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Entscheidung DG 2/18


Metadaten

Gericht Dienstgericht Cottbus Entscheidungsdatum 23.07.2021
Aktenzeichen DG 2/18 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0723.DG2.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt seine ordnungsgemäße Vertretung.

Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in ... . Mit Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Direktor des Sozialgerichts ... vom 04.04.2018 machte er geltend, dass er in 46 Verfahren nicht ordnungsgemäß in seiner Abwesenheit vertreten worden sei, obgleich er seine krankheits- bzw. urlaubsbedingte Verhinderung rechtzeitig angezeigt habe.

Unter dem 02.05.2018 lehnte die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg die Ergreifung dienstaufsichtsrechtlicher Maßnahmen gegen den Direktor des Sozialgerichts ... ab. Für die Zeit vom 19. bis 23.02.2018 und vom 26. bis 29.03.2018 sei dem Antragsteller Erholungsurlaub bewilligt worden. Der Urlaubsantrag sei von seinem geschäftsplanmäßigen Vertreter – Herrn Richter am Sozialgericht … – unterzeichnet worden. Mit Fax vom 19. und 22.03.2018 habe der Antragsteller seine Dienstunfähigkeit bis zum 21.03.2018 bzw. 23.03.2018 angezeigt. Richter am Sozialgericht … sei durch E-Mails vom 20.03.2018 (07:25 Uhr) und 23.03.2018 (10:45 Uhr) hierüber informiert worden. Daher sei nicht zu erkennen, wie der Direktor des Sozialgerichts seine Dienstpflichten verletzt haben soll.

Der Antragsteller erhob am 15.05.2018 gegen die Nichtsicherstellung der Abwesenheitsvertretung sowie die Ablehnung der Setzung organisatorischer Maßnahmen zur Sicherstellung derselben Widerspruch. Die Organisation der Vertretung erscheine evident unzureichend.

Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Bescheid vom 13.06.2018 zurück. Dem Schreiben vom 02.05.2018 sei weder eine Ablehnung organisatorischer Maßnahmen zur Sicherstellung einer Abwesenheitsvertretung noch die fehlende Sicherstellung im konkreten Fall zu entnehmen. Eine Abwesenheitsvertretung sei für die urlaubs- und krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten organisiert worden.

Der Antragsteller hat am 19.06.2018 seinen Antrag beim Dienstgericht gestellt.

Der Antragsteller führt aus, die Nichtsicherstellung der Abwesenheitsvertretung verletze die Verfassung gleich mehrfach. Die Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit ergebe sich daraus, dass nach Beendigung der Abwesenheit ein erheblicher Abarbeitungsstau bestanden habe, weshalb er nicht frei darin gewesen sei, seine Verfahren zu betreiben und zu entscheiden.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung der Maßnahme vom 19.03.2018 bis 29.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2018, festzustellen, dass die Nichtsicherstellung von Abwesenheitsvertretung sowie die Ablehnung organisatorischer Maßnahmen zur Sicherstellung im Zeitraum vom 19.03.2018 bis 29.03.2018 den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt,

hilfsweise festzustellen, dass es die richterliche Unabhängigkeit verletzt, wenn die Präsidentin des Landessozialgerichts eine Abwesenheitsvertretung nicht sicherstellt bzw. keine organisatorischen Maßnahmen zu deren Sicherstellung setzt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner führt aus, es sei bereits die Zuständigkeit des Dienstgerichtes in Frage zu stellen, da eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit in der Zeit der Abwesenheit des Antragstellers vom richterlichen Dienst nicht vorgelegen habe. Der Antragsteller sei frei gewesen, seine Verfahren zu bearbeiten und zu entscheiden und sei auch frei von Beeinflussung gewesen. Im Übrigen habe der Antragsteller keinen Anspruch auf weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Abwesenheitsvertretung.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag bleibt erfolglos.

1. Der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten ist eröffnet. Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht" im Sinne des § 26 Abs. 3 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ist nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit weit zu fassen. Es genügt jede Einflussnahme der Dienstaufsicht führenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt. Erforderlich ist lediglich, dass ein konkreter Bezug zu der Tätigkeit des Richters besteht (BGH, Urteil vom 25. September 2002, RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 16. November 1990 - RiZ(R) 2/90, BGHZ 113, 36, 38 f.; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 241).

Gegen sie kann mit der - nachvollziehbaren - Behauptung, sie verletze die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht angerufen werden, das darüber im Prüfungsverfahren entscheidet (Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Beschluss vom 06. August 2020 – DG 4/19 –, Rn. 17 - 18, juris), vgl. § 65 Nr. 4 lit. f des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG).

2. Der Antragsteller hat(te) materiell keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner im Zeitraum vom 19.03.2018 bis 29.03.2018 weitere Maßnahmen zur Sicherstellung seiner Abwesenheitsvertretung trifft. Ein solcher folgt auch nicht aus der richterlichen Unabhängigkeit.

Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit kommt durch Maßnahmen in Betracht, die dazu bestimmt oder geeignet sind, die richterliche Rechtsfindung durch psychischen Druck oder auf andere Weise unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen. Ausgehen kann ein solcher Einfluss auch von Anordnungen der Dienstaufsicht im Zusammenhang mit der Benutzung von Geräten und Hilfsmitteln, die der Richter für seine Arbeit benötigt. In den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit sind nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes nämlich nicht nur die Endentscheidung, sondern alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden - vorbereitenden und nachfolgenden - Sach- und Verfahrensentscheidungen einbezogen (BGH, Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 234 mwN; Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 45). So hat das Dienstgericht des Bundes (Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94 aaO) entschieden, dass Maßnahmen der Dienstaufsicht, die einen Richter veranlassen können, sein Diensttelefon zur Erledigung seiner Aufgaben nicht in dem von ihm für sachgerecht gehaltenen Umfang zu benutzen, die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen können. Gleiches gilt, wenn durch die Dienstaufsicht auf den Richter psychologischer Druck ausgeübt wird, den Inhalt des Protokolls mit einem Aufnahmegerät vorläufig aufzuzeichnen, statt für die Protokollierung einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zuzuziehen (BGH, Urteil vom 21. April 1978 - RiZ(R) 4/77, NJW 1978, 2509).

Das Dienstgericht des Bundes hat bereits ausgesprochen, dass ein Richter keinen Anspruch gegen die Justizverwaltung auf Schaffung und Bereitstellung der sachlichen, institutionellen und personellen Ausstattung hat, die er zur Ausschöpfung seiner richterlichen Unabhängigkeit für erforderlich und wünschenswert hält (BGH, Urteil vom 3. November 2004 - RiZ(R) 2/03, NJW 2005, 905). Es besteht lediglich ein Anspruch des Richters darauf, dass er bei der Zuteilung der vorhandenen, für die Arbeit erforderlichen personellen und sächlichen Mittel in ermessensfehlerfreier Weise berücksichtigt wird (BGH, Urteil vom 25. September 2002 - RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 – RiZ (R) 5/09 –, Rn. 22, juris; Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Beschluss vom 06. August 2020 – DG 4/19 –, Rn. 31 - 35, juris).

So liegt es indes hier. Für die 10. Kammer des Sozialgerichts ... ., welcher der Antragsteller vorsaß und dessen Nichtvertretung im benannten Zeitraum er rügt, war ein geschäftsplanmäßiger Vertreter bestellt. Dieser wurde auch nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrags des Antragsgegners auch am Morgen des Tages der jeweiligen krankheitsbedingten Abwesenheit des Antragstellers vom Eintritt des Vertretungsfalles durch E-Mail informiert. Welche weiteren Maßnahmen der Antragsgegner hätte treffen sollen, ist nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller meint, der Direktor des Sozialgerichts hätte zur Not selber die Akten des Antragstellers bearbeiten müssen, dürfte dies mit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes nicht in Einklang stehen. Soweit er meint, der Direktor des Sozialgerichts hätte insoweit dienstaufsichtsrechtlich gegen den Vertreter des Antragstellers einschreiten oder diesen Vertreter zur ordnungsgemäßen Vertretung anhalten müssen, besteht kein subjektiver Anspruch auf ein solches Einschreiten gegen einen anderen Richter.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.