Gericht | OLG Brandenburg 7. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 19.01.2022 | |
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Aktenzeichen | 7 U 183/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0119.7U183.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 15.10.2020, Az. 1 O 228/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
I.
Die Klägerin erwarb am 09.12.2010 bei der Volkswagen Automobile GmbH als Neufahrzeug einen VW Golf VI Plus, 1,6 TDI (Anlbd, K1) zum Preis von 28.000,01 €. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeuges. In das Fahrzeug war der Motor EA 189 eingebaut. Die Klägerin begehrt mit der Klage Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges und Zahlung eines Nutzungsersatzes. Sie forderte die Beklagte außergerichtlich mit Schreiben vom 08.06.2020 erstmals auf, ihren Anspruch zu erfüllen. Bei Klageeinreichung am 17.08.2020 betrug der Kilometerstand 141.686 km. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klageforderung verjährt sei. Die Klage habe die Verjährungsfrist, die am 1.1.2016 zu laufen begonnen habe, nicht gehemmt. Die Klägerin habe aufgrund der öffentlichen Berichterstattung spätestens bis Jahresende 2015 Kenntnis davon erlangt, dass ihr Fahrzeug mit einem Motor ausgestattet sei, der über die Prüfstandserkennungssoftware verfüge. Sofern sie die Kenntnis nicht erlangt habe, sei von grob fahrlässiger Unkenntnis auszugehen, weil die Klägerin ebenso wie andere Halter von Fahrzeugen des VW-Konzerns leicht hätte herausfinden können, ob ihr Fahrzeug von der Berichterstattung betroffen sei. Die Rechtslage sei auch nicht so unklar gewesen, dass ihr die Klageerhebung nicht zumutbar gewesen sei.
Gegen das am 21.10.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.11.2020 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.02.2021 am 18.02.2021 begründet hat. Mit ihrem Rechtsmittel geht sie davon aus, dass ihr ein Anspruch aus § 826 BGB zustehe, der verjährt sei, da sie nicht rechtzeitig Klage erhoben habe. Sie stützt ihr Klagebegehren auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Landgerichts, da sich ihr Anspruch aus § 852 BGB ergebe. Sie ist der Ansicht, die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast zu der Frage, was sie durch den Kauf erlangt habe. Die Beklagte habe nach ihrer Auffassung den vollen Bruttokaufpreis erlangt und dürfe Abzüge für Provisionen nicht vornehmen. Dass diese Vermögensverschiebung sich nicht unmittelbar zwischen der Käuferin und der Herstellerin vollzogen habe, stehe dem Anspruch nicht entgegen. Selbst wenn die Beklagte eine Provision an die Händlerin entrichtet habe, handele es sich dabei um ein Entreicherungsrisiko, das allein der Beklagten zuzurechnen sei. Zur Höhe des Anspruchs hat sie ergänzend vorgetragen, dass ihrer Auffassung nach jedenfalls 85 % des Kaufpreises zu erstatten seien. Dass in dieser Höhe der ihr zugeflossene Kaufpreis abzüglich des Händlergewinns zu berechnen sei, habe die Beklagte in einem Parallelverfahren nicht bestritten.
Sie selbst habe zugleich den Pkw an die Beklagte herauszugeben, weil die gegenseitigen Leistungen zu saldieren seien. Zudem sei eine Nutzungsentschädigung zu entrichten, die sie ebenfalls in dem Klageantrag berücksichtige, ausgehend von einer Gesamtfahrleistung von 300.000 km. Sie regt an, das Verfahren auszusetzen und die auf S. 27 der Berufungsbegründung angeführten Vorlagefragen dem EuGH vorzulegen, da sie meint, dass die effektive Umsetzung des Unionsrechts dadurch beeinträchtigt sein könnte, dass man Ersatzansprüche von Verbrauchern um höhere Gebrauchsvorteile kürze.
Ferner begehrt sie die Feststellung des Annahmeverzuges und die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren.
Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 15.12.2021 eine Laufleistung von 156.604 km auf.
Die Klägerin beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 28.000,01 € nebst Zinsen in Höhe von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges VW Typ Golf VI Plus 1,6 TDI, FIN … mit zwei Fahrzeugschlüsseln, Zulassungsbescheinigungen I und II, Serviceheft und Zahlung eines Nutzungsersatzes in Höhe von 14.616,38 €;
2.
festzustellen, dass der Rechtsstreit erledigt ist, soweit als Zug um Zug zu erbringende Leistung im Antrag zu 1. die Nutzungsentschädigung nur mit 13.410,88 € bemessen werden sollte.
3.
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. v. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug VW Typ Golf VI Plus 1,6 TDI, FIN …resultieren.
4.
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in den vorgenannten Anträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befindet.
5.
festzustellen, dass der in Antrag zu 1. bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten resultiert;
6.
die Beklagte zu verurteilen, sie von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten in Höhe von 2.077,74 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, auch der Anspruch aus § 852 BGB sei verjährt, ausgehend vom Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeuges. Sie meint, der Anwendungsbereich des Anspruchs aus § 852 BGB sei auch teleologisch zu reduzieren, da die Geschädigten sich ohne größeres Kostenrisiko der Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig hätten anschließen können. Zudem habe die Klägerin aber auch nicht vorgetragen, was die Herstellerin auf ihre Kosten genau erlangt habe. Dies könne allenfalls ihr Gewinn nach Abzug der Produktionskosten sein. Hierzu seien durchschnittliche Werte in der Automobilwirtschaft erhoben worden, die ein durchschnittlichen EBIT von 600 € je Fahrzeug in den Jahren 2012 bis 2015 ermittelt hätten. Auch müsse man bereicherungsmindernde Positionen in Abzug bringen. § 818 Abs. 3 BGB finde Anwendung, auch wenn man mit der Klägerin die Auffassung vertrete, dass die Herstellerin bösgläubig sei. Aufwendungen, die im Interesse des Geschädigten veranlasst worden seien, seien auch in diesem Fall abzugsfähig. Dies gelte für die Kosten für die Entwicklung und Installation des Updates als Schadensbeseitigung und die Öffentlichkeitsarbeit, die sie in diesem Zusammenhang veranlasst habe. Zudem sei auch der auf Gewinnabschöpfung gerichtete Anspruch nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges zu erfüllen, da § 255 BGB gelte, wonach das infolge der unerlaubten Handlung vom Geschädigten Erlangte herauszugeben sei. Hilfsweise ist sie der Ansicht, dass sich die Klägerin jedenfalls die Nutzungsvorteile anrechnen lassen müsse, die sie nach der Differenz zwischen dem Erwerbspreis und dem zum Schluss der mündlichen Verhandlung erzielbaren Verkaufspreis berechnet wissen möchte. Sofern man die Wertminderung nach der Laufleistung bemessen wolle, müsse eine degressive Berechnungsmethode Anwendung finden, die von einem geringeren Wertverlust bei zunehmender Nutzung ausgehe. Sofern man die lineare Berechnungsmethode anwenden wolle, müsse man berücksichtigen, dass die Gesamtlaufleistung höchstens 250.000 km betrage. Sie ist der Ansicht, dass zudem durch eine entsprechende Tenorierung gewährleistet werden müsste, dass auch die zukünftige Nutzungsdauer nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bis zum Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeuges berücksichtigt werde. Auch meint sie, dass die individuelle Gesamtlebensdauer des Fahrzeuges berücksichtigt werden könne, indem man davon ausgehe, dass der Eigentümer das Fahrzeug durchschnittlich 12 bis 15 Jahre nutze und indem man seine individuelle jährliche Fahrleistung zugrunde lege.
Außergerichtliche Kosten seien nicht erstattungsfähig, weil dem klägerischen Bevollmächtigten bekannt gewesen sei, dass die Beklagte nicht bereit sei, die geltend gemachten Ansprüche außergerichtlich zu regulieren. Gebühren könnten überdies allenfalls in Höhe des 1,3 fachen Satzes erstattet werden.
Annahmeverzug läge jedenfalls deshalb nicht vor, weil die Klägerin ihr das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten habe.
II.
Die Berufung ist zulässig, da sie gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO rügt, dass das Landgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen hat, einen Anspruch nach § 852 BGB zu prüfen. Die Berufung ist aber unbegründet.
1.
Der Klageantrag zu 1., der vorsieht, dass die Zahlung der Beklagten Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges sowie „gegen Zahlung eines Nutzungsersatzes“, der beziffert wird, zu leisten ist, ist dahin auszulegen, dass die Klägerin die Saldierung ihres Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises und des Anspruchs der Beklagten auf Ersatz gezogener Nutzungen nach § 852 BGB, § 818 Abs. 1 BGB begehrt. Der danach mit der Berufung zunächst auf Zahlung von 14.589,13 € und nach teilweise erklärter Erledigung auf Zahlung von 13.383,63 € gerichtete Antrag ist, ebenso wie der hinsichtlich der Differenz gestellte Antrag auf Feststellung der Erledigung unbegründet.
2.
Der sich aus § 826 BGB ergebende Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist verjährt. Ein Schadensersatzanspruch aus § 852 BGB steht der Klägerin nicht zu, da die Voraussetzungen der Vorschrift bei einem infolge einer unerlaubten Handlung des Herstellers eingegangenen Vertragsabschluss mit dem Händler nicht erfüllt sind.
3.
Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs infolge einer unerlaubten Handlung nach § 826 BGB gegeben sind. Das Verhalten der Beklagten zu 2. ist objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beklagte zu 2. hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) systematisch, langjährig und in Bezug auf den im Fahrzeug des Klägers verbauten Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten entspricht im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer, ist besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Rn. 16 ff., 23, NJW 2020, 1962).
4.
Die sittenwidrige Schädigung ist der Beklagten auch zuzurechnen. Die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software ist zumindest mit Kenntnis und Billigung von den im Hause der Beklagten zu 2. für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten zu 2. verantwortlichen vormaligen Vorständen, getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden. Dieses Verhalten der handelnden Personen ist der Beklagten zu 2. gemäß § 31 BGB zuzurechnen, da sie ihrer insoweit bestehenden sekundären Darlegungslast für die Unkenntnis der nach § 31 BGB verantwortlichen Personen nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 Rn. 29 - 43).
5.
Der Anspruch ist verjährt. Die Klägerin hat unstreitig im Jahr 2015 von den Manipulationen am Motor EA 189 und davon, dass ihr Fahrzeug von den Manipulationen betroffen ist, erfahren. Damit begann die Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2015.
Die Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist vorhanden, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH, Urteil vom 12.05.2009 – VI ZR 294/08, VersR 2009, 989; Urteil vom 17.06.2016 – V ZR 134/15, NJW 2017, 248 Rn. 10). § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ab, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet. Es muss dem Geschädigten zudem zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (BGH, Urteil vom 8.11.2016 – VI ZR 594/15, VersR 2017, 165; Urteil vom 11.09.2014 – III ZR 217/13, VersR 2015, 332, Rn 15).
Der Klägerin war aufgrund des Bekanntwerdens der Tatsachen, dass der Motor EA 189 von der Beklagten so konzipiert worden war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden, und damit das KBA zwecks Erlangung der Typengenehmigung bewusst und gewollt getäuscht worden war sowie aufgrund der daraus folgenden Täuschung auch der Erwerber der Fahrzeuge, die davon ausgingen, ein im Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug erworben zu haben, dem tatsächlich ein Widerruf der Betriebserlaubnis drohte, zumutbar, Klage gegen die Beklagte zu erheben. Aufgrund der geplanten und systematischen Vorgehensweise konnte sie auch davon ausgehen, dass die Täuschung mit Billigung des Vorstandes oder der verfassungsmäßig berufenen Vertreter umgesetzt worden ist.
Gestützt darauf war es den Erwerbern und hier auch dem Kläger zumutbar, Klage zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918), da sie aus Medienberichten, aber auch aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten um die oben genannten Umstände wussten. Der Kläger musste nicht abwarten, bis die Beklagte die internen Verantwortlichkeiten im Einzelnen geklärt hatte. Er konnte aufgrund der in der Presse bekannten Umstände davon ausgehen, dass es sich um eine Strategieentscheidung bei der Beklagten handelte, die nicht von untergeordneten Mitarbeitern im Alleingang, sondern von dem Vorstand oder mit der Leitung des Unternehmens beauftragten Personen getroffen worden ist (BGH, Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20, VersR 2021, 324 Rn 20 ff.; Urteil vom 19.10.2021 – VI ZR 189/20, Rn 14).
6.
Ein Anspruch aus § 852 BGB ist nicht begründet.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung zur Herausgabe des Erlangten nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung verpflichtet. Dabei müssen die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gegeben sein, § 852 BGB verweist lediglich wegen der Rechtsfolgen, also wegen des Umfangs des Ersatzanspruchs, auf das Bereicherungsrecht. Der Anspruch nach § 852 BGB ist ein Schadensersatzanspruch, der dieselben Voraussetzungen wie der weiter gehende Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung hat. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen. Er wird in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt (BGH, Urteil vom 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, juris Rn 61).
Der Klägerin ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten zu 2. ein Schaden entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt. Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können.
Die Klägerin ist veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten zu 2. eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. Sie hätte den Kaufvertrag in Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen. Die Klägerin hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für ihre Zwecke aufgrund der Gefahr einer Betriebseinschränkung oder -untersagung nicht voll brauchbar war. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist die Annahme gerechtfertigt, dass ein Käufer, der ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Rn. 44 - 55). Das Aufspielen des Software-Updates führt nicht zu einem Entfallen des Schadens (BGH Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 Rn. 58).
7.
Die Formulierung „auf Kosten..erlangt“ in § 852 BGB ist dabei nicht dahin auszulegen, dass die Voraussetzungen der Bereicherungshaftung nach § 812 BGB vorliegen müssten. Zweck der Vorschrift ist, dass derjenige, der einen anderen durch eine unerlaubte Handlung schädige, nicht im Genuss eines unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben soll; die Vermögensänderung zugunsten des Schädigers ist dabei nicht auf die Fälle der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung beschränkt (BGH, Urteil vom 30.11.1976 - X ZR 81/72, BGHZ 68, 90). Sie muss sich nicht zwischen Schädiger und Geschädigtem vollziehen. Der Begriff „auf Kosten...erlangt“ ist auf die Handlung bezogen, durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist. Da die Handlung unerlaubt war, kommt es nicht darauf an, auf welchem Weg sich die veranlasste Vermögensmehrung vollzogen hat. Bei dem Anspruch nach § 852 BGB handelt es sich um eine Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in einem anderen rechtlichen Kleid, ist für die Vermögensverschiebung eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend ist. Wenn der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge gehabt hat, so ist er nach § 852 Abs. 3 BGB - soweit auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs vorliegen - auch dann herauszugeben, wenn diese Vemögensverschiebung dem Schädiger durch seine Vertragspartner vermittelt worden ist (BGH, Urteil vom 14.02.1978, „Fahrradgepäckträger II“, BGHZ 71, 86, juris Rn 62). Es ist lediglich erforderlich, dass ein Zusammenhang eines Vermögenszuflusses mit dem Schaden des Verletzten besteht.
Ausgehend von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und dem Kriterium der Vermögensmehrung „auf Kosten des Geschädigten“ ist hier ein herauszugebender Vermögensvorteil durch den Erwerb des Fahrzeuges bei der beklagten Herstellerin nicht auf Kosten der Klägerin eingetreten.
Die unerlaubte Handlung der Beklagten, die, wie ausgeführt, im „Inverkehrbringen“ unter Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes und zugleich der Käufer liegt, ermöglichte der Beklagten den Verkauf der neu hergestellten Fahrzeuge an die Händlerin. Die Beklagte erhielt dadurch einen Kaufpreisanspruch gegen die Händlerin und erzielte unter Berücksichtigung der Lieferung des Fahrzeuges einen Gewinn. Die Händlerin erwarb ein Fahrzeug, dessen Betrieb durch das Kraftfahrtbundesamt jederzeit untersagt werden konnte. Der Händlerin drohten mithin im Fall einer Weiterveräußerung Gewährleistungsansprüche der Käufer. Die Beklagte hat aufgrund der Veräußerung des Fahrzeuges an die Händlerin hier eine Bereicherung erlangt.
Durch die Weiterveräußerung des Fahrzeuges von der Händlerin an die Klägerin hat die Beklagte keinen weiteren Vermögensvorteil auf Kosten der Klägerin erlangt. Vielmehr ist die Bereicherung der Beklagten mit dem Verkauf an die Händlerin wirtschaftlich abgeschlossen. Der Vertragsabschluss der Klägerin mit der Händlerin, der den Schaden der Klägerin darstellt, bereichert die Beklagte nicht.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Bestellung des Händlers beim Hersteller im Neuwagengeschäft häufig erst infolge des Kaufvertragsabschlusses des Kunden veranlasst wird, unter Berücksichtigung von dessen Vorgaben, welche Ausstattung das Fahrzeug aufweisen soll. Diese zeitliche Abfolge der Bestellung begründet aber wirtschaftlich keine Bereicherung der Beklagten auf Kosten der Klägerin, die sie zum Ausgleich des der Klägerin entstandenen Schadens herausgeben müsste. Der Schaden des Kunden ist nämlich auch in diesem Fall mit Abschluss des Kaufvertrages beim Händler entstanden und liegt in der Verpflichtung des Kunden, gegenüber dem Händler den Vertrag zu erfüllen und einen Anspruch auf ein hinsichtlich der Zulassung bemakeltes Fahrzeug erlangt zu haben.
Die Tatsache, dass der Händler durch eine Bestellung bei der Beklagten sich in die Lage versetzt, den Kaufvertrag mit der Klägerin als Kundin zu erfüllen, begründet keine Bereicherung der Beklagten auf Kosten der Klägerin, sondern auf Kosten des Händlers. Der von der Kundin mit dem Händler geschlossene Kaufvertrag ist in seinem Bestand unabhängig von dem Vertrag zwischen Händler und Hersteller und die Vermögensverschiebung erfolgt auch nur jeweils im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2021, 5 U 57/20, juris; vgl. auch Staudinger/Oechsler (2021) BGB, § 826 Rn. 312).
8.
Der hilfsweise auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten gestützte Anspruch, der sich auf mögliche Steuerschäden infolge höherer Abgaswerte bezieht, ist unzulässig, weil es an einem berechtigten Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht fehlt, wenn infolge des Hauptantrages der Eintritt der Verjährung feststeht.
Die Ansprüche auf Feststellung der Ersatzpflicht aus unerlaubter Handlung und des Eintritts des Annahmeverzuges sind unbegründet, weil ein durchsetzbarer Ersatzanspruch nicht gegeben ist. Die Klägerin ist infolge der Verjährung des Hauptanspruchs auch nicht zum Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten verpflichtet.
9.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.
Die Revision wird zugelassen, da die Frage, ob § 852 BGB in den gegen die Beklagte gerichteten Verfahren betreffend den sogenannten „Dieselskandal“ im Fall eines Neuwagenkaufs vom Händler Anwendung findet, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und hierzu von den Oberlandesgerichten abweichende und unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (vgl. bspw. Anspruch auf Ersatz des Herstellergewinns: OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2021 - 9 U 17/21; OLG München, Urteil vom 15.11.2021 - 17 U 3123/21; Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises, den der Hersteller vom Händler erhalten hat: OLG Hamm, Urteil vom 03.05.2021 - 17 U 196/20; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2021 - 13 U 123/21).
Der Gebührenstreitwert wird auf bis zu 15.089,13 € (Zahlungsantrag zu 1.: 14.589,13 €; Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges zu 4.: 500 €) festgesetzt. Der Hilfsantrag auf Feststellung der Ersatzpflicht und der Antrag zu 5. auf Feststellung des Vorliegens einer unerlaubten Handlung erhöhen den Wert nicht, da sie mit der Leistungsklage wirtschaftlich identisch sind.