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Entscheidung VG 13 K 3559/17


Metadaten

Gericht VG Potsdam 13. Kammer Entscheidungsdatum 12.08.2021
Aktenzeichen VG 13 K 3559/17 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2021:0812.VG13K3559.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, eine Versammlung der Mitglieder der Angliederungsgenossenschaft des Eigenjagdbezirks Bundesforst K ... mit Vorstandswahlen einzuberufen und durchzuführen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Einberufung und Durchführung einer Genossenschafts-versammlung der Angliederungsgenossenschaft des Eigenjagdbezirks Bundesforst K ... (Angliederungsgenossenschaft) mit Vorstandswahlen.

Am 26. März 2009 erließ der Beklagte in seiner Funktion als untere Jagdbehörde einen Angliederungsbescheid, mit dem unter anderem das Grundstück des Klägers in der Gemarkung K ..., Flur ..., Flurstück ..., dem Eigenjagdbezirk Bundesforst K ... angegliedert wurde. In der Folgezeit wendete sich der Kläger erfolglos an den Beklagten, das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft bzw. dessen Staatssekretärin persönlich und den Petitionsausschuss des Landtags des Landes Brandenburg mit dem Ziel, die Einberufung einer Genossenschaftsversammlung durch den Beklagten als Notvorstand zu erreichen.

Am 9. Juni 2017 hat der Kläger Klage erhoben.

Zur Begründung führt er aus, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei, weil es sich bei Angliederungsgenossenschaft um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handele. Es sei nicht erforderlich, dass dies gesetzlich geregelt sei, weil sie die allgemeinen Anforderungen an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts erfülle. Obwohl der Beklagte der Notvorstand der Angliederungsgenossenschaft sei, habe er seit dem Erlass des Angliederungsbescheides keine Genossenschaftsversammlung der Angliederungsgenossenschaft durchgeführt. Deshalb sei bislang kein Vorstand gewählt worden. Der Beklagte habe trotz mehrerer Hinweise des Klägers seine Amtsgeschäfte nicht aufgenommen. Zu den Pflichten eines Notvorstandes gehöre es, die Geschäfte des Vorstandes zu führen. Dazu zähle insbesondere die Durchführung von Genossenschaftsversammlungen und die Hinwirkung darauf, dass die Angliederungsgenossenschaft einen Vorstand wählt und eine Satzung erlässt. Durch das Unterlassen des Beklagten sei er, der Kläger, nicht in der Lage seine gesetzlichen Mitbestimmungsrechte als Mitglied der Angliederungsgenossenschaft wahrzunehmen und somit in seinen Rechten verletzt. Die Mitglieder der Angliederungsgenossenschaft selbst seien nicht befugt, die Genossenschaftsversammlung einzuberufen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, eine Versammlung der Mitglieder der Angliederungsgenossenschaft des Eigenjagdbezirks Bundesforst K ... mit Vorstandswahlen einzuberufen und durchzuführen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei, da keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben sei. Bei der Angliederungsgenossenschaft handele es sich, nicht um eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts, weil das Jagdgesetz für das Land Brandenburg (BbgJagdG) dies, anders als im Falle der Jagdgenossenschaft, für die Angliederungsgenossenschaft nicht ausdrücklich festschreibe. Außerdem bezieht er sich auf seine außergerichtlichen Stellungnahmen und führt ergänzend aus, dass keine Veranlassung bestehe, die Geschäfte der Angliederungsgenossenschaft als Notvorstand zu führen. Die vierte Kammer der Verwaltungsgerichts Potsdam habe in ihrem Urteil vom 7. Dezember 2012 – VG 4 K 2570/11 – bereits ausgeführt, dass es Sache des Klägers sei, zusammen mit anderen Eigentümern der angegliederten Flächen eine Angliederungsgenossenschaft zu bilden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte in die Umstellung der Klage auf ihn eingewilligt.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen worden ist. Die subjektive Änderung der Klage auf den nunmehrigen Beklagten ist aufgrund dessen Einwilligung nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, weil vorliegend eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben ist und die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Insbesondere ist, obwohl die Angliederungsgenossenschaft keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist (vgl. § 10 Abs. 10 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 BbgJagdG), vorliegend eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit anzunehmen. Maßgeblich für das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ist nicht, die Einordnung der Angliederungsgenossenschaft als öffentlich- oder privatrechtlicher Zusammenschluss, sondern, ob es sich bei der streitentscheidenden Norm um eine solche des Öffentlich Rechts handelt (vgl. nur Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 40 Rn. 6b m. w. N.). Nach der sog. „modifizierten Subjektstheorie“ ist eine Norm dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn danach zumindest ein Zuordnungssubjekt der Staat oder ein sonstiger Hoheitsträger als solcher ist, d. h. er als solcher berechtigt oder verpflichtet wird (vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 40 Rn. 302 ff. m. w. N.). Der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten als Notvorstand der Angliederungsgenossenschaft beruht auf § 10 Abs. 10 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 1 BbgJagdG. Danach werden die Aufgaben des Vorstandes einer Angliederungsgenossenschaft von dem hauptamtlichen Bürgermeister wahrgenommen, solange kein Jagdvorstand gewählt wurde. Der hauptamtliche Bürgermeister wird folglich in seiner Funktion als Hoheitsträger durch die Norm verpflichtet, womit die streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlich ist.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger sich zunächst vergeblich an den Beklagten mit der Bitte um Einberufung und Durchführung einer Mitgliederversammlung der Angliederungsgenossenschaft mit Vorstandswahl gewendet hat.

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat aus § 10 Abs. 10 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 1 BbgJagdG einen Anspruch auf Einberufung und Durchführung einer Versammlung der Mitglieder der Angliederungsgenossenschaft des Eigenjagdbezirks Bundesforst K ... mit Vorstandswahlen gegen den Beklagten. Ein Rechtssatz vermittelt ein subjektives öffentliches Recht, wenn er öffentlich-rechtlicher Natur ist, mit seiner Rechtsfolge dem Staat oder einer seiner Untergliederungen das begehrte Verhalten auferlegt oder ermöglicht und seine Auslegung ergibt, dass er nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch der Verwirklichung der Individualinteressen desjenigen zu dienen bestimmt ist, der sich auf die Vorschrift beruft (Schutznormtheorie). Normen, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen, vermitteln dagegen keine subjektiv öffentlichen Rechte, sondern bloße Rechtsreflexe bzw. sonstige lediglich mittelbare rechtliche Wirkungen, die nur rein tatsächlich in der Nebenwirkung auch dem Individualinteresse zugutekommen, ohne dass die jeweilige Norm in ihrer Zwecksetzung diese Nebenwirkung mitumfasst (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. November 2020 – 1 A 2361/18 –, juris Rn. 62 ff. m. w. N.).

§ 10 Abs. 10 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 1 BbgJagdG verpflichtet den Beklagten, die begehrte Versammlung der Angliederungsgenossenschaft mit Vorstandswahlen einzuberufen und durchzuführen. Nach § 10 Abs. 7 Satz 1 BbgJagdG werden die Geschäfte des Jagdvorstandes vom hauptamtlichen Bürgermeister, bei amtsangehörigen Gemeinden vom Amtsdirektor wahrgenommen, solange die Jagdgenossenschaft keinen Jagdvorstand gewählt hat. Dies gilt nach § 10 Abs. 10 Satz 2 BbgJagdG sinngemäß auch für die Angliederungsgenossenschaft. Der Beklagte ist nach § 53 Abs. 3 Satz 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg der hauptamtliche Bürgermeister im Sinne von § 10 Abs. 10 Satz 2 BbgJagdG, in dessen Stadtgebiet die Flächen der Angliederungsgenossenschaft des Eigenjagdbezirks K ... gelegen sind. Da die Angliederungsgenossenschaft seit ihrem Entstehen über keinen Jagdvorstand verfügt, ist er auch Notvorstand im Sinne der Vorschrift.

Zu seinen Aufgaben als Notvorstand gehört unter anderem die vorliegend begehrte Einberufung und Durchführung der ersten Versammlung der Angliederungsgenossenschaft mit Vorstandswahlen. Denn der Notvorstand verfügt über sämtliche Handlungsbefugnisse, die auf einem gewählten Jagdvorstand zustehen, wozu auch die Einberufung und Durchführung von Mitgliederversammlungen der Angliederungs-genossenschaft mit Vorstandswahlen gehört (vgl. Munte, in: Schuck, Bundesjagdgesetz, 2. Auflage 2015, § 9 Rn. 112 m. w. N. aus der Rspr.).

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf die Einberufung und Durchführung der begehrten Versammlung, weil § 10 Abs. 10 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 1 BbgJagdG nicht nur den Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch den Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers darf die Geschäftsführung durch den Notvorstand keine Dauerlösung sein, weil eine zeitnahe Wahl eines ordentlichen Jagdvorstandes anzustreben ist (vgl. Munte, in: Schuck, Bundesjagdgesetz, 2. Auflage 2015, § 9 Rn. 108). Aus diesem Grund ist der Notvorstand zu einer zeitnahen Einberufung und Durchführung einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahlen verpflichtet. Dieser Verpflichtung des Beklagten geht ein subjektiver Anspruch des Klägers als Mitglied der Angliederungsgenossenschaft einher, weil sich der Beklagte andernfalls durch Nichtstun seiner Verpflichtung entziehen und die dem Kläger aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer Angliederungsgenossenschaft von Gesetzes wegen vermittelten Vorteile vorenthalten könnte. So ist die Hauptaufgabe der Angliederungsgenossenschaft, mit dem Inhaber des Eigenjagdbezirks die Höhe der Entschädigung zu vereinbaren, sie zu vereinnahmen und unter den Mitgliedern aufzuteilen (vgl. Munte, in: Schuck, Bundesjagdgesetz, 2. Auflage 2015, § 9 Rn. 24).

Dem Anspruch steht schließlich auch nicht entgegen, dass die vierte Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam in ihrem Urteil vom 7. Dezember 2012
– VG 4 K 2570/11 – bereits ausgeführt habe, dass es Sache des Klägers sei, zusammen mit anderen Eigentümern der angegliederten Flächen eine Angliederungsgenossenschaft zu bilden. Die Bildung der Angliederungsgenossenschaft, die, wie der Bescheid des Beklagten vom 26. März 2009 belegt, erfolgt ist, ist der Wahl eines Jagdvorstandes bzw. der Einberufung und Durchführung der wahlgebenden Mitgliederversammlung vorgelagert, weshalb die Aussage der vierten Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam für die hier streitgegenständliche Frage nichts hergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO – hinsichtlich von Abs. 2 analog – in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.