Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 15.11.2021 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 189/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1115.13WF189.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 7. September 2021 wird zurückgewiesen.
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen die Ablehnung eines Verfahrenskostenhilfegesuchs für eine Kindschaftssache (§ 1628 BGB). Mit ihrem am 4. Mai 2021 beim Amtsgericht eingereichten Antrag hat sie die Übertragung der Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Frage des Besuchs einer Frühförderung durch das gemeinsame Kind und zugleich Verfahrenskostenhilfe beantragt. Die Kinderärztin habe die Frühförderung empfohlen, allein der Vater verweigere seine Zustimmung und habe die bestehende Vollmacht für die Mutter widerrufen.
Mit Verfügung vom 5. Mai 2021 (Bl. 13R) hat das Amtsgericht der Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass die Eltern zunächst gehalten seien, einen Einigungsversuch zu unternehmen, aufgegeben darzulegen, ob es eine gemeinsame Beratung beim Jugendamt gegeben habe, gegebenenfalls, aus welchen Gründen nicht.
Die Antragstellerin ließ diese Verfügung unbeantwortet. Mit Schreiben vom 10. Juni 2021 hat das Jugendamt berichtet, die Eltern seien bei der Terminklärung mit der Frühförderstelle, wo sie einen gemeinsamen Termin wahrnehmen wollten. Der Vater stehe der Frühförderung des Kindes nicht entgegen, fühle sich jedoch hierüber nicht hinlänglich informiert. Es sei mit einer zeitnahen Einigung der Eltern zu rechnen.
Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 hat die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklärt, weil der Antragsgegner dem Antrag auf Frühförderung zugestimmt habe.
Das Amtsgericht hat den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin abgewiesen (Bl. 1 VKH). Der Rechtsverfolgung fehle es an Erfolgsaussichten, nachdem der Antragsgegner dem verfahrensgegenständlichen Ansinnen nach Beratung beim Jugendamt zugestimmt habe. Zudem habe die Antragstellerin ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dargelegt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Antragstellerin unter Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geltend, sie habe ihrem Antrag Unterlagen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt. An das Jugendamt habe sie sich vor Antragstellung gewandt. Von dort sei keine Vermittlung erfolgt, die den Antragsteller zur Zustimmung veranlasst hätte. Erst im Verfahren habe er seine Zustimmung erklärt. Nach der Zustimmungsverweigerung sei ein schnelles Handeln erforderlich gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Dahingestellt bleiben kann, ob die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vorliegen. Denn das Amtsgericht hat die Bewilligung unter den Umständen des vorliegenden Falles im Ergebnis zu Recht versagt. Die Rechtsverfolgung der Antragstellerin war mutwillig, §§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO.
Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 Abs. 2 ZPO). Maßstab ist ein nicht hilfsbedürftiger Beteiligter, der die Kosten der Rechtsverfolgung selbst aufzubringen hat. Dieser wird regelmäßig bestrebt sein, den für ihn kostengünstigsten Weg zu wählen, wenn damit seinem Anliegen ausreichend Rechnung getragen wird. Es ist nicht der Zweck der Verfahrenskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen, die der nichtbedürftige Beteiligte bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (OLG Karlsruhe NZFam 2017, 863; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Auflage 2020, § 114 Rn. 43 f.; Zöller/Feskorn, a. a. O., § 76 FamFG Rn. 32, jeweils m.w.N.).
Dies gilt uneingeschränkt auch in Sorge- und Umgangsverfahren (OLG Karlsruhe, B. v. 21.1.2019 - 18 WF 5/19 -, juris; OLG Frankfurt/Main, B. v. 27.3.2017 - 2 WF 163/16 -, juris; OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 310). Es ist dem Hilfsbedürftigen zunächst abzuverlangen, dass er die ihm kostenfrei zugänglichen Angebote - insbesondere die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes - zur Erreichung seines Zieles wenigstens versuchsweise wahrnimmt, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Sind solche Bemühungen dagegen fehlgeschlagen, erkennbar aussichtslos oder verbietet eine besondere Dringlichkeit die Inanspruchnahme außergerichtlicher Hilfe, ist Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich zu gewähren (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2014, 584; OLG Brandenburg, FuR 2014, 181; OLG Koblenz FamRZ 2009, 1230; OLG Köln FamRZ 2013, 1241; OLG Hamm NZFam 2015, 510).
Weil gemäß § 114 Abs. 2 ZPO auf eine „verständige Würdigung aller Umstände“ abzustellen ist, kann sich ein Absehen von der Inanspruchnahme jugendamtlicher Vermittlungsbemühungen als mutwillig erweisen, obwohl eine Verpflichtung hierzu grundsätzlich fehlt und auch dann, wenn die Einschaltung des Jugendamts Verzögerungen mit sich bringen kann. Dies im konkreten Einzelfall jedenfalls dann, wenn der Antragsteller in der Sache ein Ziel verfolgt, das ohne eine gerichtliche Entscheidung erreicht werden kann.
Nach diesen Maßstäben hätte die Antragstellerin zunächst um jugendamtliche Hilfe zur Beilegung des konkreten Streits nachsuchen müssen. Ihrem im Beschwerdeverfahren erfolgten Hinweis, sie habe sich vorgerichtlich an das Jugendamt gewandt, lässt sich in Ansehung des Umstands, dass die stark zerstrittenen Beteiligten in jedenfalls noch einem weiteren gerichtlichen Verfahren miteinander streiten, nicht entnehmen, dass sie sich gerade mit dem Ziel der Beilegung der Meinungsverschiedenheit über die Frühförderung an die Behörde gewandt hat. Es lagen aber Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Verständigung zwischen den Eltern auch ohne gerichtliches Verfahren in angemessener Zeit erwartet werden konnte, was sich durch das Erzielen einer Einigung bestätigt hat. Gegen die Erfolgsaussichten professioneller Vermittlungsbemühungen sprach auch nicht das vorgerichtliche Verhalten des Antragsgegners, das gerade keine generelle Unwilligkeit erkennen ließ, sondern sachliche Unklarheiten und Fragen auf Seiten des Antragsgegners, die durch die schriftliche Kommunikation zwischen den zerstrittenen Beteiligten offenbar nicht ausgeräumt worden sind. Das Fehlen einer pauschalen Ablehnung und das in seinen Schreiben deutlich gewordene Informationsbedürfnis haben nahe gelegt, dass die Bedenken des Antragsgegners unter verständiger Anleitung ausgeräumt und eine Lösung gefunden werden könnten.
Unter diesen Umständen hätte ein Beteiligter, der die Kosten des gerichtlichen Verfahrens selbst tragen müsste, jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung von einer gerichtlichen Rechtsverfolgung abgesehen und den kostengünstigeren, vielfach schnelleren und häufig erfolgversprechenden Weg der außergerichtlichen Streitbeilegung gewählt. Der Verfahrenskostenhilfeantrag ist deshalb als mutwillig zu qualifizieren.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, § 127 Abs. 4 ZPO.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.