage abgewiesen.
Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob einzelne der streitgegenständlichen Verhaltensweisen der Beklagten zu einer Verletzung – insbesondere – des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin geführt haben. Denn nach dem Sachvortrag der Klägerin sind ihre Erkrankung und deren weitere Folgen durch die Gesamtheit der vorgetragenen Verhaltensweisen der Beklagten und nicht – bereits – durch eine oder einige von ihnen hervorgerufen worden. Damit ist bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht davon auszugehen, dass lediglich einzelne der Verhaltensweisen ohne ein Hinzutreten auch aller übrigen Verhaltensweisen kausal für die der Klägerin entstandenen Nachteile geworden sind.
In Bezug auf die Gesamtheit der Verhaltensweisen der Beklagten ist der Klägerin im rechtlichen Ausgangspunkt darin beizutreten, dass ein – gemeinschaftliches – Mobbing zu einer Entstehung von Ansprüchen des Mobbingopfers aus § 823 Abs. 1 BGB führen kann (Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 823, Rn. 117; MünchKomm./Wagner, BGB, 8. Aufl., § 823, Rn. 213; jeweils m. w. N.). Dabei stellt Mobbing keinen Rechtsbegriff und keine einer Rechtsnorm vergleichbare selbstständige Anspruchsgrundlage dar (BAG, Urteil vom 28.10.2010, 8 AZR 546/09, zitiert nach juris; 2. Zivilsenat, Urteil vom 24.2.2015, 2 U 73/13, zitiert nach juris). Es wird, wie das Landgericht zu Recht angeführt hat, in der Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 1.8.2002, III ZR 277/01, zitiert nach juris; 2. Zivilsenat a. a. O.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.4.2018, 5 U 28/17, zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.7.2003, 4 U 51/03, zitiert nach juris; BAG a. a. O.) beschrieben als fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende Verhaltensweisen, die der systematischen Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienen. Ob ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren gegeben ist, ist – insbesondere im Falle der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (OLG Saarbrücken a. a. O.; OLG Stuttgart a. a. O.). Auch dann, wenn die einzelnen Handlungen für sich gesehen eine Haftung noch nicht auslösen, kann dabei die Gesamtheit der Handlungen aufgrund der sie verbindenden Systematik und ihres Fortsetzungszusammenhangs zu einer Haftung führen (OLG Saarbrücken a. a. O.; OLG Stuttgart a. a. O.). Stets erforderlich ist indes, dass nicht nur ein vereinzeltes, sondern eines fortdauerndes Verhalten vorliegt, aus dem sich die systematische Schaffung eines bestimmten Umfeldes ersehen lässt (2. Zivilsenat a. a. O.; OLG Stuttgart a. a. O.; BAG a. a. O.), und dass das Verhalten nach seiner Art und seinem Ablauf einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich ist und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen (OLG Stuttgart a. a. O.).
Nach diesen Grundsätzen kann der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten ein haftungsrechtlich relevantes Mobbing darstellt. Es erscheint mit dem Landgericht bereits zweifelhaft, ob es die dafür erforderliche Dauerhaftigkeit aufweist, nachdem es lediglich über wenige Wochen hinweg angedauert hat. Ungeachtet dessen und vor allem aber kann mit dem Landgericht nicht festgestellt werden, dass das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten einer von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung folgt und damit in rechtswidriger Weise in die Rechte der Klägerin eingreift. Denn es handelt sich unstreitig bei den Beklagten um die Eltern von Kindern, die – mit Ausnahme des Kindes der Beklagten zu 5., das die Kita bereits verlassen hatte – seinerzeit in der Kita … von der Klägerin betreut worden sind. Es stellt ein nachvollziehbares und grundsätzlich nicht rechtsuntreues Verhalten dar, wenn Elternteile in der – damaligen – Lage der Beklagten von ihnen empfundene Missstände zum Anlass einer Kontaktaufnahme untereinander nehmen und dazu auch den Träger der betroffenen Einrichtung hinzuziehen. Demgemäß kann die Durchführung der Elternversammlung am 18.1.2017 nicht als eine allein auf die Anfeindung, Schikanierung oder Diskriminierung der Klägerin gerichtete Veranstaltung angesehen werden. Entsprechendes gilt für den Elternbrief und dessen Versendung auch an das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Auch hier hat es die Sorge der Beklagten um das Wohl ihrer Kinder – ungeachtet der Frage, ob das Verhalten der Klägerin einen berechtigten Anlass dafür gegeben hat – es als naheliegend und zielführend erscheinen lassen, in einen Kontakt mit den – vermeintlich – zuständigen staatlichen Stellen zu treten und auf ein Abstellen der empfundenen Missstände hinzuwirken. Die Einleitung staatsanwaltschaftlicher Verfahren stellt ebenso ein von der Rechtsordnung gedecktes Verhalten dar. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerfG NJW-RR 2007, 840, 841; BGH NJW 2012, 1659; 2005, 2179, 2180; 1992, 1314, 1315; jeweils m. w. N.), der der Senat in gleichfalls ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. Beschluss vom 4.1.2019, 1 U 16/18; Urteil vom 20.6.2016, 1 U 15/15; Beschluss vom 6.11.2013, 1 W 32/13; Beschluss vom 8.10.2013, 1 W 27/13), dass Äußerungen im Rahmen eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege oder der Verwaltung, zu denen auch die Strafverfolgungsbehörden gehören (BGH NJW 2012, 1659; Palandt/Sprau, a. a. O., § 823, Rn. 135), regelmäßig nicht zum Gegenstand eines Haftungsbegehrens gemacht werden können, und zwar auch dann, wenn sich das mit der Einleitung oder Durchführung des Verfahrens verfolgte Begehren später als ungerechtfertigt erweist und das Verfahren zu Nachteilen des Betroffenen führt (Palandt/Sprau, a. a. O., § 823, Rn. 37, m. w. N.). Im Rahmen solcher Verfahrens darf jeder – angebliche – Missstände erwähnen und anzeigen, ohne dass dies zu gegen ihn gerichteten Ansprüchen führt (Palandt/Sprau a. a. O., m. w. N.); ein insoweit unredliches Verhalten der Beklagten, für das etwas anderes gelten könnte, lässt das Vorbringen der Parteien nicht erkennen. Demgemäß lassen weder die von den Beklagten erhobenen Strafanzeigen noch die Abhaltung der Elternversammlung oder die Versendung des Elternbriefs den Rückschluss auf ein Mobbingverhalten zu, da sie sämtlich von der Rechtsordnung getragen sind und auch in der Gesamtschau keine von der Rechtsordnung nicht gedeckten Ziele verfolgen.
Dem steht nicht entgegen, dass der Sohn der Beklagten zu 5. – wie erwähnt – seinerzeit die Kita … nicht mehr besucht hat. Denn nach dem Vorbringen der Klägerin muss – wie ebenfalls bereits dargestellt – davon ausgegangen werden, dass die ihr erwachsenden nachteiligen Folgen nicht allein durch das Verhalten der Beklagten zu 5., sondern erst durch die Summe der streitgegenständlichen Verhaltensweisen der Beklagten herbeigeführt worden sind.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem durch den Beklagten zu 3. am 13.2.2017 geführten Telefonat. Dabei kann dahinstehen, ob dieses Telefonat, wie im Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2019 (Bl. 152 d. A.) vorgetragen, mit der Polizei oder, wie in dem als Anlage K3 zur Klageschrift (Bl. 46 d. A.) vorgelegten Vermerk des Polizeipräsidiums in … vom 13.2.2017 dargestellt, mit einer Mitarbeiterin des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg geführt worden ist. Denn der Beklagte zu 3. hat sich sowohl nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin (Bl. 4, 152 d. A.) als auch nach dem Vermerk vom 13.2.2017 (Bl. 46 d. A.) darin ausschließlich zur Leiterin der Kita … geäußert, sodass daraus nicht ein gegen die Klägerin gerichtetes Mobbing hergeleitet werden kann. Zudem können die Führung des Telefonats und dessen Inhalt nicht den übrigen Beklagten zugerechnet werden, da nicht ersichtlich ist, dass es etwa auf der Grundlage einer entsprechenden Verständigung oder Verabredung der Beklagten geführt worden ist.
IV.
Aus den vorstehenden Gründen wird die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sein, weshalb der Senat zur Vermeidung weiterer Kosten deren Zurücknahme zu erwägen gibt.