Gericht | VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.11.2021 | |
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Aktenzeichen | 2 K 288/20.A | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2021:1119.2K288.20.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der ausweislich eines Führerscheins vom 6. April 2019 aus Pakistan gebürtige und 1994 geborene Kläger meldete sich am 20. September 2019 in Trier als Asylsuchender. Am 26. September 2019 stellte er bei der Außenstelle Eisenhüttenstadt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen unbeschränkten Asylantrag. Dabei gab er an, Ahmadi, pakistanischer Staatsangehörigkeit und ledig zu sein; in Deutschland habe er zwei Onkel. Am Flughafen habe ihm jemand alle Personaldokumente abgenommen und ihm ein Zugticket gegeben, damit er zu seinem Onkel fahren könne.
Anlässlich seiner Befragung sowie der Anhörung gab der Kläger später gegenüber dem Bundesamt an, dass er Pakistan am 19. September 2019 auf dem Luftweg über Katar verlassen und Deutschland am 20. September 2019 erreicht habe. Er sei seit seiner Geburt Ahmadi. Beim Verlassen des Flughafens habe ihm der Schlepper alle Personaldokumente abgenommen. Bis Mitte 2015 habe er in einem Dorf bei Narowal gewohnt, wo noch heute seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester lebten; bis zur Ausreise habe er dann in Lahore zusammen mit anderen Ahmadis gewohnt. Er habe dort eineinhalb Jahre als Elektronikverkäufer gearbeitet und danach von August 2016 bis Mai 2019 selbstständig einen Elektroladen betrieben. Den Laden habe er verkauft und seit Juni 2019 von den Ersparnissen gelebt. Die Ausreise habe ein Schlepper für 16.000 Euro organisiert.
Bereits als er fünf oder sechs Jahre alt gewesen sei, habe es in ihrem Dorf Probleme mit Nachbarn gegeben, die ihre Felder besetzt hätten. Er sei mit seiner Familie dann in die Stadt gegangen und später seien sie wieder zurück ins Dorf gezogen. Sein Vater habe eine Rente von der Armee bezogen und eine Werkstatt für Fahrräder und Motorräder gehabt. Seinen Glauben habe er – der Kläger – ausgeübt, indem er fünf Mal gebetet habe und in Lahore an den Veranstaltungen seiner Gemeinde teilgenommen habe, wenn er Zeit dafür gehabt habe. Er habe das Ahmadi-Zentrum in Lahore besucht und zum Freitagsgebet wie zu den Hauptprogrammen sei er nach Model Town gegangen. Außerdem habe er das Ahmadi-Fernsehprogramm geschaut. Politisch habe er sich nicht betätigt.
Als er 2015 nach Lahore gekommen sei, habe er seine Arbeit verloren, nachdem der Arbeitgeber herausgefunden gehabt habe, dass der Kläger Ahmadi sei. Er sei vier Monate arbeitslos gewesen und habe dann selbstständig einen Laden betrieben. Durch die Verwaltung des Shopping-Centers seien Flyer aufgehängt gewesen, dass Ahmadis dort kein Geschäft betreiben dürften; er habe sich allerdings ruhig verhalten und niemandem erzählt, dass er Ahmadi sei. Eines Tages hätten dann mehrere seiner Geschäftspartner in seinem Laden in der Schublade einen Zettel gesehen, wobei es sich um die Quittung der Monatssteuer für die Ahmadi-Gemeinde gehandelt habe. Daraufhin hätten sie ihn befragt und beleidigt und gesagt, dass sie nicht mit ihm zusammen sein dürften. Der Laden habe sich im zweiten Stockwerk eines Shopping-Centers befunden; die Leute hätten sehr laut mit ihm geschimpft und es seien immer mehr Leute dazugekommen. Zwei der Personen hätten begonnen, ihn zu schlagen; er habe entkommen können und die Polizei gerufen. Dies habe sich am 14. oder 15. Dezember 2018 zugetragen. Er habe sich dann nicht wieder getraut, seinen Laden aufzusuchen, und er habe einen Freund dorthin geschickt. Der habe ihm berichtet, dass die Verwaltung den Laden geschlossen hatte. Daraufhin habe er dem Verwalter mitgeteilt, dass er sein Geschäft verkaufen wolle; der Verkauf sei im April 2019 erfolgt.
Die Besitzer des Shopping-Centers hätten ihn verfolgt; hierzu gab der Kläger an, dass sie ihn vier bis fünf Mal bis zu seiner Wohnung verfolgt hätten und dass seine Mitbewohner beim fünften Mal gesagt hätten, dass er gehen solle. Ein Mitbewohner, der bereits einmal in Deutschland gewesen sei, habe ihm gesagt, dass es in Deutschland besser sei, weshalb er dann Kontakt zu einem Schleuser aufgenommen und Pakistan nach drei Monaten verlassen habe. Auf Nachfrage schilderte der Kläger vier verschiedene Vorfälle der Verfolgung durch Leute des Shopping-Centers. Weiter gab er an, dass er sich dann in Lahore bei verschiedenen Freunden aufgehalten habe, bevor er ausgereist sei. Pakistan sei kein sicheres Land für die Ahmadis; auch in Rabwah hätte er nicht leben können, da er dann außerhalb der Stadt eine Arbeit hätte finden müssen. Egal, wo er etwas neu anfange, sei es möglich, dass seine Religionszugehörigkeit herauskomme. Den Laden habe er mit der Hilfe eines Mittelsmannes für wenig Geld verkaufen müssen.
Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers mit am 17. Februar 2020 zugestelltem Bescheid vom 10. Februar 2020 umfassend ab; es forderte den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Pakistan zur Ausreise auf und verfügte ein auf 30 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass die Verfolgung durch die Leute des Shopping-Centers nicht nachvollziehbar sei; der Kläger habe keine wesentliche Beeinträchtigung seiner in Pakistan ausgeübten Religionsbetätigung glaubhaft gemacht. Von einer Gruppenverfolgung aller Ahmadis in Pakistan könne nicht ausgegangen werden.
Mit seiner am 21. Februar 2020 durch eine Rechtsanwaltskanzlei in Trier beim Verwaltungsgericht Potsdam erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren im Wesentlichen weiter. Er macht geltend, dass er als Ahmadi in Pakistan schwerwiegenden Verfolgungsgefahren ausgesetzt sei. Unter Vorlage einer Mitgliedschaftsbescheinigung der AMJ vom 2. April 2020 und einer weiteren Bescheinigung vom 22. September 2020, wonach er Zuständiger für die religiöse Bildung und Gruppenjugendleiter gewesen sei, trägt er vor, dass er nunmehr Mitglied der Ahmadi-Gemeinde in Berlin sei und sich an deren Veranstaltungen sowie an diversen Flyer-Aktionen beteiligt habe. Erstmals in Deutschland sei es ihm möglich geworden, seine Religion ohne Angst auszuüben. Hierzu legt der Kläger verschiedene Fotos vor.
Der in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehörte Kläger beantragt,
die Beklagte insoweit unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Februar 2020 zu verpflichten, ihm internationalen Schutz zuzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des genannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Pakistans vorliegen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bundesamtsbescheid,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht Potsdam hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. Februar 2020 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. März 2020 an das erkennende Gericht verwiesen. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - namentlich des Sitzungsprotokolls - sowie des Bundesamtsvorganges - namentlich der Anhörungsprotokolle sowie des Bescheides - Bezug genommen.
Das Gericht verhandelt und entscheidet in Ansehung der einschlägigen Belehrung in der Ladungsverfügung trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die sowohl statthafte als auch fristgerecht erhobene, insgesamt zulässige Klage ist unbegründet.
Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ nach § 3 Abs. 1 AsylG, des subsidiären Schutzstatus´ nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dabei ist Deutschland für die inhaltliche Prüfung des unbeschränkten Asylantrags des Klägers international zuständig, weil angesichts des ungeklärt gebliebenen Einreiseweges des Klägers seine Überstellung in einen vorrangig zuständigen Mitgliedstaat des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nicht in Betracht kommt.
1. Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Er befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes.
Zwar macht der Kläger an seine Religion - damit an einen einschlägigen Verfolgungsgrund nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG - anknüpfende Verfolgungsgefahren geltend, indem er als Ahmadi Übergriffen aus der Bevölkerung, staatlichen Reglementierungen und fortwährenden Benachteiligungen ausgesetzt (gewesen) sei, also von staatlichen sowie von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende Gefahren in Anknüpfung an sein religiöses Bekenntnis. Freilich hat der Kläger auch unter Berücksichtigung aller sonstigen ins Verfahren eingeführten Erkenntnisse bei Wahrunterstellung der von ihm angegebenen Vorkommnisse in Pakistan unter Berücksichtigung aller zu Tage liegenden Umstände nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht, dass er als Ahmadi in seinem Herkunftsland Pakistan über die seit alters her bestehenden allgemeinen Benachteiligungen der Ahmadis hinausgehende relevante Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a AsylG zu gewärtigen hat. Dabei nimmt ihm das Gericht ab, dass er qua Geburt Mitglied seiner Glaubensgemeinschaft und nach seinem eigenen Verständnis gläubiger Ahmadi ist; das Gericht hat indes nicht die Überzeugungsgewissheit (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erlangt, dass für den Kläger die Befolgung einer i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG, Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2011/95/EU als verfolgungsträchtig geltenden Glaubenspraxis ein zentrales Element für seine religiöse Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist.
Gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG ist nach Maßgabe der §§ 3a bis 3e AsylG im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben durch die Richtlinie 2011/95/EU einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist. Insoweit beruft sich der Kläger darauf, dass die von ihm geschilderten Übergriffe und Einschränkungen an sein religiöses Bekenntnis bzw. an die Zugehörigkeit zu den Ahmadis anknüpfen und dass er deswegen wiederum Bedrohungen in Pakistan ausgesetzt sein werde.
Gemäß § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Insofern beruft sich der Kläger darauf, dass er in staatlich geduldeter Weise bzw. auf der Grundlage von staatlichen Rechtsvorschriften, die gezielt auf sein spezifisches religiöses Bekenntnis bzw. auf seine Zugehörigkeit zu den Ahmadis abzielen, durch die ihn umgebende Mehrheitsbevölkerung, die seinem Bekenntnis bzw. den Ahmadis feindlich gegenüberstünden, Gefahren ausgesetzt sei, denen die staatlichen Stellen nicht schutzbietend entgegenträten.
Nach § 3a AsylG gelten als Verfolgung solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Nach
§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG kann eine Verfolgungshandlung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der zuvor beschriebenen Weise betroffen ist. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss eine Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen nach § 3b AsylG und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen. Vor Rechtsverletzungen, die nicht gezielt in Anknüpfung an persönliche, asylrelevante Merkmale zugefügt werden, sondern ihn als Folge der allgemeinen im Herkunftsstaat herrschenden Zustände treffen, schützt das Flüchtlingsschutzrecht nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 - juris; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris). Folglich führt nicht jedwede das in Rede stehende Schutzgut (hier: Bekenntnis bzw. Zugehörigkeit zu den Ahmadis) betreffende Handlung auf einen Flüchtlingsschutzbedarf; es muss sich bei den bereits stattgefundenen wie bei den nach Lage der Dinge hinreichend wahrscheinlich zu befürchtenden weiteren Handlungen um solche handeln, die in Bezug auf das Schutzgut zielgerichtet sowie „schwerwiegend“ sind.
Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin
„wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 - juris). Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten
Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris). Hieran bestehen beim Kläger bereits deshalb Zweifel, da er schon bisher trotz erkennbarer Risiken - Hausrechtsverbot zur Niederlassung ahmadischer Shop-Betreiber in der vom Kläger erwähnten Mall - alles vermieden hatte, was ihn als Ahmadi für andere hätte erkennbar machen können. Letztlich aber hat der Kläger weder eine sog. Vorverfolgung glaubhaft machen können, noch vermag das Gericht derzeit aus anderen Erwägungen die beachtlich wahrscheinliche Gefahr der behaupteten Verfolgung zu erkennen.
a) Nach den Regelungen in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU werden vorverfolgte Personen durch eine Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung privilegiert, indem in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigemessen wird. Dadurch wird der Vorverfolgte oder Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden oder schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Der Kläger ist freilich nicht vorverfolgt ausgereist; seine diesbezüglichen Angaben belegen gerade keine schwerwiegende Verletzung des Klägers in der beschriebenen, für ihn als verpflichtend empfundenen Religionsausübung.
Dem Vorbringen des Klägers lassen sich gegen ihn gerichtete schwerwiegende staatliche bzw. nichtstaatliche Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a AsylG, die an einen individuellen Verfolgungsgrund i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG anknüpfen, nicht entnehmen.
aa) Eine im Ausreisezeitpunkt vorliegende sog. Gruppenverfolgung aller Ahmadis wird von der Rechtsprechung, der das Gericht folgt (vgl. rkr. Urteil der Kammer vom 18. Februar 2021 - VG 2 K 950/18.A -), nicht angenommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris; Beispiele aus der obergerichtlichen Rechtsprechung: OVG RP, Urteil vom 29. Juni 2020 - 13 A 10206/20 - juris Rn. 46 ff.; OVG NW, Beschlüsse vom 29. November 2018 - 4 A 3144/18.A - juris Rn. 15, 17, und vom 21. Januar 2016 - 4 A 858/15.A - juris Rn. 10, 11; VGH BW, Urteil vom 12. Juni 2013 - A 11 S 757/13 - juris). Eine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgungsgefahr drohte allenfalls „bekennenden Ahmadis", die „ihren Glauben im Heimatland auch öffentlich ausüben wollen".
bb) Der Kläger zählte zur Überzeugung des Gerichts bis zu seiner Ausreise aus Pakistan nicht zu den „bekennenden Ahmadis“, was zudem die Annahme einer Einzelverfolgung im Sinne einer individuellen Vorverfolgung ausschließt. Das Gericht erachtet es aufgrund seiner Angaben nicht als glaubhaft, dass der Kläger hinsichtlich der von ihm geschilderten Vorkommnisse wegen einer gegen pakistanisches Strafrecht verstoßenden Glaubensbetätigung, eines öffentlichen Glaubensbekenntnisses oder der Werbung für die Sache der Ahmadis gezielt im Fokus maßgeblicher Verfolgungsakteure stand, insbesondere ist es nicht ersichtlich, dass für ihn ein öffentliches Bekenntnis zum ahmadischen Glauben unverzichtbar war. Hiergegen spricht bereits der genannte Versuch des Klägers, als Ahmadi trotz ausdrücklichen Verbots der Shopping-Mall-Verwaltung einen Laden eröffnet und sein religiöses Bekenntnis verschwiegen zu haben.
Im Übrigen war der Kläger mit seiner Familie schon als Kind bzw. Jugendlicher seinerzeit nach vorangegangenen Übergriffen - die Nachbarn sollen sich der Ländereien seiner Familie bemächtigt gehabt haben - erneut an den Ort der Verfolgung zurückgekehrt, wo die Familie einschließlich des Klägers bis zu dessen arbeitsbedingten Weggangs nach Lahore augenscheinlich unbehelligt gelebt und wo jedenfalls die Eltern und Geschwister des Klägers noch im Zeitpunkt seiner Asylantragstellung gelebt haben sollen, also unbehelligt trotz früherer Übergriffe. Dass und inwiefern der Kläger aus Gründen seiner Glaubensbetätigung - auch einer ggf. aus Vorsichtsgründen unterdrückten Religionsbetätigung - von dort nach Lahore gegangen sein sollte, erschließt sich aus dem Vortrag des Klägers ebenso wenig wie die womöglich allein wirtschaftlichen Hintergründe des zwischenzeitlichen Aufenthalts seiner Brüder in den VAE, wo zahlreiche Pakistaner/innen als Gastarbeiter leben. Und in Lahore, wohin der Kläger mit anderen oder zu anderen Ahmadis 2015 als 21-jähriger Arbeitsuchender gegangen war, hatte der Kläger - nach Maßgabe seines Vorbringens - zwar unter dem Eindruck der von ihm geschilderten Ereignisse den bis dahin selbstständig und mit Erfolg geführten Laden in der Shopping-Mall 2019 veräußert; freilich lässt sich seinem Vortrag auch in Würdigung der Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht entnehmen, dass und inwieweit er in seinem religiösen Wesenskern über den Bereich der beruflichen Entfaltung in einem von Ahmadi-Gegnern beherrschten Bereich hinaus betroffen war. Immerhin habe er sowohl die Freitagsgebete als auch sonstige Veranstaltungen seiner Ahmadi-Gemeinde in Lahore - augenscheinlich bis auf gelegentliche Antiahmadi-Demonstrationen, gegen welche die Polizei eingeschritten sei, ungestört - besuchen und sich wie von ihm behauptet innerhalb der Gemeinschaft entfalten können. Bei Wahrunterstellung des Kerns seines Vortrags war der Kläger allenfalls zufällig bei Kollegen, Freunden oder Kunden wegen der aufgefundenen Quittung über die Zahlung des Beitrags für die Ahmadi-Gemeinde ins Visier der Umgebungsbevölkerung sowie des Shopping-Mall-Betreibers geraten, mit all denen er zuvor keine Probleme gehabt habe, da er sich - bewusst und sogar auf Anraten seiner Gemeinde - vorsichtig, also als Ahmadi völlig unauffällig verhalten hatte. Von daher belegt der Vortrag des Klägers das Fehlen jedweden nach außen erkennbaren oder als solches gewünschten Bekenntnisses des Klägers zu seiner Glaubensgemeinschaft.
Der Kläger konnte zudem im Zeitraum seiner Ausreise auf internen Schutz verwiesen werden (§ 3e AsylG), auch wenn er bei seiner Bundesamtsanhörung von Übergriffen durch den Betreiber der Shopping-Mall oder andere Dritte berichtet hat. Denn der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist grob widersprüchlich, gesteigert und insgesamt unglaubhaft, wie im Bundesamtsbescheid zutreffend dargelegt worden ist. Wäre in der vom Kläger zuletzt behaupteten Weise gegen ihn vorgegangen worden, hätte es nahegelegen, dass auch den übrigen Ahmadis, mit denen er in Lahore gearbeitet habe, wie insbesondere dem ahmadischen Mitbewohner, gleichermaßen nachgestellt worden wäre, wovon der Kläger allerdings nichts berichtet hat. Dem Vortrag des Klägers lässt sich lediglich entnehmen, dass der Mitbewohner - laut Angabe in der mündlichen Verhandlung: ein Geschichtsprofessor - ihm wegen des Vorkommnisses mit dem Laden zum Fortgang nach Deutschland geraten habe, weil es dort „leichter“ (zu leben) sei. Damit widerlegt der Kläger freilich nicht das Fehlen einer ausweglosen Lage: da man Ahmadis nach seinen Angaben nicht an äußerlichen Merkmalen identifiziert, sie sich vielmehr untereinander mit Gemeindeausweisen oder auf die Gemeinde bezogenen Detailangaben zu erkennen geben, lag es nahe, dass sich der Kläger woanders in der Metropole Lahore oder in anderen Großstädten bzw. in Rabwah, das mehrheitlich von Ahmadis bewohnt ist, ein Auskommen suchen konnte.
Nach alledem hat der Kläger eine Vorverfolgung nicht glaubhaft gemacht. Aus den in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/95/EU sowie in § 25 AsylG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten folgt aber, dass es Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhält zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine flüchtlingsschutzbegründende Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen unter anderem Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden (vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 - und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, jeweils juris). Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten kann mitunter der eigene Tatsachenvortrag des schutzsuchenden Ausländers zur Anerkennung oder Feststellung des begehrten Anspruchs führen, sofern das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände von der Wahrheit des geschilderten Verfolgungsschicksals überzeugt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21 Juli 1989 - 9 B 239.89 -, juris).
Bei der gebotenen zusammenschauenden Würdigung des Klägervortrags reicht die von ihm standardisiert behauptete Verfolgungsgefahr nicht zur Annahme einer Vorverfolgung. Das von ihm selbst vorgetragene Verhalten des Klägers belegt, dass sich Ahmadis in Pakistan in der Öffentlichkeit oft nicht zu erkennen geben. Dass und inwieweit dem Kläger sonst für potenzielle Verfolger etwas in Bezug auf seine religiöse Überzeugung anzumerken gewesen sein könnte oder weshalb er wegen welcher konkreten Glaubensbetätigung woanders als Ahmadi erkennbar gewesen sein könnte, erschließt sich nicht. Damit hat der Kläger seine Vorverfolgung bei Lichte besehen allein damit begründet, dass ihn Geschäftspartner zufällig als Ahmadi erkannt, mit verächtlichen Bemerkungen belegt und dass ihn herbeigeeilte Unbekannte geschlagen hätten. Über diese - zweifelsohne diskriminierenden - Belästigungen hinausgehende Beeinträchtigungen hat der Kläger nicht berichtet.
Unter diesen Voraussetzungen war dem Kläger zumindest die bereits im angegriffenen Bundesamtsbescheid dargelegte interne Ausweichmöglichkeit woanders in Pakistan eröffnet; auf den Bescheid wird verwiesen. Soweit der Kläger dieser Möglichkeit eine fehlende Niederlassungsmöglichkeit in Rabwah entgegengehalten hat, beruht dies auf reiner Spekulation des Klägers, zumal seine Familienangehörigen seinerzeit offenbar unbehelligt in dem Dorf nahe Narowal lebten. Unabhängig davon, ob der Kläger schon damals die angeblich jetzt im Vordergrund stehende religiöse Betätigung tatsächlich hat ausüben wollen, stand ihm folglich die Möglichkeit internen Schutzes i.S.v. § 3e AsylG zur Verfügung.
Im Übrigen nimmt es das Gericht dem Kläger nicht ab, dass er über die bloße Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadis und über die sozialtypische Teilhabe an deren Veranstaltungen hinaus religiös geprägt oder gar darauf aus gewesen sein könnte, sich erkennbar und wegen eines als identitätsprägend empfundenen inneren Glaubenssatzes als Ahmadi zu betätigen. Dann hätte er zumindest während der mündlichen Verhandlung plausibel machen müssen, dass er sich über die seit Alters her vorherrschende Diskriminierungslage der Ahmadis hinaus religiös habe betätigen wollen bzw. in Bezug auf welche Glaubensbetätigung er sich in nicht hinnehmbarer Weise eingeschränkt gesehen habe, und nicht den Eindruck vermitteln dürfen, letztlich zur Erleichterung der allgemeinen Lebensführung sowie aus wirtschaftlichen Gründen Pakistan verlassen zu haben.
In diesem Zusammenhang ist es wohlfeil, angesichts des mit der Klage verfolgten Bleibeinteresses heute zu behaupten, was ihm damals wichtig gewesen sei. Der Kläger muss sich in diesem Zusammenhang sein verfahrenstaktisches Verhalten vorhalten lassen, das seine Angaben insgesamt wenig glaubhaft erscheinen lässt. Dieses taktische Verhalten betrifft schon die ominös gebliebene Reise mit der Hilfe angeblich unbekannter Schlepper, die den spärlichen Angaben des Klägers nach eher auf ein organisiertes Ahmadi-Netzwerk schließen lassen, welches die organisierte illegale Ausreise ahmadischer Pakistani nach Europa nahelegt. So ist es offensichtlich widersprüchlich geblieben, dass der Kläger mit der Hilfe eines oder beider Onkel in Deutschland mittels Schlepperhilfe nach Deutschland gekommen sei, mit einem eigenen Pass und ohne Kenntnis des für die Luftwegreise erforderlichen Visums wie auch ohne Kenntnis der Wohnorte der Onkel, zu denen angeblich gar keine Beziehung bestehe. Ferner lässt sich die Beauftragung der Anwaltskanzlei in Trier nicht nachvollziehen, zu welcher ihm - offenbar erst nach seiner Verteilung nach Brandenburg - durch andere Asylbewerber geraten worden sei. Hält der Kläger aber derlei für die im Kern interessierende Frage nach seinem Bekenntnis eher unbedeutenden, tatsächlich jedoch bei Offenlegung überprüfbaren Umstände im Dunkeln, können ihm die sonstigen Angaben nicht ohne plausible Erklärung abgenommen werden, die eine zumindest ehrlich wirkende Authentizität des Klägers erfordern.
Unter diesen Umständen ist es nicht nachvollziehbar, welche Religionsausübung des Klägers über die örtliche Glaubensgemeinschaft hinaus von Belang gewesen sein könnte; dass der Kläger auch nur den Wunsch gehabt hätte, sich öffentlichkeitswirksam außerhalb dieser Gemeinschaft darzustellen, hat er selbst nicht einmal angedeutet, erscheint dem Gericht angesichts des klägerseits angeführten Versuchs, unerkannt den Shop zu führen, auch eher als fernliegend. So beruft sich der Kläger im Ergebnis - nur - auf die allgemein bekannte Hetze islamistischer Kreise sowie auf die rechtliche Diskriminierung der Ahmadis, eben auf die allgemeine Lage, ohne eine individuelle, ausweglose Beeinträchtigung für das Gericht hinreichend zu konkretisieren. Alles in allem ergibt sich aus den Angaben des Klägers zur Überzeugung des Gerichts, dass er wegen der allgemein schwierigen Lage der Ahmadis in Pakistan und jedenfalls vor dem Hintergrund einer nach dem Verkauf seines Shops prekär werdenden wirtschaftlichen Versorgungslage und nicht etwa wegen einer schwerwiegenden Bedrohung in Bezug auf seine Glaubensbetätigung das Heimatland verlassen hat.
b) Ausgehend von den in der Rechtsprechung (namentlich EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 u.a. - juris; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris) entwickelten Maßstäben besteht für den Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland nach der Gesamtwürdigung seines Vortrags im Asyl- und Klageverfahren zur Überzeugung des erkennenden Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aber auch heute nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Verfolgung. Ihm drohen bei einer Rückkehr nach Pakistan keine entsprechend schwerwiegenden Verfolgungsmaßnahmen von staatlicher Seite bzw. seitens privater Akteure wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadis. Zwar unterliegen „bekennende Ahmadis“, zu deren identitätsprägenden Glaubensmerkmalen die Betätigung ihres Glaubens in der Öffentlichkeit gehört, in Pakistan einer relevanten Verfolgungsgefahr. Der Kläger muss aus diesem Grund jedoch keine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, weil er das Gericht nach Maßgabe der vorstehenden rechtlichen Maßstäbe nicht davon hat überzeugen können, dass er seinen Glauben in identitätsprägender Weise nach außen lebt.
Auch wenn die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Ahmadis in Pakistan keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, kann im Einzelfall etwas anderes gelten für diejenigen Ahmadis, die ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanten Weise praktizieren und ihr Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen. Für diese Personen besteht in Pakistan ein reales Verfolgungsrisiko, wenn sie ihren Glauben öffentlich leben und bekennen würden (Urteil der Kammer vom 18. Februar 2021 - VG 2 K 950/18.A - unter Verweis auf VGH BW, Urteil vom 12. Juni 2013 - A 11 S 757/13 - juris Rn. 116). Sie haben mit einem erheblichen Risiko für Leib und Leben durch die Gefahr einer jahrelangen Inhaftierung mit Folter bzw. unmenschlichen Haftbedingungen und von Attentaten oder gravierenden Übergriffen privater Akteure zu rechnen, gegen welche effektiver staatlicher Schutz regelmäßig nicht zu erlangen ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 29. Juni 2020 - 13 A 10206/20 - juris insbes. Rn. 69, 83, 85, 87, 97). Eine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgungshandlung kann dabei nicht nur in der schwerwiegenden Verletzung der Freiheit, die Religion im privaten Rahmen zu praktizieren (forum internum) liegen, sondern auch in der Verletzung der Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben (forum externum), so dass schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung eine beachtliche Verfolgungshandlung i.S.v. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU darstellen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der davon betroffene Glaubensangehörige tatsächlich religiös betätigen wird oder ob er auf die Ausübung seines Glaubens aus Furcht vor Verfolgung verzichtet (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris). Das Verbot weist jedoch nur dann die darüberhinaus erforderliche subjektive Schwere auf, wenn die Befolgung der verbotenen religiösen Praxis für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 a.a.O.). Maßgeblich ist demnach, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG eda. im Anschluss an EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 - NVwZ 2012, 1612). Bei der Feststellung der religiösen Identität als innere Tatsache kann nur im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen geschlossen werden, der den dargestellten Mitwirkungsverpflichtungen unterliegt. Allein der Umstand, dass der Betroffene seinen Glauben in seinem Herkunftsland nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat - wie es das Gericht bei dem Kläger annimmt -, ist nicht entscheidend, soweit es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt. Ergibt die Prüfung jedoch, dass der Betroffene seinen Glauben auch in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, die ihn in seinem Herkunftsland der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde, spricht dies regelmäßig dagegen, dass eine solche Glaubensbetätigung für seine religiöse Identität prägend ist (BVerwG eda. Rn. 26). Erforderlich ist letztlich eine Gesamtwürdigung der religiösen Persönlichkeit des Betroffenen anhand aller vorliegenden Gesichtspunkte. Bloße Kenntnisse über die Glaubensinhalte der Ahmadis, eine Mitgliedsbescheinigung der AMJ Deutschland, regelmäßige Moschee-Besuche oder die Teilnahme an jährlichen Großveranstaltungen der Ahmadis oder an sonstigen Aktionen der Ahmadis (mit den üblichen Helferdiensten) lassen daher für sich genommen nicht bereits auf eine individuelle Glaubensüberzeugung und ein nach außen wirkendes Glaubensvermittlungsbedürfnis schließen. Erforderlich ist vielmehr ein Bedürfnis, aus dem ahmadischen Glauben heraus bekennend zu leben und auch andere Menschen an dieser Haltung teilhaben zu lassen. In diesem Sinne muss es sich beim Betroffenen um einen aus der Allgemeinheit der Ahmadis hervorstechenden Gläubigen handeln, dessen Glauben sich öffentlich manifestiert.
Das Gericht ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Praktizierung seines Glaubens in der Öffentlichkeit oder das Werben für seinen Glauben ein zentrales Element der religiösen Identität des Klägers und für ihn unverzichtbar ist.
Soweit der Kläger nunmehr in Deutschland - wie nahezu ausnahmslos alle Asylbewerber, die Klageverfahren bei der erkennenden Kammer führen - am Gemeindeleben seiner Berliner Glaubensgemeinschaft teilnimmt und die Gemeindeveranstaltungen besucht hat sowie anweisungsgemäß Prospekte verteile und dadurch Leute dazu eingeladen würden, Kontakt zur Ahmadi-Gemeinde aufzunehmen, geht dies über das innergemeindliche Leben und einfache Hilfsdienste - zumal unter dem Eindruck des noch offenen Asylverfahrens, zu dessen Zweck die Bescheinigungen ausgestellt und die beigebrachten Fotos inszeniert wurden - nicht hinaus und lassen die innerhalb der Gemeinde stattfindenden Aktivitäten des Klägers über den damit einhergehenden sozialen Kontakt zu Landsleuten und Glaubensgeschwistern hinaus kein öffentlichkeitswirksames identitätsstiftendes Engagement des Klägers erkennen. Zwar könnten die Bescheinigungen und Fotos ebenso wie die persönliche Begegnung mit dem Kalifen oder einem Imam Indizien für die hier interessierende identitätsstiftende religiöse Überzeugung des Klägers darstellen; aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung lässt sich insoweit jedoch keine intensivere als die bereits in Pakistan geübte, wenngleich eingeschränkte religiöse Betätigung erkennen, wo er bereits regelmäßig die Moschee sowohl in Narowal als auch in Lahore bzw. in Model Town aufgesucht habe. Konkrete, über den inneren Gemeindebereich hinausgehende Tätigkeiten, die er in einer für Ahmadis besonderen Funktion ausgeübt habe, hat der Kläger jedenfalls nicht erwähnt. Soweit der Kläger beteuert, dass er in Pakistan als Ahmadi nicht frei gewesen sei, erscheint dies vor dem Hintergrund der allgemein diskriminierenden Lage der dortigen Ahmadis der AMJ-Gruppe durchaus nachvollziehbar; freilich liegt kein schwerwiegendes „real risk“ in Bezug auf konkrete Glaubensbetätigungen des Klägers zu Tage. Dies betrifft gerade die im Asylverfahren hervorgehobene Frage nach dem Tabliq, das freilich weit über die einfachen Glaubenssätze des Klägers hinausgehende, plausibilisiernde Angaben dazu erfordert hätte, weshalb und in welcher Weise der Kläger missionieren wolle. Auch insoweit ist es zunächst einmal für sich genommen wohlfeil, unter dem Eindruck des schwebenden Asylklageverfahrens zu behaupten, der Kläger wolle missionieren und habe dazu Flyer verteilt bzw. mit einem Arbeitskollegen über seinen Glauben gesprochen. Der Kläger hat nicht überzeugt, dass er über die Existenz seiner Glaubensgemeinschaft und einfachsten Glaubenssätzen hinaus etwas missionarisch weitergeben könnte; vielmehr hat er sich als passives Mitglied seiner hierarchisch organisierten Gemeinschaft dargestellt, in welcher jedes Mitglied (irgendwelche) Aufgaben - insbesondere über Whatsapp oder telefonisch - zugeteilt erhält, die im Verbund mit anderen Gemeindemitgliedern ausgeführt werden.
All dies stellt nicht die Glaubensüberzeugung des Klägers an sich in Frage; er zählt jedoch nicht zu denjenigen Ahmadis, die aufgrund der für sie identitätsstiftenden Religionsausübung berechtigte Furcht vor Verfolgung hegen müssen. Insoweit kann der von dem Kläger beschriebenen religiösen Betätigung im Wesentlichen nur ein auf den inneren Bereich der örtlichen Glaubensgemeinschaft gerichtetes Wirken entnommen werden. Eine Erklärung dafür, warum der Kläger seinen Glauben in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, aus der gefolgert werden könnte, dass für ihn eine öffentliche Religionsausübung identitätsprägend ist, lässt sich aus seinen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht herleiten.
Nach allem lässt sich nicht erkennen, weshalb es nicht auch heute dem Kläger angesonnen werden können sollte, wie seine engsten Familienangehörigen als gläubiger Ahmadi in Narowal oder z.B. in Rabwah zu leben. Daher muss sich der Kläger im Sinne des angegriffenen Bundesamtsbescheides auf die internen Schutzmöglichkeiten innerhalb Pakistans (vgl. § 3e AsylG) verweisen lassen. Als im vorbeschriebenen Sinne nicht bekennender Ahmadi kann er in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylG finden. In den Städten Pakistans - vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan - leben potenziell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. Juli 2019, S. 19). Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Angesichts der hohen Bevölkerungszahl in Pakistan und mehrerer Millionenstädte landesweit ist nicht ersichtlich, dass den Kläger bedrohende Personen die Möglichkeit hätten, diesen auch in einer anderen Provinz und/oder landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen; dies gilt namentlich für die angeblichen Verfolger seinerzeit im Umfeld des Shopping-Centers. Diese interne Schutzalternative besteht nach der Auskunftslage auch für Ahmadis, solange sie - wie der Kläger - keine überregionale Bekanntheit erlangt haben und für sie eine in die Öffentlichkeit wirkende Glaubenspraxis nicht identitätsbestimmend ist. Für Ahmadis ohne überregionale Bekanntheit bietet insbesondere auch ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, eine Ausweichmöglichkeit, um Repressionen zu entgehen (vgl. Auswärtiges Amt a.a.O.). Gegenteilige Erkenntnisquellen benennt der Kläger nicht (zu diesem Erfordernis vgl. OVG NW, Beschluss vom 12. Februar 2021 - 10 A 2975/20.A - juris).
Nichts anderes ergibt sich letztlich auch im Hinblick darauf, dass den Kläger möglicherweise nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages die Verpflichtung trifft, sich an der Passbeschaffung zu beteiligen - falls er den Pass nicht ohnehin verheimlicht -, das Passformular des pakistanischen Staates einen Eintrag zur Religionszugehörigkeit vorsieht und im Falle der Eintragung der Religionszugehörigkeit als „Muslim“ eine besondere Erklärung für Muslime zu unterzeichnen ist. Die fortschreitende Islamisierung der pakistanischen Gesellschaft, die sich ständig ändernde politische Situation und die seit 2018 eingeführten Vorschriften zu den Personenstandsurkunden mit der hiermit einhergehenden Verdichtung der Verfolgung bekennender Ahmadis in Pakistan führen auf keine abweichende Bewertung der dargestellten Situation des Klägers.
Die Verpflichtung, bei der Beantragung eines Reisepasses in den Passformularen unter dem Betreff „Religion“ „Ahmadi“ statt „Muslim“ einzutragen - wobei der Kläger angeführt hat, dass in seinem Reisepass „Ahmadi“ („Ahmadiyya“) eingetragen gewesen sei -, stellt für sich genommen keinen Eingriff in die Religionsfreiheit dar (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 11. Januar 2017 - A 3 K 2343/16 - juris Rn. 37 ff.). Daher kann sich daraus auch keine Verfolgung des Klägers wegen seines ahmadischen Glaubens ergeben. Auch wenn man - wie möglicherweise der EGMR (vgl. EGMR, Entscheidung vom 2. Februar 2010 - Isik/Türkei, Nr. 21924/05) - davon ausgeht, dass bereits die Eintragung der Religionszugehörigkeit als solche in Pass- und Ausweisdokumenten eine Verletzung der Religionsfreiheit darstellt, liegt darin nicht automatisch eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG. Nicht jede Verletzung der Menschenrechte stellt schon eine Verfolgungshandlung im Sinne des Asylgesetzes dar. Die bloße Eintragung der Religionszugehörigkeit in Pass- und Ausweisdokumenten ist in ihrer Schwere den in § 3a Abs. 2 AsylG aufgezählten Verfolgungshandlungen nicht vergleichbar. Die Erklärungspflichten erreichen offenkundig - wenn nicht bereits in objektiver, so jedenfalls unter der Prämisse, dass es sich beim Kläger nicht um einen Ahmadi handelt, für den eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist - in subjektiver Hinsicht nicht die erforderliche Schwere, um als religiöse Verfolgungshandlung oder Menschenrechtsverletzung angesehen werden zu können (BayVGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2019 - 6 ZB 19.33691 - Rn. 9 und vom 17. Dezember 2019 - 6 ZB 19.34225 - Rn. 4). Insofern hat der Kläger weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren Angaben dazu gemacht, dass und inwieweit er mit Blick auf seine Religionszugehörigkeit Probleme hätte, seinen Erklärungspflichten bei der Passbeschaffung nachzukommen (vgl. hierzu OVGNW, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 4 A 2759/19.A - juris). Da er seine Personaldokumente angeblich einem Schleuser überlassen hat, vereitelt der Kläger die Feststellung, ob er bereits im Zusammenhang mit der Ausreise über die VAE durchaus keine Schwierigkeiten gesehen hatte, sich zwecks Pass- und Visumbeschaffung zu einer Religion zu bekennen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten dabei nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Der Gewährung subsidiären Schutzes steht jedenfalls nach §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3e AsylG in gleicher Weise wie oben dargestellt zumindest die Möglichkeit des internen Schutzes in Rabwah oder in den erwähnten Großstädten entgegen.
Eine (in einem formalen Verfahren verhängte und dem pakistanischen Staat zuzurechnende) Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) steht vorliegend nicht in Rede. Dem Kläger droht aber auch keine unmenschliche und/oder erniedrigende Behandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, da es gleichfalls an zielgerichteten, dem pakistanischen Staat zuzurechnenden Bedrohungen fehlt, denen der Kläger nicht zumindest intern ausweichen könnte. Dies umfasst auch die pandemiebedingte Situation in Pakistan, die jedenfalls nicht von einer den Kläger treffenden bewussten Vorenthaltung vorhandener gesundheitlicher Gegenmaßnahmen des Staates geprägt ist.
In Pakistan liegt gegenwärtig schließlich kein das Land destabilisierender innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor, der einer Abschiebung im Sinne eines Risikos für den Kläger entgegenstehen könnte. Dieser Begriff ist völkerrechtlich zu verstehen und setzt eine gewisse Qualität voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 44/07 - juris Rn. 4). Ein solcher Konflikt liegt nicht vor, wenn es sich nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen. Der Konflikt muss ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Zwar sind Taliban- und andere islamistisch-extremistische Gruppen sowie belutschische Separatisten in Pakistan aktiv (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. September 2020, S. 20), ohne dass aber von innerstaatlichen bewaffneten Konflikten die Rede sein kann. Die letzten Jahre führten zudem zu einer Verbesserung der Sicherheitslage und zu einem Rückgang des Terrorismus (eda.).
3. Ferner sind auch die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG in dem Bescheid zutreffend verneint worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Abschiebung des Klägers nach Maßgabe der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), die zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen würde, unzulässig sein könnte. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus individuellen Gründen ist schließlich ebenfalls nicht erkennbar. Der Kläger ist erwerbsfähig und nach Aktenlage gesund, so dass er in Pakistan in der Lage sein wird, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Dies gilt hinsichtlich der fortdauernden Corona-Pandemie schon deshalb, weil es sich um eine nicht staatlich zu verantwortende Allgemeingefahr handelt, die angesichts einer 7-Tages-Inzidenz von 0,2 (gegenüber 385,2 in Deutschland; jeweils nach corona-in-zahlen-weltweit.de, abgerufen am 19. November 2021) als beherrschbar anzusehen ist; es liegt nichts zu einer etwaigen besonderen Gefährdung des Klägers vor, der sich zudem sowohl in Deutschland als auch in Pakistan durch Schutzimpfungen gefahrmindernd schützen kann.
4. Auch hinsichtlich der weiteren Entscheidungen im angegriffenen Bescheid ist jedenfalls im Ergebnis in rechtlicher Hinsicht nichts zu erinnern; der Kläger führt insoweit schon nichts an.
Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angegriffenen Bescheids Bezug genommen, der das Gericht folgt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 i.V.m. § 83b AsylG.