Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Alternative für Deutschland (AfD) - Flügel-Anhänger - Verfassungsschutzbericht...

Alternative für Deutschland (AfD) - Flügel-Anhänger - Verfassungsschutzbericht Berlin 2020 - extremistischer Verdachtsfall -Prüffall - nachrichtendienstliche Bearbeitung - Folgenbeseitigungsanspruch - Richtigstellung - Unterlassungsanspruch - Glaubhaftmachung - Presseberichterstattung - Zurechnung - Fake News - Auskunftspflicht - Erklärungspflicht - Ausforschungsgefahr - Auslegung -Ordnungsgeld


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 15.11.2021
Aktenzeichen 1 S 121/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:1115.1S121.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 21 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 1 Abs 1 GG, Art 19 Abs 3 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 5 Abs 1 VerfSchutzG BE, § 7 Abs 2 VerfSchutzG BE, § 8 VerfSchutzG BE, § 31 VerfSchutzG BE, § 32 VerfSchutzG BE, § 16 Abs 1 BVerfSchG, § 133 BGB

Leitsatz

Der Verfassungsschutz Berlin ist nicht verpflichtet, Presseberichte, die sich mit seinen Tätigkeiten befassen, zu bestätigen oder zu dementieren. Dies führt zu einer, den gesetzlichen Auskunfts- und Akteneinsichtsrechten des Berliner Verfassungsschutzgesetzes zuwiderlaufenden Informationspflicht. Eine solche Erklärungspflicht birgt die Gefahr einer Ausforschung des Erkenntnisstandes des Verfassungsschutzes in sich und gefährdet die behördliche Aufgabenerfüllung.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. August 2021 teilweise geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem beim Verwaltungsgericht Berlin (VG 1 K 309/21) anhängigen Hauptsacheverfahren ergänzend verpflichtet, binnen dreier Werktage nach Zustellung dieses Beschlusses durch eine Pressemitteilung bekannt zu geben, dass ihm die gelöschte Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht 2020 (Pressefassung, Redaktionsschluss: Februar 2021) über Aktivitäten von Anhängern des „Flügels“ in Berlin im Berichtszeitraum mangels Glaubhaftung vorläufig untersagt worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und der Antragsgegner zu 1/5.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin, der Landesverband Berlin der (A...-Berlin), wendet sich gegen zwei Textpassagen des Verfassungsschutzberichts für Berlin 2020 (Pressefassung, Redaktionsschluss: Februar 2021) und moniert ihre Einstufung als extremistischer Verdachtsfall. Die...-Berlin verzeichnet ungefähr 1.340 Mitglieder und ist nunmehr, nach der Wahl vom 26. September 2021, mit 13 Sitzen im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin vertreten.

Am 3. Mai 2021 meldeten Berliner Morgenpost und rbb24, dass von Politikern aus dem Sicherheitsbereich die Einstufung der Antragstellerin als extremistischer Verdachtsfall behauptet werde, was zur Folge habe, dass diese durch nachrichtendienstliche Mittel überwacht werden könne. In der Landespressekonferenz des Berliner Senats vom 11. Mai 2021 erläuterte der Leiter des Verfassungsschutzes Berlin, M..., auf journalistische Nachfrage, dass er sich nur zu tatsächlich erkennbar verfassungsfeindlichen, also gesichert verfassungsfeindlichen Phänomenen äußern dürfe. Ergänzend erklärte der Innensenator A..., dass das Berliner Verfassungsschutzgesetz eine öffentliche Stellungnahme verbiete: „So gerne wir das auch würden“.

Nach erfolgloser Aufforderung des Antragsgegners zur Abgabe einer Unterlassungserklärung hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben (VG 1 K 309/21) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Ihr erstinstanzlicher Eilantrag war darauf gerichtet, den Antragsgegner unter Androhung eines Ordnungsgeldes (Antrag zu 6.) vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten,

1. es zu unterlassen, die Antragstellerin als „Verdachtsfall“ einzuordnen, zu beobachten, zu behandeln, zu prüfen und/oder zu führen;

2. es zu unterlassen, zulasten der Antragstellerin und ihrer Mitglieder nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden;

3. es zu unterlassen, in Bezug auf die Antragstellerin zu äußern und/oder dies zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder dies durch Dritte vornehmen zu lassen, „Das Berliner, wenn ich das ergänzen darf, das Berliner Verfassungsschutzgesetz verbietet es uns einfach an dieser Stelle öffentlich Stellung zu nehmen. So gern wir das auch würden.“, wie geschehen auf der Pressekonferenz vom 11. Mai 2021,

4. den im „Verfassungsschutzbericht 2020“ (Pressefassung, Redaktionsschluss: Februar 2021) in Bezug auf die Antragstellerin veröffentlichten Text „Flügel-Anhänger sind auch in Berlin aktiv.“ (S. 33) zu löschen, es zu unterlassen, diesen anderweitig erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder dies durch Dritte machen zu lassen und binnen dreier Werktage nach Zugang des Beschlusses durch eine Pressemitteilung richtigzustellen, dass die bisherige Berichterstattung in dem zu löschenden Umfang rechtswidrig war, sowie

5. den im „Verfassungsschutzbericht 2020“ (Pressefassung, Redaktionsschluss Februar 2021) in Bezug auf die Antragstellerin im Kapitel „Personenpotential Rechtsextremismus“ veröffentlichten Text „Gegenüber dem Vorjahr hat sich das rechtsextremistische Personenpotential in Berlin erhöht. Zurückzuführen ist dies auf die Bewertung der völkisch-nationalistischen A... Teilstruktur „Der Flügel“ als rechtsextremistische Bestrebung.“ (S. 39) zu löschen, es zu unterlassen, diesen anderweitig erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder dies durch Dritte machen zu lassen und binnen dreier Werktage nach Zugang des Beschlusses durch eine Pressemitteilung richtigzustellen, dass die bisherige Berichterstattung in dem zu löschenden Umfang rechtswidrig war.

Mit Beschluss vom 27. August 2021 hat das Verwaltungsgericht den Löschungsbegehren und dem in den Sachanträgen zu 4. und 5. enthaltenen Unterlassungsbegehren entsprochen. Im Übrigen hat es die Anträge abgelehnt.

II. Die gegen die Ablehnung gerichtete zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die teilweise Änderung des angegriffenen Beschlusses nur im tenorierten Umfang.

1. Hinsichtlich der Anträge 4. und 5. macht die Beschwerde mit Erfolg geltend, dass der Antragstellerin gegen den Antragsgegner zusätzlich ein Anspruch auf Herausgabe einer Pressemitteilung zusteht.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt angenommen, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Löschung und Nichtweiterverbreitung der beiden monierten Textpassagen zusteht. Soweit das Verwaltungsgericht jedoch annimmt, die begehrte Pressemitteilung stehe der Antragstellerin nur zu, wenn es sich um nachweislich unwahre Tatsachenbehauptungen handele, was im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerade nicht feststellbar sei, geht das Gericht von falschen Voraussetzungen aus. Die Antragstellerin macht hiermit keinen (presse- bzw. äußerungsrechtlichen) Berichtigungsanspruch, der auf inhaltliche Korrektur einer fehlerhaften Behauptung gerichtet ist geltend, sondern einen Anspruch auf Beseitigung der Folgen einer (jedenfalls nach summarischer Prüfung anzunehmenden) Verletzung ihrer Rechte aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 3 GG.

Der Folgenbeseitigungsanspruch soll bestehende Beeinträchtigungen beseitigen und auf diese Weise rechtmäßige Zustände herstellen. Er ist auf die Wiederherstellung des unmittelbar durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten rechtmäßigen Zustands gerichtet, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestanden hat und auf die Beseitigung der unmittelbaren Folgen beschränkt ist (Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 216, 218 m.w.N.). Der Antragstellerin steht damit ein Anspruch auf möglichst vollständige Beseitigung der unmittelbaren, auch für die in der Vergangenheit eingetretenen Folgen zu, dem - anders als der Antragsgegner meint - durch die bloße Löschung und Nichtweiterverbreitung des Verfassungsschutzberichtes noch nicht genügt wird (vgl.BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2013 - BVerwG 6 C 4.12 - juris Rn. 26).

Die Rechtsprechung sieht in Hauptsacheverfahren regelmäßig ein Recht auf Richtigstellung im nächsten Verfassungsschutzbericht vor (vgl. z.B. OVG Münster, Urteil vom 7. August 2018 - 5 A 1698/15 - juris Rn. 145; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2013 - BVerwG 6 C 4.12 - juris Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 12. November 2020 - 1 K 606.17 - juris Rn. 51) und hat in einstweiligen Rechtsschutzverfahren, insbesondere mit Blick auf nahe bevorstehende Wahlen, auch eine Pflicht der Verfassungsschutzbehörde angenommen, kurzfristig eine entsprechende Pressemitteilung herauszugeben (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 23. August 2021 - 17 E 2904/21 - BeckRS 2021, 23667, Rn. 43; VGH Kassel, Beschluss vom 3. März 2021 - 7 B 190/21 - juris Rn. 32). Um eine der ursprünglichen Verbreitung vergleichbare Breiten- und Öffentlichkeitswirksamkeit zu bewirken, ist der Antragsgegner daher verpflichtet, die Öffentlichkeit über eine etwaig fehlerhafte Berichterstattung zu unterrichten. Für das Recht auf Beseitigung der auf die Vergangenheit bezogenen Folgen muss die Antragstellerin, obgleich die inkriminierte Veröffentlichung mehrere Monate zurückliegt, entgegen der Ansicht des Antragsgegners, keine „überdauernde, bis heute fortwirkende Beeinträchtigung“ in Form gegenwärtig anhaltender Presseberichte oder Veröffentlichungen des Abgeordnetenhauses o.ä. darlegen. Ebenso wenig handelt es sich um nur „punktuelle“ „mittelbare Beeinträchtigungen“. Vielmehr ist die Antragstellerin durch die - für den Berichtszeitraum nicht glaubhaft gemachte - Zuschreibung von aktiven Anhängern des Flügels selbst unmittelbar betroffen, auch wenn die extremistische Einstufung des Flügels auf eine zulässige Bewertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zurückgeht.

Der Antragsgegner ist der ihm obliegenden Verpflichtung zur Beseitigung der in der Vergangenheit liegenden Folgen auch nicht dadurch enthoben, dass andere Institutionen oder Presseorgane bereits über die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts öffentlich berichtet haben. Hiermit sind die Folgen nicht kompensiert. Diese Erklärungen können dem Antragsgegner schon nicht als eigene zugerechnet werden (vgl. dazu auch unter II. 2. a)). Vor allem ist aber hinsichtlich des inmitten stehenden verfassungsrechtlichen Kontextes davon auszugehen, dass Pressemitteilungen der darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Behörde einen anderen Aufmerksamkeitswert und Adressaten- bzw. Interessentenkreis erreichen als Erklärungen anderer, nicht mit dieser Expertise ausgewiesener Institutionen. Die in der Vergangenheit eingetretenen Folgen sind daher eigens vom Antragsgegner gleichsam durch einen actus contrarius zu beseitigen. Mit dem tenorierten Inhalt der Pressemitteilung ist dabei hinreichend sichergestellt, dass keine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache erfolgt und weder der Eindruck entsteht, der Antragsgegner habe unter Verstoß gegen die erstinstanzliche Entscheidung weiter berichtet, noch dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren positiv festgestellt wurde, dass es im Berichtszeitraum keine aktiven Flügel-Anhänger im Berliner A...-Landesverband gegeben hat, sondern dass der Antragsgegner im Eilverfahren seiner Darlegungslast nicht genügt hat.

2. Hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2., mit denen sich die Antragstellerin gegen eine (mutmaßliche) Einstufung als sog. Verdachtsfall sowie die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel wendet, bleibt die Beschwerde erfolglos. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin, die von ihr behauptete Rechtsverletzung nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe.

a) Unzutreffend ist, dass „die gesamte Presse über diese Einstufung unter Berufung auf scheinbar valide Quellen berichtet“ habe, vielmehr kann sich die Antragstellerin im Kern nur auf den originären Bericht der Berliner Morgenpost vom 3. Mai 2021 stützen (auf den sich der von ihr weiter vorgelegte Bericht des rbb24 beruft), in dem behauptet wird, „mehrere Sicherheitspolitiker aus dem parlamentarischen Raum, die über die Entscheidung informiert wurden“, hätten der Berliner Morgenpost bestätigt, dass der Berliner Verfassungsschutz den Berliner Landesverband der A... als extremistischen Verdachtsfall eingestuft habe.

Eine Mitteilung diesen Inhalts genügt, trotz des im Eilverfahren herabgesetzten Überzeugungsmaßstabs, nicht zur Glaubhaftmachung. Die Mitteilung ist dem Antragsgegner schon nicht zurechenbar und gibt auch keinen hinreichend verlässlichen und damit ausreichend überzeugenden Aufschluss darüber, ob die Antragstellerin tatsächlich vom Antragsgegner als Verdachtsfall geführt wird. Der Pressebericht stammt nicht vom Antragsgegner, geht nicht auf seine Öffentlichkeitsarbeit zurück und ist auch nicht von ihm initiiert. Es handelt sich vielmehr um eine - von Dritten aufgestellte – bloße Behauptung, die sich auf (scheinbar) valide, aber nicht verifizierbare Quellen beruft. Damit beruht das Unterlassungsbegehren im Kern schlicht auf der Mutmaßung der Antragstellerin, sie werde als Verdachtsfall geführt.

Die (Dritt-)Erklärung ist dem Antragsgegner auch nicht wie eine eigene Erklärung zuzurechnen oder von ihm zu verantworten. Dem Umstand, dass der Antragsgegner die Presseberichterstattung nicht dementiert hat, kann kein Erklärungswert beigemessen werden. Der Antragsgegner ist (auch auf Vorhalt) nicht verpflichtet, sich zu der Berichterstattung zu verhalten. Einer Bestätigung oder einem Dementi wäre ein jeweils umgekehrter Erklärungsgehalt zu entnehmen. Mit einer entsprechenden Erklärungspflicht würde gleichsam eine anlasslose grundsätzliche Auskunftspflicht des Antragsgegners etabliert. Dies widerspräche den Maßgaben der §§ 31 und 32 VSG Bln, die die Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte von Betroffenen grundsätzlich regeln. Die Annahme einer solchen latenten Auskunftspflicht würde – gerade auch mit Blick auf das Phänomen sog. Fake News – die Gefahr einer Ausforschung des Erkenntnisstandes des Verfassungsschutzes und zu einer Gefährdung der behördlichen Aufgabenerfüllung des Antragsgegners führen.

Soweit die Antragstellerin auf eine aus Art. 20 Abs. 3 GG resultierende „anerkannte Dienstpflicht Auskünfte klar, wahr und vollständig zu tätigen sowie Missverständnisse auszuräumen“ verweist, gilt dies nur für vom Antragsgegner selbst verfasste, eigene Auskünfte. Eine „Garantenstellung“, die den Antragsgegner Kraft seiner hoheitlichen Stellung verpflichtete, unzutreffende Presseberichterstattung zu korrigieren, obliegt ihm nicht.

Eine solche Garantenstellung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die behauptete Tatsache „kausal denklogisch nur aus dem Verantwortungsbereich des Antragsgegners stammen kann“, wie die Beschwerde meint. Zwar besitzt allein der Antragsgegner originär Kenntnis davon, ob eine Organisation, ein Personenzusammenschluss oder eine Einzelperson tatsächlich einem Verdacht i.S.v. § 7 Abs. 1 VSG Bln unterliegt, so dass die Kenntnisse seiner Sphäre zugehören. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass er für alle diesbezüglichen (zutreffenden oder unzutreffenden) Presseberichte verantwortlich wäre und diese ihm zugerechnet werden können.

Der Einwand der Antragstellerin, ihr Anspruch auf effektiven Rechtsschutz müsse ihr ermöglichen, sich gegen den durch die mediale Verbreitung eingetretenen Schaden zur Wehr zu setzen, greift nicht durch. Sie hätte die verantwortlichen Urheber des Berichts presserechtlich in Anspruch nehmen können. Selbst wenn ihr dies nicht im Wege eines presserechtlichen Berichtigungsanspruchs möglich gewesen wäre, hätte sie ihre Rechte zumindest durch einen Anspruch auf Gegendarstellung geltend machen können.

b) Im Ergebnis gilt dies gleichermaßen bzw. erst recht hinsichtlich der vom Antragsgegner begehrten Unterlassung der Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel (Antrag zu 2.). In den von der Antragstellerin vorgelegten Presseberichten ist eine solche Behauptung schon nicht enthalten. Vielmehr weisen die Berichte lediglich abstrakt auf die gesetzlichen Folgen hin, die eine Verdachtseinstufung mit sich bringt. Sie erlauben jedenfalls potentiell, Verdachtsfälle im Rahmen des § 8 VSG Bln nachrichtendienstlich zu bearbeiten.

Der Antragstellerin steht indes auch diesbezüglich kein Unterlassungsanspruch zu. Zwar mag die bloße Möglichkeit des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel gegen die Antragstellerin, ihre Abgeordneten oder Mitglieder bereits einen weitreichenden Nachteil darstellen, da sie den innerparteilichen diskursiven Prozess beeinträchtigen kann. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Frage, ob die Möglichkeit nachrichtendienstlicher Bearbeitung überhaupt eröffnet ist, nur auf Spekulationen beruht. Allein der Umstand, dass durch die vorgelegten Presseberichte Anlass für die Antragstellerin bestand, über ihre Einstufung als extremistischer Verdachtsfall und dessen Rechtsfolgen zu spekulieren, verleiht ihr selbst dann keinen Unterlassungsanspruch, wenn die Spekulationen bzw. Gerüchte mittel- oder unmittelbare Auswirkungen auf die innerparteiliche Willensbildung hätten.

3. Die Beschwerde bleibt auch hinsichtlich des Antrags zu 3. erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat den Unterlassungsanspruch mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug nimmt, verneint. Ungeachtet der Frage, ob nach der Abgeordnetenhauswahl noch eine konkrete Wiederholungsgefahr angenommen werden kann, hat die Antragstellerin jedenfalls keine Rechtsverletzung dargelegt.

Entgegen der Beschwerde ist für die Ermittlung des Aussagegehalts einer amtlichen Äußerung weder das Sachlichkeits- noch das Neutralitätsgebot maßgebend. Diese Gebote markieren u.a. gemeinsam mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vielmehr die Grenzen rechtsstaatlich zulässiger amtlicher Äußerungen (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14 m.w.N.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 14. Februar 2020 - 4 CE 19.2440 - juris Rn. 43). Davon zu unterscheiden ist die vorgelagerte Ermittlung des Aussagegehalts der öffentlichen Erklärung. Für die Auslegung von Willensäußerungen der Verwaltung ist entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 1993 - 7 B 10.93 - juris Rn. 3) Die Auslegung von Erklärungen, die - wie hier - für eine unbestimmte Vielzahl von Personen Bedeutung erlangen können (Erklärungen an die Allgemeinheit), richtet sich dabei nach der Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Beteiligten oder Angehörigen des gerade angesprochenen Personenkreises (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juli 2018 - OVG 1 S 39.18 - juris Rn. 24).

Hieran gemessen ist der streitgegenständlichen Äußerung des Innensenators kein Werturteil über die Antragstellerin oder ihre Mitglieder zu entnehmen, sondern nur ein Werturteil über die Berliner Gesetzeslage. Die Äußerung des Innensenators steht erkennbar im Zusammenhang und direkten Bezug zu der vorangegangenen Antwort des Leiters des Verfassungsschutzes, M..., auf die Frage eines Reporters, wie der Verfassungsschutz Berlin die Berliner A... einstufe; ob die Partei inzwischen vom Geheimdienst mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werde. Herr F... hatte darauf geantwortet: „Ja, sie wissen ja, dass wir, uns nur äußern dürfen, zu Phänomenen die tatsächlich auch erkennbar verfassungsfeindlich sind. Insofern, also gesichert verfassungsfeindlich sind und insoweit, gibt es da von mir aus auch keine Äußerung zu der Frage“. Mit seiner folgenden Ergänzung: „Das Berliner, wenn ich das ergänzen darf, das Berliner Verfassungsschutzgesetz verbietet uns einfach an dieser Stelle öffentlich Stellung zu nehmen. So gern wir das auch würden“, erläutert der Innensenator den (Rechts-)Grund, aus dem Herrn F... die Beantwortung der Frage des Reporters versagt war. Der Innensenator unterrichtete die Öffentlichkeit damit über die einschlägige Rechtslage, deren Kenntnis Herr F...in seiner Antwort schlicht vorausgesetzt hatte. Auf diesen Umstand bezieht sich der streitbefangene Kommentar des Innensenators, „So gern wir das auch würden“. Mit diesem hat er erkennbar ein Bedauern über die in Berlin geltende Gesetzeslage zum Ausdruck gebracht. Für dieses Verständnis spricht mit Blick auf den objektiven Empfängerhorizont auch, dass im Bundesrecht und teilweise in anderen Bundesländern eine abweichende Rechtslage gilt, die schon eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit zulässt, wenn nur ein Verdachtsfall vorliegt. So erlaubt z.B. das Bundesverfassungsschutzgesetz in § 16 Abs. 1 BVerfSchG die Information der Öffentlichkeit über Verdachtsfälle (nicht aber über sog. Prüffälle, vgl. VG Köln, Beschluss vom 26. Februar 2019 - 13 L 202/19 - juris Rn. 68 m.w.N.). Im Übrigen setzt die dem streitigen Kommentar von der Antragstellerin beigemessene Aussage, der Innensenator hätte „sich hier gerne ‚abträglich‘ zur Antragstellerin geäußert“, unausgesprochen voraus, dass die Antragstellerin tatsächlich als Verdachtsfall beobachtet wird. Obgleich die Antragstellerin nicht klar formuliert, welchen Inhalt die „abträgliche“ Wertung zu ihren Lasten konkret gehabt haben soll, kann dies im Kern nur meinen, der Innensenator habe auf diesem Umweg, die Frage des Reporters nach der nachrichtendienstlichen Beobachtung der A...-Berlin öffentlich bejahen wollen. Dies unterstellt dem Senator nicht nur einen vorsätzlichen Verstoß gegen die von ihm zuvor erläuterte Gesetzeslage, sondern setzt voraus, dass die Antragstellerin tatsächlich als Verdachtsfall eingestuft worden ist. Diese subjektive Mutmaßung der Antragstellerin kann dem objektiven Empfängerhorizont indes nicht unterstellt werden.

4. Schließlich hat das Verwaltungsgericht zu Recht keine Veranlassung auf Androhung eines Ordnungsgeldes gesehen. Ein diesbezügliches Rechtsschutzbedürfnis, das auch bei der nur entsprechenden Anwendung der in § 123 Abs. 3 VwGO genannten zivilprozessualen Vollstreckungsregelungen erforderlich ist, kann der Senat nicht erkennen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner den ihm auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommen wird. Die im erstinstanzlichen Tenor ausgesprochene Löschungsverpflichtung hat er bereits erfüllt. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 hat er ferner ausdrücklich zugesichert, dass er es bis zur Entscheidung in der Hauptsache unterlassen werde, den gelöschten Text in jedweder Form zu verbreiten. Darüber hinaus hat er bereits (vorab) zugesichert, die Löschung (endgültig) vorzunehmen und die Verbreitung zu unterlassen, wenn ihm dies im Hauptsacheverfahren auferlegt werden sollte. Angesichts dieser umfassenden Unterwerfungserklärungen bezweifelt der Senat nicht, dass der Antragsgegner der zusätzlich ausgesprochenen Verpflichtung zur Richtigstellung durch eine Pressemitteilung ebenfalls nachkommen wird. Dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist damit, auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes (vgl. insofern VG Köln, Beschluss vom 26. Februar 2019 - 13 L 202/19 - juris Rn. 111), genüge getan.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.1.1 und 1.5 Satz 2 sowie 1.1.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, wobei es hinsichtlich der (Hilfs-)Anträge zu 4. und 5. sachgerecht erscheint, den jeweils angesetzten Auffangwert zu halbieren, da die Antragstellerin nur noch die öffentliche Bekanntmachung durch eine Pressemitteilung des Antragsgegners begehrt. Im Übrigen ist eine Reduzierung auf die Hälfte des Streitwerts aufgrund der faktisch beantragten Vorwegnahme der Hauptsache nicht angezeigt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).