Gericht | OLG Brandenburg 10. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 15.07.2021 | |
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Aktenzeichen | 10 U 27/21 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 839 BGB |
1. Die die im Land Brandenburg gebildeten Gewässerunterhaltungsverbände nach § 39 Abs. 1 WHG, § 79 Abs. 1 Nr. 2 BbgWG, § 1 Abs. 1 GUVG treffende Verpflichtung zur Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung, für die nicht durch Planfeststellungsbeschluss oder Plangenehmigung eine abweichende Zuständigkeit bestimmt ist, ist öffentlich-rechtlicher Natur. Soweit Bedienstete eines Gewässerunterhaltungsverbandes bei Erfüllung dieser Aufgabe die Dritten gegenüber obliegende Pflicht verletzen, bei der Amtsausübung die nach allgemeinem Deliktsrecht bestehenden Eingriffsverbote zu beachten, haftet der Verband dem Träger des verletzten Rechtsgutes nach Amtshaftungsgrundsätzen gemäß § 839 BGB i.V.m Art. 34 GG und § 1 Abs. 1 StHG.
2. Ein Gewässerunterhaltungsverband muss sich das Wissen eines Grundstückseigentümers vom Vorhandensein einer Leitung, welche ein Gewässer II. Ordnung auf seinem Grundstück unterquert, nicht deshalb zurechnen lassen, weil der Grundstückseigentümer nach § 2 GUVG Mitglied des Verbandes ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Grundstückseigentümer um eine Gebietskörperschaft handelt.
3. Bedienstete eines Gewässerunterhaltungsverbandes verstoßen nicht dadurch gegen die Amtspflicht zur Beachtung der nach allgemeinem Deliktsrecht bestehenden Eingriffsverbote, dass sie an einem Gewässer II. Ordnung auf einem nicht dem öffentlichen Gebrauch gewidmeten Grundstück Erdarbeiten planen und mittels eines Baggers ausführen, ohne zuvor Erkundigungen über das Vorhandensein von Versorgungsleitungen einzuholen, wenn für sie kein Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer solchen Leitung besteht. Ein in der Nähe einer späteren Schadensstelle vorhandener Markierungspfahl stellt keinen solchen Anhaltspunkt dar, wenn er durch die Vegetation vollständig verdeckt wird.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – Einzelrichterin – vom 22.09.2020, Az. 6 O 102/19, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil des Landgerichts und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 63.722,59 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin nimmt den beklagten Wasser- und Bodenverband wegen der Beschädigung einer Ferngasleitung auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin betreibt ein Ferngasleitungsnetz mit mehr als 7.000 km Leitungslänge. Unter anderem ist sie Eigentümerin und Betreiberin der Ferngasleitung (FGL) y, welche in dem hier interessierenden Bereich zwischen F. und P., nordöstlich der Landesstraße x den ...kanal sowie den am nordwestlichen Ufer parallel zum ...kanal befindlichen Kanal x – ein Gewässer II. Ordnung i.S.v. § 79 Abs. 1 Nr. 2 BbgWG – unterquert. Der Anfang der 1960er Jahre verlegten Gasleitung liegt hinsichtlich der Unterquerung des ...kanals eine wasserrechtliche Zustimmung des Wasserstraßenamtes B. vom 30.01.1964, geändert durch 1. Nachtrag vom 13.03.1964, (Anlage K9, Blatt 24 f. d.A.) zu Grunde. Im Bereich der Unterquerung des Kanals x verläuft die Leitung über das Flurstück 115, Flur 6 der Gemarkung F.. Dieses Flurstück steht im Eigentum der Stadt K. und ist zu Gunsten der Klägerin mit einer ein Ferngasleitungsrecht beinhaltenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet.
Der Beklagte ist der nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 des Gesetzes über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden (GUVG) gegründete Verband. Mitglied des Beklagten ist unter anderem die Stadt K.
Am 24.08.2018 führte ein Bediensteter des Beklagten in dessen Auftrag mit einem Bagger Arbeiten am Kanal x aus. Dabei stieß er mit der Baggerschaufel auf die unter dem Graben liegende FGL y und beschädigte deren Isolierung. Informationen zum Verlauf der Leitung sind zuvor seitens des Beklagten nicht bei der Klägerin eingeholt worden. Etwa 15 m von der Schadensstelle entfernt befand sich über der Leitung ein gelber Markierungspfahl von ca. 2 m Höhe, der den Ort der Querung des ...kanals anzeigt und an dem ein Schild mit Kontaktdaten der Klägerin einschließlich einer Telefonnummer angebracht war.
Die Klägerin ließ im Folgenden ein Teilrohrstück austauschen. Die hiermit beauftragte V. GmbH rechnete für die Arbeiten unter dem 16.10.2018 insgesamt 65.023,05 € netto ab. Wegen der Einzelheiten der Rechnung und des dem zu Grunde liegenden Aufmaßes wird auf die Anlagen K5 und K6 (Blatt 17 ff. d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin stellte dem Beklagten diesen Betrag unter dem 14.12.2018 als Schadensersatz in Rechnung. Der Beklagte wies die Forderung mit Schreiben vom 20.12.2018 mit der Begründung zurück, dass die Leitung der Klägerin den Kanal x unsachgemäß und ordnungswidrig kreuze.
Die Klägerin hat behauptet, dass die wasserrechtliche Zustimmung zur Unterquerung des ...kanals mit der FGL y vom 30.01./13.03.1964 ausweislich des als Anlage K13 vorgelegten technologischen Erläuterungsberichts (Blatt 146 ff. d.A.) die Unterquerung des Kanals x einschließe. Vor dem hier in Rede stehenden Schadensereignis sei oberhalb der Gasleitung im Bereich des Kanals eine Deckung von ca. 30-60 cm Erdreich vorhanden gewesen. Die seitens des Beklagten am 24.08.2018 durchgeführten Arbeiten hätten auf eine Vertiefung des Kanals gezielt, wobei die Schaufel des verwendeten Baggers bis zu 80 cm tief in das Erdreich eingedrungen sei.
Seitens des Beklagten habe Veranlassung bestanden, vor Beginn der Arbeiten Leitungsauskünfte einzuholen. Der für die Klägerin tätige Zeuge R. habe die beim Beklagten beschäftigte Zeugin J. in einem am 13.04.2017 geführten Gespräch – dessen Anlass unstreitig die regelwidrige Kreuzung des Grabens y und der Ferngasleitung y war – darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Lagetiefe von Gasleitungen geringer als 1 m sein könne und daher vor Beginn von Unterhaltungsarbeiten Erkundigungen bei der Klägerin einzuholen seien. Zudem sei dem Beklagten das Wissen vom Vorhandensein der FGL y an der Schadensstelle deshalb zuzurechnen, weil die Stadt K. als Eigentümerin des mit dem Gasleitungsrecht belasteten Grundstücks Mitglied des Beklagten ist. Jedenfalls würde ein sorgfältig handelnder Baggerführer aufgrund des Markierungspfahls, welche am Schadenstag ca. 60 cm über den umstehenden Bewuchs hinausgeragt und vom Schadensort aus erkennbar gewesen sei, mit dem Vorhandensein der Gasleitung gerechnet haben müssen.
Die von der V. GmbH abgerechneten Leistungen seien zur Schadensbeseitigung erforderlich gewesen; die hierfür in Rechnung gestellten Entgelte seien angemessen und ortsüblich. Auf die Rechnung habe die Klägerin am 30.10.2018 – unter Skontoabzug – 63.722,59 € zuzüglich Umsatzsteuer gezahlt.
Nach teilweiser Rücknahme der Klage um den Nettobetrag des Skontoabzugs hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 63.722,59 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2018 zu verurteilen.
Der Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, vor dem Schadensereignis keine Kenntnis von der Gasleitung gehabt zu haben. Auch sei nicht aufgrund des Markierungspfahls mit dem Vorhandensein der Leitung zu rechnen gewesen. Denn der Pfahl sei durch Gebüsch und Schilf, welches am Schadenstag mehr als 2 m hoch gewesen sei, verdeckt worden. Davon abgesehen befinde sich der Pfahl an dem Wirtschaftsweg des zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamtes, der für den Beklagten nicht zugänglich sei, und beziehe sich die Beschilderung auf den ...kanal und nicht auf den Kanal x.
Die Gasleitung habe teilweise oberhalb der Grabensohle des Kanals x gelegen und sei lediglich von Schlamm, welcher sich im Laufe der Zeit in einer Stärke von 30-40 cm auf der Grabensohle abgelagert habe, verdeckt worden. Die am 24.08.2018 an dem Kanal durchgeführten Arbeiten hätten dem Ziel gedient, erstmals seit Bestehen des Beklagten diesen Schlamm zu entfernen und das ursprüngliche Profil wieder herzustellen. Dementsprechend hätten sich die Arbeiten innerhalb des angestammten Grabenprofils gehalten, welches durch die Höhenlagen der vorhandenen Durchlässe vorgegeben sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dafür gehalten, dass sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch weder aus § 823 Abs. 1, §§ 89, 31 BGB, noch aus § 831 Abs. 1 BGB begründe. Für eine Kenntnis des Beklagten vom Vorhandensein der Gasleitung der Klägerin in dem fraglichen Bereich bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Das betreffende Wissen der Grundstückseigentümerin müsse sich der Beklagte nicht zurechnen lassen, da die Eigentümerin nicht dessen vertretungsberechtigtes Organ sei. Kenntnis von der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Querung des ...kanals sei dem Beklagten nicht zu unterstellen, weil ihn für dieses Gewässer nicht die Unterhaltungslast treffe.
Es habe auch nicht der gebotenen Sorgfalt entsprochen, vor Durchführung der Arbeiten Erkundigungen bezüglich des Vorhandenseins etwaiger Versorgungsleitungen einzuholen. Der Schaden habe sich auf einem Grundstück ereignet, das nicht dem öffentlichen Gebrauch gewidmet und bei dem deshalb nicht ohne weitere Anhaltspunkte mit unterirdischen Leitungen zu rechnen gewesen sei. Derartige Anhaltspunkte seien nicht ersichtlich und ergäben sich auch nicht aus dem Ergebnis des erhobenen Zeugenbeweises. Der von der Klägerin benannte Zeuge R. habe nicht bestätigt, die Beklagtenseite auf Lagetiefen der Gasleitungen von weniger als 1 m hingewiesen zu haben. Er habe ausgesagt, an dem am 13.04.2017 zwischen den Parteien geführten Gespräch nicht beteiligt gewesen zu sein und bei anderer Gelegenheit die von Beklagtenseite benannte Zeugin J. lediglich gefragt zu haben, ob sich der Beklagte über das Vorhandensein von Ferngasleitungen in seinem Verbandsgebiet erkundigen müsse.
Die Beweisaufnahme habe auch nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Markierungspfahl erkennbar gewesen sei. Der Zeuge R. habe bekundet, dass der Pfahl am Schadenstag ca. 60 cm über das davor befindliche Schilf hinausgeragt hätte, sodass nur der rot markierte Kopf zu erkennen gewesen wäre; er hätte direkt nach der Beschädigung der Leitung die als Anlage K4 (Blatt 16 d.A.) vorgelegte Lichtbildaufnahme gefertigt. Die Zeugin J. habe demgegenüber angegeben, dass der Pfahl am Schadenstag aufgrund des Bewuchses nicht zu sehen gewesen wäre und dass die Lichtbildaufnahme der Anlage K4 nicht die Situation am Schadenstag wiedergäbe. An der Stelle des Markierungspfahls hätten sich mindestens 2 m hohes Schilf sowie Buschwerk befunden, weshalb der Baggerfahrer keine Möglichkeit gehabt hätte, den Pfahl zu erkennen. Objektive Gründe dafür, einer der sich mithin widersprechenden Aussagen den Vorzug zu geben, bestünden nicht. Bei beiden Zeugen seien die Wahrnehmungsbereitschaft, -fähigkeit und -möglichkeit in gleicher Weise gegeben gewesen. Auch stünden beide Zeugen in einem ähnlichen Näheverhältnis zu der Partei, die sie jeweils benannt habe, wobei bei beiden Zeugen nicht erkennbar gewesen sei, sich hiervon bei ihrer Aussage leiten zu lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der tragenden Gründe wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt, dass die vom Landgericht angewandten allgemeinen Grundsätze der Wissenszurechnung in der hier in Rede stehenden Fallgestaltung keine Geltung beanspruchten. Denn vorliegend stehe nicht „Zufallswissen“ eines beliebigen Mitglieds einer Massenorganisation aus natürlichen Personen, sondern die Zurechnung von elementaren Kenntnissen der örtlichen Verhältnisse in Rede, welche für die Erfüllung der dem beklagten Verband übertragenen Pflichtaufgaben erforderlich seien. Im Interesse einer sorgfältigen und korrekten Erledigung der Pflichtaufgaben des Beklagten sei es nämlich zwingend nötig, Kenntnis von den im Verbandsgebiet vorhandenen, die Gewässer kreuzenden und im Grundbuch ordnungsgemäß eingetragenen Ferngasleitungen zu haben. Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wie der Beklagte müsse sich diese Kenntnisse gegebenenfalls durch aktive Erkundigungen bei ihren Mitgliedern selbst verschaffen und dürfe sich nicht darauf verlassen, diese zugetragen zu bekommen.
Ferner habe das Landgericht im Hinblick auf das Verschulden des Baggerführers die Verteilung der Beweislast verkannt. Es stehe fest, dass es bei den fraglichen Erdarbeiten zu einer Beschädigung des Eigentums der Klägerin gekommen sei, dass in der Nähe des Schadensortes ein Markierungspfahl vorhanden gewesen sei, welche eine Warnfunktion erfülle und zumindest eine Erkundigungspflicht des Bauunternehmers auslöse, und dass derartige Erkundigungen hier vollständig unterblieben seien. Gemäß dem allgemeinen Grundsatz, wonach jede Partei im Hinblick auf die für sie günstigen Tatsachen beweisbelastet sei, sei es in dieser Konstellation am Beklagten gewesen, den Entlastungsbeweis dahingehend zu führen, dass der Markierungspfahl nicht erkennbar gewesen sei.
Zu Unrecht habe es das Landgericht schließlich unterlassen, dem auf Inaugenscheinnahme des Schadensortes gerichteten Beweisantrag der Klägerin nachzugehen. Die Erhebung dieses Beweises würde ergeben haben, dass entgegen der Aussage der Zeugin J. eine Art Sichtschneise von der Schadenstelle zum Markierungspfahl bestanden habe bzw. noch bestehe. Der Pfahl habe sich nämlich auf der Dammkrone und daher mehrere Meter über dem regulären Terrain befunden. Auch belegten die zur Akte gereichten Lichtbilder, dass in jedem Fall der signalrote Schilderkopf vom Schadensort aus erkennbar gewesen sei. Da diese Bilder aus einer Höhe von ca. 1,7 m aufgenommen worden seien, müsse die Erkennbarkeit aus der erhöhten Position des Baggerführers noch wesentlich besser ausgefallen sein. Für die Richtigkeit des klägerischen Sachvortrages in Bezug auf die örtlichen Verhältnisse sowie die Sicht- und Erkennbarkeit des Markierungspfahls werde auch in der Berufungsinstanz ausdrücklich die Einnahme des gerichtlichen Augenscheins beantragt.
Im Übrigen wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 22.09.2020 – Az.: 6 O 102/19 – zu verurteilen, an die Klägerin 63.722,59 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2018 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. und J.. Wegen der Einzelheiten des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2021 (Blatt 309 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Die statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1.
Als Grundlage für den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch kommen nicht § 823 Abs. 1 i.V.m. §§ 31, 89 Abs. 1 bzw. § 831 BGB, sondern § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG und § 1 Abs. 1 StHG in Betracht.
Bei der Planung und Ausführung der hier in Rede stehenden Arbeiten am Kanal x handelten die Bediensteten des Beklagten in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes. Den Beklagten trifft nach § 39 Abs. 1 WHG, § 79 Abs. 1 Nr. 2 BbgWG, § 1 Abs. 1 Nr. 10 GUVG in dem hier in Rede stehenden Gebiet die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung, soweit nicht durch Planfeststellungsbeschluss oder Plangenehmigung eine abweichende Zuständigkeit bestimmt ist. Bei dem Kanal x handelt es sich unstreitig um ein Gewässer II. Ordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 3 BbgWG, für das keine abweichende Unterhaltungszuständigkeit besteht. Auch erfolgten die letztlich schadensstiftenden Schachtarbeiten in Erfüllung dieser Verpflichtung. Denn ungeachtet der Streitfrage, ob die Arbeiten der Entfernung von Schlamm und damit der Wiederherstellung des ursprünglichen Profils dienten oder auf eine (darüber hinausgehende) Vertiefung abzielten, wurde der Beklagte insoweit jedenfalls zur Pflege und Entwicklung eines oberirdischen Gewässers, namentlich zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WHG, tätig.
Soweit die Bediensteten des Beklagten bei Erfüllung dieser mithin öffentlich-rechtlich ausgestalteten Aufgabe Amtspflichten verletzt haben, die ihnen (auch) der Klägerin gegenüber oblagen, hat der Beklagte für daraus entstehende Schäden nach Amtshaftungsgrundsätzen gemäß § 839 BGB i.V.m Art. 34 GG und § 1 Abs. 1 StHG einzustehen; insoweit werden konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB von § 839 BGB als vorrangiger Spezialregelung verdrängt (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.2019 – III ZR 124/18 – NJW-RR 2019, 1163).
Eine solche, den Bediensteten des Beklagten (zumindest auch) der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht begründet sich zwar nicht aus der Gewässerunterhaltungslast als solcher. Denn diese besteht allein gegenüber der Allgemeinheit; Rechtsansprüche Dritter auf Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen gegen den Träger der Unterhaltungslast sind nach § 79 Abs. 1 Satz 2 BbgWG ausgeschlossen; wird durch eine Verletzung der Unterhaltspflicht Eigentum eines Dritten beschädigt, haftet der Unterhaltspflichtige daher nach Maßgabe des allgemeinen Deliktsrechts (BGH, Urteil vom 24.02.1994 – III ZR 4/93 – BGHZ 125, 186 m.w.N.).
Als von Bediensteten des Beklagten verletzte, drittgerichtete Amtspflicht kommt vorliegend aber die Pflicht in Betracht, bei der Amtsausübung die nach allgemeinem Deliktsrecht bestehenden Eingriffsverbote zu beachten. Der Amtsträger ist demnach verpflichtet, unerlaubte Handlungen zu unterlassen und sich insbesondere aller Eingriffe in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter zu enthalten (BGH, Urteil vom 04.07.2013 – III ZR 250/12 – NJW-RR 2013, 1490 m.w.N.). Diese Amtspflicht entspricht daher inhaltlich den im Ausgangspunkt privatrechtlich zu qualifizierenden Verkehrspflichten, sodass das Landgericht im Ergebnis von dem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
2.
Gegen die Amtspflicht zur Beachtung der nach allgemeinem Deliktsrecht bestehenden Eingriffsverbote ist vorliegend seitens des Beklagten nicht dadurch verstoßen worden, dass trotz Kenntnis des Vorhandenseins der Gasleitung der Klägerin an dem Kanal x Arbeiten geplant und ausgeführt worden sind, bei denen mittels eines Baggers in den Boden eingegriffen worden ist, ohne zunächst die genaue Lage und Höhe der Leitung zu lokalisieren. Denn zulasten der Klägerin ist nicht festzustellen, dass die mit der Planung und Ausführung der Arbeiten befasst gewesenen Bediensteten des Beklagten vor dem Schadensereignis vom 24.08.2018 Kenntnis vom Vorhandensein der Gasleitung in dem fraglichen Bereich hatten.
Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass eine Kenntnis des Beklagten von der Gasleitung nicht aus der im Jahr 1964 erteilten wasserrechtlichen Zustimmung zu schließen ist. Denn ungeachtet der Frage, ob diese Zustimmung die Querung der in dem technologischen Erläuterungsbericht zur ...kanal-Querung als Vorfluter bezeichneten Kanals x einschließt, ist der Beklagte nicht Rechtsnachfolger des Wasserstraßenamtes B. als ausstellender Behörde und auch nicht für den ...kanal gewässerunterhaltspflichtig. Ohne Vorliegen weiterer Umstände, für die hier nichts ersichtlich ist, kann daher nicht angenommen werden, dass der Beklagte vor dem Schadensereignis über die entsprechenden Unterlagen bzw. Informationen verfügte.
Ebenso wenig ist anzunehmen, dass der Beklagte vor dem Schadensfall Kenntnis von dem Grundbucheintrag der betreffenden Dienstbarkeit hatte. Der Beklagte ist nicht Eigentümer des Grundstücks. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Erfüllung seiner Aufgaben die Kenntnis des Grundbuchinhalts erfordert, zumal die Gewässereigentümer und Anlieger nach § 41 WHG bereits von Gesetzes wegen zur Duldung von Maßnahmen der Gewässerunterhaltung verpflichtet sind.
Dem Beklagten ist auch nicht die Kenntnis der Stadt K. vom Vorhandensein der Gasleitung der Klägerin auf dem fraglichen Grundstück zuzurechnen. Dabei kann dahinstehen, ob die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit juristischen Personen entwickelten Grundsätze der Wissenszurechnung und Wissenszusammenrechnung (s. hierzu etwa BGH, Urteil vom 02.02.1996 – V ZR 239/94 – BGHZ 132, 30, 35 ff.) im Rahmen der deliktsrechtlichen Haftung überhaupt Anwendung finden (BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15 – BeckRS 2016, 17448, Rn. 23). Denn die Voraussetzungen einer Wissenszurechnung sind vorliegend nicht gegeben.
Ungeachtet der verschiedenen dogmatischen Begründungsansätze beruht die Wissenszurechnung auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass sich derjenige, der sich zur Erledigung seiner Angelegenheiten Dritter bedient, deren Wissen zurechnen lassen muss (s. etwa BGH, Urteil vom 25.03.1982 – VII ZR 60/81 – BGHZ 83, 293). Dem liegt der Gedanke des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßen Organisation der betriebs- bzw. gesellschaftsinternen Kommunikation zugrunde: Durch die organisatorische Aufspaltung eines Betriebes oder einer Funktion soll der Geschäftsherr im Verhältnis zu Dritten nicht besser und nicht schlechter gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.1996 – V ZR 239/94 – BGHZ 132, 30). Grundsätzlich muss sich der Geschäftsherr daher das Wissen seiner Organvertreter, Wissensvertreter und anderer Personen, die für ihn in einen arbeitsteiligen Prozess eingebunden sind, zurechnen lassen.
Vorliegend ist keine derartige Fallgestaltung gegeben. Die Stadt K. ist nicht Organ des Beklagten, nicht in dessen Arbeitsorganisation eingebunden und tritt auch nicht für den Beklagten im Rechtsverkehr in Erscheinung. Ebenso wenig liegt hier eine – dem sog. Outsourcing vergleichbare – Aufgabenverlagerung vor (zur Wissenszurechnung in derartigen Fallgestaltungen s. Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 166 BGB, Rn. 66 m.w.N.). Denn bei der hier in Rede stehenden Gewässerunterhaltungslast handelt es sich nicht um eine von den Gewässer- bzw. Grundstückseigentümern auf die Gewässerunterhaltungsverbände übertragene Aufgabe; Letzteren ist die Gewässerunterhaltung vielmehr als originäre Pflicht von Gesetzes wegen auferlegt. Bei den schadensstiftenden Arbeiten an dem Kanal x ist der Beklagte daher nicht im Funktions- bzw. Aufgabenbereich der Stadt tätig geworden.
Vor diesem Hintergrund vermag die Berufung auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, wonach eine Zurechnung des Wissens der Stadt K. vom Vorhandensein der Gasleitung auf dem fraglichen Grundstück an den Beklagten aufgrund der Bedeutung dieses Umstandes für die Erfüllung der Aufgaben des Beklagten geboten sei. Die Zurechnung fremden Wissens kann zwar im Einzelfall von der Bedeutung der betreffenden Daten abhängen. So begründet sich aus der organisatorischen Aufgliederung eines Betriebes oder einer Funktion und einer daraus folgenden Aufspaltung des Wissens auf mehrere Wissensträger eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der internen Kommunikation und zur Speicherung wichtiger Informationen; für weniger bedeutsame Daten besteht diese Pflicht hingegen nicht oder nur in abgeschwächtem Maße (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2010 – V ZR 203/09 – BeckRS 2011, 1685). Dieser Gesichtspunkt ändert aber nichts an der Grundvoraussetzung der Wissenszurechnung, nämlich der Einschaltung Dritter bei der Erledigung einer Aufgabe bzw. Funktion des Geschäftsherrn. Allein der Umstand, dass eine juristische Person über Kenntnisse verfügt, die für die Erfüllung der Aufgaben einer anderen juristischen Person relevant wären, genügt daher selbst bei sehr hoher Relevanz der Informationen zur Begründung einer Wissenszurechnung nicht.
Nach diesen Maßstäben ist dem Beklagten das Wissen der Stadt K. vom Vorhandensein der Gasleitung auf dem fraglichen Grundstück nicht zuzurechnen. Weder ist die Stadt in die Erfüllung der Aufgaben des Beklagten eingebunden, noch nimmt der Beklagte Aufgaben der Stadt wahr. Zwischen beiden Körperschaften besteht keine organisatorische Aufgliederung einer Funktion, sodass es insofern auch nicht zu einer Wissensaufspaltung kommt. Für die mit der Wissenszurechnung verfolgte Gleichstellung der Gläubiger einer natürlichen Person mit den Gläubigern einer arbeitsteilig organisierten juristischen Person ist vorliegend folglich kein Raum.
3.
Gegen die Amtspflicht zur Beachtung der nach allgemeinem Deliktsrecht bestehenden Eingriffsverbote haben die mit der Planung und Ausführung der hier in Rede stehenden Arbeiten am Kanal x befasst gewesenen Bediensteten des Beklagten auch nicht dadurch verstoßen, dass sie sich vor Durchführung der Arbeiten nicht nach unterirdisch verlegten Leitungen erkundigt haben.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die hohen Sorgfaltsanforderungen, denen bei Erdarbeiten auf öffentlichem Grund hinsichtlich der Erkundigungen über das Vorhandensein und den Verlauf etwaiger Versorgungsleitungen Rechnung zu tragen ist, vorliegend nicht zum Tragen kommen. Diese Verkehrspflicht rechtfertigt sich nämlich daraus, dass öffentlicher Grund regelmäßig auch dazu genutzt wird, dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienende Leitungen dort zu verlegen (s. etwa BGH, Urteil vom 21.11.1995 – VI ZR 31/95 – NJW 1996, 387 m.w.N.). Bei Grundstücken, die nicht dem öffentlichen Gebrauch gewidmet sind, ist hingegen nicht ohne weiteres mit dem Vorhandensein derartiger Leitungen zu rechnen. Bei Erdarbeiten auf solchen Grundstücken umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung Erkundigungen nach dem Vorhandensein und dem Verlauf von Versorgungsleitungen daher nur, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen (BGH, Urteil vom 20.12.2005 – VI ZR 33/05 – NJW-RR 2006, 674).
Ausgehend hiervon hat das Landgericht zutreffend und von der Berufung nicht angegriffen festgestellt, dass der Beklagte nicht aufgrund des Gesprächs vom 13.04.2017 mit einer – zumal in einer Tiefe von weniger als einem Meter unter der Erdoberfläche – auf dem fraglichen Grundstück verlegten Gasleitung rechnen musste.
Ein hinreichender Anhaltspunkt für das Vorhandensein der Gasleitung der Klägerin ergab sich auch nicht aus dem unstreitig nur ca. 15 m von der Schadensstelle entfernten Markierungspfahl. Denn der Senat ist im Ergebnis der erneuten Vernehmung der Zeugen R. und J. in Übereinstimmung mit der landgerichtlichen Beweiswürdigung nicht mit der nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass der Pfahl im Gelände erkennbar und nicht durch Pflanzen verdeckt war. Wie bei seiner Vernehmung durch das Landgericht bekundete der insofern von der Klägerin benannte Zeuge R. zwar auch vor dem Senat, dass der Kopf des Pfahles erkennbar und trotz des in diesem Bereich vorhandenen Schilfs aus der Position des Baggers bzw. des Baggerfahrers zu sehen gewesen sei. Die von Beklagtenseite hierzu aufgebotene Zeugin J. blieb hingegen ebenfalls bei der bereits vor dem Landgericht getätigten Aussage, wonach der Pfahl am Schadenstag durch Gebüsch und Sträucher nicht erkennbar gewesen sei. Umstände, die es erlaubten, einer dieser Aussagen den Vorzug zu geben, vermag auch der Senat nicht zu erkennen.
Beiden Zeugen war es nach ihren weiteren Angaben in ähnlicher Weise möglich, zeitnah zum Schadenseintritt Wahrnehmungen zum Zustand der Örtlichkeit zu machen. So gab der Zeuge R. an, vom Bereitschaftsdienst der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg, welcher zuerst von dem Schaden informiert worden und an der Schadensstelle eingetroffen sei, informiert worden zu sein und sich daraufhin noch am selben Tag an den Schadensort begeben zu haben. Die Zeugin J. sagte aus, vor dem Schadensereignis vor Ort gewesen zu sein, um den Baggerführer einzuweisen. Nach ihren übereinstimmenden Bekundungen haben sich beide Zeugen am Folgetag erneut zur Schadensstelle begeben.
Im Hinblick auf die Wahrnehmungsfähigkeit der Zeugen ist ebenfalls keine unterschiedliche Gewichtung der Aussagen gerechtfertigt. Der Zeuge R. hat sich in seiner beruflichen Funktion und anlässlich des Schadensfalls zum Schadensort begeben, was dafür spricht, dass er die für seine Arbeit relevanten Umstände mit Interesse und Fachkenntnis wahrgenommen hat. Im Hinblick auf die Erkennbarkeit des Pfahls ist insofern allerdings einschränkend zu berücksichtigen, dass es ihm nach seinen weiteren Angaben sowohl bei seiner Besichtigung des Schadensortes am 24.08.2018 als auch in dem Gespräch mit der Zeugin J. am Folgetag vordringlich darum gegangen ist, zu klären, was weiter zu veranlassen ist. Die Frage der Erkennbarkeit des Pfahls hingegen sei zu diesem Zeitpunkt nicht thematisiert worden. Die Zeugin J. hat den Schadensort gleichfalls sowohl vor als auch nach dem Schadensereignis in Ausübung ihres Berufes aufgesucht. Ihre Aussage, bei Ausführung von Baggerarbeiten der hier in Rede stehenden Art typischerweise neben Flora und Fauna auch auf bauliche Anlagen zu achten, deutet ebenfalls auf eine interessierte und fachkundige Wahrnehmung der örtlichen Gegebenheiten hin.
Auch hinsichtlich der Beziehung der Zeugen zu der Prozesspartei, von der sie jeweils benannt worden sind, und einer hieraus möglicherweise resultierenden Motivation für eine Gefälligkeitsaussage lassen sich keine wesentlichen Unterschiede ausmachen. Denn während der Zeuge R. nach wie vor für die Klägerin tätig ist, ist die Zeugin J. weiterhin bei dem Beklagten beschäftigt.
Der Senat vermag auch keine objektiven Umstände auszumachen, die eine unterschiedliche Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussagen erlaubten. Insbesondere ergeben sich solche nicht aus dem von Klägerseite mit dem Schriftsatz vom 04.09.2020 vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat allseits in Augenschein genommenen sowie beiden Zeugen vorgehaltenen Lichtbild (Blatt 195 d.A.). Dieses die Schadensstelle und den Markierungspfahl wiedergebende Bild entspricht zwar insoweit den Angaben des Zeugen R., als hierauf der Kopf des Pfahles erkennbar ist. Es lässt sich aber nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass dieses Bild die Situation im Zeitpunkt des Schadensereignisses wiedergibt. Der Zeuge hat mit Bestimmtheit angegeben, dass das Bild am Schadenstag gefertigt worden sei, vermochte aber nicht plausibel zu begründen, worauf seine diesbezügliche Sicherheit gründet. Er konnte nicht sagen, ob er das Foto selbst aufgenommen hat oder es ihm von dem Dienstleister zugesandt worden sei. Weiter führte er hierzu aus, dass anhand der Datei eine Prüfung des Aufnahmedatums möglich wäre, er eine solche Prüfung aber vor dem Termin nicht vorgenommen habe.
Auch die auf dem Lichtbild festgehaltene Situation lässt keine nähere zeitliche Eingrenzung zu. Aus dem abgebildeten Stand der Arbeiten an dem Graben, welche über die Schadensstelle hinaus im gesamten wiedergegebenen Teil des Grabens fortgeführt worden sind, und der Aussage des Zeugen, wonach die Arbeiten an dem Graben nach dem Schadensereignis zunächst unterbrochen und später am selben Tag hinter der Schadensstelle fortgesetzt worden seien, lässt sich schließen, dass das Bild frühestens einige Zeit nach dem Schadensereignis aufgenommen worden ist. Dass zwischenzeitlich Veränderungen an den Pflanzen im Bereich des Pfahles vorgenommen worden sind, kann nicht ausgeschlossen werden. Denkbar ist etwa, dass Mitarbeiter des nach Angaben des Zeugen R. zunächst am Schadensort eingetroffenen Bereitschaftsdienstes der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg den Pfahl aufgesucht und im oberen Bereich freigelegt haben, um sich auf dem nach den weiteren Bekundungen des Zeugen dort angebrachten Schild über die Bezeichnung der Gasleitung, den Betreiber oder dessen Telefonnummer zu unterrichten. Hierauf deutet auch die Aussage des Zeugen R. hin, wonach die Mitarbeiter des Bereitschaftsdienstes vor Ort gewesen seien, sich den Schaden angeschaut und dabei festgestellt hätten, dass nicht deren Leitungsnetz betroffen sei, sondern es sich um eine Leitung der Klägerin handele. Vor Ort dürfte diese Feststellung nämlich am ehesten anhand der Angaben auf der Beschilderung des Markierungsfalls zu treffen gewesen sein.
Auf einen eher größeren zeitlichen Abstand zwischen dem Schadensereignis und der Fertigung der Aufnahme deutet im Übrigen der Umstand, dass das Bild anscheinend darauf fokussiert, den Pfahl im Bezug zu der geschädigten Gasleitung darzustellen, die Frage der Erkennbarkeit des Pfahls indes nach den Bekundungen des Zeugen R. noch am Tag nach dem Schadensereignis zwischen den Parteien nicht thematisiert worden sei.
Der von der Berufung geltend gemachte Umstand, wonach sich der Pfahl auf der Dammkrone befunden habe und daher mehrere Meter über das reguläre Terrain hinausgeragt habe, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Würdigung. Denn auch unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin J., wonach die Sitzhöhe des bei den Arbeiten eingesetzten 8-Tonnen-Baggers – wie sie in Vorbereitung des Termins ausgemessen habe – 1,5 m betrage, sodass von einer Augenhöhe des Baggerführers von 2,30 m über Bodenniveau auszugehen sei, könnte dieser Einwand nur durchgreifen, wenn sich das Schilf und die übrigen Pflanzen nicht unmittelbar um den Pfahl, sondern in einigem Abstand davon befunden hätten. Hierfür jedoch ist nichts ersichtlich.
Eine weitergehende Beweisaufnahme über die klägerische Behauptung der Erkennbarkeit des Markierungspfahls am 24.08.2019 war erstinstanzlich mangels weiterer Beweisangebote nicht angezeigt. Die dagegen von der Berufung erhobene Rüge, das Landgericht habe den Schadensort entgegen dem klägerischen Antrag nicht in Augenschein genommen, greift schon deshalb nicht durch, weil die Klägerin sich hierauf lediglich zum Beweis des Vorhandenseins des Markierungspfahls (Seite 3 f. der Klage, Blatt 3 f. d.A.) und zum Beweis der Höhe des Pfahls von 2 m (Seite 3 des Schriftsatzes vom 07.06.2019, Blatt 75 d.A.) berufen hat. Beide Behauptungen waren jedoch bereits erstinstanzlich unstreitig und daher nach § 138 Abs. 3 ZPO nicht beweisbedürftig. Im Ergebnis gilt Gleiches, soweit mit der Berufungsbegründung die Einnahme des Augenscheins zum Beweis der Richtigkeit des klägerischen Sachvortrags in Bezug auf die örtlichen Verhältnisse angeboten wird. Soweit mit der Berufungsbegründung darüber hinaus beantragt wird, den Schadensort im Hinblick auf die Sicht- und Erkennbarkeit des Schilderpfahls in Augenschein zu nehmen, ist dem Antrag mangels eines Zulassungsgrundes nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht nachzukommen. Davon abgesehen ist dieses Beweismittel im Hinblick auf die im Streit stehende Frage der Erkennbarkeit des Pfahls am 24.08.2018 ungeeignet. Denn ob der Markierungspfahl zu diesem Zeitpunkt ca. 60 cm über den Bewuchs am Schadensort hinausragte oder durch 2 m hohes Gebüsch und Schilf verdeckt worden war, kann durch eine Inaugenscheinnahme des Schadensortes mehr als zwei Jahre nach dem Schadensereignis nicht mehr festgestellt werden.
4.
Die Berufung dringt schließlich nicht mit dem Einwand durch, wonach aufgrund der Nichterweislichkeit der Verdeckung des Markierungspfahls zulasten des Beklagten von einer fahrlässigen Schadensverursachung auszugehen sei.
Anders als die Klägerin meint, hat nicht jede Partei grundsätzlich die für sie günstigen Tatsachen zu beweisen. Nach dem ungeschriebenen Grundprinzip der Beweislastverteilung hat vielmehr derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (st. Rspr., s. etwa BGH, Urteil vom 10.03.2010 – IV ZR 264/08 – NJW-RR 2010, 1378 m.w.N.). Die Klägerin, die vorliegend deliktische Ansprüche geltend macht, hat demnach alle Voraussetzungen der einschlägigen Haftungsnorm – hier nach dem Vorstehenden § 839 Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 1 StHG – darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Da die Haftung nach § 839 Abs. 1 BGB, ebenso wie die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB, vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraussetzt, umfasst die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin als Anspruchstellerin daher auch das Verschulden des Beklagten als Anspruchsgegner (s. bereits BGH, Urteil vom 12.02.1963 – VI ZR 70/62 – NJW 1963, 953). Besondere Umstände, die diesbezüglich eine Umkehr der Beweislast zulasten des Beklagten begründeten, sind nicht ersichtlich.
Davon abgesehen ist der Berufung auch nicht darin zu folgen, dass die Frage der Erkennbarkeit des Markierungspfahls (erst) im Hinblick auf das Verschulden relevant wird. Vielmehr handelt es sich hierbei bereits um eine Voraussetzung der Sorgfaltspflichtverletzung. Denn da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festzustellen ist, dass der Pfahl, der dazu dient, durch seine Sichtbarkeit im Gelände auf die Gasleitung der Klägerin aufmerksam zu machen, am Schadenstag tatsächlich sichtbar und nicht durch über ihn hinaus gewachsene Pflanzen verdeckt war, ist nicht davon auszugehen, dass er einen hinreichenden Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer unterirdischen Leitung bot. Ausgehend hiervon ist es (schon) nicht als objektiv sorgfaltswidrig anzusehen, dass seitens des Beklagten vor Durchführung der Arbeiten keine weitergehenden Erkundigungen angestellt worden sind.
5.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Anlass für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze, sodass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Die Streitwertfestsetzung begründet sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.